Und täglich grüßt das Murmeltier: Zum Arbeiten ist es zu kalt und zum Einkaufen zu mild

Geschrieben von: am 31. Jan 2013 um 19:41

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos behauptete die Bundeskanzlerin wider besseres Wissen, dass das deutsche Wachstum im Augenblick vor allem von der Binnennachfrage getrieben würde.

“Wir haben alles getan, um den Binnenkonsum zu erhöhen.“

Quelle: Bundeskanzlerin

Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Nachdem der Konsumklimaindex der GfK mit den üblichen Bildern von vollen Kaufhäusern bereits wieder abgefeiert wurde, nimmt von den harten Zahlen des statistischen Bundesamtes zu den Einzelhandelsumsätzen kaum jemand Notiz. Dabei zeichnen die Daten erneut ein nüchternes Bild.

Im gesamten Jahr 2012 setzte der deutsche Einzelhandel nominal 1,9 % mehr und real 0,3 % weniger um als im Jahr 2011. Damit konnten die deutschen Einzelhändler im dritten Jahr in Folge nominale Umsatzsteigerungen gegenüber dem jeweiligen Vorjahr erzielen.

Doch selbst die amtlichen Statistiker können die Manipulation nicht lassen und werten es als Erfolg, dass die Einzelhändler das dritte Jahr in Folge immerhin noch nominale Umsatzsteigerungen erzielen konnten. Doch was heißt das schon? Nicht umsonst spricht man doch vom unbereinigten Wert. Nach Abzug der Inflationsrate bleibt eben ein Minus und nur das spüren die Einzelhändler in der realen Welt. Doch seltsamerweise argumentiert auch deren Verband abwegig mit den nominalen Zahlen und spricht von einem Stabilitätsanker für die deutsche Wirtschaft.

Auch auf dem Arbeitsmarkt ist die Rezession, von der sich Deutschland als vermeintlicher Musterschüler nicht einfach abkoppeln kann, selbst in den von der Behörde “bereinigten” Daten ablesbar. Um knapp 300.000 stieg die Arbeitslosenzahl im Monat Januar deutlich. Offiziell sind damit wieder über 3,1 Millionen Menschen ohne Job. Die Bundesagentur führt den Anstieg auf saisonale Effekte zurück. Das ist bequem und wohl auch der Grund dafür, warum die Leute nicht einkaufen gehen. Zum Arbeiten ist es zu kalt und zum Shoppen einfach zu mild.

773.950 Erwerbslose werden übrigens immer noch nicht mitgezählt:

  • Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld I und/oder ALG II: 193.390
  • Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten): 98.144
  • Förderung von Arbeitsverhältnissen: 3.360
  • Fremdförderung: 72.679
  • Beschäftigungsphase Bürgerarbeit: 28.480
  • berufliche Weiterbildung: 157.500
  • Aktivierung und berufliche Eingliederung (z. B. Vermittlung durch Dritte): 141.852
  • Beschäftigungszuschuss (für schwer vermittelbare Arbeitslose): 5.703
  • Kranke Arbeitslose (§126 SGB III): 72.842

Quelle: Die Linke

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. der-olli  Januar 31, 2013

    Zur letzten Buta Wahl waren 1,6 Mio in Maßnahmen! Und die fehlen auch in der Rechnung der Linken. Laut „Schätzungen“ der größten Behörde der Welt sind es derzeit 860 000. Die müsste man noch dazu addieren denn wie sonnst kommen die 7.085.000 Leistungsempfänger zusammen?

  2. Einhard  Januar 31, 2013

    Hach, die Winterpause im milden Dezember hat doch auch 2012 schon die Jahresendzahlen der Arbeitslosenstatistik gerettet…

  3. El-Dourado  Februar 2, 2013

    Zum Thema Arbeitslosigkeit und Wachstum….

    WSWS berichtet über die USA, die Wallstreet und die Obama Administration, die alles auf dem besten Wege sieht.

    Kältetote, hungernde Arbeitnehmer, Niedriglöhne…aber Hauptsache, den Banken geht´s gut. Die Realitäten sind auch bei vielen US-Bürgern nicht angekommen.

    Lese ich mich durch die deutschen Kommentarspalten, wo User ihren dazu verbreiten, dann weiß ich, warum wir (TM) diese ReGIERung immer noch haben. Einige sprechen von Vollbeschäftigung, wobei ich mir sicher bin, wenn man seine Grenze auch über den Tellerrand erweitern kann. Hier findet auch ein Krieg zwischen Geldadel und Arbeitnehmern statt. Weniger Rechte, karger Lohn und ewige Demut. Das Aufwachen muss erst noch gelernt werden. Wenn es nicht schon zu spät ist.

    • jenny  Februar 3, 2013

      es gibt wirklich viele Leute, die das glauben. Das mit Fachkräftemangel und Vollbeschäftigung. Und dem angeblich hohen Bedarf an Arbeitnehmern. Was ja überhaupt nicht dazu passt: im Landkreis OH z.B. arbeiten allein 45% der Frauen in Minijobs, insg. sind es 35% aller Arbeitnehmer dort. Wäre wirklich Fachkräftebedarf, dann würd ich wohl kaum nur so mickrige Minijobs mit Minibezahlung anbieten. Aus dem Bekanntenkreis meiner Eltern weiß ich auch, dass die meisten dieser Frauen v.a. entweder Teilzeitstellen oder sogar Vollzeitstellen möchten, aber nichts anderes mehr finden.

      und wenn man die Frauenerwebstätigkeit mit Skandinavien immer vergleicht, darf man nicht vergessen, dass da ca. 1/3 aller Arbeitnehmer im öffentl. Sektor arbeitet und zwar vornehmlich Frauen.

      das sind Schulen, Kitas (allein in Finnland 4 Erzieher für 13 Kinder!), Krankenhäuser und Altenheime (öffentlich), Sozialhelfer/arbeiter…

      in DE würd sowas nie funktionieren, da hier im ÖSektor Geld eingespart werden soll und Pflegeeinrichtungen gewinnorientiert arbeiten.

      Deshalb lässt sich die Beschäftigungssituation nicht vergleichen.

      um überhaupt genug Beschäftigung zu schaffen, müsste man in solchen Bereichen investieren. Auch in Ländern wie Australien ist der Hauptjobaufbau v.a. im Sozial und Gesundheitswesen.

      da seh ich in DE nur wieder das Problem Bildung und Weiterbildung. Die ARGE zahlt Umschulungen wohl nur 2jährig und ich frag mich überhaupt wieso hier so viele an eigentlichen Bedarf vorbeilernen.