Meinungsmache: Wie Bodo Ramelow zum "Badboy" gemacht wurde

Geschrieben von: am 24. Nov 2009 um 16:07

In einem Brief an die NachDenkSeiten nimmt Bodo Ramelow Stellung zu den Vorwürfen, er hätte sich in eine Kampagne gegen den an Krebs erkrankten Oskar Lafontaine einbinden lassen. Sehr eindrucksvoll und ehrlich, wie ich finde, räumt er mit den von den Medien konstruierten Scheinsachverhalten auf. Im Zuge seiner Beschreibung der Ereignisse und insbesondere seiner Kontakte zu den Medien fällt ein Name, bei dem es klingelt. Dieter Wonka von der Leipziger Volkszeitung. Er ist wohl der mutmaßliche Auslöser der Kampagne, weil er Bodo Ramelow ganz gezielt missverstehen wollte.

Dieter Wonka ist der, der auf der Bundespressekonferenz Guido Westerwelle auf altgriechisch eine Frage stellen wollte, weil der sie auf deutsch nicht verstand oder verstehen wollte. Mit Unverständnis hätte Bodo Ramelow wohl letztlich auch reagieren sollen, um nicht Gefahr zu laufen, für eine bewusste Medienkampagne eingespannt zu werden. Sie können aber an den Schilderungen Ramelows sehr schön nachvollziehen, wie das mit der Meinungsmache in diesem Land funktioniert. Dieter Wonka ist im Grunde der Christoph Slangen der Leipziger Volkszeitung und die gehört zu 100 Prozent dem Madsack-Konzern, wie die Neue Presse Hannover auch. Insofern ist es kein Wunder, dass man sich die Bälle zuspielt, wie der Kommentar von Anja Schmiedeke vom letzten Donnerstag in der NP zeigt (siehe hier im Blog).

Auf eine Gegendarstellung können sie lange warten. Wie Bodo Ramelow abschließend schreibt, wird seine Richtigstellung der Ereignisse mit den Worten kommentiert.

„…,nach heftiger Intervention der Bundesspitze rudert Ramelow
zurück“

Ziel der Kampagnen bleibt es, die Linkspartei als streitenden Haufen darzustellen, der sich vor allem an der Person Oskar Lafontaine abarbeitet. Nur gegen Lafontaine sind im Endeffekt diese getarnten Angriffe gerichtet. Am letzten Donnerstag lautete die entsprechende Agenturmeldung in der Neuen Presse:

Linke streitet über Lafontaine-Nachfolge
Darunter findet sich dann ein Text mit Zitaten von Ramelow, die so eingesetzt worden sind, dass man annehmen musste, Ramelow fordere eine Führungsdebatte.

BERLIN. In der Linken ist Streit darüber entbrannt, ob über eine Nachfolge für den an Krebs erkrankten Parteichef Oskar Lafontaine diskutiert werden soll. Linksfraktionschef Gregor Gysi wies Überlegungen des Thüringer Linksfraktionschefs Bodo Ramelow zurück, die Partei müsse sich auf einen Wechsel vorbereiten. Lafontaine ging am Tag vor seiner Operation bei einer Rede in Saarbrücken nicht auf seine Erkrankung ein. Ramelow sagte der „Leipziger Volkszeitung“, die Partei müsse sich unabhängig von der Erkrankung ihres Vorsitzenden gezielt auf die Zeit nach Lafontaine vorbereiten: „Es muss sowieso ohne Lafontaine gehen. Das hat nichts mit seiner Krebsoperation zu tun.“ Zur Frage der Neubesetzung der Parteispitze sagte Ramelow: „Die neue Parteiführung sollte aus einem Ost- und einem West-Vertreter, aus einem Mann und einer Frau bestehen.“ Gysi sagte zu Ramelows Überlegungen: „Herr Ramelow kann ja über alles nachdenken. Aber das ist eine Frage, die mich im Augenblick ehrlich gesagt nicht sonderlich bewegt.“ Am Dienstag war bekannt geworden, dass Lafontaine sich einer Prostatakrebs-Operation unterziehen muss.« afp/dpa»

In seiner Klarstellung schreibt Ramelow:

„Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine Anfrage von Herrn Wonka von der Leipziger Volkszeitung, der am Montag, 16. November, über sein Büro ein entsprechendes Interview mit mir vorvereinbart hatte. Dieses Interview markiert Auffassungen von mir, die ich schon Wochen vorher öffentlich immer wieder geäußert habe. Dazu gehört insbesondere die Unterstützung für Oskar Lafontaine zum Vorschlag, in der Parteispitze eine Doppelspitze zu installieren. Darüber hatte ich persönlich mit Oskar gesprochen und im Gegensatz zu vielen ostdeutschen Landesverbandsvertretern bin ich ein vehementer Befürworter der Doppelspitze.

In diesem Zusammenhang ist von mir der Satz gefallen, dass der Vorschlag von Oskar sehr klug gewählt ist, ich ihn sehr unterstützenswert finde, weil damit von ihm ein geordneter Generationswechsel über einen längeren Zeitraum ermöglicht wird. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass ein Generationswechsel auf diese Art zeigt, wie Oskar Lafontaine denkt und wie gut es uns tun würde, diese Debatte jetzt offensiv in der Partei zu führen. Das habe ich vor der Krebsdiagnose geäußert und mit wenig Mühe wird man diese Texte von mir in einer Reihe von Zeitungen und meinem längeren Interview im Tagesspiegel nachlesen können.“

Kurzum: Ramelow hat vor Bekanntwerden der Krebserkrankung Lafontaines in Interviews immer wieder gesagt, dass er die Haltung Lafontaines teile, dass die Parteiführung auch in Zukunft mit einer Doppelspitze aus Ost und West und am besten in der Form Mann Frau bestückt sein sollte. Mehr nicht. Was Wonka und die Medienmeute nach Bekanntwerden der Krebserkrankung nun aus den Statements gemacht haben, ist eine perfide und stillose Angelegenheit.

