Nachtrag zu Westerwelles legale Tötungstheorie

Geschrieben von: am 07. Aug 2010 um 9:16

Zu meinem gestrigen Beitrag Westerwelles legale Tötungstheorie gab es einen Kommentar zu dem ich eine Antwort geben möchte:

Kommentar: „Meine Güte, da werden gezielt Menschen umgebracht, die mit ihrem Leben nichts anderes vorhatten, als möglichst viele andere Menschen umzubringen oder selbst Märtyrer zu werden? Und das bevor sie ihre Ziele verwirklicht haben? Wer hätte das gedacht.“

Das eine rechtfertigt meiner Meinung nach nicht das andere, weil zunächst einmal ein Verbrechen vorliegen bzw. nachgewiesen sein muss, bevor man mit einer entsprechenden Sanktion reagieren kann. Zumindest verstehe ich so die rechtsstaatlichen Prinzipien westlicher Demokratien, die diese ja gern in Afghanistan installiert hätten. Und einen offiziellen Kriegszustand gibt es ja bekanntlich nicht, sondern nur jenes, von Westerwelle vorgetragene und höchst alberne juristische Konstrukt über einen nicht-internationalen bewaffneten Konflikt, in dem die NATO-Truppen ihren Gegner nach der Vorgabe des humanitären Völkerrechts bekämpfen.

Die Todeslistenerstellung ist aber auch aus einem anderen Grund überhaupt nicht zu rechtfertigen. Zum einen unterstellt man den Taliban/Aufständischen, sie seien Terroristen, die lieber Tod als lebendig seien und nur darauf warten würden, sich in die Luft sprengen zu dürfen. Auf der anderen Seite aber unterstellen dieselben staatlichen und militärischen Lenker und Denker, dass es möglich sei, diese Taliban/Aufständischen mit Begrüßungsgeld quasi umschulen zu können. Vom Terroristen zum Brunnenbauer sozusagen.

Und apropos Brunnenbauer. Deutsche Soldaten sind nicht nach Afghanistan entsandt worden, um an der Erstellung von Todeslisten mitzuwirken. Zumindest wurde das von Regierungsseite bis zum Rücktritt von Franz-Josef Jung im letzten Jahr immer wieder gebetsmühlenartig vorgetragen. Deutsche Soldaten seien in friedlicher Mission in Afghanistan, um Brunnen, Straßen und Schulen zu bauen und für die Rechte der Frauen einzutreten…

Nun aber ist nach fast zehn Jahren Schluss mit der Mär von der friedlich helfenden Bundeswehr. Es darf auch scharf geschossen werden. Ob auf Freund oder Feind spielt dabei keine Rolle. Ich verstehe einfach nicht, warum die mediale Öffentlichkeit aufatmet, weil der aktuelle Verteidigungsminister von kriegsähnlichen Zuständen spricht, die fälschlicherweise als ein Eingeständnis missinterpretiert werden, Deutschland befände sich im Krieg. Das hat der Westerwelle ja einmal mehr klargestellt mit seiner juristischen Schwachsinnsdefinition.

Das ist und bleibt ein unhaltbarer Zustand. Im Übrigen stelle ich mir auch die Frage, was dann eigentlich die Bombardierung zweier Tanklastzüge nahe Kuduz vor gut einem Jahr gewesen sein soll. Eine juristisch gerechtfertigte und gezielte Tötung einzelner oder gar nur eines einzigen Taliban, bei der es tragischerweise Kollateralschäden gab, weil man, natürlich im Rahmen des humanitären Völkerrechts, ein etwas größeres Kaliber wählte, um die Trefferquote zu erhöhen? Oder war es doch nur ein Kriegsverbrechen, das eben immer dann passieren kann, wenn Krieg geführt wird?

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. mvbeinen  August 7, 2010

    Der Begriff „nicht-internationaler bewaffneter Konflikt“ ist von der Genfer Konvention geprägt worden und ist Bestandteil der Genfer Konvention. Die Definition mag man für albern halten, aber Westerwelle hat sie sich nicht ausgedacht.

    Heute wird die Nachricht verbreitet, dass die Taliban acht Augenärzte ermordet haben, weil diese Missionare seien und Bibeln bei sich führten. Die Taliban haben für diese Morde die Verantwortung übernommen. Was heißt Verantwortung? Dass der Mörder sich eine neue Kerbe in die Kalaschnikow schnitzt und stolz damit prahlen kann? Wenn die Taliban die Verantwortung übernehmen, sollen sie auch die Konsequenzen erleiden.

