Unerschütterliche Marktgläubigkeit

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In diesen Tagen scheint die Vernunft vollends über Bord zu gehen. Nationale Egoismen, Chauvinismus und billiger Populismus bestimmen das öffentliche Bild. Und Journalisten stehen entweder teilnahmslos daneben oder lassen sich einspannen in die Hetze gegen alles, was Auflage verspricht. Einige glauben auch, die Bildung eines deutschen “Tea-Party” Pendants geortet zu haben. Ich sehe das noch nicht, weil es dafür auch einer breiten Bewegung bedarf. Doch weder die Neonazis aus Meck-Pomm konnten bei den Menschen punkten, noch die Rechtsradikalen aus der FDP werden mit ihrer Haltung über Denkverbote auch nur eine sicher verlorene Stimme retten können. Dafür sitzt bei den Betroffenen die Erkenntnis, gar kein Hotel zu haben, doch noch zu tief.    

Wolfgang Gerhard, der Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung und ehemaliger FDP-Chef wurde heute Morgen vom Deutschlandfunk interviewt. Er ist sicherlich kein Rechtsradikaler, aber ein schlichtes und merkbefreites Gemüt von gestern, an dessen liberalen Zwangsgeist die Krise von 2008 buchstäblich vorbeigegangen ist. Er wird in den Nachrichten bloß mit der Aussage zitiert, dass die Debatte um die Griechenland-Hilfe kein Sprengsatz für die schwarz-gelbe Koalition in Berlin sei. Dabei hat er beiläufig das offen ausgesprochen, woran unsere politische Führungselite noch immer leidet. Marktgläubigkeit!    

Im Übrigen haben ja die Märkte eigentlich die desolate Situation in einigen Mitgliedsstaaten der Euro-Zone aufgedeckt, von der sich die Politik oft zurückgehalten hat, sie klar zu bewerten. Es wird bei uns so oft kritisch über Marktwirtschaft geredet. Der Markt deckt politische Fehlleistungen konsequent auf, und das ist in Griechenland klar geschehen. Dort haben Regierungen, gleich welcher Zusammensetzung, nicht die geringste Fähigkeit entwickelt, wirklich mit dem Euro etwas Positives an Chancen für ihr Land zu entwickeln.

Quelle: dradio

Wer nach IKB-Pleite, Lehman-Pleite, HRE-Pleite, Commerzbank-Pleite, der Bildung zahlreicher Bad Banks und einem riesigen Rettungsschirm für die Finanzmarktbranche noch mit seinem gelb lackierten Wagen angebraust kommt und behauptet, der Markt decke politische Fehlleistungen konsequent auf, der muss so furchtbar schnell unterwegs gewesen sein und so wenig von der Außenwelt mitbekommen haben, dass ihm der Flächenbrand auf den Märkten entgehen konnte.

Die politische Fehlleistung besteht doch wohl darin, dass permanente Marktversagen schlicht zu leugnen. Das Auf und Ab an den Börsen hat doch überhaupt nichts mit einem rationalen Verhalten zu tun. Wenn sogar so ein unterdurchschnittlicher Politiker wie Rösler mit einer Bemerkung über Denkverbote die Märkte in Bewegung versetzen kann, ist das ein vollkommen absurder Vorgang. Noch hirnrissiger ist allerdings die Reaktion der Regierungschefin, die ihre Koalitionspartner dazu aufrief, das Sprechen in verständlichen Worten und Sätzen wieder einzustellen und zum bewährten Sprechblasenkonzept zurückzukehren, bei dem selbst die Märkte daran scheitern, den Pudding an die Wand zu nageln.

Aber weil aus Sicht des liberalen Blindfahrers Gerhard die griechischen Regierungen in der Vergangenheit keine Fähigkeit entwickelt hätten, mit dem Euro etwas Positives anzufangen, muss man das Volk dafür bestrafen. Vielleicht will er ja doch noch mit Brüderle, Lindner und Rösler rechts abbiegen, um die zu unrecht kritisch beäugte Marktwirtschaft zu retten. Doch wer lediglich an den Markt glaubt, beweist nur, dass er die Marktwirtschaft nicht verstanden hat. 

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