Die politische Dimension eines ganz normalen Wohnortwechsels

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Keine Angst, ich habe weder eine Niere gespendet noch bin ich in die SPD eingetreten, sondern einfach nur umgezogen. Da hat man wenig Zeit, sich mit Dingen zu beschäftigen, die außerhalb von Wohnung A und B liegen. Das Prinzip eines Umzugs ist recht einfach. Alte Wohnung rasch leerräumen, damit möglichst bald begonnen werden kann, den Wohnraum in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, also gänzlich unbewohnbar zu machen. Denn in den meisten Fällen heißt es beim Auszug, Tapeten runter und Bodenbelag raus. In der neuen Behausung ist es dann ganz anders. Dort ist alles neu. Der Einzug erfolgt vorsichtig. Bloß keine Kratzer an die frisch gestrichenen Wände machen und ja keinen Dreck auf die neue Auslegware.

Aber dieses obligatorische Prozedere ist noch harmlos im Vergleich zu dem, das man einleiten muss, um seine neue Adresse bei allen potentiellen Absendern von Briefen bekannt zu machen. Eine Möglichkeit ist natürlich, alle möglichen Briefeschreiber selbst zu kontaktieren und über den Umzug in Kenntnis zu setzen. Akzeptiertes Verfahren ist dabei ein Brief oder der persönliche Kontakt. Wegen der Sicherheit, gähn. Komfortabel ist dagegen schon der Nachsendeauftrag bei der Deutschen Post. Früher war der mal kostenlos, inzwischen verlangt man schlappe 15 Euro für den Service, der einem im Prinzip kaum etwas nutzt. Denn immer mehr Unternehmen und Behörden steigen auf einen anderen Postdienstleister wie Pin oder Citipost um. Bei denen kann man freilich auch einen Nachsendeauftrag stellen, aber warum sollte ich das tun? Das ist doch bekloppt oder um es mit den Worten der Reformer zu sagen, ineffizient.

Und so bin ich notgedrungen wieder mittendrin in der tagespolitischen Auseinandersetzung. Und zwar mit der Frage, welcher hirnamputierte Idiot es sich ausgedacht hat, die unteilbare und hoheitliche Aufgabe der Briefzustellung einem freien Wettbewerb zu unterwerfen. Das ist doch total bescheuert. Natürlich stellen die meisten umziehenden Menschen keine zig Nachsendeaufträge bei den verschiedensten Postdienstleistern. Denn dazu müsste man nicht nur wissen, wer einem schreiben könnte, sondern auch, welchen Dienst er benutzen würde. Ein absurder Zustand, genau wie die Tatsache, dass neben gelben Briefkästen nun auch schon blaue des Wettbewerbers stehen.

Ich habe schon Nachbarn umziehen sehen. Die Anspannung stand ihnen ins Gesicht geschrieben und auch die Erleichterung, wenn denn alles aus der alten Wohnung getragen wurde. Die Mitarbeiterin von Pin oder Citipost hingegen kennt dieses Gefühl nicht, wenn sie ein paar Tage später einen oder mehrere Briefe zustellen will, aber keinen entsprechenden Namen am Briefkasten mehr vorfindet. Denn da gibt’s Gehalt ja nur für erfolgreich zugestellte Sendungen. Verzweifelt werden dann Zettel an der Eingangstür angebracht mit der Bitte an die anderen Mietparteien, den Verbleib der gesuchten Person doch aufzuklären und der zustellenden Gesellschaft telefonisch mitzuteilen.

Was für ein Wahnsinn. Dabei betont doch die Kanzlerin in ihrem neuesten Interview mit dem „Altgriechen“ Dieter Wonka, dass die Menschen ja auch mitgenommen werden müssten. Von Schröder hat man diesen Satz auch immer gehört und auch den, dass man die eigene Politik dem Bürger nur besser vermitteln müsse. Dabei braucht niemand diese schwachsinnige Klientelpolitik, die in einem flotten Zweisitzer an der Masse der Menschen vorbeirast. Dies belegt im Übrigen auch ein Satz der Kanzlerin zum Atomstreit, wie Volker Pispers in seiner WDR-Kolumne am Dienstag herausfand:

Merkel: „Wir müssen eine rechtliche Form der Verlängerung finden, die verfassungsfest ist und die ein zustimmungsfreies Gesetz möglich macht.“

Und genau dies sei eine Spezialität der Pennelemente des von der Mehrheit der Bevölkerung längst abgeschriebenen schwarz-gelben Pannenkabinetts. Denn bislang waren noch alle Gesetze dieser Bundesregierung in der Bevölkerung völlig zustimmungsfrei, so Pispers. Und ich darf hinzufügen, die Liberalisierung des Postwesens auch.

