Fliegt Clement aus der SPD?

Geschrieben von: am 23. Nov 2008 um 12:55

Am Montag soll in einer Sitzung der Bundesschiedskommission der SPD über den Verbleib Wolfgang Clements in der Partei weiter diskutiert werden. Wie erwartet erscheinen pünktlich zu diesem Termin Stimmen, die sich für Clement aussprechen. Nun auch noch Rudolf Scharping. Via Bild am Sonntag warnt er vor einem politischen Exorzismus.

Wörtlich sagt er,

„Die SPD beansprucht, Partei der Freiheit zu sein. Kann man dem trauen, wenn rausgeworfen werden soll, wer seine Meinung äußert oder eine Gewissensentscheidung trifft? Das ist politischer Exorzismus; er gefährdet die Volkspartei SPD.“

Weiterhin kritisiert er „blinde Gefolgschaft und inbrünstigen Glauben“. Da hat der alte Poolplanscher aber etwas verdreht. Blinde Gefolgschaft und inbrünstiger Glaube traf doch bisher auf Clements Positionen zu. Die hat er doch immer wieder eingefordert. Seine Meinung und die der Führungsclique unter Schröder waren Gesetz. Die wurden sogar mittels Vertrauensabstimmungen im deutschen Bundestag erzwungen.

Ganz anders in Hessen. Dort hat eine deutliche Mehrheit von über 90 Prozent in der SPD, dem Kurs Ypsilantis und dem Koalitionsvertrag mit den Grünen zugestimmt. Auch die drei plötzlichen Gewissen haben inbrünstig Ja gesagt. Da scheint Herr Scharping die Fakten nicht genau zu kennen. Aber wer will es ihm verdenken. Wie Clement arbeitet er an seiner eigenen Strategie, der Rudolf Scharping Strategie. Die besteht vor allem darin, private Investoren bei Public Private Partnership (PPP oder ÖPP) Projekten zu beraten und der öffentlichen Hand Finanzierungsangebote zu unterbreiten. Bei diesen Projekten gehen die öffentlichen Partner, also die Steuerzahler, regelmäßig als Verlierer vom Platz.

Auch Wolfgang Clement ist eng mit jenen wirtschaftlichen Kräften verbunden, denen ein Ypsilanti-Kurs missfällt. Zum Beispiel sitzt er im Aufsichtsrat der RWE-Kraftwerkstochter RWE Power AG. Warum sollte Clement also für die Abschaltung von Kernkraftwerken sein, wie die Mehrheit seiner Parteifreunde? Weiterhin ist Clement Chairman des Adecco Institutes, des weltweit größten Zeitarbeitsunternehmens. Warum sollte Clement also für einen gesetzlichen Mindestlohn sein, wie die Mehrheit seiner Parteifreunde? Und warum sollte Clement nicht seine Position im Aufsichtsrat des viertgrößten deutschen Zeitungsverlags DuMont Schauberg ausnutzen, um gegen seine Parteifreundin Andrea Ypsilanti zu hetzen?

Die SPD beginge keinen politischen Exorzismus, wenn sie Köpfe wie Clement oder die drei plötzlichen Gewissen in Hessen rausschmeißen würde. Sie alle zusammen haben die Partei schon allein deshalb geschädigt, weil sie nicht bereit waren, sich den demokratisch herbeigeführten Beschlussmehrheiten zu beugen. Sich der Mehrheitsmeinung einer Partei oder Fraktion zu beugen gehört zum Grundverständnis poltischen Handelns. Clement und Co haben dies immer wieder eingefordert und Mehrheiten erzwungen. Nun können sie es nicht ertragen, dass andere Mehrheiten zu Stande kommen und berufen sich auf ihre Meinungsfreiheit, um dennoch am rechten Cliquenkurs festhalten zu können.

Das Problem der SPD ist schlicht die Abhängigkeit vom mittelmäßigen Führungspersonal, dem lukrative Pöstchen wichtiger sind, als eine vernünftige Politik für die eigenen Wähler. Bis heute wird die Aufarbeitung der Agenda-Politik erfolgreich durch eine Minderheit in der SPD verhindert. Jeder Versuch, sei es durch Beck oder Ypsilanti, wurde bitter bestraft. Es gelten nach wie vor die Durchhalteparolen von Steinbrück, Steinmeier, Müntefering und Struck, am Agendakurs festzuhalten. Diese Pappnasen wollen uns doch tatsächlich weißmachen, dass eine Abkehr von diesem Kurs noch mehr Wähler und Mitglieder koste. Wahrscheinlich haben sie recht. Denn die, die bereits in Massen davongelaufen sind und mit deren Motiven man sich überhaupt nicht beschäftigen will, kommen sicher nicht mehr zurück…

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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