Zur Neujahrsansprache der Kanzlerin

Geschrieben von: am 01. Jan 2011 um 18:36

Zunächst einmal hätte ich als Bürger dieses Landes gerne den Text der Ansprache, um ihn Stück für Stück auseinander nehmen zu können. Aber ich habe gar keinen Zutritt zum Internet-Informationssystem der Bundesregierung. Da dürfen sich nur Journalisten einloggen, die bei der Anmeldung eine Reihe persönlicher Daten einzugeben haben, wie Name, Adresse, Arbeitgeber, Art der Anstellung, ob frei oder fest und die Position.

Alle anderen müssen sich das Video anschauen und sich die dümmlichen Formulierungen der Staatsratsvorsitzenden diktieren lassen. Da hat man schnell keine Lust mehr, überhaupt etwas darüber zu schreiben. Zum Glück stellen die von uns allen gebührenfinanzierten Medien Transkripte der Ansprache ins Netz.

Von dem ganzen Gesabbel ist es dann auch nur eine Passage, die ich näher besprechen will, um daran beispielhaft zu zeigen, dass es mit „Dinner for One“ nur eine Sendung zum Jahreswechsel gibt, die man immer wieder anschauen und über deren Inhalt man jedes Jahr auf’s Neue lachen kann. Immerhin haben den Kultsketch in den dritten Programmen mehr als vier Millionen Zuschauer verfolgt. Aber die Neujahrsansprache der Kanzlerin sahen sogar etwas mehr als sieben Millionen.

Was hatten sich diese Menschen erhofft? Eine Frau Bundeskanzlerin, die ähnlich überraschend wie der Bundespräsident im Stehen zum Volke spricht oder eine Regierungschefin, die als Miss Sophie verkleidet, den 90. Jahrestag ihrer Regentschaft feiert und dabei ihren Diener James Pofalla dazu verpflichtet, die Drinks für die imaginären Gäste „Kotz“ Koch, Köhler, von Beust, Rüttgers, Wulff und Oettinger in sich hineinzukippen, während er ständig über das auf dem Boden liegende Tigerfell mit dem Konterfei von Friedrich Merz stolpert?

Oder wollten die Menschen tatsächlich den Worten der Mutti lauschen? Ich denke, viele sind einfach von der Sendung im Anschluss an die Hauptnachrichten heute und Tagesschau überrumpelt worden.

Aber nun zur angesprochenen Passage.

„Gemeinsam haben wir Enormes geleistet. Wir haben erfahren, was möglich ist.

Das ist wichtig, denn wir Deutschen sind uns unserer Stärken selbst nicht immer bewusst. Unsere Fußball-Nationalmannschaft hat in Südafrika ganz wunderbar genau die Tugenden gezeigt, die uns stark machen: Fleiß und Disziplin, Ideenreichtum und Technik auf höchstem Niveau.“

Nein, Deutschland hat die WM nicht gewonnen, sondern ist kläglich einmal mehr am Defizitsünder Spanien im Halbfinale gescheitert. Wahrscheinlich auch deshalb, weil Merkel nach dem grandiosen Viertelfinalsieg über die Argentinier in die Kabine marschierte und den Spielern androhte, zum Finale wiederkommen zu wollen. Denn zu einer deutschen Fußballtugend gehört es zweifelsfrei, dass seit eh und je Funktionsträger aus ihren Ehrenlogen in die Katakomben der Stadien stolzieren, um sich im Schweiße der Kicker zu suhlen und anschließend nach einem gemeinsamen Bier und dem Anblick halbnackter Männer von einem Traum zu reden.

Das konnte nicht gutgehen. Merkels Problem ist die Wahrnehmung, die sie in sedierender Weise auch auf das Volk überträgt. Allein die Beschwörung deutscher Tugenden reicht nicht aus, um über die offen zu Tage liegenden Defizite hinwegzukommen. Aber es ist schon durchaus bezeichnend, wie ruhig das deutsche Volk es hinnimmt, dass es trotz Fleiß und Disziplin kaum ein höheres Niveau erreichen kann, vom höchsten einmal ganz zu schweigen.

Denn Wohlergehen und Wohlstand – das heißt nicht nur „mehr haben“, sondern auch „besser leben“.

Ihr sollt nicht mehr haben, sondern besser leben, indem ihr für andere da seid. Zum Beispiel für Event-Manager, Banker, Börsenanalysten, Unternehmensberater und FDP-Jungschnösel, die allesamt nichts können, nichts produzieren außer heißer Luft, aber ne Menge Kohle damit verdienen, weil es inzwischen zu einer deutschen Tugend geworden ist, Rettungsschirme aufzuspannen, die nun ganz offen unter dem Stichwort Solidarität firmieren, in Wirklichkeit aber nichts weiter sind, als die legale Absicherung von Verlusten, die durch kriminelle Machenschaften der oben genannten Berufselite zu Stande gekommen sind.

Mit dieser Erkenntnis lebt man eben auch besser, obwohl man nicht mehr hat.

Oder doch nicht???

