blogintern: Statistik 09/10

Geschrieben von: am 01. Okt 2010 um 14:11

Ich habe jetzt mal zwei Tage geschwiegen, weil ich mir über die Frage den Kopf zerbrochen habe, wann denn die Bundeskanzlerin nun endlich zurücktritt oder zurückgetreten wird. Zur Blogstatistik komme ich später.

Zu Beginn des Jahres hatte Egon W. Kreutzer in seinem ersten Paukenschlag die kühne Behauptung aufgestellt, dass Angela Merkel das Jahr 2010 politisch nicht überleben werde. Ich bin dieser Auffassung gern gefolgt, frage mich aber jetzt, was eigentlich noch passieren muss, damit die Voraussage Kreutzers auch tatsächlich eintritt.

Denn im Augenblick sieht es doch so aus, als ob die Kanzlerin fester denn je im Sattel säße, trotz verlorener Ministerpräsidenten und Mehrheit im Bundesrat und trotz der schwierigen Haushaltslage. Da könnte es zu einem Aufstand in Stuttgart kommen oder ein Atomkraftwerk explodieren, ihre Regentschaft wäre doch nicht bedroht? Laut dem ZDF-Politbarometer von letzter Woche liegt sie immerhin noch auf Platz fünf der beliebtesten Deutschen Politiker. Es führen zu Guttenberg und, man glaubt es kaum, Frank-Walter Steinmeier auf den ersten beiden Plätzen. Dabei hat FWS eine Niere gespendet und war überhaupt nicht präsent in der Öffentlichkeit. Okay vorher, als er noch den Oppositionsführer üben durfte, ist er auch nicht weiter aufgefallen. Seine Reden hatten immer einen gewissen Schwundcharakter. Vielleicht hat nun auch sein physisches Verschwinden die Menschen überzeugt.

Aber ich war ja noch bei der Kanzlerin. Vor dem Hartz-IV-Entscheidungswochenende, vor der Werbung für höhere Mieten und vor dem Bahnhof Super-Gau in Stuttgart, aber nach dem geheimen Atomdeal und nach dem Gesundheitsmurks von Rösler immerhin noch Platz fünf im wichtigsten Index der Wahlforschung. Das schreit doch nach einer Erklärung. Schließlich seien rund 60 Prozent der Deutschen mit der Bundesregierung eher unzufrieden. Wie kann da die Regierungschefin auf Platz fünf, der Guttenberg auf Platz eins, Frau von der Leyen auf der drei und das Arschgschwür Schäuble auf Platz vier der Beliebtheitsskala sein? Vier Regierungsmitglieder und ein sozialdemokratisches Phantom unter den Top 5. Was läuft denn da eigentlich schief bei der Wahlforschung? Nur der Schnöselverein FDP wird mehr oder weniger realitätsnah gemessen und abgebildet.

Nur was nutzt das schon, wenn die FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde veschwindet oder knapp darüber landet? Der nächste Kanzlerkandidat der SPD heißt aller Voraussicht nach Peer Steinbrück. Und der hält erklärtermaßen sehr viel mehr von der Großen Koalition und Angela Merkel als von den Grünen und seiner eigenen Partei. Und dann schlösse sich auch der Kreis zu Egon W. Kreutzers Voraussagen. Im ersten Paukenschlag 2009 kündigte er ja treffsicher an, dass Peer Steinbrück am Ende des Jahres nicht mehr Finanzminister sein würde.

Wenn es denn so kommen sollte, dass Peer Steinbrück nach dem 31.12.2009 immer noch Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland ist, dann fresse ich einen Besen. Bevorzugt aus Marzipan.

Vom Wiederkommen als „Ich kann Kanzler“ war ja nie die Rede. Doch so wird es wohl sein, wenn man sich die Pro-Steinbrück-Kampagnen anschaut. Immerhin liegt Steinbrück, der im letzten Jahr politisch gar nicht aufgefallen war, weil er lieber gutdotierte Vorträge auf den Veranstaltungen der Finanzbranche hielt, anstatt sich um sein Bundestagsmandat zu kümmern, schon auf Platz zwei in einer Umfrage nach dem besseren SPD-Kanzlerkandidaten. Vor ihm steht nur noch das Phantom Frank-Walter Steinmeier. Aber der will ja Ende Oktober in das politische Geschehen wieder eingreifen. Spätestens dann dürfte sich das Blatt wenden. Im Augenblick gefällt sich Steinbrück in der Rolle des früheren Helmut Schmidts, als Krisenmanager und jemand, der nicht lange fackelt.

Falls es wider Erwarten doch noch zu einem Sturz der planlosen Merkel in diesem Jahr kommen würde, wie von Kreutzer vorausgesagt, dann aber nur unter der Bedingung, dass Steinbrück den Job unter gleichen Mehrheitsverhältnissen, also im jetzigen Bundestag übernimmt. Neuwahlen wären ja für die Union nicht so günstig und eine Alternative zu Merkel aus den eigenen Reihen ist nicht wirklich in Sicht. Zu Guttenberg oder von der Leyen als Krisenmanager? Kann sich das jemand vorstellen? Dafür müssten die PR-Leute der beiden ihre Strategie kurzfristig komplett ändern.

Auf der anderen Seite sollte man dem statistischen Müll um Beliebtheiten auch nicht all zu viel Bedeutung beimessen. Sonst wird das mit der Entsorgung von Frau Merkel ja nie etwas. Mit Blick auf die Bundesregierung und die Beliebtheitswerte einzelner Mitglieder derselben bin ich aber nach wie vor ratlos.

Dennoch möchte ich mich wie immer im ersten Beitrag des Monats, bei allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs sowie den Mitdiskutanten bedanken, die im abgelaufenen Monat fleißig gelesen und kommentiert haben. Die Statistik bleibt mehr oder weniger konstant. Daher die Bitte, empfehlen sie den Blog ruhig weiter, wenn er ihnen gefällt. :D

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Arnold  Oktober 5, 2010

    Ich hab’s ja gesagt,
    Frau Merkel ist eine bequeme Marionette der Wirtschaft. Nach ihren letzten Entscheidungen zeigt sich, dass sie sich besonders gut lenken lässt. Für die Wirtschaft ist es, so wie es aussieht, bislang immer noch sicherer die Liste der beliebtesten Politiker zu manipulieren, als eine andere Marionette im Kanzleramt, von der man nie weis ob sie genauso gut funktioniert, zu installieren.
    Dass Steinmeier weit vorn in der Liste steht spricht Bände. Politik ist für die meisten Menschen ein Buch mit sieben Siegeln. Die Beliebtheit eines Politikers wird nicht daran gemessen wie gut seine Politik ist sondern in wie viele Fettnäpfchen er (nicht) tritt. Wer nichts sagt wie Steinmeier und Merkel tritt auch in wenig Fettnäpfchen. Und wenn sich ein Politiker zu einer großzügigen Nierenspende herablässt, ist doch das etwas, dass das Herz des politikfernen Bürgers erwärmt. So etwas versteht jeder.