Verlogene Haltung

Geschrieben von: am 28. Aug 2013 um 6:59

Die Kommentatoren beschäftigen sich heute morgen mit Syrien und einem bevorstehenden Militärschlag aus humanitären Gründen. Das mit den humanitären Gründen hat der britische Außenminister William Hague erfunden, wahrscheinlich weil ihm genauso wenig Beweise für einen vom Assad-Regime aus gesteuerten Chemiewaffeneinsatz vorliegen wie den USA. In den Medien wird bagatellisiert, um die erneut nicht vorhandene Haltung der Bundesregierung zu stützen.  

Die Süddeutsche unterstellt der Linken gar “Moralische Großmannssucht”, weil die klar von einem militärischen Eingreifen in Syrien abrät und Luftschläge für Wahnsinn hält. Daniel Brössler schreibt an die Adresse der anderen beiden Merkel-Flügel im Parlament: 

“SPD und Grüne sollten sich hüten, dem Beispiel der Linkspartei zu folgen. Der Antikriegswahlkampf 2002 lebte von der Überzeugung, Deutschland habe sich richtig, also gegen Bush, positioniert. Auf diese einfache Formel lässt sich der Fall Syrien nicht reduzieren. Das verbieten die Fakten – und die Bilder aus Damaskus

Nur welche Formel greift im Fall Syrien? Hilft eine Bombardierung, die ja offenbar nur kurz und als Bestrafung gedacht sein soll, den Menschen in Syrien, die ja nicht erst seit dem mutmaßlichen C-Waffen-Einsatz zu leiden haben. In Neues aus der Anstalt brachte Kabarettist Christian Springer die Lage im Nahen Osten und die Rolle des vor Humanität triefenden Westens auf den Punkt.

Die syrischen Flüchtlinge sagen: ‘Wir beten jeden Tag zu Gott, dass er uns ein Erdbeben schickt. Dann hätten wir morgen Hilfe. Aber wir haben nur einen Krieg.’

Und in diesem Krieg sei eine rote Linie überschritten worden. Von wem, wissen offenbar nicht einmal die Geheimdienste, die ihren globalen Bruch von Grundrechten ja immer damit begründen, böse Menschen mit bösen Absichten rechtzeitig zu erkennen. Ein Militärschlag ohne oder mit konstruierten Beweisen, das kommt nicht nur bekannt vor, es ist dieselbe Strategie, genauso wie die Heuchelei über einen “Zivilisationsbruch”, einen Begriff, den neuerdings der deutsche Außenminister in den Mund nimmt. Wo bleibt der Aufschrei der Intellektuellen? Westerwelle setzt den Einsatz von C-Waffen in Syrien mit Auschwitz gleich.

Die Humanität der westlichen Demokratien, die ihre Werte inzwischen nur noch mit Mitteln der Diktatur verteidigen können, ist kaum noch zu ertragen. Erwin Pelzig stellte gestern in der Anstalt der Sorge der Bundesregierung um die Menschen in Syrien jene Flüchtlinge gegenüber, die zu Tausenden im Mittelmeer ersaufen, bei dem Versuch die Grenzen der durch und durch verlogenen europäischen Wertegemeinschaft zu erreichen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. judex  August 28, 2013

    Ich habe gestern auch schon über dieses Thema geschrieben.
    http://die-andere-seite.blog.de/2013/08/27/giftgas-krieg-findet-immer-grund-16339202/
    Ergänzend bemerke ich noch:
    Vor dem Irak-Krieg hat Außenminister Powell der UNO immerhin Pseudo-Beweise für den angeblichen Atomwaffenbau Saddam Husseins präsentiert.
    Für den Giftgaseinsatz in Syrien legt man uns nicht einmal solche Pseudobeweise vor, sondern beruft sich nur auf Geheimdienstinformationen.

  2. tarzun  August 28, 2013

    In Zeiten der Zwangsaufbewahrung in einer psychiatrischen Anstalt, sollte man auch als Intellektueller aufpassen, was man sagt oder nicht. Schnell werden Wahnvorstellungen und Gefahrenpotential diagnostiziert. Schneller als man denkt sitzt man/frau dann in der Gummizelle und kann dann dort für eine bessere Welt kämpfen.

    Oder glaubt der Verfasser dieses Artikels tatsächlich daran, dass Politik(er) im Sinne der Demokratie und des Humanismus agiert?

  3. RudolfHomann  August 28, 2013

    Als zum erstenmal das Wort »Friede« ausgesprochen
    wurde, entstand auf der Börse eine Panik. Sie
    schrien auf im Schmerz: Wir haben verdient!
    Lasst uns den Krieg! Wir haben den Krieg verdient!

    KARL KRAUS