Lautenschläger

Geschrieben von: am 27. Sep 2019 um 9:46

Der deutsche Finanzjournalismus jammert über den Rücktritt von Sabine Lautenschläger. Die Dame kennen Sie nicht? Das macht nichts. Sabine Lautenschläger war EZB Direktoriumsmitglied und hat, wie es für die Deutschen in dem Gremium üblich ist, permanent gegen die geldpolitischen Entscheidungen der EZB gestimmt, die hierzulande auch mehrheitlich kritisiert werden, weil sie den Sparern angeblich die Zinsen rauben. Am Ende wählte Lautenschläger den Weg ihrer frustrierten Vorgänger, die Herren Jörg Asmussen, Jürgen Stark und Axel Weber. Zu bedauern gibt es da allerdings nichts, weil diese Kandidaten allesamt von Geldpolitik nie etwas verstanden haben.

Gescheiterter Lernprozess

Lautenschläger selbst hatte vor ihrem Einzug ins EZB-Direktorium ebenfalls eingeräumt, bei der Geldpolitik noch etwas dazulernen zu müssen.

SZ: Sie werden als Vertreterin des Bundesbankpräsidenten im Rat der Europäischen Zentralbank dabei sein. Kennen Sie sich mit Geldpolitik überhaupt aus?

Lautenschläger: Der Bundesbankvorstand wird gemeinsam über die Verteilung der Zuständigkeiten entscheiden, aber selbstverständlich spielt Geldpolitik auch in meiner jetzigen Arbeit eine Rolle. Als Aufseherin muss ich verstehen, welche Wirkungen geldpolitische Maßnahmen für Institute mit sich bringen. Aber natürlich werde ich auch noch viel lernen müssen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Leider scheint ein Lernprozess ausgeblieben zu sein, denn die ablehnende Haltung gegenüber einer unorthodoxen Geldpolitik der Zentralbank hat sich nicht verändert. Zuletzt hatte Lautenschläger auch das jüngste Anleihekaufprogramm der EZB mit der Begründung abgelehnt, dass es keine deflationären Entwicklungen gebe, die ein solches Vorgehen rechtfertigen würde. Dabei wird das Inflationsziel von knapp unter 2 Prozent seit Jahren nicht mehr erreicht. Diese Tatsache berechtigt natürlich zu der Feststellung, dass die Versuche der EZB, daran etwas zu ändern, ebenso krachend gescheitert sind. Ihre Maßnahmen laufen offenkundig ins Leere, da auch immer billigeres Geld nicht dazu führt, dass mehr Kredite in die Realwirtschaft vergeben werden, um positive Effekte für die konjunkturelle Entwicklung zu erzeugen.

Doch was ist die geldpolitische Alternative? Nichtstun oder die Zinsen erhöhen. Beides ist natürlich vollkommener Unsinn, da dies den wirtschaftlichen Abschwung zusätzlich beschleunigen würde. Das Problem liegt, wie schon oft angemerkt, eben nicht bei der EZB, der aufgrund ihrer fehlerhaften Konstruktion, nur das Instrument der Geldpolitik zur Verfügung steht, sondern in der Finanzpolitik der Mitgliedsstaaten, allen voran Deutschland. Die Sparpolitik, die in Schwarzer Null und Schuldenbremse ihren Ausdruck findet, ist verantwortlich dafür, dass die Zentralbank die Zinsen nunmehr dauerhaft unter Null halten muss. Wer angesichts des Lautenschläger-Rücktritts jetzt mit dem Finger auf die EZB zeigt, ignoriert, dass die anderen Finger auf einen selbst zurück deuten.

Fester Irrglaube

Doch über die katastrophale Finanzpolitik der Bundesregierung will niemand reden, zu fest ist der Glaube an eine solide Haushaltspolitik des Musterschülers Deutschland. Praktischer ist es da, wenn man die Entscheidungen der Zentralbank kurzerhand dafür verantwortlich macht, dass der „Populismus“ im eigenen Land gedeiht.

Wenn sich Notenbanker und Bürger entfremden, wird das zum Nährboden, auf dem Populisten gedeihen. Die EZB sollte diese Sorgen auch deshalb ernst nehmen, statt berechtigte Bedenken sogar aus ihren eigenen Reihen einfach beiseitezuwischen.

