Zu Margot Käßmann

Geschrieben von: am 25. Feb 2010 um 17:03

Eigentlich wollte ich nix mehr zu diesem Thema schreiben, aber dieser Medienhype gestern liefert doch Stoff für einige Anmerkungen. Zunächst einmal habe ich gestern im Rahmen meines Anstalt Beitrags darauf hingewiesen, wie ich zur Person Käßmann stehe. Die öffentliche Bedeutung ihres Amtes war und ist mir einfach zuwider. Und sie tat mir auch noch einmal den Gefallen und wies in ihrer Abschiedserklärung darauf hin, dass es zum Selbstvertändnis der evangelischen Kirche Deutschlands gehöre, eine gewichtige politische wie gesellschaftliche Stimme zu sein.

„Aber auch wenn ich ihn bereue, und mir alle Vorwürfe, die in dieser Situation berechtigterweise zu machen sind, immer wieder selbst gemacht habe, kann und will ich nicht darüber hinweg sehen, dass das Amt und meine Autorität als Landesbischöfin sowie als Ratsvorsitzende beschädigt sind. Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so wie ich sie hatte.

Ich kann nicht mit der notwendigen Autorität im Amt bleiben. So manches, was ich lese, ist mit der Würde dieses Amtes nicht vereinbar. Aber mir geht es neben dem Amt auch um Respekt und Achtung vor mir selbst und um meine Gradlinigkeit, die mir viel bedeutet.“

Das sehe ich einfach anders. Die Kirchen sollen ihren Glauben unter ihren Gläubigern verbreiten und nicht in einer Öffentlichkeit, zu der auch Menschen zählen, die diesen Glauben nicht teilen und es demzufolge auch nicht hinnehmen müssen, dass die christlichen Kirchen sich anmaßen, eine notwendige Autorität vertreten zu müssen. Allein dieser Satz verstößt gegen die Verfassung. Aber das ist ein anderes Thema.

Sie hatte ja durchaus ihre Autorität positiv zu nutzen gewusst und sich in der Afghanistan-Frage auf der richtigen Seite eingeschaltet. Ich wies aber gestern auch darauf hin, dass die ihr entgegengebrachte Gesprächsbereitschaft seitens der politisch Verantwortlichen nicht auf Grundlage ihrer Aussage geschehen ist, sondern wegen ihrer Autorität, die sie in ihrem Amt als EKD-Vorsitzende ausstrahlt. Für mich ist das jedenfalls äußerst sonderbar, mit anzusehen, wenn mit Theodor zu Guttenberg, ein adliger Vertreter der weltlichen Regierung, und die Chefin der evanglischen Kirche zusammentreffen, um eine politische Sachfrage zu besprechen. Das hat eben mehr mit ancien régime und alter Tradition zu tun, als mit Aufklärung und Demokratie. Vertreter der politischen Opposition in diesem Land werden und wurden in genau dieser Frage als Spinner bezeichnet, während Frau Käßmann voller Respekt und Achtung zu Teil wurde.

Im Anschluss an die gestrige Pressekonferenz, die in epischer Breite nicht nur im Radio übertragen wurde, sondern auch im Fernsehen – dafür wurde die Übertragung der Aktuellen Stunde im Bundestag unterbrochen – quittierten die anwesenden Journalisten die Rede Käßmanns mit Beifall, und wahrscheinlich hatten sie auch mit den Tränen zu kämpfen. Nachfragen waren ja nicht erlaubt. Dabei hätte ich mir eine Frage dennoch nicht verkneifen können. Und zwar, warum der liebe Gott Frau Käßmann nicht davon hat abhalten können, gleich zwei Fehler zu begehen? Erstens den strafbaren Verkehrsverstoß und zweitens, Alkohol während der christlichen Passionszeit zu konsumieren. Ich kenne mich ja da nicht so aus. Aber ist es nicht so, dass von Aschermittwoch bis Karsamstag auch in der evangelischen Kirche Fastenzeit herrscht?

