Die Sache mit Maschmeyer und der Familienpflegezeit

Geschrieben von: am 10. Aug 2010 um 17:44

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder will die Familienpflegezeit. Das ist bekannt. Dabei hätte dann ein Arbeitnehmer Anspruch darauf, zwei Jahre lang nur die Hälfte der im Arbeitsvertrag festgeschriebenen Arbeitszeit bestreiten zu müssen, aber dennoch 75 Prozent des bisherigen Gehalts zu erhalten. Die dadurch freigewordene Zeit könnte der Arbeitnehmer dann seinen pflegebedüftigen Angehörigen widmen. Nach dieser, durch den Gesetzgeber freihändisch vorgegebenen Pflegezeit, müsste der Arbeitnehmer dann wiederum zwei Jahre voll arbeiten zu ebenfalls 75 Prozent des Gehalts, um seine Schuld gegenüber dem Arbeitgeber wieder abzutragen. So weit der Vorschlag der Ministerin.

Natürlich kann man bereits an dieser Stelle eine Menge Kritik äußern. Zum Beispiel, ob eine zweijährige Pflegezeitvorgabe der Pflegerealität entspricht oder ob es überhaupt Arbeitnehmer mit pflegebedürftigen Angehörigen gibt, die sich eine Gehaltskürzung um 25 Prozent leisten können. Gerade in Zeiten von sich ausbreitender Leih- und Zeitarbeit und eines wuchernden Niedriglohnsektors könnte man die Familienpflegezeit auch unter der Rubrik, an der Wirklichkeit vorbei, abheften.

Aber es kommt noch besser. Frau Schröder hat sich nämlich beraten lassen. Und zwar von der MaschmeyerRürup AG. Und die meinten nun, dass es auf Seiten der Arbeitgeber ein Risiko gäbe, falls der Arbeitnehmer seinen „Lohnvorschuss“ nach Ablauf der Pflegezeit durch nachfolgende Arbeit nicht mehr zurückzahlen kann. Für diesen Fall soll der Arbeitnehmer nun eine private „Lohnvorschussausfallversicherung“ abschließen. Kompetenten Rat fände der Arbeitnehmer dann wahrscheinlich bei der Ex-Firma von Carsten Maschmeyer, dem AWD, dessen Berater mit ziemlicher Sicherheit eine Police bei der Nürnberger Versicherung empfehlen würden. Die hat nämlich an dem Gutachten für das Familienministerium, in dem die Einführung einer solchen „Lohnvorschussausfallversicherung“ angeregt wird, mitgeschrieben.

Das Ministerium weist übrigens jegliche Vorwürfe gerade mit dem Argument zurück, dass die MaschmeyerRürup AG als angeblich unabhängiges Unternehmen das Gutachten anfertigte. Also dreister geht es ja nun wirklich nicht mehr.

Das Familienministerium sieht in der Beteiligung der Versicherung an dem Konzept dagegen nichts Verwerfliches. Die geplante „Lohnvorschussausfallversicherung“ sei nicht in Absprache mit der Versicherungswirtschaft erarbeitet worden, sagte eine Ministeriumssprecherin. Vielmehr habe man das Gutachten bei der MaschmeyerRürup AG in Auftrag gegeben und dieser Firma „keine Vorgaben hinsichtlich der Einbindung von weiteren Akteuren gemacht“.

Quelle: Welt Online

Auch Volker Pispers hat sich auf WDR 2 in seiner Dienstagsbotschaft diesbezüglich gemeldet und „Lohnvorschussausfallversicherung“ zu seinem neuen Lieblingswort gekürt. Dabei bringt er einmal mehr auf den Punkt, worum es bei diesem abenteuerlichen Vorschlag eigentlich geht. Und zwar nicht um eine Absicherung, sondern um die Sicherheit, dass die Kasse der großen Versicherungskonzerne auch weiterhin ordentlich klingelt. Die verdienen nämlich gut an der schleichenden Privatisierung der gesetzlichen Sozialversicherung.

Was bei Rente und Krankheit bereits praktiziert wird, soll nun auch im Bereich der Pflege eingeführt werden. Dabei ist die Strategie immer die gleiche. Die Umleitung von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung auf die Mühlen der privaten Versicherungswirtschaft. Ein Milliardengeschäft. Dafür lohnt es sich, ein paar Millionen für „Scheinexperten“, Gutachten, Kampagnen und Presseleute auszugeben. Der Gewinn ist immer bedeutend höher. Bei der Pflegeversicherung ist die schwarz-gelbe Koalition übrigens noch einen Schritt weitergegangen als unter den rot-grünen Rentenreformern. Dort soll die bisher geltende Freiwilligkeit durch die Pflicht, eine privat finanzierte Zusatzversicherung künftig abschließen zu müssen, ersetzt werden.

4

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge

Kommentare

  1. Ormuz  August 11, 2010

    Dises geldgeile Lumpenpack ist doch so widerlich, da fehlen einem doch alle Worte.

  2. Lesefuchs  August 12, 2010

    Wa solls. So lange die Masse stolz ist Nichtwähler zu sein, muss die Masse auch leiden. Nur hat die Masse noch nicht geschnallt, dass Nichtwählen oder ungültig wählen das bewirkt, was sie nicht will.
    Das es immer schlimmer für das normale Volk (der Nichtwähler) wird!

  3. Anonymous  August 12, 2010

    Wobei es interessant wäre mal zu erfahren, wie sich die Parteien herausreden wenn es auf einmal eine Wahlbeteiligung von 90% gibt und die Zahl der ungültigen Stimmen deutlich über den der „Volksparteien“ läge…

  4. xxHyFoxx  August 12, 2010

    @ Bjoern & Lesefuchs,

    den Nichtwaehler-, Ungueltigwaehler- & Alternativenwaehlertraum koennt ihr euch abschminken. Durch solch ein Verhalten wird es keine andere Politik geben. Eine moegliche Loesung dieses gordischen Knotens kommt nicht aus dem System heraus sondern von aussen.
    Die interessante Frage dabei ist ob es durch nackte Gewalt dazu kommt oder durch die innere Emigration der Bevoelkerung ala „macht euren Scheiß doch alleene“.

    Die parlamentarische Plutokratie hat fertig. Das alles hier ist nur noch Dead-man-walking.

    SMG
    xxHyFoxx