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Aufklärung und etwas Satire zum E-Postbrief

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Richard Gutjahr, ein freier Mitarbeiter beim bayerischen Rundfunk hat zusammen mit den Rechtsanwälten Udo Vetter und Thomas Stadler die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum neuen E-Postbrief genauer angesehen und das Kleingedruckte in seinem Blogeintrag “Die Gelbe Gefahr?” herausgearbeitet. Das sollte man gelesen haben. Zusammengefasst lässt sich das auch so darstellen, wie das der IT-Fachmann und Blogger Peter Piksa auf seinem Blog getan hat.

Quelle: http://www.piksa.info/blog/2010/07/23/der-e-postbrief-verbindlich-vertraulich-verlasslich-eine-kleine-satire/

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Die Neue Presse Hannover lobt neue "Wettbewerbspolitik" von Union und FDP

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Gestern war ich etwas irritiert, als ich hörte, dass die künftige Koalition plane, Großkonzerne bei Bedarf zerschlagen zu wollen. Das widerspricht doch dem Leitbild von Union und FDP, wonach sich der Staat aus wirtschaftlichen Belangen möglichst heraushalten sollte. Der Markt regelt das doch von allein, dachte ich. Nein. Man muss genauer hinschauen. Den Verhandlungspartnern geht es offensichtlich um eine Korrektur einer missglückten Privatisierungspolitik staatlicher Monopolstrukturen. Denn aus der Liberalisierung des Energiesektors ist zum Beispiel nicht wie erhofft ein toll funktionierender Markt geworden, von dem der Verbraucher profitiert, sondern das Gegenteil eingetreten. Aus einem öffentlichen Monopol entstanden teurere private Monopole, die Gewinn um Gewinn verbuchen. Nun soll mit staatlichem Zwang, ein Wettberwerb nach Vorstellung der Marktdogmatiker geschaffen werden.

Die Initiative beinhaltet also nicht die Erkenntnis des Scheiterns einer Privatisierungspolitik, sondern das bekannte Rezept der schlichten Erhöhung der Reformdosis. Der Weg sei grundsätzliche richtig und deshalb müsse man nun auch mit verstärkten staatlichen Mitteln einen Wettbewerb notfalls erzwingen. Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Die Neue Presse Hannover befasst sich mit dem Vorstoß der Unterhändler in Berlin. Rasmus Buchsteiner aus dem Berliner PR-Büro Slangen & Herholz kommentiert in der heutigen Ausgabe und unterstützt die Vorstellung, einen funktionierenden Wettbewerb mit staatlicher Hilfe durchsetzen zu wollen.

„In vielen Wirtschaftszweigen bestimmen Platzhirsche, wo es langgeht – bei Strom und Gas, im Post- und Briefgeschäft, aber auch im Schienenverkehr. Von Wettbewerb kann dort meist keine Rede sein. Noch immer haben neue Anbieter schlechte Karten, wenn sie sich daranmachen, die Großen einmal herauszufordern.“

Daran können sie sehen, was konkret gemeint ist. Der Autor stellt sich bei seiner Aufzählung nicht die Frage, ob Wettbewerb in den angeführten Branchen überhaupt sinnvol ist. Dass der Wettbewerb im Energiesektor, im Postverkehr und auf der Schiene nicht funktioniert, ist doch nicht darauf zurückzuführen, dass es neuen Anbietern besonders schwer gemacht würde. Möglicherweise liegt es einfach daran, dass Aufgaben wie Energieversorgung, Postverkehr und Transportwesen unteilbar sind. Ich begreife nämlich noch immer nicht, warum beispielsweise mehrere Zusteller die gleiche Adresse anfahren müssen. Neulich bekam ich zwei Pakete von unterschiedlichen Lieferdiensten. Um sie als Retoure zurückzuschicken, musste ich wiederum zwei verschiedene Adressen anfahren, um die Pakete wieder abzugeben. Ist das sinnvoll?

