Die Ver.di-Glückwünsche an Steffen Seibert

Geschrieben von: am 14. Jul 2010 um 13:41

Lieber Steffen Seibert,

herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Perspektive als Sprecher von Angela Merkel. Die Bundesregierung braucht endlich gute Leute – das sehen wir auch so. Nachdem die Bundeskanzlerin im vergangenen Jahr die Proteste gegen den Rausschmiss von Nikolaus Brender als ZDF-Chefredakteur ignorierte, ist es besonders erfreulich, dass Sie als einer der Unterzeichner eines Protestbriefs in ihre Nähe gelangen. Sie haben jetzt die Chance ihr zu erklären, wie wichtig Staatsferne für den öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist und warum auf Redaktionen kein politischer Einfluss ausgeübt werden soll.

In der Öffentlichkeit wurde oft behauptet, die CDU würde im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Karrieren beeinflussen. Ihre Berufung beweist, dass ein berufliches Fortkommen auch in umgekehrter Richtung möglich ist.

Ver.di im ZDF begrüßt den Wechsel des „heute“- und „heute journal“-Anchor ganz ausdrücklich. Der ZDF-Journalist ist für das Personaltableau der Regierungskoalition nicht nur eine große Bereicherung, sondern könnte ein erster Schritt sein, eine ganze Reihe unübersehbarer Kompetenzprobleme in Merkels Kabinett zu lösen. Wäre das Wirtschaftsressort nicht bei einem WISO-Kollegen in besseren Händen? Und für das Außenministerium kämen gleich mehrere erfahrene Korrespondenten in Frage, die sogar Fremdsprachen beherrschen. Das Magazin leute heute könnte eine telegene Familienministerin stellen.

Aus diesem Grund bedauert ver.di im ZDF, dass die Neubesetzung des Bundespräsidenten-Amtes ohne Rücksprache erfolgt sei. Auch dafür hätte der Sender mühelos Kandidaten vorschlagen können, die nicht nur diplomatisches Agieren auf schwierigem Terrain in großer Würde mühelos beherrschen, sondern sogar schon einschlägige Erfahrung im Verlesen von Fernsehansprachen mitbringen.

Ihnen wünschen wir viel Glück, wenn Sie jetzt mit aller Kraft den Bürgern Merkels Politik vermitteln wollen. Journalisten sollen stets neugierig sein und auch die „andere Seite“ kennen lernen wollen. Die alte Regel, derzufolge ein Wechsel vom unabhängigen Journalismus in die aktive Politik eine Einbahnstraße und eine Rückkehr ausgeschlossen sei, ist nicht mehr zeitgemäß. Ihr Vorgänger wurde zum Intendanten des Bayrischen Rundfunks gewählt. Wir freuen uns auf eine Rückkehr, Intendanten werden immer wieder gesucht. Der Vorstand von ver.di im ZDF 12. Juli 2010.

Quelle: taz

Wobei man klarstellen muss, dass Steffen Seibert diesen Protestbrief gegen den Rauswurf Brenders gar nicht unterzeichnete, weil er ihm nie vorgelegt wurde. So hat er es zumindest bei Erwin Pelzig am 14.03.2009 gesagt. Hätte ihm der Brief aber vorgelegen, dann hätte er ihn auch unterschrieben. Insofern ist es auch wieder wurscht. Jedenfalls sollten sie sich noch einmal das Interview zwischen Pelzig und Seibert anschauen. Besonders die Stelle, an der Seibert darüber sprach, nicht von Staatskanzleien abhängig zu sein, da auch noch niemand bei ihm angerufen habe, um Einfluss auf die Nachrichten zu nehmen, amüsieren mich heute um so mehr.

Auch der Hinweis auf die Seibert-Sendung „Ich kann Kanzler“, bei der man nicht nur ein Kanzlerinnen-Gehalt gewinnen konnte, sondern auch ein Praktikum im Kanzleramt, ist im Nachhinein großartig. Vielleicht hat der Seibert den Preis ja jetzt selber eingestrichen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Nachtechse  Juli 14, 2010

    http://www.sueddeutsche.de/medien/zdf-lieber-steffen-seibert-intendanten-werden-immer-gesucht-1.973829
    Ironie? Mir ist es beim lesen zunächst nicht in den Sinn gekommen – vielleicht ist es für mich aber auch einfach zu spät…