Das muss man sich mal vorstellen. Dieter Wonka ruft am Mittwoch, den 18.11.2009, bei Ramelow an und lässt sich ganz bewusst die bisher getätigten Aussagen zur Doppelspitze noch einmal bestätigen. Und am nächsten Tag erscheint dann die Schlagzeile über eine angeblich stillose Nachfolgedebatte innerhalb der Linkspartei, ausgelöst durch Aussagen von Ramelow, die lange vor Bekanntwerden der Krebserkrankung und in Übereinstimmung mit der Position Lafontaines gemacht worden sind. Ist das nicht verrückt?

Für die offene Schilderung der Vorgänge muss man Bodo Ramelow wirklich dankbar sein. Selten bekommt man so konkrete Einblicke in die schmutzige Welt hinter der publizierten Wirklichkeit. Aber das kennt man ja bereits von Ramelow. Er hat ja auch das Protokoll der letzten Sondierungsrunde mit der SPD in Thüringen veröffentlicht, nachdem die Sozialdemokraten eine sehr eigene Wahrnehmung der Realität verbreiten wollten. Die Matschbirne Matschie stand dann auch sehr ertappt da.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Teja552  November 24, 2009

    Ja diese Pressefinken, wenn es darum geht Streit unter den Linken zu säen oder falsche Nachrichten und Gerüchte zu streuen, dann sind sie in vorderster Reihe.
    Die hätten genug andere Themen und andere Politiker aber denen wollen sie ja nicht schaden, ein Schelm wer da böses denkt!

  2. dieter wonka  Dezember 4, 2009

    abgesehen von diversen unkorrektheiten in diesem fall möchte ich nur eines klipp und klar feststellen: es gab keine vorverabredungen zu einem interview mit bodo ramelow; das interview wurde aktuell am tag vereinbart und zwar in beiderseitiger kenntnis der öffentlichen mitteilung von oskar lafontaine über seine unmittelbar bevorstehende krebsoperation und meine fragen an bodo ramelow bezogen sich nur und ausdrücklich auf diesen hintergrund, verbunden mit der abschließenden frage von mir, ob der interviewte irgend etwas zurück zu nehmen gedächte – antwort: nein! den ganzen anderen unsinn lasse ich mal stehen, aber ein kleiner grundkurs über „pressefinken“ oder „politikfinken“ ist schon mal fällig, nachdem ich durch zufall auf die seite gestoßen bin.
    dieter wonka

    • adtstar  Dezember 4, 2009

      Lieber Herr Wonka,

      ich danke ihnen ja recht herzlich für die Klarstellung, aber was ändert das nun an meiner Darstellung?

      Ich hätte diesen Beitrag wahrscheinlich gar nicht erst geschrieben, wenn sie mir nicht auf der Bundespressekonferenz mit Guido Westerwelle am 1. Oktober unangenehm aufgefallen wären. Damals fragten sie Herrn Westerwelle ja so verschwurbelt, um eine Antwort zu bekommen, die es möglicherweise erlaubt hätte, Herrn Westerwelle den Bruch eines zentralen Wahlversprechens vorwerfen zu können. So habe ich ihre Frage jedenfalls der Intention nach verstanden, bevor sie anboten, sie auf altgriechisch noch einmal zu stellen.

      Was mich nun daran gestört hat, ist die Tatsache, dass ihre journalistische Arbeit nur darauf abzuzielen schien, aus sich möglicherweise widersprechenden PR-Wortfetzen eines Politikers, eine Schlagzeile konstruieren zu können. Dabei war am 1. Oktober überhaupt nicht interssant, ob Westerwelle sein Wahlversprechen verbal brechen könnte, sondern die schlichte Zurkenntnisnahme der Fakten, mit denen sie Herrn Westerwelle auch hätten konfrontieren können, es aber nicht taten. Warum?

      Auch damals war bekannt: Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Staaten hat Deutschland gemessen am Bruttoinlandsprodukt mit 24,3 % die niedrigsten Steuereinnahmen. Frankreich beispielsweise 27 % und Großbritannien 29,7 %. Ihre erste Frage hätte also zwingend lauten müssen, wo Herr Westerwelle denn angesichts dieser Fakten Spielraum für Steuersenkungen sehe. Und ihre zweite Frage hätte zwingend lauten müssen, wo denn der gigantische Wachstumsimpuls geblieben sei, der infolge der Steuersenkungspolitik der letzten Jahre nach aktueller FDP-Logik hätte zwingend stattfinden müssen.

      Sehen sie, ich werfe ihnen ja keine bösen Absichten vor, sondern finde nur, dass sie die falschen Fragen stellen. Ich hatte also keinen Grund anzunehmen, dass sie bei Bodo Ramelow anders vorgehen würden. Und indirekt bestätigen sie oben ja meine Annahme, wenn sie schreiben, dass sie Ramelow gefragt haben, ob er etwas zurück zu nehmen hätte. Haben sie ihn denn konkret zu einer Nachfolgediskussion in der Partei die Linke befragt?

      MfG

  3. wonka  Dezember 4, 2009

    so verschwurbelt muss man schon denken wollen um so absturses zeug wie sie in frageform zu quetschen.schade, dass inhalte bei ihnen keine rolle spielen. das wars dann.

  4. Megahoschi  Dezember 4, 2009

    Nabend

    Ach wie witzig, ich fand die Frage sehr gut gestellt, aber da scheinen dem Herrn Wonka wohl die Argumente aus zu gehen. [redigiert durch adtstar]