Ökonomischer Analphabetismus

Geschrieben von: am 14. Nov 2012 um 13:16

Während sich die deutsche Journaille hauptsächlich um den Gemütszustand von Claudia Roth Gedanken macht, fallen punktuell auch Bemerkungen über die Eurokrise. Zwei der dämlichsten will ich mal nennen:

“Nötig sind die schmerzvollen Einschnitte gleichwohl. Sie dienen ja nicht als Selbstzweck, sondern zur Sanierung des portugiesischen Haushalts.“ (Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung)

Das ist in etwa so, als würde man es richtig finden, mit dem Auto vor die Wand zu fahren, damit es zurück in die Spur findet. Sollte es nach dem Crash nicht mehr funktionieren, liegt das aber nicht an dem Aufprall, der zur Zerstörung von Motorraum und Fahrwerk führt, sondern an der geringen Geschwindigkeit, mit der gefahren wurde. Falls die Insassen den ersten Aufprall überlebt haben, wird man ihnen genau das vorwerfen, nachdem man sie für ihre Leidensfähigkeit kurz bewundert hat. Merkel sprach sogar von allergrößter Hochachtung.

“Dass die Kreditgeber ihre Milliardenhilfen an Sparauflagen knüpfen, ist nachvollziehbar.“ (Quelle: Neue Westfälische aus Bielefeld)

Wenn man so einen Scheiß liest, ist nur allzu nachvollziehbar, warum Zeitungen hierzulande Insolvenz anmelden müssen. Das liegt nicht an wegbrechenden Anzeigenkunden, sondern an der erschreckenden Inkompetenz, die durch Sparauflagen in den Redaktionen geradezu inflationär befördert wird. Das Denken wird abgeschafft und durch Sprechblasen ersetzt. Einfachste Zusammenhänge werden nicht mehr verstanden. Es ist doch nicht nachvollziehbar, Kredite an Sparauflagen zu knüpfen, die nachweislich zum Crash ganzer Volkswirtschaften führen und damit das Risiko des Kreditgebers offenkundig erhöhen. Es sei denn, der Kreditgeber wettet an anderer Stelle auf den Ausfall seiner eigenen Forderungen.

Aber die Solvenz des Schuldners, die jeder Gläubiger zwingend braucht, ist gar nicht das Ziel, sondern eine perfide Lust an der Zerstörung oder Unterwerfung anderer.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. landbewohner  November 14, 2012

    angenehmer nebeneffekt dieses „qualitätsjournalismus“ ist imerhin, daß mehr und mehr dieser schmierenblättchen pleite gehen und die schreiberlinge dann mal die sache mit dem sparen als neuhartzis an sich selber erproben dürfen.
    das gejammer der schreiberlinge wegen der arbeitsplatzvernichtung ist angesichts ihres jahrelangen versagens als unabhängige 4. gewalt geradezu peinlich.

    • adtstar  November 14, 2012

      Wobei man da unterscheiden muss. Das Problem sind nicht unbedingt die Redakteure in den Verlagen, die werden ohnehin immer weniger, sondern die Agenturen, die sich im Enddarm des politischen Berlins eingerichtet haben und Meinungen und Berichte an die Verlage verteilen. Dieser Schrott wird landauf landab gedruckt und nervt die Leser.

      • Kopfstaendler  November 16, 2012

        „Agenturen, die sich im Enddarm des politischen Berlins eingerichtet haben „

        jetzt ahne ich, woher das hübsche Wort „brown nosing“ kommt. Es muss der Dreck sein, der an der Nase hängen bleibt, wenn man einen Hintern küsst oder im Enddarm sein Profil verliert.

        Manche mögen ein warmes Plätzchen. Aber wo bleibt der Aufschrei des Volkes? Verstehen die Menschen nicht, dass es sie ebenfalls treffen kann?

        Ich glaube, jetzt muss ich doch mal meinen Blog um das Thema „Freie Presse“ ergänzen.

  2. Kopfstaendler  November 17, 2012

    http://kopfstaendler.blog.de/2012/11/17/the-free-press-alternative-arbeitslose-journalisten-15214228/

    Lieber Adtstar: Ich war heute enorm fleißig. Hier ist der versprochene Artikel über Belloc und „The Free Press“.