    • adtstar  August 7, 2010

      Natürlich hat sich Westerwelle das ausgedacht. Genau wie unser geölter Verteidigungsminister und aktueller Sprachwahrer des Jahres werden Sprachregelungen missbraucht, um das eigene Tun zu verschleiern und zu rechtfertigen.

      Es spricht ja auch keiner von einem Bürgerkrieg, für den der obige Begriff zu Zeit der Genfer Konvention als Umschreibung gefunden wurde. Das wäre nämlich angesichts der kämpfenden internationalen Truppe mit dem Wort „albern“ gar nicht mehr zu übersetzen.

      Die Genfer Konventionen befassen sich im Kern mit dem „Schutz von Personen, die nicht an den Kampfhandlungen teilnehmen.“ und nicht mit der Frage, wie die Herren Westerwelle und zu Guttenberg Krieg führen dürfen, ohne es einen Krieg nennen zu müssen.

      Noch einmal, die Bombardierung zweier Tanklastzüge im letzten Jahr, bei der zahlreiche Unschuldige getötet wurden, stand ganz klar im Widerspruch zu den Genfer Konventionen. Wer also mit den Genfer Konventionen argumentiert und die irrige Auffassung vertritt, im Sinne des humanitären Völkerrechts einen sauberen Krieg oder eine der Sprachregelung genehme Sache zu führen, sollte sich nicht über tote deutsche Ärzte wundern oder über eine Zunahme von Anschlägen.

  2. Marcel S  August 7, 2010

    Wie man hört soll jetzt die Anstrengungen die Wikileaks Unterlagen wieder zu löschen/zu zensieren verstärkt werden. (Exekution! http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/niki-vogt/wikileaks-julian-a-fuer-vogelfrei-erklaert-.html)

    Da würde es natürlich gut passen wenn man nochmal deutlich die Bedrohung in den Medien hätte… (früher im WK2 hätte man da nachgeholfen, aber wie sind heutzutage ja viel cleverer und haben ganz tolle Journalisten die in der Armee mit marschieren und ggf. selber die leeren Häuser anzünden (es muss ja im Hintergrund brennen…
    http://info.kopp-verlag.de/video.html?videoid=123)

  3. mvbeinen  August 8, 2010

    Tote Ärzte wundern mich keineswegs, wenn sie von den Taliban ermordet wurden, denn dazu sind die Taliban ja da.

    Westerwelle wird von Ihnen als Idiot bezeichnet, weil er das Vorgehen gegen die Taliban für legal hält. Da vermutlich das Gros Ihrer Leser aus Nicht-Juristen besteht, ist es wenig hilfreich, wenn zu diesem Standpunkt nur Beschimpfungen und Vermutungen angestellt werden.

    Wie kann man leichter Personen, die nicht an Kampfhandlungen teilnehmen, vor Gewalt schützen, als dadurch, dass Kämpfer oder deren Kommandeure gezielt getötet werden?

    • adtstar  August 8, 2010

      Wie kann man leichter Personen, die nicht an Kampfhandlungen teilnehmen, vor Gewalt schützen, als dadurch, dass Kämpfer oder deren Kommandeure gezielt getötet werden?

      Man fragt sich verwundert, wohin diese absurde Denkweise führen soll. Was sie beschreiben, hat in noch keinem Krieg funktioniert. Das Gegenteil ist richtig. Es entsteht immer mehr Gewalt.

      Ich bezeichne Westerwelle als Idioten, weil er den Souverän permanent täuscht. Es ist schlichtweg ein Skandal, dass die Erstellung von Todeslisten durch die Bundeswehr und die Beteiligung der Bundeswehr an diesen Tötungen nach nunmehr fast zehn Jahren Krieg, der der Öffentlichkeit immer wieder als Wiederaufbaueinsatz verkauft wurde, mit einem Mal ein völlig normaler Vorgang sein soll.

      Wahrscheinlich ist das bei Westerwelle wie mit den Steuersenkungen. Da haben er und seine Partei angeblich vorher auch nicht gewusst, wie hoch die Staatsverschuldung sein würde. Vielleicht wusste Westerwelle vorher auch nicht, in welchem Krieg sich das Land befindet.