So weit ich weiß, nennt sich das Programm bei den Protestanten „7 Wochen Ohne“ und beinhaltet den Verzicht auf bestimmte Nahrungs- und Genussmittel, darunter bestimmt auch übermäßiger Konsum von Alkohol. Immerhin nehmen daran schon rund zwei Millionen Menschen jährlich teil. Wieso also verstößt die nunmehr ehemalige Ratsvorsitzende gegen eigene Regeln und Glaubensüberzeugungen und spricht dann in ihrer Abschlusserklärung davon, dass man nie tiefer fallen könne, als in Gottes Hand? Nur zum Verständnis, mir ist wurscht, was Frau Käßmann in ihrer Freizeit macht. Für mich zählt allein der strafbare Verkehrsverstoß, für den sie sich, wie jeder andere auch vor der Öffentlichkeit verantworten muss. Ich finde aber auch, dass die holde Geistlichkeit desöfteren mal die Mauern der eigenen selbstgebauten Kirchen verlassen sollte, um an der Wirklichkeit teilzunehmen. Blöd daherreden kann ja schließlich jeder.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Susan  Februar 26, 2010

    Ich stimme vollständig zu. Mich nervt außerdem, dass Steuermittel massiv für rein christliche Projekte verplempert werden. Hier in Leipzig werden 400 TEUR (!) aus dem Konjunkturpaket 2 für Trümmer der in den 60er Jahren gesprengten Uni-Kirche verplempert, die man in eine Gedenkstätte verwandelt. Vor allem, weil es eine KIRCHE war, und noch weil die DDR, die KIRCHE gesprengt hatte, obwohl sie untrennbar mit einer Ruine aus dem 2. Weltkrieg verbunden war. Kindergärten gehen dafür leer aus und gammeln vor sich hin.

  2. missmarps  Februar 26, 2010

    Religion und Politik sollte man immer trennen! Ich finde es gut, das es kirliche Einrichtungen gibt, gerade in unserer Zeit, auch wenn sie irgendwann keinerlei Bedeutung haben wird in unserer Gesellschaft.

  3. Careca  Februar 26, 2010

    Sorry, aber dieses Post von dir hat PI-Niveau. Was für die PI die Islam-Hetze und die mit vorsätzlichem Unverständnis betriebene Verhetzung anderen Glaubensmenschen gegenüber ist, das betreibst du nun auch hier. Dieses auf die „Fastenzeit“ herumreiten bezeugt nur, dass das Verstehen für eine dergestalte philosophisch-transzendente Lebensausrichtung nicht existiert.

    Es ist vollkommen korrekt, dass die von Frau Käßmann vorsätzlich fahrlässigen Lebensweise (Autofahren nach Alkoholgenuss, so wie es die Bayern als Selbstverständnis vollkommen in Ordnung finden), die zur Gefährdung Unbeteiligter führt, dass diese Lebensweise kritisiert wird. Politisch kommt Frau Käßmanns Alkoholfahrt vielen absolut opportun und deren geäußertes Bedauern ist eklige Heuchelei hoch vier.

    Ich sehe es als mein demokratisches Selbstverständnis an, für jenen obigen Satz (den du als verfassungunkonform charakterisiert hast) ebenso einzutreten, als auch dafür, dass jene von dir Kritisierten deren Meinung auch außerhalb ihren Gebäudegrenzen vertreten dürfen. Es ist mir dabei total egal, ob atheistisch, christlich, jüdisch, islamisch oder sonstige Glaubensinhalte dahinter stehen.
    Sollten jene nicht ihre Meinungen und Lebensüberzeugungen außerhalb deren eigenen Gebäuden verkünden dürfen, dann fordere ich die gleich Anwendung des Verkündungsverbots nicht nur für Westerwelle und seine FDP, Merkel und ihre CDU, Seehofer und seiner CSU sondern auch für die anderen Parteien.

