Ziemlich dick aufgetragen

Geschrieben von: am 08. Jan 2015 um 13:06

Die Morde von Paris seien ein Angriff auf die ganze freie Welt, heißt es. Doch so frei, wie die freie Welt tut, ist sie schon lange nicht mehr.

Die Reaktionen auf den Anschlag in Paris sind aus meiner Sicht übertrieben. In der FAZ spricht Berthold Kohler zum Beispiel von einer Kriegserklärung an die ganze freie Welt und Klaus-Dieter Frankenberger meint beipflichtend, der Mord an Journalisten der Zeitschrift „Charlie Hebdo“ ziele auf das Herz der Demokratie – die freie Presse. Das ist ziemlich dick aufgetragen.

Pressefreiheit steht schon längst unter Terrorverdacht

Das Herz der Demokratie, schlägt es denn überhaupt noch? In Sachen Pressefreiheit rangiert Frankreich in der Rangliste von Reporter ohne Grenzen auf Platz 39 und Deutschland auf Platz 14. Diese Ergebnisse zeigen, so Reporter ohne Grenzen, „wie stark die Dominanz der Sicherheitsbehörden die Arbeit von Journalisten in vielen Ländern erschwert. Besonders besorgniserregend ist, dass diese Entwicklung sogar traditionelle Demokratien erfasst hat.“

Whistleblower wie Edward Snowden stammen aus diesen Demokratien. Deren politische Führer halten ihn aber für einen Verräter, dem im Namen des Volkes der Prozess gemacht und die Freiheit genommen werden müsse. Der Journalist Glenn Greenwald, dem Snowden sein brisantes Material anvertraute, sah sich ebenfalls Repressionen ausgesetzt. Sein Lebenspartner wurde zudem am Londoner Flughafen Heathrow stundenlang festgehalten und verhört.

Die britische Regierung rechtfertigte das Vorgehen auf der Grundlage von Anti-Terror-Gesetzen und die Richter in einem späteren Verfahren folgten dieser Einschätzung. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sowie die Pressefreiheit wogen in diesem Fall nicht so schwer, wie der Terrorism Act der Regierung. Wer sich also auf Pressefreiheit beruft und seine Quellen schützt, ist im Zweifel auch des Terrors verdächtig, so die Botschaft oder sollte man Drohung sagen.

So frei, wie die freie Welt tut, ist sie also nicht. Das kommt schon allein dadurch zum Ausdruck, dass permanent von Werten, statt von Rechten gesprochen wird. Menschen zu erschießen, verstößt aber nicht gegen irgendwelche Werte, die mit allerhand Ideologie bloß aufgeblasen werden, sondern gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Bei uns steht das im Artikel 2 des Grundgesetzes.

Mit Gewalt muss gerechnet werden

Verstöße dagegen werden in einem Rechtsstaat verfolgt und mit Strafen belegt. Dabei ist es egal, an welche Religionen Mörder und Extremisten glauben. Vor dem Gesetz sind sie alle gleich oder sollten es sein. Doch tun wir gerade so, als hätten die Morde von Paris nun eine besondere Qualität. Dabei ist die Gewalt eine Größe, mit der man rechnen muss. Dass es Vororte von Paris gibt, in denen Menschen zum Teil schwer bewaffnet sind, ist schließlich keine Neuigkeit.

Was läuft da schief, wäre eine Frage, die es zu stellen gilt. Sind tatsächlich der Glaube und verletzte religiöse Gefühle die Auslöser für Gewalt? Was ist mit der Perspektivlosigkeit, die eine Demokratie produziert, die offenbar nur noch marktkonform zu sein hat? Was werden wohl die vielen jungen Menschen tun, die in Südeuropa dank Spardiktat keine Chance mehr sehen, jemals wieder Arbeit zu finden? Werden sie ihr Schicksal einfach nur ertragen oder rekrutiert?

