Kriegs-Showdown am Donnerstag

Geschrieben von: am 20. Apr 2010 um 13:19

Okay, soweit wird es wahrscheinlich nicht kommen. Trotzdem hat sich die Bundesregierung vorgenommen, beim leidigen Thema Afghanistan am Donnerstag zum Angriff überzugehen. Die Kanzlerin im Bundestag und der Herr zu Guttenberg vorm Kunduz-Untersuchungsausschuss. Da können sie sich aber auf eine geballte Ladung Wortakrobatik gefasst machen. Wahrscheinlich wird die Kanzlerin mit dem neuesten Argument für die Notwendigkeit des Krieges aufwarten. Da gibt es nämlich jede Woche was anderes zu hören. Aktuell sei der Einsatz der Bundeswehr ja nötig, äh alternativlos, weil Terroristen nach der Atombombe greifen würden, wenn man ihnen Afghanistan kampflos überließe. Man fragt sich nur, warum die Taliban, respektive Terroristen, das nicht schon getan haben, als sie noch über Afghanistan herrschten. Irgendwie klingt die Atombombentheorie wie jene, die Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen unterstellte. Wäre Frau Merkel damals schon Kanzlerin gewesen, wir würden auch deutsche Soldaten beerdigen, die für CDU und FDP im Irak ihr Leben verloren hätten.

Nachdem die Bundesanwaltschaft bekanntgegeben hat, gegen Oberst Klein nicht weiter ermitteln zu wollen, fordern Union und FDP bereits die Einstellung des Untersuchungsausschusses wegen fehlender Geschäftsgrundlage. Schließlich gäbe es kein strafrelevantes Verhalten mehr, das man näher untersuchen müsse. Aber Herr zu Guttenberg solle seinen Auftritt noch bekommen, heißt es aus den Reihen der Koalition. Ich frage mich allerdings, wie man aus der Einstellung des Strafverfahrens gegen Klein schließen kann, dass es nun nichts mehr aufzuklären gäbe. In dem Untersuchungsausschuss geht es doch nicht primär um das Verhalten des Kommandeurs vor Ort, sondern um das der politischen Führung. Was wusste die Regierung und warum wollte sie die Realität über den Angriff auf zwei Tanklastzüge nahe Kunduz vertuschen? Wieso bezeichnete zu Guttenberg den Angriff zunächst als militärisch angemessen und später vor dem Bundestag als unangemessen? Wieso mussten ein Minister, ein Staatssekretär und ein Generalinspekteur ihren Hut nehmen, wenn angeblich kein Fehlverhalten vorliegt?

Zudem bedeutet die Verfahrenseinstellung gegen Klein nun überhaupt nicht, dass der Oberst am 4. September 2009 richtig handelte. Vielmehr zeigt die Entscheidung der Bundesanwaltschaft, wie abhängig die Staatsanwälte von der politischen Führung in diesem Land zu sein scheinen. Sie sehen nämlich nicht mal den Verdacht eines Kriegsverbrechens. Das ist skandalös. Oberst Klein hat doch selbst zugegeben, eine Gruppe von Menschen gezielt treffen zu wollen, weil sie eben angeblich da waren und nicht weil Tanklastzüge seine Soldaten bedrohten. Er wollte hochrangige Taliban töten, die er bei den Tanklastzügen vermutete. Er log nachweislich, als er behauptete, dass ihm diesbezüglich verlässliche Informationen vorgelegen hätten und er log auch, als er behauptete, dass sein Vorgehen alternativlos gewesen sei. Er stand auch nicht unter besonderem Druck, sondern wollte sich vielleicht militärisches Ansehen erbomben.

Die amerikanischen Piloten sind bereits bestraft worden, weil sie den Befehl Kleins ausführten. Das ist Fakt. Warum nur? Weil es nicht nur falsch oder fahrlässig, sondern schlicht ein Verbrechen war, den Tod von Zivilisten billigend in Kauf zu nehmen? Und ist es nicht deutsche Tradition, Kriegsverbrechen als Folge erlaubter Methoden der Kriegsführung zu verharmlosen? Da sollte sich die Bundesanwaltschaft was schämen. Doch zu Guttenberg feiert bereits. Die Soldaten hätten nun Rechtssicherheit. So als ob er sagen wollte, dass Deutsche in Afghanistan nun auch militärisch unangemessen auf alles feuern dürfen, was irgendwie nach Taliban aussieht…

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. KKalle  April 21, 2010

    Verfahrenseinstellung…
    Bei Herrn Ackermann gab’s das ja auch mal.

    „Von den Geldauflagen in Höhe von insgesamt 5,8 Millionen Euro hatte Ackermann 3,2 Millionen Euro zu zahlen. Bei Verurteilung zu einer Geldstrafe wäre die höchstmögliche Strafe 3,6 Millionen Euro gewesen (720 Tagessätze à 5.000 Euro) und Ackermann wäre damit vorbestraft gewesen. Für diesen Fall hatte Ackermann seinen Rücktritt angekündigt.“