    Laizität ist zwar für pluralistische Gesellschaften erstrebenswert, aber solange ein Witz, solange der eigentliche Gott einer Gesellschaft der Gott des Materialismus ist. Und das trifft für fast alle Völker dieser Welt zu. Alle. Und dieser Gott ist ein destruktiver. Die derzeitige Krise spiegelt das wieder, was als Gott für eine die gesellschaftliche Realität manifestiert wurde.

    Wer nicht versteht, dass gerade Religionen und transzendente Strömungen Kultur ausmachen (weltweit und nicht nur in Deutschland!), der hat nicht verstanden, was Ethnologen alle Nase lang erklären, bestimmte Kreise dafür aber absolut nicht hören wollen.
    Die Frage, wieso die nunmehr ehemalige Ratsvorsitzende gegen eigene Regeln und Glaubensüberzeugungen verstoßen hat und dann in ihrer Abschlusserklärung davon spricht, dass man nie tiefer fallen könne, als in Gottes Hand, zeigt eindeutig, dass die Wesensheit von Religionen, transzendenten Überzeugungen und Strömungen nicht verstanden wurde. Die digitale Denkensweise hilft hierbei überhaupt nicht weiter. Wahrscheinlich sind für solche Denkensweisen sogar Fuzzi Logic, Schrödigers Katze oder die Auswirkungen von Schwarzen Löchern ein Greul. Denn diese sind alle zu unscharf für scharfe Kritik.

    Ich frage mich sowieso, wieso eine ganze Nation davon ausgeht, dass Alkohol und Zigaretten nur ein Problem für das Leben von Hartz-IV’ler darstellen sollen. Wie formulierte damals Nina Hagen? „Dabei geht ihre Gesellschaft am Alkoholismus zugrunde, aber dich jagen sie, DICH!“ (aus „African Reggae“)
    Wer annimmt, dass Kirchenleute keine Menschen sind, der will nicht wirklich verstehen (s.o. + s. BILD+PI).

    Nein, ich bin nicht dagegen, dass sich Frau Käßmann wirklich entsprechenden scharfen Nachfragen stellen muss und sie sich auch vor Gericht zu verantworten hat. Genauso bin ich verstärkt dafür, dass jene Priester ihren weltlichen Richtern entgegen zu treten haben, die vergewaltigen. Und wer in jener Organisation diese versucht zu decken, muss im Sinne eines Hehlers zu betrachten sein sollen. Das gilt jetzt im speziellen nicht nur für katholische Geistliche, sondern genauso für andere Gruppen (wie beispielsweise die „Zeugen Yehovas“).

    Aber deswegen werde ich weder die eine noch die andere Glaubensrichtung zerreißen. Und erst recht nicht, wenn ich sie nicht verstehe. Ich werde mich aber bei Glaubensgemeinschaften von außen dafür einsetzen, dass deren mir bekannte Angehörigen nicht durch das jeweilige Bodenpersonal ausgebeutet werden (wie ich es desillusionierenderweise von Evangelischen Glaubensrichtungen in Brasilien kennengelernt habe). Und wer partout nicht davon abweichen will, sich ausbeuten zu lassen, dem kann ich dann auch nicht mehr helfen. Es existiert Wahlfreiheit des eigenen Weges, insbesondere dann wenn jenem handfeste Alternativen geboten werden.

    Jeder Mensch hat die Freiheit sich für seinen Lebensweg zu entscheiden und diesen entsprechend zu befahren und zu begehen.
    Hat schon wer den Verbot von Autoverkehr, Bahnverkehr und Luftverkehr aufgrund der vielen Opfer gefordert? Hierbei wird jeder Fall genau untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und nicht der Personenverkehr verdammt.
    Genau die gleiche Fairness sollte auch Glaubensrichtungen gegenüber eingehalten werden. (Ich weiß, Personenverkehr und Glaubensrichtungen verhalten sich wie Birnen und Äpfel, aber …) Wird das nicht eingehalten, dann befinden sich die Argumente auf PI-Niveau. Und PI-Niveau ist für mich kein Niveau, das ist eine Verhetzung.

