GroKo: Jeder zwitschert auf seine Weise

Geschrieben von: am 06. Nov 2015 um 18:30

Der Wettbewerb um die Benennung einer Lagerstruktur für Flüchtlinge in Deutschland ist abgeschlossen. Die SPD feiert sich als Sieger. Die CSU feiert auch. Und zwar die Durchsetzung des härtesten Asylrechts, das Deutschland je gesehen hat – und zwar mit Zustimmung der SPD. Auf diesen Zusatz legt Horst Seehofer besonderen Wert, um weiter stänkern und Gabriel eine Gallenkolik bescheren zu können. Die CSU setzt durch, während sich die SPD voll durchgesetzt hat. Und die CDU? Die hat einen komischen Tweet gesetzt und muss wohl das Land verlassen.

Doch zunächst zu den Flüchtlingen. Den hilft das Gezwitscher des großkoalitionären Kindergartens herzlich wenig. Sie ertrinken auch weiterhin im Meer, weil die Wertegemeinschaft statt legale Fluchtwege einzurichten lieber eine sinnlose Jagd auf Schlepper veranstaltet. Sie frieren auch weiterhin an den Grenzübergängen Europas, weil die Wertegemeinschaft lieber über Grundrechte diskutiert, statt sie zu gewähren. Und sie warten auch weiterhin in den Flüchtlingsunterkünften auf die Bearbeitung ihrer Anträge, weil die Wertegemeinschaft die Wirkung des eigenen Gezwitschers für wichtiger erachtet, als die Zukunft von Menschen, die Schutz benötigen.

Aufnahmezentrum ist daher wieder nur bloß eine irreführende Zwitscherei. Treffender wäre wohl Loswerdezentrum oder Abschiebelager für diejenigen, die es trotz zunehmender Abschottung und trotz beabsichtigter Flüchtlingsrückhaltevereinbarungen mit Ländern wie der Türkei schaffen, Deutschland zu erreichen. Merkels lupenreiner Demokrat wird künftig der türkische Staatspräsident sein, der nach der Wiederholungswahl in seinem Land mit dem Großreinemachen bereits begonnen hat.

Der Bundesaußenminister Steinmeier, der eben noch Empörung über die mangelnde Finanzausstattung von UN-Hilfsorganisationen geheuchelt und deshalb angeblich Gelder organisiert hat, liefert ebenfalls nicht mehr als eine Mogelpackung ab, wie das Magazin Monitor herausgefunden hat. Profilierung ist wichtig im politischen Zwitschergeschäft, das Leid der Menschen dagegen nebensächlich, manchmal aber auch nützlich, wenn es dem eigenen Vorteil dient. Der Familiennachzug zum Beispiel. Der sei nun ausgesetzt, brüstet sich die CSU. Doch was bedeutet das? Das weniger Menschen kommen oder sich noch mehr Familien auf den Weg machen werden, um alles auf eine Karte zu setzen?

Dennoch: Ein guter Tag, sei das gewesen, zwitscherte der Kanzleramtschef Peter Altmaier, der seit ein paar Wochen auch Flüchtlings-Koordinator der Bundesregierung ist. Um seiner Freude weiteren Ausdruck zu verleihen, fügte er seinem Kurzkommentar noch folgende Worte hinzu: „Wer nicht verfolgt wird und aus einem sicheren Land kommt, wird künftig schneller unser Land verlassen müssen.“

Das zeigt doch, welcher Qualitätssprung nach der Entmachtung des Innenzwitscherers de Maizière stattgefunden hat. Der war ja mit der Flüchtlingsfrage völlig überfordert. Altmaier hingegen hat sichtlich Spaß an seinem neuen Job. Bleibt nur zu hoffen, dass sein Verfolger im Kanzleramt den Anschluss nicht verpasst. Wäre ja schlimm wenn Altmaier auf einmal gehen muss. Das entlastete Vögelchen de Maizière hätte da aber vielleicht ne gute Idee. Bildungsstandards kurzfristig senken. Das hilft der GroKo sicher beim nächsten Social-Media-Studientag.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Geärgerter  November 6, 2015

    Ich kann´s nicht mehr hören – Asyl kann in Deutschland niemand beantragen, denn wenn er Europa betritt, müsste er sich sofort registrieren lassen. Wir haben es also nicht mit Asyl zu tun, infolge dessen hätte auch das vorherige Asylrecht gereicht.
    Warum hat eigentlich Edward Snowden kein Asyl in Deutschland bekommen? Die Lügnerin Frau Bundeskanzler Dr. Angela Merkel sagte doch: „Das Recht auf Asyl hat keine Grenzen.“

  2. Horst Schulte  November 7, 2015

    Wenn Sie erlauben: Ihre Verzweiflung über das Schmierentheater, das „die Politik“ uns in dieser Phase einer der großen humanitären Katastrophen der Nachkriegszeit vorführt, ist überdeutlich. Aber was soll man auch von einer Politik-Elite erwarten, die sich vom Volk nach rechts gedrängt sieht? Falls ich Ihren Text falsch verstanden habe – sorry! Ich bin jedenfalls sehr verzweifelt.