„Wir sind hier, um Fußball zu spielen“

Geschrieben von: am 25. Nov 2022 um 17:02

Was haben wir diese Woche gelitten oder auch nicht. Deutschland verliert sein Auftaktspiel bei der WM in Katar gegen Japan, das, obwohl sehr defensiv eingestellt, plötzlich mit fünf Mann im Strafraum von Manuel Neuer auftauchte und das 1:1 erzwang. Da hat etwas mit der Kommunikation auf dem Platz nicht gestimmt. Ob es am symbolischen Mundzuhalten vor dem Anpfiff lag? Nein, aber wahrscheinlich daran, dass man sich bei dieser WM kaum mit Fußball beschäftigt.

Die Mannschaft hat verloren, aber dafür ein Zeichen gesetzt, weil das nach dem „Bindenskandal“ irgendwie erwartet worden war. Doch auch das reicht nicht, um Moralweltmeister der Herzen zu werden. Denn außerhalb Deutschlands interessiert sich niemand für diesen Haltungsunsinn. „Es wäre besser gewesen, wenn sie es nicht getan und gewonnen hätten“, sagte Belgiens Kapitän Eden Hazard. Und weiter erklärt er erfreulich klar: „Wir sind hier, um Fußball zu spielen, ich bin nicht hier, um eine politische Botschaft zu verbreiten, dafür sind andere Leute besser geeignet. Wir wollen uns auf den Fußball konzentrieren.“

So ist es, nur haben sich die Leute, die eigentlich besser für politische Botschaften geeignet sind, hierzulande schon zum Bückling vor eben jenem Regime gemacht, das nun die deutsche Fußballnationalmannschaft stellvertretend für sie mit einer komischen Binde am Oberarm kritisieren sollte. So fürs kollektive Gewissen der daheimgebliebenen Maulhelden sozusagen, die auch noch durch kluge Ratschläge aus dem Off auffallen. So hat der oben genannte Bückling bei Markus Lanz erklärt, dass er die Binde trotzdem tragen würde. Er hätte es darauf ankommen lassen. Natürlich, es geht ja auch um nichts wichtiges, wie zum Beispiel Flüssiggas.

Denn inzwischen weiß jeder, dass neben One Love fürs Poesiealbum von Haltungsdeppen, kurz: die Guten, vor allem One Energy auf dieser Welt zählt. Und die wird immer teurer, wie der naive Bückling kürzlich selbst feststellen musste. Mondpreise von Freunden, das geht gar nicht. Geht doch, wenn man mal begreifen würde, dass internationale Politik auf Interessen und nicht auf seltsamen Werten beruht.

Doch letztere zu repräsentieren, lastet vermutlich schwer auf einer jungen deutschen Mannschaft, die sich von intellektuell beschränkten Sportkommentatorinnen des ZDF im Regenbogenleibchen von der Tribüne aus beobachten lassen muss. Überhaupt trumpft der deutsche Sportjournalismus dieser Tage wieder auf, als man sogar herausfand, dass das Wort „Liebe“ auf dem Kragen des belgischen Auswärtstrikots auf Fifa-Befehl entfernt werden musste. „Liebe darf nicht am Kragen stehen“ empörte sich die Sportschau. Die Headline „Stummer Schrei nach Liebe“ wäre wohl etwas schmissiger gewesen.

Und dann alle im Refrain „Oh oh oh, Arschloch“

Nur trägt Gianni Infantino als ausgemachte Hassfigur (zurecht übrigens) keine Springerstiefel und ist auch kein Nazi. Vielleicht hat er manchmal Probleme, sich „arti zu kulieren“, aber Zärtlichkeiten gab es dann trotzdem mit der Bundesinnenministerin, die für die deutsche Öffentlichkeit extra nach Katar reiste, um ein Zeichen mit der verbotenen Binde am Oberarm zu setzen. Infantino war es wurscht, ob er nun neben Nancy Faeser oder Mohammed bin Salman sitzt.

Was lernen wir daraus? Nichts, denn noch immer weiß niemand, was da eigentlich auf dem Platz schiefgelaufen ist und wie die deutsche Mannschaft mit keiner echten, sondern lauter falschen Neunen das Blatt im Turnier noch wenden kann. Die bunten Binden und dämlichen Zeichen öden jedenfalls mächtig an, zumal Manuel Neuer, nur als Beispiel, auf dem Oberarm seines Bayern-Trikots ganz selbstverständlich den Schriftzug von Qatar Airways trägt. Nun gut, das eine ist die Nationalmannschaft, da hat man zu repräsentieren, das andere ist der Beruf, da hat man zu liefern. So etwas muss man wohl irgendwie trennen, auch wenn es für den Gewinn der WM-Trophäe dann doch noch eine Entschädigung von schlappen 400.000 Euro pro Spieler gebe.

Doch halt. Es gibt ja auch Regeln. Bei der Fifa nennt man sie Statuten. „Darin ist glasklar geregelt“, schreibt Michael Horeni in der FAZ, „dass die Kapitänsbinde zur sportlichen Ausrüstung zählt und ein Spieler bei entsprechenden Mängeln nicht am Spiel teilnehmen darf. Falls er es trotzdem tut, gilt das, was der lange Zeit beste deutsche Schiedsrichter, Manuel Gräfe, zu diesem Fall aus dem Stehgreif erläutern kann: als unerlaubtes Betreten des Spielfelds, als unsportliches Verhalten, das eine Gelbe Karte nach sich ziehen kann – und weitere Sanktionen durch die Disziplinarkommission.“

Das ist doch die Pointe, über die dann auch mal die moralinbesoffene deutsche Politik ein wenig lachen könnte. Hey Robert, hey Annalena und huhu Olaf. Das sind Statuten, man könnte auch von regelbasierter Ordnung im Fußball sprechen und die Androhung, sich darüber hinwegzusetzen als eine Aufforderung zur völkerrechtswidrigen Unsportlichkeit interpretieren. Schließlich hat die Fifa 211 Mitglieder und die Uno nur 193. Oder um es mit Eden Hazard zu sagen: „Wir sind hier, um Fußball zu spielen“, was eigentlich klar sein müsste, wenn man sich im Kopf auch damit und nicht mit lauter anderen Dingen beschäftigen würde, für die man ja 12 Jahre lang Zeit gehabt hätte. Hoffentlich steht dann beim zweiten Vorrundenspiel gegen Spanien auch das Sportliche im Vordergrund und nicht die Frage, welche sinnlose Haltungsgeste die deutsche Nationalmannschaft noch im Köcher hat.


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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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