Laut Wirtschaftsminister Robert Habeck führt Putin einen „ökonomischen Angriff auf uns“, dabei wollten Deutschland, die EU und die NATO umgekehrt in Reaktion auf den Krieg in der Ukraine mit finanzpolitischen Waffen einen ökonomischen Gegenschlag führen. Das funktioniert bis heute nicht. Russlands Reaktion hingegen, zeigt sehr schnell Wirkung. Das lässt sich auch leicht erklären. Geld kann man drucken, sowohl hierzulande wie auch in Russland, Gas hingegen nicht. Das muss gefördert und per Pipeline oder Schiff transportiert werden.
Nun kann man sagen, wir diversifizieren künftig den Bezug, also ersetzen die bisherigen Rohstoffquellen einfach durch andere, bevor man dann irgendwann im Jahr 2045 mal CO2-neutral sein will. Das ist nur alberne Traumtänzerei und zuweilen peinlich, wie Bückling Habeck schon selbst vollführte. Nun warnt er sogar vor einer Gasrationierung im Winter. Die weltweiten Ressourcen sind erstens begrenzt und zweitens durch Verträge mehr oder weniger verteilt. Selbst wenn es gelänge, alternative Quellen aufzutun, würde man diese Vorkommen anderen jetzt einfach nur wegnehmen. Dass energiehungrige Länder des globalen Südens da freundlich, aber bestimmt abwinken, wenn der Bundeskanzler auf dem G7-Gipfel um eine gemeinsame Position gegen Russland bittet, sollte da nicht weiter verwundern.
Die etwas dümmlich wirkende deutsche Presse hält die Strategie trotzdem für klug und leistet ihren staatstragenden Beitrag, indem sie die Umworbenen durchschaubar einschmeichelnd zu „großen Demokratien“ verklärt, die irgendwie auf Augenhöhe stünden, um nicht die Bezeichnung zweckdienliche Vereinnahmung oder nützliche Idioten benutzen zu müssen. Es ist pure Heuchelei, anmaßend und niederträchtig zugleich. Weder Indien noch Südafrika halten viel von der hier zur Schau gestellten westlichen Doppelmoral eines Clubs von sieben selbsternannten Weltenlenkern, die vor laufenden Kameras über Bekleidungsfragen und Bauchmuskeln witzeln, während doch im Osten ein brutaler Krieg mit zahlreichen Opfern auf beiden Seiten tobt. Ein ancien regime im Endstadium, könnte man da über das Schauspiel in Elmau denken.
Denn der globale Süden will gar nicht auf angeblicher Augenhöhe und dabei wieder nur am Katzentisch in Elmau gestreichelt werden, sondern im Verbund mit anderen Partnern endlich seine eigenen Interessen vertreten. „Indien und Südafrika gehören zusammen mit Brasilen, Russland und China der „konkurrierenden“ Staatengemeinschaft BRICS an, die nichts von Sanktionen gegen ihr Mitglied Russland wissen will“, schreibt Jens Berger auf den NachDenkSeiten. Diese und weitere Staaten handeln rational und kaufen zum Beispiel selbst günstig mehr Rohstoffe in Russland ein, um diese dann an den Westen, der darauf eben nicht, Windrad hin oder her, einfach so verzichten kann, teurer abzugeben.
Klare Botschaft
Die Botschaft der BRICS-Staaten lautet ganz klar: Die Sanktionen des Westens sind die Sanktionen des Westens. Warum sollten sich die Entwicklungs- und Schwellenländer einer solchen Politik des Niedergangs auch anschließen und etwas tun, das ihnen ebenfalls schaden würde? Was bei G7 in den bayerischen Alpen formuliert wird, ist dann auch kaum noch relevant. „Der Westen hat mit seinem anmaßenden Gehabe, seiner Sanktionspolitik und seiner aggressiven Haltung gegen den Rest der Welt seine Anziehungskraft verloren.“ Er hat sich außerdem selbst isoliert und riskiert auch noch gesellschaftliche Konflikte im Innern, für die natürlich nicht die politischen Entscheidungsträger selbst, sondern ausschließlich Putins Krieg verantwortlich sei.
Wirtschaftsminister Habeck sprach unter anderem von einem Angriff auf die Demokratie und die freiheitliche Grundordnung. Putin hätte gewonnen, wenn es ihm gelänge, über die nun ausgelöste Preisspirale eine Spaltung der Gesellschaft herbeizuführen. Nur warum sorgt die Bundesregierung dann nicht für ausreichend Entlastung, sondern warnt im Gegenteil vor einer Verschlimmerung der Lage. Wieso spielt die Stabilität des Haushaltes plötzlich wieder eine Rolle, obwohl die Schuldenbremse dieses Jahr noch einmal bewusst ausgesetzt worden ist, im Übrigen auch wegen des Krieges in der Ukraine? Der Staat könne trotzdem nicht mehr alles übernehmen, so die Botschaft bereits jetzt zur Mitte des Jahres. Dafür habe man ja ein Entlastungspaket in Höhe von 30 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Das wirke aber erst später.
Nur warum so abstrakt vom Minister für schöne Kommunikation? Es geht doch auch konkreter. Wieso sollten es die Mitarbeiter der Raffinerie in Schwedt eigentlich hinnehmen, dass sie ihre Arbeitsplätze verlieren, nur weil Deutschland entgegen der Beschlusslage der EU, trotzdem auf die Einfuhr russischen Öls bis Ende des Jahres verzichten will? Ist nun Putins Krieg für diese etwas seltsame Entscheidung verantwortlich oder eine gewisse ideologische Verbohrtheit in Teilen der Bundesregierung? Ist das noch Realpolitik oder eher Wünsch Dir was, zumal das lückenhafte Öl-Embargo der EU zum Jahresende den Russen auch noch genug Zeit lässt, auf andere Märkte auszuweichen, was bereits sehr erfolgreich geschieht. Indien und auch die Türkei, ein NATO-Land, sind bereits mit Moskau im Geschäft. China steht als weiterer Abnehmer bereit.
Sanktionen sind ein Flop
Mit anderen Worten: Die Sanktionen der EU sind ein Flop, sie bewirken eher das Gegenteil, also machen Russland eher reicher, denn ärmer und als Bonus obendrauf drohen enorme wirtschaftliche Schäden in der EU und insbesondere Deutschland, dessen Finanzminister gerade dabei ist, seine Rolle als FDP-Chef wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Und als solcher muss er den Irrglauben an die Schuldenbremse erneuern, nachdem er zugegebenermaßen sehr viel Geld zur Krisenbekämpfung locker gemacht hat. Doch die inneren Widersprüche der Ampel bei zentralen Fragen der Finanzpolitik sind eine Belastungsprobe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das fängt bei der Knauserei um die 3 Euro für Corona-Schnelltests an und hört bei der Überwälzung der Krisenkosten auf die Durchschnitts- und Geringverdienerhaushalte auf.
Habeck sagte bei der Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans Gas: „Putin will, dass sich unser Land zerlegt. Aber wir zerlegen uns nicht.“ Das ist schön formuliert. Ein böser Dritter wird verantwortlich für eine Politik gemacht, die man selbst zu vertreten hat. Das klare Feindbild oder eine plumpe wie durchschaubare Weiterentwicklung der Merkelschen Alternativlosigkeit. Dem sollte man nicht auf den Leim gehen.
Bildnachweis: Screenshot, ZDFheute Nachrichten via YouTube, 23. Juni 2022.
JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.