„Das liegt übrigens nicht an Verbrauchern, die zu träge wären, den Wettbewerb in Gang zu bringen, indem sie auf Alternativanbieter umsteigen. Es hat mit über Jahre verkrusteten Marktstrukturen zu tun. Soll hier Wettbewerb einziehen, muss die Politik Hilfestellung leisten.“

Interessant, Buchsteiner hat mittlerweile kapiert, dass das ewige „Wechseln sie ihren Anbieter“ – Gerede nicht mehr zieht. Ein neuer Grund muss her. Jetzt sind es die verkrusteten Marktstrukturen. Soll das eine Umschreibung für Marktversagen sein? Nein. Im Denken der Dogmatiker und PR-Agenten wie Buchsteiner ist die Diagnose von „Strukturproplemen“ sehr beliebt, um staatliche Reformschritte rechtfertigen zu können. Es ist die alte Masche, um das Scheitern einer politischen Richtung nicht zugeben zu müssen. Die Frage, die sich aber stellt, ist doch nicht, wie man mehr Wettbewerb in zuvor privatisierten Bereichen öffentlicher Daseinsvorsorge schafft, sondern worauf der Wettbewerb sich eigentlich gründet?

Bei der Beförderung, bei der Sendungszustellung oder bei der Energieanlieferung kann der Wettbewerb doch nur über den Preis und nicht über die innovative Weiterentwicklung eines Produkts geschehen. Entweder man transportiert Menschen von A nach B oder nicht. Entweder man transportiert eine Sendung von A nach B oder nicht. Entweder man transportiert Energie zu einem Haushalt oder nicht. Wo ist da Platz für Wettbewerb? Antwort: Unternehmen A transportiert Menschen, Briefe oder Energie günstiger als Unternehmen B, C oder D. Bei gleichbleibender volkswirtschaftlicher Aufgabe kann Wettbewerb also nur über den Preis, damit über sinkende Löhne oder über sinkende Qualitiäts- und Sicherheitsstandards erzielt werden. Ist das sinnvoll?

Betriebswirtschaftlich lässt sich aus solch praktizierten Marktvorstellungen ein guter Profit schlagen, wie Energieversorger, Postdienstleister aber auch die Bahn, die sich auf die Privatisierung weiter vorbereiten darf, zeigen. Unsinnige Produkte werden erfunden, wie Energiemixflatrates bei den Versorgern oder das undurchsichtige Preissystem bei der Bahn. Es fehlt nur noch ein Angebot der Postdienstleister „Sende drei für den Preis von Zweien“. Doch Buchsteiner scheint das nicht zu begreifen. Er schreibt weiter.

„Ob Schwarz-Gelb dabei aber tatsächlich so entschlossen und mutig vorgehen wird, wie man jetzt in den Koalitionsverhandlungen den Anschein erwecken will, ist mehr als fraglich. Zu wünschen wäre es allerdings – im Interesse der Verbraucher.“

Im Interesse der Verbraucher wäre eine funktionierende öffentliche Daseinsvorsorge, die sich nicht am Profit orientiert, sondern an der Versorgungssicherheit. Für eine Volkswirtschaft, die in der Finanz- und Wirtschaftskrise gerade den Bach runtergeht, sind stabile staatliche Infrastrukturen unerlässlich.

