Die Fliehkraft wirkt nach innen

Geschrieben von: am 08. Okt 2013 um 0:28

Weder SPD noch Grüne sind glücklich darüber, mit der Union eine Regierung bilden zu müssen und würden dem jeweils anderen daher gern den Vortritt lassen. Die Medien wollen auch keine Alternative erkennen, außer die, dass Angela Merkel Königin von Deutschland Kanzlerin bleibt, obwohl sie allein über keine eigene Mehrheit verfügt. Nach demokratischen Verständnis könnte die zahlenmäßig überlegene Opposition, die der Politik Merkels vorgeblich ablehnend gegenübersteht, selbst einen Kanzler oder eine Kanzlerin wählen. Geht aber nicht, sagen Union, Medien und damit auch Teile der Opposition.

Und weil das so ist, ist die Antwort darauf, wie eine Regierung gegen eine klare Mehrheit der so oft betonten Inhalte möglichst rasch gebildet werden könnte, auch nicht wirklich schwer. Man nehme die von den Medien hochgelobten Realos bei den Grünen, die Reformlinken aus dem Osten und natürlich Seeheimer und Netzwerker aus der SPD, fasst sie zu einer eigenständigen Fraktion zusammen und fertig ist die neue FDP. Wie sagte Andrea Nahles über ihren Parteikollegen Johannes Kahrs? Er spreche nicht für die SPD, sondern nur für sich.

Dann ist doch alles klar. Warum ist der Deppendorf noch nicht darauf gekommen? Bekanntlich gibt es in allen Oppositionsparteien Leute, mit denen man vernünftig reden könne und welche, auch Traumtänzer, Sektierer oder Fundis genannt, mit denen man sich nicht an einen Tisch setzen möchte. Warum also nicht trennen, was sich nicht versteht und zusammenführen, was zusammengehört? Die Vernünftigen verfügen erstens über einen guten Draht zur Presse und zweitens über eine verlässliche inhaltliche Flexibilität, sofern sie denn im Ministersessel oder auf dem bequemen Stuhl eines Staatssekretärs Platz nehmen dürfen.

Drum schließt euch zusammen und bildet jene stabile Regierung, die sich das Volk angeblich so sehr wünscht. Doch hört endlich auf, über euer armseliges Schicksal zu jammern und den Leuten zu erzählen, es gehe euch nur um Inhalte oder um das bestmögliche Verhandlungsergebnis. Es ist ganz einfach. Entweder ihr wählt Merkel, warum auch immer oder ihr wählt euch einen eigenen Kanzler, wie es in einer Demokratie bei entsprechenden Mehrheiten üblich ist. Das Gerede um stabile Verhältnisse hängt mir jedenfalls zum Halse raus.

Denn worin diese bestehen würden, ist doch schon heute klar. Der verbliebene Rest an Opposition wird einer an der Regierung beteiligten SPD sozialdemokratische Inhalte servieren und das vier Jahre lang. Die Genossen wiederum werden die Umsetzung ihres eigenen Programms, wahlweise aus staatspolitischer Verantwortung oder aus Koalitionsdisziplin, in jedem Fall aber sehr stabil ablehnen. Die Union hingegen hat gar kein Programm, das sie umsetzen müsste. Ihr genügt es, wenn Angela Merkel andeutet, sich von der SPD mal in die eine Richtung und dann wieder woanders hin tragen zu lassen.

Fliehkräfte braucht die CDU-Chefin dabei nicht zu fürchten. Sie hat es ja geschafft, deren Wirkung auf wundersame Weise umzukehren. Als Schwarzes Loch der Politik verschlingt sie alle Themen wie innere und äußere Gegner, die ihr zu nahe kommen und um sie kreisen. So gesehen hätte sie vielleicht den Physik-Nobelpreis verdient, nicht aber die Kanzlerschaft.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Kopfstaendler  Oktober 8, 2013

    Als Schwarzes Loch der Politik verschlingt sie alle Themen wie innere und äußere Gegner, die ihr zu nahe kommen und um sie kreisen. So gesehen hätte sie vielleicht den Physik-Nobelpreis verdient, nicht aber die Kanzlerschaft.

    Danke für das herrliche Zitat. Es gibt ja immer noch die Möglichkeit der Rot-Rot-Grünen Koalition. Aber die Zentrifugalkräfte in dieser Konstellation würden eine solche Regierungsmannschaft an den Rand des Nachtgeschirrs drücken.

    Komische Wahl: Entweder Schwarzes Loch – oder am Rand des Pisspotts festkleben.

    Machen wir doch zur Abwechslung mal eine Allparteien-Koalition.

  2. Robert  Oktober 8, 2013

    „verlässliche inhaltliche Flexibilität“

    Ich musste erstmal herzhaft lachen, als ich das gelesen habe. Eigentlich ist es aber traurig, da diese Worte die derzeitige SPD wohl am Besten beschreiben.

    Ich hoffe ja darauf, dass mal im Oberstübchen ausgemistet wird, aber das wird wohl vorerst ein Traum bleiben.

  3. Kopfstaendler  Oktober 9, 2013

    Hi Robert, das mit dem Ausmisten geht nur, wenn man über Listenplätze gewählte Abgeordnete und Mandatsträger zu einer dritten Amtsperiode nicht mehr aufstellen darf.

    Vor einsetzender Debilität und Filz muss man die wieder loswerden.

  4. Robert  Oktober 9, 2013

    @Kopfständler
    Das wäre natürlich eine Überlegung wert, die Anzahl der Wiederwahlen zu begrenzen.

    Ich bin mir aber unsicher, ob das so viel helfen würde, da es innerhalb der Parteien die verschiedenen „Fraktionen“ gibt, aus denen wiederum die Nachfolger kommen. Am Beispiel der SPD wären das die Seeheimer oder die Netzwerker.

  5. Kopfstaendler  Oktober 10, 2013

    Guten Tag, Robert:

    Ja, es wird nicht einfach, zumal ich nicht sehen kann, woher die Mehrheiten kommen sollten, die ein neues Wahlsystem befürworten. Die wollen am liebsten lebenslang ihre Pfründe behalten.

    Aber zumindest wären die Debilen und Filzigen ausgeschaltet. Vielleicht wäre der eine oder andere Nachwuchspolitiker ja dann moralisch und ethisch einwandfrei. Das wäre ja auch schon etwas wert.