    Und noch etwas: Als Theodor zu Guttenberg die Chefin der evanglischen Kirche traf, um eine politische Sachfrage zu besprechen, dann hatte das nicht mit ancien régime und alter Tradition zu tun, sondern mit absolutem Sunzi und Niccolò Machiavelli zu tun. Alles andere ist Augenwischerei. Wer die moralischen Vertreter (selbsternannt oder nicht) eines Volkes ignoriert, der muss sich nicht wundern, wenn der Grad der eigenen Glaubwürdigkeit in den Keller wandert. Zu Guttenberg war nicht so dumm, bei Frau Käßmann die Kohlsche Methode anzuwenden. Er hat proaktiv reagiert und somit etwas vorgegaukelt, was nie stattgefunden hat und gleichzeitig Frau Käßmann hierbei in die Devensive gedrängt. Diese Methode hat System, diese Methode hat schon immer funktioniert. Die Presse reagiert darauf, wie wenn man einem Hund einen Knochen vorwirft: befriedigt und die restlichen Fleischfitzelchen verwertend. Aber der Rest interessiert sie nicht.

    Wäre Frau Käßmann jetzt nicht zurück getreten, dann wären deine jetzigen vorgebrachten oberflächlichen Argumente genau das gewesen, was Politiker und Presse der Käßmann regelmäßig zum Frühstückskaffee mit eingeschenkt hätten. Und die Bevölkerung wäre vollkommen damit konform gegangen, dass Käßmanns Position Käse sei. Und die Gewinner wären sowieso die Volkstribunen a la zu Guttenberg.

    Vor knapp 40 Jahren im Frühjahr 1972 wurde von einem angesehenen Menschen aus dem Titel „Soviel Liebe auf einmal“ der Satz „Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?“ durch das Magazin „Der Spiegel“ formuliert. Dafür wurde der Mensch zu einem geistigen Sympathisanten von Terroristen klassifiziert. Insbesondere von bestimmten politischen Persönlichkeiten. Der Mensch erfuhr Demütigungen bis zum Abwinken. Dumm war nur, dass im Herbst 1972 bekannt gegeben wurde, dass dieser Mensch, Heinrich Böll, den „Nobelpreis für Literatur“ erhalten sollte. Danach hatten nicht nur die politischen Persönlichkeiten gemerkt, dass sie Böll durch Ignorieren zu isolieren hatten. Jede andere taktik hätte den Ruf jener verschlechtert. Sie konnten nicht mehr gewinnen.

    Zu Guttenberg konnte beim Treffen mit Frau Käßmann nur gewinnen. Denn Frau Käßmann war jünger im Amt als zu Guttenberg.

    Frau Käßmann wird nicht soviel Glück wie Böll haben. Im Oktober dieses Jahres wird sich keiner mehr an sie erinnern. Aber in Afghanistan wird weiter beim Brunnenbauen fleißig gebombt und gemordet, damit der Hämoglobingehalt auf den Äckern Afghanistans nicht zu niedrig bleibt … im Namen der Freiheit ein Salut auf den Friedhof der Blutleeren …

    • adtstar  Februar 27, 2010

      Oha. Ich wusste doch, dass ich darüber doch nicht hätte schreiben sollen. Bei den Kirchen hört der Spaß in diesem Land eben auf. ;)

      Ich weiß auch gar nicht, warum meine persönliche Haltung zu den christlichen Kirchen nun derart zerpflückt werden muss und etwas mit Hetzerei zu tun haben soll. Das war ja nicht der springende Punkt. Mir ging es lediglich darum festzustellen, dass die ehem. EKD-Ratsvorsitzende mit einem zur Schau getragenen Selbstverständnis aufgetreten ist, welches ihr nicht zusteht oder zumindest mal kritischer durchleuchtet werden sollte.

