Zum Primärüberschuss

Geschrieben von: am 11. Aug 2015 um 9:25

Der Fraktionsvize der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, sagt auf NDR Info, ein Primärüberschuss von 0,5 Prozent im Jahr 2016 sei so gut wie nichts. Damit kritisiert er die Verhandlungsergebnisse aus der Nacht, die die griechische Regierung zusammen mit den Gläubigern (Quadriga) erzielt hat. Die Bemerkung von Fuchs ist allerdings ziemlich dumm.

Quelle: NDR Info, 11.08.2015

Denn es spielt überhaupt keine Rolle, welche Zahl neben dem Schlagwort Primärüberschuss steht. Die Verhandlungspartner hätten dort auch 2, 5 oder 10 Prozent in das Memorandum hinein schreiben können. Egal welche Haushaltsziele auch ausgegeben werden, sie zu erreichen wird unter den vereinbarten Bedingungen schlichtweg nicht gelingen.

Einen Primärüberschuss zu erwarten, ist daher ziemlich bescheuert, wenn gleichzeitig verlangt wird, die Grundlage für Wirtschaftswachstum mit Kürzungsmaßnahmen und Massenentlassungen kaputtzumachen. Wie viele andere auch ist Fuchs offenbar der Meinung, einen Überschuss durch pures Wollen und festen Glauben erreichen zu können.

Statt zu erklären, was ein Primärüberschuss ist, sollten die Medien lieber der Frage nachgehen, warum die Politik hierzulande eine gescheiterte Strategie weiterhin für richtig hält. Sie sollten auch kritisch prüfen, mit welchen sogenannten Reformen ein sogenannter Primärüberschuss „erwirtschaftet“ werden soll?

Erklärungen nötig

Werden ein höherer Mehrwertsteuersatz, gekürzte Renten, erzwungene Privatisierungen öffentlichen Eigentums und die geforderten Massenentlassungen zu einer Belebung der Wirtschaft führen? Welchen Sinn haben überhaupt Vereinbarungen zum Primärüberschuss, wenn ein deutscher Finanzminister parallel weiterhin öffentlich über einen Austritt Griechenlands spekuliert?

Statt sich um den Primärüberschuss Griechenlands Gedanken zu machen, wäre es doch sehr viel sinnvoller, sich mit den Überschüssen Deutschlands zu beschäftigen.

  • Was ist zum Beispiel gut am fortwährenden Exportüberschuss, für den sich das Ausland bei uns dauerhaft verschulden muss?
  • Was ist gut an einem Haushaltsüberschuss, wenn er mit dem Verzicht auf notwendige Investitionen für den Moment erkauft wird?
  • Und was ist gut an einem großkoalitionären Abgeordnetenüberschuss, der noch jede Mehrheit für Unsinnigkeiten der Regierung lieferte, sich aber trotzdem nicht für Stimmvieh hält?

Vielmehr wäre ein Hilfspaket für Deutschland nötig, um das erschreckend schwache intellektuelle Niveau in der Diskussion um Griechenland und den Euro zu überwinden. Wie schön wäre es doch, wenn sich das gedankliche Defizit, das sich aus den Dogmen der schwäbischen Hausfrau speist, in einen fruchtbaren Überschuss verwandeln ließe. Europa täte dieser Fortschritt sicherlich gut.


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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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