Das ist eine elegante Lösung, weil sie die fehlende Komptenz deutscher Währungshüter übertüncht. Zu befürchten ist daher, dass nach Lautenschläger die nächste „Null“ den nun vakanten Posten besetzen wird, während der deutsche Gossenjournalismus weiter über „Graf Draghila“ schimpft. Die Probleme hocken aber in Berlin. Die Bundesregierung hält am Dogma der Schwarzen Null fest und hat darüber hinaus keinen Plan, wie man die Rezession bekämpfen kann. Das größte Problem für die Weltwirtschaft sei, dass niemand wisse, wie es demnächst weitergehe, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz zum Auftakt der Haushaltsberatungen im Bundestag.

Folglich müsse auch so lange nichts unternommen werden, bis der deutsche Finanzminister endlich erkannt hat, was Sache ist. Er behauptete zudem, dass sein Haushalt ohne Neuverschuldung expansiv sei, was den Offenbarungseid nur noch schlimmer macht. Flankiert wird die ignorante Haltung der Bundesregierung von den Attacken des Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann, der gern Chef der EZB geworden wäre, und, als es um seine Karriere ging, kurz so tat, als fände auch er die lockere Geldpolitik der Zentralbank gut. Das hat ihm aber niemand abgekauft. Inzwischen ist er wieder auf den alten Kurs zurückgeschwenkt und kritisiert laut die Entscheidungen des Gremiums, dessen Mitglied er ist.

Draghi sei über das Ziel hinausgeschossen. Als Begründung gab er wie Lautenschläger auch an, dass die wirtschaftliche Lage ja gar nicht wirklich schlecht sei und die Löhne deutlich steigen würden. Mehr fachliche Inkompetenz geht eigentlich nicht. Solche Aussagen werden aber nur getätigt, um das schreckliche deutsche Wirtschaftsmodell mit seinem exorbitant hohen Leistungsbilanzüberschuss zu verteidigen. Das Schlimme ist aber, dass es genau diese ungerechtfertigten Angriffe auf die EZB sind, die den Entfremdungsprozess zwischen Bürgern und den europäischen Institutionen weiter anheizen. Genau das spielt dann auch jenen Parteien in die Hände, die das europäische Haus lieber heute als morgen komplett einreißen wollen.


Bildnachweis: Harri Vick auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jörg Wiedmann  September 27, 2019

    Das Dogma „schwarze Null“ ist natürlich Quatsch, besonders wenn alle deutschen Staatsanleihen -unabhängig von der Laufzeit- negativ verzinst sind. Zudem wären staatliche Investitionen dringend nötig.
    Warum ist eine Geldentwertung von 2% jedes Jahr ein erstrebenswertes Ziel sein soll erschliesst sich mir leider nicht so ganz. Die EZB hat sich in eine ausweglose Situation gebracht.
    Den Aufkauf von „Schrottanleihen“ egal ob staaliche oder private kann man durchaus kritisch sehen.
    Wie schlecht es um das Finanzsystem (Eurozone) steht kann man alleine daran sehen das man sich nicht einmal getraut hat die Zinsen um 0,25% zu erhöhen weil sonst die „Billiggeldzombieunternehmen“ gleich umgekippt wären. Das man damit aber solide aufgestellte Firmen bestraft ist anscheinend noch niemand aufgefallen.

    • André Tautenhahn  September 27, 2019

      Warum ist eine Geldentwertung von 2% jedes Jahr ein erstrebenswertes Ziel sein soll erschliesst sich mir leider nicht so ganz.

      Ganz einfach. Weil Geldhorten nicht belohnt werden soll. Mit einer moderaten Geldentwertung wäre sichergestellt, dass das Geld im Wirtschaftskreislauf in Bewegung bliebe. ;-)

      Die EZB hat sich in eine ausweglose Situation gebracht.

      Das ist nur zum Teil richtig, weil ihr gar keine andere Möglichkeit geblieben ist. Die Finanzpolitik hat versagt. Der Staat muss Anreize für mehr Einkommen und Konsum setzen. Erst dann sind auch die Unternehmen wieder bereit zu investieren. Das gelingt aber nur mit einer Aufgabe der Schwarzen Null.