      Ich hätte mich auch über den Ausschluss des Arbeitsrechts innerhalb der evangelischen Kirche auslassen können, über die Tatsache, dass krichlichen Mitarbeitern das Arbeitsrecht verweigert wird, sie weder streiken noch vor Gericht gegen ihren Arbeitgeber klagen dürfen. Ich hätte mich auch darüber auslassen können, dass Arbeitslosen bzw. Beamten pauschal ein Beitrag zur Kirchensteuer abgezogen wird, egal ob sie Kirchenmitglied sind oder nicht.

      Das Bundesverfassungsgericht hat ja diesbezüglich einmal völlig wirr geurteilt, dass so eine Praxis korrekt sei, solange die Mehrheit des Volkes Mitglied einer Kirche ist. Das ist eine Schande für eine Demokratie mit staatsbürgerlicher Verfassung. Deutschland hat das mit der Trennung von Glauben und Staat einfach nicht hinbekommen. Dieses Schicksal teilt die späte Nation, die nur mit dem Segen der Kirchen, von Bismarck geschaffen werden konnte, auch mit anderen Staaten. Keine Frage.

      Diese machtpolitische Frage ist es aber, um die es mir geht und nicht die Frage nach dem Glauben einzelner Menschen und Bevölkerungsteile. Die können doch alle glauben, woran sie wollen. Nur der Glaube ist das einzige, was endlich einmal privatisiert werden sollte.

      Ich hätte mich ferner auch über christliche Gewerkschaften oder Dumpinglöhne auslassen können. Die Beschäftigten dort sollen sich wohl auch damit begnügen, in die Hand Gottes zu fallen? Nur fühlt sich dieselbe Hand dann wohl härter an, als bei Frau Käßmann. Ich hätte auch über Käßmanns Amtsvorgänger Huber schreiben können, der es wie kein Zweiter verstand, sich mit dem neoliberalen Zeitgeist zu verbünden.

      Ich halte es da mit Nietzsche und seinem tollen Menschen:

      Hören wir noch nichts von dem Lärm der Totengräber, welche Gott begraben? Riechen wir noch nichts von der göttlichen Verwesung? – auch Götter verwesen! Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet!
      […]
      »Was sind denn diese Kirchen noch, wenn sie nicht die Grüfte und Grabmäler Gottes sind?«

      Ich empfinde kein Mitleid mit den christlichen Kirchen. Diese sind lange genug auf den Gefühlen anderer herumgetrampelt und trampeln noch darauf herum.

      Frau Käßmann ist nur ein Posse. Da gebe ich dir Recht. Das zeigt aber auch, dass ihre exponierte Stellung nur eingebildet war. Deshalb auch meine Bemerkung, dass sie die Mauern ihrer Kirche hätte verlassen sollen, um an der Wirklichkeit teilzunehmen. Stattdessen betrauert man das Amt, von dem man Schaden abwenden müsse. Ich habe noch nie ein beschädigtes Amt gesehen, sondern nur Amtsträger, die sich selbst überschätzen und am Ende ziemlich weich fallen, im Gegensatz zu denen, die die Auswirkungen der Amtsführung zu spüren bekommen.