5

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Manfred Corte  Januar 1, 2011

    … ich habe mir bewußt diese Ansprache ans Volk angetan. Purer Masochismus. Wenn man die Realitäten im Kopf hat, und mit dem heuchlerischen Geschwafel und dem abgesonderten Floskel-Sortiment vergleicht, hat man ‚was zu lachen! Realsatire pur! Dann wird es erträglich, weil man es besser weiß. Lachhaft! Und so macht Masochismus richtig Spaß! Ich frage mich nur, wie und wie lange unsere Kanzlerin und die Politik noch diese geballte Verachtung etragen können, die ihnen von den Bürgern entgegenschlägt? Es soll ja sogar immer noch Leute geben, die ihre Partei wählen! Und wie könnte man denn diese „entartete Demokratie“ ändern, die wir heute haben? Gbit es da Hoffnung – im Neuen Jahr 2011? Ich wandle am Rande der Resignation ….

  2. Ormuz  Januar 1, 2011

    Ja schon blöd, wenn man „Tugenden“ von anderen fordert, die man selbst nicht hat … deswegen haben bestimmt auch 75 Millionen die Ansprache gar NICHT erst geguckt ;)

  3. Manfred Corte  Januar 1, 2011

    Von Merkel-Sprech zu Klar-Text

    Ich habe mir die Mühe gemacht, die gestelzte Neujahrsansprache der Teflon-Tussi in Normalsprech zu übersetzen:

    Zyklisches Stimmvieh, hier ein Beruhigungsmittel,

    regt euch nicht auf, es hilft ohnehin nicht: Ich wundere mich selbst, daß ihr mich nun schon wieder ein weiteres Jahr ertragen habt, obwohl ich euch durch unzureichende Vorbeugung und Liberalisierung eine Krise der Finanzbranche eingebrockt habe, die ihr jetzt bezahlen müßt – und eure Kinder und Enkel später. Für mich wurde es also ein überraschend gutes Jahr – und damit natürlich kein gutes für euch Bürger. Aber für die Banker.

    Eines freut mich: Durch Manipulationen der Statistik und andere Gaunereien, konnten wir für ganz Deutschland seit 20 Jahren verhindern, daß die wahre Arbeitslosigkeit und die Wahrheit darüber ans Tageslicht kam. Dies ist uns auch 2010 durch viel Leichtgläubigkeit wieder gelungen.

    Deutschland ist so erfolgreich in der Krise, weil Sie Tag für Tag von Ihrer Arbeit und Existenzangst abgelenkt sind. Sie sind schon frühmorgens auf den Beinen. Sie arbeiten im Schichtdienst, an Sonn- und Feiertagen. Sie kümmern sich um Aufträge und um Ihre Mitarbeiter. Wir führen eine kreative Buchhaltung, wir hinterziehen Steuern und häufen Schulden an. Sie amseln sich ab im Alltag, zu unserem Wohl. Zum Wohl der undankbaren und raffgierigen Eliten, die niemand mag.
    Für sie haben Sie Enormes geleistet. Wir haben erfahren, was möglich ist. Das ist wichtig, daß Sie sich bewußt sind, daß Schwache immer ausgenutzt werden. Unsere Fußball-Nationalmannschaft hat in Südafrika ganz wunderbar genau die Tugenden gezeigt, die uns als Elite so reich machen: Fleiß und Disziplin der anderen, Ideenreichtum und Technik auf höchstem Niveau. Und den Sieg Schwächeren überlassen. Das macht uns stark.
    Nur ein Wort noch zum Fußball: Wenn nächstes Jahr die Frauen-WM in Deutschland stattfindet, dann ist dies eine willkommene Ablenkung. Nicht umsonst, findet das Eröffnungsspiel in Berlin statt. Wir hoffen daß Sie genau zuschauen, und damit von unseren anderen, zeitnahen Schweinereien abgelenkt sind.

    Europa steht in diesen Monaten inmitten einer großen Währungsprobe. Wir müssen die Banken mit viel Euros stärken. Dabei geht es nicht um unser Geld, sondern um Ihres. Der Euro ist ja weit mehr als eine Bewährung. Nein, er ist Garant für Unfrieden und Freizeit. Der Euro ist Grundlage unseres Wohlstands. Deutschland braucht Europa und keine gemeinsame Währung. Für unser eigenes Wohlergehen.

    Viele Deutsche nehmen Verantwortung noch für wahr, auch wenn es bei dieser Politik sehr schwer fällt. Unsere Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan mussten in diesem Jahr den Tod von neuen Kameraden verkraften. Auch wenn kein Wort von irgendwem, schon gar nicht von mir das unnötige Leid mildern kann, muß ich mit Schmerzen sagen, alles vergeben und vergessen. Das kann nicht gesund sein.

    Die Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan haben mir erzählt, daß wir Politiker sie in die Wüste geschickt haben – ohne Not. Viele Menschen dort, auch der Unbekannte Soldat, hat dort sein Marschgepäckchen zu tragen. Sie bedanken sich ausdrücklich dafür, darum haben sie mich gebeten. Das tue ich hiermit sehr, sehr gerne, und ganz umsonst.

    Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, so wie wir ohne Hoffnung in die Zukunft blicken, so tun das auch die Menschen in anderen Teilen der Welt. Auch sie sehen mit Entsetzen, wie sich unser Land entwickelt hat. Damit fordern sie auch uns Deutsche heraus, nicht stehen zu bleiben. Der Weg in den Abgrund beginnt mit dem nächsten Schritt.

    Die unchristliche Bunderegierung setzt alles daran, im kommenden Jahr weitere Schikanen und Enteignungen einzuführen. Ihr werdet also mit jeder Maßnahme weniger Brutto und weniger Netto haben. Da können Sie sicher sein. Auch bei der Rente.

    Wichtig für die Gewinnmaximierung: Wir wollen die Statistik weiter manipulieren und den Niedriglohnsektor und die Zeitarbeit erweitern, damit der Normalverdienst durch Lohndrückerei endlich auf Hungerlohnniveau für alle gesenkt werden kann. Dazu werden wir einen menschenunwürdigen Minderlohn einführen.

    Und wenn ihr nicht endlich selbst mehr Kinder zeugt, holen wir noch mehr fruchtbare Ausländer in unsere zerfledderten Sozialsysteme, die ihr aufopfernd angespart habt und wir unrechtmäßig geplündert haben.

    Wir versuchen ernsthaft, die Bevölkerung möglichst bildungsfern zu halten, erschweren und verteuern das Studieren und verteilen Konfetti in den Kindertagesstätten, damit es dort lustiger zugeht und die Eltern ruhiggestellt sind.

    Wir setzen Sie weiter rücksichtslos Verstrahlungsgefahr durch Atomkraftwerke und wilde Deponien aus und sehen zu, wie sich die Stromkonzerne mit Wucherpreisen an ihnen bereichern. Unbezahlbar, unsere Energievorsorge für Millionen. Umwegweisend.

    Die Verteidigungsstreitkräfte werden in flexible Milizen und ein Bandenwesen verwandelt, die flexibel auch im Inneren zum Schutz von Staat und Politikern eingesetzt werden können und die zusammengelegten Ministerien der Bundesschutzpolizei, des Verfassungsschutzes und der Bundeskrimellenamtes mit Militärgerät tatkräftig unterstützen. Der Zivildienst wird durch eine Gesinnungspolizei abgelöst. Dies ist verfassungswidrig, ich weiß, aber wir brauchen hier Soldaten. Es ist aber eine Schande für unser Land, daß es Menschen gibt, die hier dem Staat bisher im Weg standen. Ich danke den vielen Menschen, die uns bisher schon dabei, glücklicherweise fast unbemerkt geholfen haben, und rechne auch weiterhin mit ihrer verdeckten Mitarbeit.

    Wir müssen einfach noch mehr Nützliche Idioten rekrutieren, die unentgeltlich die Drecksarbeit leisten, für deren Erledigung ihr uns eigentlich gewählt habt und die ihr uns mit viel Steuergeld alljährlich bezahlt.

    Ungeliebte Wutbürger, ja, das ist das traurige Deutschland unserer Tage. Das alles trägt zur Entsolidarisierung und zur Gruppenbildung und Spaltung bei. Wer braucht schon persönliches Wohlergehen? Frage nicht was der Staat tut, sondern was Du besser nicht tust. Der Staat braucht die Bürger nicht für seine Existenz, aber der Bürger existiert nur für den Staat. Wer es besser machen will sieht schnell ein, es geht nicht. Man darf nicht nur keine Ideen haben, sondern muß auch unfähig sein, sie umzusetzen!

    Der Philosoph Karl Popper hat einmal gesagt: „Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Sie macht uns alle“. Lassen Sie uns diesen Unsinn auch noch mit Ideenlosigkeit füllen, neue Leiden schaffen für Sie alle und mit einem Blick den Nächsten lieben, so schnell er kann.

    Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien für dieses Jahr Zufriedenheit beim Rückschritt auf allen Wegen.

    Ich Unschuldsengelchen mit den kalten Händen

    • Bernd Krabbe  Januar 3, 2011

      das bezieht sich wohl auf die gesamte Politik der Kanzlerin:
      „geht nicht, gibts nicht“. Dies ist aber nur ein kleiner Teil eines Spruches, den ich schon seit 60 Jahren kenne „was nicht geht, das gibt es nicht – und wenn es kaputt geht, aber es geht!“
      Dieses Motto scheint die gesamte Regierung in allen Fachbereichen zu haben, bis hin zum Einsatz der Bundeswehr. Es lebe der Aktionismus!

  4. Dr Valentin  Januar 4, 2011

    Leute, nennt diese fürchterliche Frau nicht immer „Mutti“. Sie hat doch nun wirklich nichts mütterliches an sich, ist ja auch glücklicherweise nicht Mutter.Von einer Mutter erwarte ich, dass sie sich um ihre Kinder kümmert. Alles andere sind höchstens Rabenmütter.