Bankentribunal – "Das Volk muss selbst Anklage erheben!"

Geschrieben von: am 11. Apr 2010 um 11:05

Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten eröffnete das Attac-Bankentribunal. Hier der Audio-Mitschnitt seiner Rede:

Quelle: NachDenkSeiten
Quelle: Youtube (siehe unten)

Ganze Staaten seien in die Fänge einer skrupellosen Finanzwirtschaft geraten, die, der Logik der Mafia folgend, ihren wahren Charakter verberge. Das Bankentribunal sei unersetzlich, weil es der bisher erste und gemeinsame Versuch sei, der Moral und der Gerechtigkeit, auch in der Öffentlichkeit wieder zum Durchbruch zu verhelfen. Den Begriff Moral hätte ich jetzt weggelassen, da er bereits negativ durch den Bundespräsidenten besetzt wurde. Der Bundeshorst sieht ja die Gründe der Finanzkrise in persönlichen Verfehlungen von einzelnen, gierigen Menschen, deren moralische Instanzen versagt hätten. So ist das freilig nicht, wenn ich mir die Logik mafiöser Strukturen vor Augen führe.

Es gehe schließlich um Betrug, Hehlerei und Erpressung, der quasi die Außerkraftsetzung parlamentarischer und damit demokratischer Kontrolle folgte.

„Dem Betrug und der Hehlerei folgte die Erpressung.
Wie etwa im Protokoll der zum Drama hochgespielten Nachtsitzung anlässlich der Rettung der Hypo Real Estate nachzulesen ist, drohte der Deutsche Bank-Chef Ackermann mit dem „Tod des deutschen Bankensystems“ als er und die versammelten Top-Banker der Kanzlerin und dem Finanzminister über Telefon die erste Rate von 8,5 Milliarden Staatsgelder abpresste. Dass das nur die erste Abschlagszahlung war, das wussten die versammelten Banker mit ziemlicher Sicherheit schon an diesem Abend.

Sich durch Androhung eines empfindlichen Übels zu Lasten eines anderen zu bereichern, das erfüllt den Tatbestand der Erpressung.

Das Parlament hat sich bei diesen epochalen Entscheidungen selbst entmachtet und bis heute ist der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung – SoFFin – einer echten demokratischen Kontrolle entzogen. Über eine halbe Billion an Steuergeldern – das ist mehr als das Anderthalbfache des Bundeshaushalts und mehr als ein Fünftel der Jahresleistung unserer gesamten Volkswirtschaft – wird quasi ohne öffentliche Kontrolle von einem Netz von Verursachern der Krise verfügt.“

Man kann das Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom Herbst 2008, ein Eilgesetz, welches binnen einer Woche von Bundestag und Bundesrat versabschiedet und vom Bundespräsidenten unterzeichnet wurde, auch als das bezeichnen, was es ist. Ein Ermächtigungsgesetz! Man muss sich das mal vorstellen. Dieses Gesetz, das die Schaffung des SoFFin beinhaltet, ist ganz offenkundig verfassungswidrig, weil es das Haushaltsrecht des Parlaments defacto außer Kraft setzt und die Kontrolle über eine unvorstellbare Summe in die Hände des Bundesfinanzministers übertrug, sowie einer im geheimen tagenden Gruppe von Parlamentariern, die den Anschein von öffentlicher Kontrolle wahren sollen, aber selbst unter Strafandrohung öffentlich kein Wort über das verlieren dürfen, was hinter verschlossenen Türen besprochen wird, geschweige denn, etwas ablehnen oder beschließen dürfen.

Dabei wäre eine echte parlamentarische Kontrolle die Grundvoraussetzung, um überhaupt gewährleisten zu können, dass öffentliche Hilfen nicht wieder missbraucht und zurück in den Zockereikreislauf mafiös organisierter Banken geleitet würden. Denn…

„Von den Bankern Aufklärung oder gar Abhilfe zu erwarten, hieße die Frösche zu befragen, ob der Sumpf trocken gelegt werden darf.