      • Careca  März 2, 2010

        Der Spass hört nicht bei dem Bodenpersonal auf sondern bei der Glaubensrichtung. Die Glaubensgemeinschaften als Arbeitgeber hat sich meiner Meinung nach den Gesetzen des jeweiligen Landes zu richten. Es steht ihnen allerdings frei, gesonderte Loyalitätsforderungen an die Bewerber zu stellen. Das ist in der Arbeitswelt nichts ungewöhnliches und normaler Usus. Hierbei ist allerdings auch von den jeweiligen glaubensorientierten Arbeitgebern die Rechtslage zu berücksichtigen. Die katholische Kirche als Arbeitgeber kann von ihren speziell ausgebildeten Angestellten ohne Zweifel ein Keuschheitsgelübde abfordern.
        (Zwischenbemerkung von mir dazu: aber sie hat auch die verdammt Pflicht, deren Kinderf***er den Staatsbehörden auszuliefern und diese nicht zu schützen …).
        Dieses widerspricht keinen Gesetzen. Und solche ähnlichen Dinge sind auch in gehobenen Anstellungen im nicht-kirchlichen Bereich ebenfalls normaler Usus (Stichwort: „Sperrvermerke“, „Berufsverbotgesetz“). Solche Loyalitätsverpflichtungen werden sogar bei weltlichen Arbeitgebern konsequent über Gerichte mit Strafanträgen eingefordert, wenn dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wird. Widerspricht eine solche Loyalitätsverpflichtung dem normalen Gesetzen der Arbeitswelt, dann wird dieses seitens den Gerichten aufgezeigt (wobei „Recht haben“ und „Recht bekommen“ zwei verschiedene Paar Stiefel sind …).
        So wurde damals ein Arbeitsvertragpassus bei NIKE gerichtlich verboten, der besagte, dass sich Mitarbeiter jenes Sportartikelherstellers das NIKE-Logo tätowieren lassen mussten (Argument von NIKE leitete sich aus dem Schlagwort „Corporate Identity“ ab). Andererseits, wenn in Deutschland ein Mitarbeiter feststellt, dass seine Firma gegen die aktuelle Gesetzeslage verstößt (beispielsweise Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz) und dieses zur Anzeige bringt, dann kann der Mitarbeiter von seiner Firma zivilrechtlich zu Schadensersatz verklagt werden, eben weil er gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen hat. Das ist kein Witz sondern bittere Gesetzeslage (in den USA beispielsweise ist solche eine Schadensersatzklage primär gesetzlich nicht möglich). Nebenbei haben Kochs Helfershelfer inzwischen demonstriert, dass man gegen unliebige Mitarbeiter auch noch anders vorgehen kann. Ein Gericht hat dieses ja bekanntlich festgestellt und verboten.

        Die Frage, ob Käßmann fasten hätte sollen oder ob sie wegen ihres Alkoholkonsums gesündigt habe, ist keine arbeitsrechtliche Angelegenheit sondern eine transzendente auf metaphysischer Basis beruhende Geschichte (Sünde definiert sich in Religionsgemeinschaften eh nur in der Überschreitung von religionsdefinierten Idealen, sprich die Definition von „Sünde“ generiert sich ausschließlich über die Abweichung zum Ideal und nicht über die Abweichung von weltlichen Gesetzen).
        Die Punkte, die du angeführt hast (z.B. automatische Kirchensteuer, Dumpinglöhne etc.), sind definitiv zu kritisieren. Und es gibt verdammt viele davon, wo Religionsgemeinschaften meinen, für sie gelte die Gesetzeslage nicht.

        „Deutschland hat das mit der Trennung von Glauben und Staat einfach nicht hinbekommen“ stimmt als Satz. Aber Deutschland wollte das mit der Trennung von Glauben und Staat nicht hinbekommen. Denn der preußische Protestantismus und die preußischen Evangelen waren letztendlich so staatstragend, um Bismarck und seinen Nachfolgern bis in die späten 1930er den Weg zu bereiten. Mit einem katholisch dominierten Preußen wäre jener Weg nicht so einfach gangbar gewesen. Denn der Protestantismus und die Evangelen sind den Obrigkeiten höriger als die Katholen, welche sich in ihrer moralischen Ausrichtung hierarchisch gen Papst nach Rom ausrichten. Die Geschichte vom „Hauptmann von Köpenick“ spielt daher auch nicht in einer katholischen Stadt wie Münster sondern gerade im preußischen protestantischen Berlin. Es ist bekannt, dass die Nazis gerade in katholischen Gebieten anders agierten und entsprechend versuchten auf die Katholen Einfluss zu nehmen (z.B. durch Umtextung von Gebeten auf die Person Hitlers umgemünzt). Ein Kardinal von Galen konnte nicht einfach weggeräumt werden, wie es mit anderen Fußvolk-Katholen praktiziert wurde, wenn sich solche gegen das Nazi-Treiben aussprachen.
        Fakt ist aber letztendlich auch, dass der Katholizismus nicht die Rolle spielte, die sie sich heute so gerne ins Geschichtsbuch schreiben möchte (was auch für den Pius-Papst gilt). Und das Katholizismus genauso wenig vor politischen Schweinereien wie der Protestantismus schützt, dass zeigt sich heutzutgae recht treffend beim Vergleich von Köln und Berlin. Berlin wurde schon geplündert und in Köln sind se mittenmang dabei (und wieder mischt eine C-Partei ordentlich mit; die U-Bahngeschichte zeigt lediglich die Spitze des Eisberges des Kölner „Klüngels“; und der Kölner Kardinal Meisner, der Augsburger Mixa und wie sie alle heißen, die sind der sichtbare Beweis das es definitiv katholische Antipoden zum Kardinal von Galen gibt).