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Neues aus der Ideenschmiede Post

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Die Deutsche Post will künftig eine Neuerung bei der Briefzustellung einführen. Den Satz lasse ich jetzt einfach mal so stehen und bitte sie, sich mal kurz zu überlegen, was man an der Briefzustellung ändern könnte oder gar sollte. Also bisher war es doch wohl so, dass der Postmann einmal pro Tag (von Montag bis Samstag) am Briefkasten vorbei kam, um etwas durch den Schlitz zu werfen, sofern er auch etwas zum einwerfen dabei hatte (Kleiner Wortwitz von mir, man hat ja davon gehört, dass immer mehr Arbeitnehmer etwas einwerfen, um den stressigen Alltag zu überstehen. Aber das führt jetzt zu weit).:>>

Was ist an dieser Art der Zustellung nun verbesserungswürdig. Okay, es wäre vielleicht schön, wenn es die Post schaffen würde, überall gleichzeitig – und zwar am besten früh – zu sein. Doch das geht nun mal nicht mit einer recht dünn gewordenen Personaldecke. Und Personal muss man sich leisten können, gell? Deshalb soll nun auch der Kunde mit seinem Geld entscheiden, wie und wann er denn gern seine Post zugestellt haben möchte.

Erste Neuerung: Zum bisherigen Portopreis gibt es montags überhaupt keine Zustellung mehr, sondern nur noch in dem Zeitraum zwischen Dienstag und Samstag! Wobei ich mich da jetzt nicht auf jeden Tag festlegen möchte.

Zweite Neuerung: Wer künftig will, dass seine Post auch am Montag den Empfänger erreicht, klebt bitte eine etwas teurere Premiummarke auf den Brief. Es kann dann aber sein, dass die Sendung bereits am Sonntag zugestellt wird. Denn premium heißt nun mal, dass an sieben Tagen der Woche der Postmann klingeln könnte.

Diese Änderung gehört zum neuen Konzept „Strategie 2015“, an dem Post-Chef Frank Appel angeblich seit Monaten unter höchster Geheimhaltung herumwerkelt. Ist das nicht krank? Ich will ja gar nicht davon anfangen, dass bei der Liberalisierung des Postmarktes einmal versprochen wurde, es würde alles günstiger werden, sondern einfach mal den praktischen Nutzen dieses Wahnsinns demonstrieren und dem Leser die Möglichkeit eröffnen, bei klarem Verstand ein entsprechendes Urteil zu fällen.

Ich hätte da noch ein weiteres Beispiel dieser grotesken Privatisierung einer unteilbaren Aufgabe, die eigentlich zur staatlichen Daseinsvorsorge gehört. Letzte Woche habe ich doch tatsächlich erleben dürfen, wie drei Paketzustelldienste mit ihren sperrigen Transportern meinen privaten Parkplatz, die Zufahrt zum selbigen und die angrenzende Straße blockierten. Von diesen drei Zustellern liefen mindestens zwei im Paarlauf mit zahlreichen Paketen bepackt von Hauseingang zu Hauseingang. Wahrscheinlich haben beide nacheinander bei denselben Anwohnern geklingelt und diese gebeten, doch die Pakete der Nachbarn anzunehmen.

Ist das nötig? Ist das effizient? Um mal eine beliebte Floskel der Privatisierer aufzunehmen. Na klar ist das effizient. Denn dem Post-Unternehmer X ist ja nur wichtig, dass sein Zusteller möglichst zeitnah (deshalb Parkplatz blockiert) und flink (deshalb keine Benachrichtigung im Briefkasten, dass das Paket beim Nachbarn abgegeben wurde) die ihm anvertrauten Päckchen wieder loswird. Was andere machen, ist dem emsigen Betriebswirtschaftler egal. Das sind nur lästige Konkurrenten. Und nun stellen sie sich vor, in unserer Regierung sitzen genau solche betriebswirtschaftlich denkenden Pappnasen, die aufgrund dieser reinen Kostenüberlegungen handeln und Gesetze beschließen.

Die volkswirtschaftlichen Folgen bekommen die Beschäftigten solcher Unternehmen und letztlich die Verbraucher zu spüren, die allesamt die weiterhin sprudelnden Gewinne der Post und anderer am Markt aufgetauchten Akteure finanzieren dürfen. Mehr noch, sie dürfen auch noch mit laufendem Motor im eigenen Auto vor dem eigenen Parkplatz warten, bis alle Zustelldienste abgeschlossen sind. Apropos, hat eigentlich schon jemand die Auswirkungen dieses aberwitzigen Zustands auf die Klimabilanz der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere den vermeidbaren CO2-Ausstoß untersucht? Ergebnisse schicken sie bitte direkt ins Bundeskanzleramt.

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