Wem folgen die Pegida-Anhänger hierzulande und wohin? Diese Bewegung dürfte nach den Morden von Paris weiteren Zulauf erhalten. Die ersten Wirrköpfe beginnen die Ereignisse bereits, für ihre Zwecke zu missbrauchen. Und Kohler von der FAZ bläst ins selbe Horn wenn er schreibt, dass sich niemand mehr über die Furcht vor dem Islam zu wundern bräuchte, weil in dessen Namen Angst und Schrecken verbreitet würde.

Besonnenheit sieht anders aus. Nach den Anschlägen in Norwegen 2011 sagte der damalige Ministerpräsident Jens Stoltenberg: „Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“ Die Antwort nach Paris lautet offenbar: Wiederaufnahme des Kampfes gegen den Terror und Erneuerung politisch versagender Bündnisse, denen oft auch nicht mehr einfällt, als zur Waffe zu greifen.


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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. pakabe  Januar 8, 2015

    Propaganda. Es wird ein Krieg gebraucht.

  2. Wanderer-Selbstbetrug  Januar 8, 2015

    Es war nur eine Frage der Zeit, bis etwas passiert. Was politisch unkorrekt ist muss aber noch lange nicht einer abweichenden Politik entsprechen – auch das ist Teil der Tagesordnung. Aber man erkennt in dieser Situation recht deutlich, wie von links und aus dem Grünen, plötzlich das Relativieren beginnt. Sind ja schließlich nicht alle so, bis auf die, die so sind. Und wer A sagt muss dann auch B sagen. Die Situation konnte nur durch ideologische Spaltung mit einher gehendem Redeverbot entstehen. Nun haben wir sie, als gordischen Knoten, und keiner kann ihn lösen.

    MfG

  3. HELLMOOD  Januar 8, 2015

    Dass diese Schlächterei ziemlichen Furor nach sich ziehen würde, war zu erwarten und wundert mich nicht. Vielmehr erscheint mir das Ganze nach wie vor völlig bizarr, auch weil man so plötzlich Verdächtie aus dem Hut zaubert, die ja auch immer wieder auftauchen, wie bei dem Tankstellenüberfall, bei dem sie vom Betreiber „erkannt“ wurden, obwohl maskiert. Vielleicht am Geruch? Es dürfte nicht nur von Interess sein wen wir am Ende der Jagd präsentiert bekommen, sondern auch in welchem Zustand, nämlich tot oder lebendig.

  4. PeWi  Januar 8, 2015

    Ich frage mich viel eher, wer dahinter steckt. Ein Terrorist muss schon recht dämlich sein, wenn er Gewehr und Ausweis so einfach im Auto liegen lässt. Alles Beweise, die überführen können. Terroristen sind zwar irgendwie dämlich, aber in einem anderen Sinne. Wer waren die Anstifter?

  5. HELLMOOD  Januar 8, 2015

    Nur ungern zitiere ich mich selber: „Vielleicht am Geruch?“

    Focus:
    19.46 Uhr: „Wenn die Verdächtigen wirklich in dem Wald sind, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Polizei sie in der Nacht findet“, schreibt ein Korrespondent des „Telegraph“. Der Wald sei groß und Mondlicht gebe es kaum.

    Fehlendes Mondlicht! Scheinwerfer gibt es nicht und die Spürhundstaffeln sind zur Zeit bei der Köter-Olympiade auf irgendeiner englischen Rennbahn (weiss mit Bestimmtheit der Telegraph-Korrespondent), is klar, ne?

  6. Manfred Corte  Januar 10, 2015

    Die Vorgänge in Frankreich haben uns endlich die Augen geöffnet: Dank unserer Politiker und Meinungsmacher-Medien und anderer Heuchler wissen wir jetzt – es gibt 3 unumstößliche Wahrheiten:

    Die Nato ist Charlie – Der Islam ist eine von Grund auf friedliche Religion – und PEGIDA Mitläufer sind verdeckte Nazi-Islamisten, die sich nur vorläufig noch mit schlimmen Aktionen zurückhalten!

    Danke, für diese Erkenntnisse, die wir (auch) Herrn Helmut Heinen, dem „Präsidenten des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger“ und Aufrufen in der Mainstream-Presse verdanken!