Tempolimit

Geschrieben von: am 18. Okt 2019 um 9:45

Jakob Augstein meint, das Verhalten der SPD bei der Abstimmung über ein Tempolimit auf Autobahnen sei die Art von Politik, die keiner mehr versteht. Doch da irrt Augstein.

Grundsätzlich ist die Kritik an einem den eigenen Überzeugungen zuwiderlaufenden Abstimmungsverhalten richtig, doch sind die Gründe der SPD-Fraktion diesmal durchaus nachvollziehbar. Erstens ist da der Koalitionsvertrag. Man habe versucht, den Regierungspartner zu überzeugen, ist aber gescheitert und muss nun vertragstreu sein. Das ist die übliche Litanei, die aber, hier von Kirsten Lühmann vorgetragen, nicht wie das übliche Gejammer klingt, sondern durchaus überzeugend ist.

Nun könnte man ja Konsequenzen fordern, das habe ich auch schon oft getan. Denn wenn es nicht gelingt, die eigene Programmatik in dieser Koalition durchzusetzen, muss man sie eben beenden. Ja, aber doch nicht für das Tempolimit. Dieses Thema ist, so traurig es auch sein mag, ein Rohrkrepierer, auch wenn eine Mehrheit der Bürger dafür ist. Erzähl dem Wähler, wir lassen die Regierung platzen, weil CDU und CSU weiter für das Rasen sind. Damit löst man noch weniger Begeisterungsstürme aus, als für die in der letzten Wahlperiode gelungene Abstimmung zur Ehe für Alle.

Und da wären wir schon beim zweiten Punkt. SPD, Grüne und Linke, die für ein Tempolimit eintreten, haben keine Mehrheit im Bundestag. Für die SPD-Fraktion gebe es also gleich doppelt nichts zu gewinnen. Richtig ist drittens auch der Hinweis auf den Bundesrat, in dem gerade die Grünen einen sehr viel stärkeren Einfluss geltend machen könnten. Doch die Regierungsverantwortung in den Ländern übt einen ähnlich disziplinierenden Einfluss auf die Grünen aus, wie das bei der SPD im Bundestag zu beobachten ist.

Viertens werden die guten Argumente für ein Tempolimit auf Autobahnen, also weniger Unfälle, weniger Tote und weniger Verletzte durch die absurde Behauptung weniger CO2 konterkariert. Ob nun mit 130 oder 160 oder 200 gefahren wird, spielt fürs Klima absolut keine Rolle (*). Es muss prinzipiell weniger mit dem Auto gefahren werden. Das ist der Punkt.

Fünftens, wie oben schon anklang, wird die Bedeutung des Tempolimits politisch total überschätzt. Gerade Wähler, die die SPD über die Jahre verloren hat, werden nicht zu ihr zurückkommen, nur weil sich die Partei hart in der Frage einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gezeigt hat. Diese Wähler haben andere Sorgen. Sie fänden eine SPD attraktiv, die wieder für sozialdemokratische Inhalte stünde und die Interessen von Gering- und Normalverdienern auch tatsächlich vertritt, statt sie bloß vor den Karren der Vermögenden zu spannen.


Bildnachweis: Christine Sponchia auf Pixabay


(*) Ergänzung: Ein Leser hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass der CO2-Ausstoß sehr wohl steigt, je höher die Geschwindigkeit ist. Das stimmt. Folglich ließe sich viel CO2 einsparen, würde es ein Tempolimit geben. Mein Problem mit dieser Argumentation ist, dass sie sich nur auf den Teilaspekt Geschwindigkeit bezieht. Die Zahl der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die weiterhin steigt, bleibt genauso außen vor wie auch die Tatsache der Motorisierung. So wird beispielsweise angenommen, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung den Anreiz zum Kauf sehr stark motorisierter Fahrzeuge sinken lasse. Daran habe ich Zweifel, da der Anreiz zur Nutzung stark motorisierter Fahrzeuge eben nicht die Geschwindigkeit, sondern u.a. der steuerliche Vorteil ist.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Albrecht Storz  Oktober 21, 2019

    Das nicht vorhandene Tempolimit ist eine Symbol. Zusammen mit „freie Fahrt für freie Bürger“ wird damit eine Mentalität gepflegt und gefördert, die absolut egoistisch, aggressiv, leistungs- und prestigeorientiert und asozial ist.

    Entlarvender kann Politik nicht sein, die auf der einen Seite dem Bürger WEITERE Steuern im Namen der CO2-Einsparung aufbürdet (weitere Steuern, denn es fallen ja schon Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer an) – und zugleich den Verbrennungsmotor durch Dienstwagenprivileg, künstliche Dieselverbilligung, Kerosin-Nichtbesteuerung, weiteren Straßenausbau, Nichtregulierung des Internet-Handels (Lieferverkehr!), immer weitere Verschlechterung der Bahn, … fördert und subventioniert.