Das rafinierteste Gauklerstück war die Erfindung des Begriffs „systemrelevant“. Banken, die „systemzerstörend“ handelten, wurden für „systemrelevant“ erklärt. Unter dem Tarnwort „systemisches Risiko“ organisierte der Staat eigentlich strafbare Insolvenzverschleppungen zahlreicher Banken.
Kaum jemand wagt es zu sagen, dass dem „systemischen Risiko“ eine „systemische politische Korruption“ vorausging.
Bis heute hält die Regierung die Namen der Gläubiger geheim, die auf Staatskosten bedient wurden. Die Bürger müssen bluten, aber für wen, das sollen sie nicht wissen.“

Damit schließt sich auch der Kreis bei der juristischen Verfolgung von Verbrechen, die durch Banker, Berater, Politiker im Auftrag des Kapitals begangen wurden. Die Justiz sei machtlos angesichts der finanziellen Größe der Beklagten. Sie können sich das Recht buchtäblich kaufen und kontrollieren zudem die veröffentlichte Meinung. Denn während die staatlichen Verfolgungsbehörden systematisch ausgeblutet werden, da spielt die Politik ihre Rolle nahezu perfekt, siehe z.B. die hessische Steueraffäre oder den Fall Zumwinkel, kann sich die Kapitalseite zurücklehnen und darauf vertrauen, wenn überhaupt, mit einem milden Urteil bestraft zu werden, da man an der Aufklärung seiner eigenen Verbrechen gönnerhaft mitwirkt, und damit den überforderten Verfolgungsbehörden die Lösung der komplizierten Fälle erst ermöglicht.

„Gegen Systemkriminalität gibt es offenbar kein Sanktionsrepertoire. Die unerhöhte Höhe der Schäden, übersteigt die Kraft einzelner Menschen zur Kompensation.
Dem „Too big to fail“ folgt das „too big for justice“.

Es gibt also keine Gleichheit mehr vor dem Gesetz, sondern vielmehr eine mit Geld konstruierte Scheinwirklichkeit, die dabei behilflich ist, schuldhaftes Verhalten zu verschleiern oder begründeten Zweifel an der Schuld zu säen. Es sei die gekaufte wissenschaftliche Expertise, die nicht nur der Politik als Begründung für falsche Entscheidungen dient, sondern auch die Rechtssprechung nachhaltig beeinflusst.

„In seinem unbelehrbaren Dogmatismus hat der Mainstream der Wirtschaftswissenschaft nicht nur die Prinzipien der Wissenschaftlichkeit verraten, viele sog. „unabhängige“ Experten hängen sogar unmittelbar am Brotkorb der Finanzwirtschaft und ihrer PR-Agenturen.

Für sie gilt nach wie vor: Umso schlimmer für die Praxis, wenn sie unserer Theorie nicht entspricht.“

Und die Medien versagen auf ganzer Linie. Auch wenn man ihnen nicht unterstellen will, dass sie absichtlich manipulieren, absichtlich Kampagnen fahren, um die Gehirne der Menschen zu waschen, dann doch aber Dummheit bei der Betrachtung und Bewertung der Vorgänge, die nicht zuletzt zum selben Ergebnis führen. Denn was der Leser oder Zuschauer nicht durch diejenigen erfährt, die originär für die Vermittlung von Nachrichten und Politik verantwortlich sind, sie sich ihrem Selbstbild entsprechend, als vierte (Kontroll-)Gewalt im Staat verstehen, dann bedarf es mühsamer Eigenarbeit, um sich die entstandenen Defizite selbst anzueignen. Die Wenigsten werden das aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen tun und sich dem transportierten Meinungsbild schlichtweg ausliefern oder ohnmächtig ergeben, wie Wolfgang Lieb es sagt. Deshalb ist die Schaffung einer Gegenöffentlichkeit so wichtig. Es muss nämlich einfach sein, sich umfassend zu informieren! Das wird in der Gehirnwäschediskussion immer wieder vergessen. Eine arbeitsteilige Welt erfordert auch Arbeitsteilung. Nicht jeder kann alles. Deshalb ist Manipulation auch so leicht möglich, wenn die Medien ihren Job nicht richtig erledigen. Bei uns Deutschen sowieso, aber das hat zudem spezifisch gesellschaftliche Gründe.

Dieses Bankentribunal soll ein Beitrag zur Aufklärung sein. Ein Beitrag, der daran erinnert, dass das Volk eine Stimme hat und nicht bloß Untertan einer Elite ist, die bestimmt, wo es lang geht.

Leider erheben weder die Volksvertretungen, noch Gerichte im Namen des Volkes Anklage. Offenbar muss das Volk selbst Anklage erheben. Und welcher Ort wäre dazu passender als eine „Volks“bühne.

Wir fühlen uns aufgefordert und ermächtigt anzuklagen durch unser Grundgesetz. Dort heißt es im Artikel 20: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.““

Ergänzend zu Artikel 20, Abs. 2 sollte man auch den Abs. 4 zitieren:

Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

;)

Audio-Mitschnitt:


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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Teja552  April 11, 2010

    Dieses ganze Pack müsste in der Tat vor ein ordentliches Gericht!