Im irischen Nachtwächterstaat ist es schlagartig hell geworden

Geschrieben von: am 22. Nov 2010 um 13:02

Ursprünglich wurde der Euro-Rettungsschirm aufgespannt, um die Märkte zu beruhigen. Finanzminister Schäuble wurde nicht müde zu betonen, dass es sich bei den Milliarden lediglich um Garantien handeln würde, also eine Form von Geld, das den Steuerzahler nix kostet. So wurde das verharmlosend begründet. Der Bundestag entschied vor gut einem halben Jahr mal wieder binnen einer Woche über ein Gesetz, dass die Abgeordneten nicht kennen konnten, weil wesentliche Grundlagen dieser Regelung, wie die Existenz einer Zweckgesellschaft, die über den Einsatz der Garantien wachen sollte, zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vorhanden waren.

Nun hat sich nach langem hin und her auch der ehemalige Musterschüler der Eurozone Irland dazu entschlossen, die vorgehaltenen Hilfen in Anspruch zu nehmen. Welch Überraschung. Bei einem Staatsdefizit von 32 Prozent (erlaubt sind bekanntlich 3 Prozent) und einem Schuldenstand von 110 Prozent ist das auch kein Wunder.

Im Unterschied zu Griechenland, das seine Haushaltszahlen manipulierte und ein hohes Leistungsbilanzdefizit verzeichnete, hat Irland einen sauberen und sehr transparenten Absturz hingelegt. Der Grund liegt an einer gigantischen Immobilienblase, die zunächst für Wachstum, einen ausgegelichenen Staatshaushalt mit gelegentlichen Überschüssen (bis 2007) sorgte, aber letztlich platzte wie andere Blasen auch. Der irische Staat sprang ein und garantierte ebenfalls für die Verluste der Banken. Und obwohl die Leistungsbilanz ausgeglichen war, man kann also kaum von einem Leben über den Verhältnissen sprechen, wuchs der Schuldenberg und das Defizit rasant an, da der irische Staat noch mehr als alle anderen Eurozonenmitglieder auf Steuereinnahmen verzichtet.

Im irischen Nachtwächterstaat ist es schlagartig hell geworden. Die massive Verschuldung des privaten Sektors wollte man im Dunkeln nicht erkennen. Man erfreute sich lieber am eigenen Staatshaushalt und vergaß darüber den Unterschied zwischen Volks- und Betriebswirtschaft. Nun bürgt der Staat, der sich eigentlich aus den Geschäften der Privaten heraushalten sollte, doch für deren Zockereien und Luftbuchungen. An den früheren und künftigen Gewinnen zeigt er indes noch immer kein Interesse. Und mehr noch. Er rettet nicht nur die eigenen Banken, sondern vor allem die im Ausland sitzenden Gläubiger.

Allein die deutschen Banken haben über 100 Milliarden Euro nach Irland verliehen. Dank Merkel und der EU sind deren Risikogeschäfte nun abgesichert. Denn die irische Regierung plant das eigene Volk ähnlich brutal auszupressen, wie die griechische das ihrige. Josef Ackermann wird’s freuen und sein treuer Untergebener Wolfgang Schäuble wird auf der politischen Bühne schon dafür sorgen, dass die Renditeströme gen Deutsche Bank erhalten bleiben.

In diesem Zusammenhang muss man noch einmal auf die Kanzlerin zu sprechen kommen, die ja vollmundig ankündigte, dass künftig auch private Gläubiger zur Kasse gebeten werden sollen. Das klingt natürlich nicht verkehrt, wenn da der konkrete Termin nicht schon bekannt wäre. Denn private Gläubiger sollen erst bei Kreditgeschäften ab dem Jahr 2015 mithaften dürfen. D.h., dass die jetzigen 750 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm problemlos abgegriffen werden können. Der Witz ist doch der, dass die Gläubiger, die für risikobehaftete Kredite hohe Zinsen kassieren jetzt auch nach dem Eintritt des Risikos davon profitieren, dass der Steuerzahler die Rückzahlung der Schulden garantiert.

Im Fall Irlands ist das besonders grotesk, weil nicht der irische Staat durch hohe Ausgaben für den Sozialbereich, für Renten, Kinder, einen öffentlichen Dienst oder ähnliches in die Schuldenfalle geraten ist, sondern einzig und allein durch die Rettung privater Banken, die sich beim Zocken gehörig verhoben hatten. Was wäre eigentlich so schlimm daran, diese Zockerbuden einfach pleite gehen zu lassen? Wie viel würde denn Ackermann tatsächlich verlieren? Wahrscheinlich nur Peanuts. Aber er könnte eben nicht mehr 25 Prozent Eingenkapitalrendite garantieren.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Gerd Westrup  November 22, 2010

    Sie bringen schriftlich auf den Punkt, was ich bisher nur zu denken wagte. Weiter so!