    Und der einfache Bürger soll nun weniger heizen und muss beim allerbesten Willen trotzdem mit dem Auto zur Arbeit fahren mangels wirklicher funktionaler Alternativen, und kann sich die „Gute-Gewissen-Steuer-für-Grüne-Gutbetuchte-und-Wichtigwichtig-Vielflieger“ beim Essen einsparen!

  2. H.Ewerth  Oktober 21, 2019

    Also mit Sicherheit für Tempo 130 würde wohl auch eine Mehrheit in Deutschland zu stimmen. Aber warum soll weniger gefahren werden, wenn doch ausgerechnet die 750 Millionen Autos den geringsten Anteil am Co2 Ausstoß haben? Ebenso der Flugverkehr?

    Recherchiert denn niemand mehr, bevor man anfängt die für den geringsten Co2 Co2 Ausstoß und dazu gehört im Übrigen auch der weltweite Flugverkehr ständig an den Pranger zu stellen? Aber über die, die den größten Co2 Ausstoß zu verantworten haben, schweigt die Mehrheit des Mainstreams?

    Denn alleine die Bau Industrie hat mit einem Anteil von über 50% den größten Co2 Ausstoß überhaupt? Kommt aber nicht in den Medien vor. warum ist das so?

    Oder die Industrielle Landwirtschaft, auch hier schweigen im Blätterwald?

    Oder die ca. 90 000 Frachtschiffe weltweit? Dazu kommt die verbrennen Schweröl, die verbrennen den dreckigen Abfall der Ölindustrie, und man sagt durch die ganze Stickoxide ausstoße und durch die ganzen zusätzlichen giftigen Ausstoße, 3,5 Tausend mal mehr Klimaschädliche Gaswirkung wie alle Autos!!!!

    Dazu noch eine Zahl, die auch bestätigt wurde, die 15 größten Containerschiffe dieser Welt, stoßen genau so viel giftiges co2 aus, wie alle 750 Mio. Autos auf dieser Welt zusammen. Darüber wird aber nicht diskutiert. Warum nicht?
    Würden die Medien die Öffentlichkeit darüber aufklären, dann könnte man die Forderung stellen, alle Frachtschiffe verpflichtend mit Kat auszurüsten? Würde mehr für das Klima bringen, als alle Autos und Flugzeuge zusammen zu verschrotten? Aber kein Thema in der Öffentlichkeit?

    Und als letzten Punkt der gesamte militärische Komplex weltweit. Kein Thema für unsere Qualität- Medien? Alleine die der USA haben einen so gigantischen Verbrauch täglich von über 50 Mio. Liter, soviel wie ganz Skandinavien zusammen? Der Verbrauch ist so gigantisch, dass die USA darauf bestanden haben, diesen gigantischen Verbrauch/ Co2 Ausstoß nicht im Kyoto Protokoll aufzulisten? Kein Thema für die Qualität Medien?

    Aber in der öffentlichen Wahrnehmung, haben wir das Gefühl, das Auto ist der Hauptverursacher? Warum ist das so? Was machen die Journalisten die das so darstellen? Recherchieren die nicht?

    Hier noch dazu einige Zahlen. Die Menschheit stoßt 36 Milliarden Tonnen co2 aus, jedes Jahr, in der Atmosphäre sind 850 Milliarden Tonnen Co2 aus, im Wald sind es 870 Milliarden Tonnen co2. Im Jahr. Alle Autos stoßen rund 300 Millionen Tonnen Co2 aus, das sind 0,3 Milliarden. Alle Flugzeuge auf Erden stoßen 523 Millionen Tonnen co2 jedes Jahr aus, 0,5 Milliarden. Alle Schiffe, auf den Meeren die großen Frachter, man spricht von ca. 90 Tausend große Frachter, die stoßen 0,66 Milliarden co2 Tonnen aus. Sprich 660 Millionen Tonnen.

    Die wirklich Großen, die wirklichen Verursacher der Co2 Emissionen, die liegen ganz woanders. Die liegen in der Bauwirtschaft, in der Landwirtschaft und die liegen in dem militärischen Bereich.
    Statt dessen Land auf Land ab, die mit dem geringsten Co2 Ausstoß stehen in Deutschland am Pranger? Meine Vermutung man will eine neue Massen Steuer einführen, die nur die Massen bezahlen sollen? Anders kann ich mir die einseitige Berichterstattung nicht erklären. Weder sachlich noch faktisch lässt sich das begründen.

  3. Herr Neumann  Oktober 21, 2019

    Gibt es nicht seit spätestens 2015 wichtigeres, worüber im Bundestag abzustimmen wäre? Volksbefragungen sind in der BRD-Demokratie ja leider nicht vorgesehen…