        Ich zitiere nicht Nietsche (Nietsche ist eine ambivalente Persönlichkeit; schrieb er in jungen Jahren von der holden Weiblichkeit, so empfahl Nietsche der Ältere danach die Peitsche gegen die Frauen zu führen). Es sollte meiner Meinung nach ein eindeutiger Unterschied zwischen Bodenpersonal und Glauben gemacht werden. Beides zu vermengen ist kontraproduktiv und geht am Menschen generell vorbei. Eher treffend sind hierbei Hegel und auch Feuerbach, auch wenn beide konträr in dieser Thematik zu sehen sein können.

        Frau Käßmanns Fehler war unter erheblichen Alkoholeinfluss Auto zu fahren. Einmal wegen der Gesetzeslage aber auch wegen der Gefährdung unbeteiligter Verkehrsteilnehmer. Im Gegentum zum Herrn Huber (wieder einer aus einer C-Partei) vertrete ich nicht die Meinung mit Zwei Maß Bier könne man noch Auto fahren, sondern Alkohol stellt generell beim Autofahren ein Gefahrenpotential gegen das Leben anderer dar. Und genau damit hat sich Frau Käßmann ins Abseits geschossen. Ob sie aufgrund des Weins einen Verstoß gegen eigene Lebensregeln begangen hat, dass muss die Frau mit sich selber ausmachen und selber überlegen, was das für sie bedeutet. Spekulationen dritter über diese eigene Entscheidung sind fies.
        Wäre Käßmann nicht zurück getreten, wäre dieses von anderen als Argument zur Unterminierung derer Glaubwürdigkeit verwendet worden.

        Der Rücktritt Käßmann hat zwei Seiten: Käßmann war die unabhängige Stimme gegen den deutschen Militarismus, der fleißig bei jeder gelegenheit fröhlich Urständ feiert. Eine solche Stimme gibt es jetzt kaum noch. Käßmann zeigte soviel Rückgrat und Konsequenz, wie es bei Politikern nie mehr finden wird. Und das finde ich wiederum bewundernswert.

        • adtstar  März 2, 2010

          Käßmanns Stimme gegen den deutschen Militarismus kritisiert auch niemand. Das ist in der Tat sehr lobenswert, reicht aber nicht aus, der Frau nun völlig kritiklos den Heiligenschein zu verpassen. Frau Käßmann hat sich gegen den Krieg und ganz allgemein auch gegen die Wehrpflicht eingesetzt und sich vor die Schwachen in der Gesellschaft gestellt. Sie war aber auch Mitglied im Beraterkreis von Peer Steinbrück, dem zum Beispiel auch Wurst-Uli Hoeneß angehörte.

          Darüber hinaus versuchte Käßmann den Verantwortlichen der Finanzkrise, also den gierigen Bankern, mit Moral beizukommen, ähnlich unserem Bundeshorst. Das ist einfach nix und das liegt meiner Meinung einfach daran, dass ihr Gott ihr im Wege steht.

          Es ist wahrscheinlich so, wie Jürgen Becker am Wochenende sagte, Gott ist wohl doch Katholik. :>>