Die Grundrente kommt (nicht)

Geschrieben von: am 20. Feb 2020 um 16:01

Die SPD und deren Anhänger haben sich am Mittwoch regelrecht überschlagen mit Jubelmeldungen. „Die Grundrente kommt!“, war in den sozialen Netzwerken zu lesen. Hintergrund ist ein Beschluss des Bundeskabinetts, der aber immer noch Fragen offenlässt. So weisen Unionsabgeordnete darauf hin, dass die Finanzierung nach wie vor ungeklärt sei. Die SPD-Minister Heil und Scholz wollen die Mittel über eine Finanztransaktionssteuer beschaffen, die es bislang aber noch nicht gibt. Offen ist auch, wie viele Menschen künftig einen Anspruch auf Grundrente haben werden. Es könnte durchaus sein, dass es mehr als angenommen sind und die Kosten damit höher ausfallen, als bislang veranschlagt. Zu erwarten ist daher, dass das Gesetz im parlamentarischen Verfahren weiter kastriert werden wird.

Diskussionen gehen weiter

Der Kabinettsbeschluss zur Grundrente ist sicherlich ein Fortschritt, da nun die parlamentarische Beratung des Gesetzes beginnen kann, an deren Ende die Abstimmung im Bundestag steht. Der Bundesrat wird ebenfalls beteiligt sein. Diskussionen sind angekündigt. Die Auseinandersetzungen werden also weitergehen. Der Kabinettsbeschluss hat daran nichts geändert. Bereits absehbar ist, dass nun die offene Finanzierungsfrage in den Mittelpunkt der Debatte rückt. Abgeordnete der Union haben bereits deutlich gemacht, dass sie an den Aussagen des Finanzministers zweifeln. Er müsse darlegen, welche Mittel er zu verwenden gedenkt, falls er keine zusätzlichen Einnahmen durch eine Finanztransaktionssteuer generieren kann.

Die Grundrente ist damit auch ein Thema für die anstehenden Haushaltsberatungen. Die Eckwerte des Budgets 2021 dürften am 11. März vom Bundeskabinett beschlossen werden und die erste Lesung des Haushaltsentwurfes vermutlich im Mai oder Juni stattfinden. Bis dahin wird es bei der Aussicht auf eine Transaktionssteuer bleiben. Scholz muss aus Sicht der Union also erklären, woher er das Geld für die Grundrente nehmen will. Er hat sich allerdings selbst in diese Falle begeben, da er die Einnahmen aus einer noch inexistenten Finanztransaktionssteuer direkt mit der Grundrente verknüpft hat. Das ist dumm, da bei den Ausgaben des Staates das Gesamtdeckungsprinzip gilt, also bestimmte Vorhaben gar nicht an bestimmte Einnahmen gebunden werden dürfen.

Trotzdem hat sich der Finanzminister nun einem Vorwurf zu stellen, den auch die Medien immer wieder erheben werden, solange es keine Transaktionssteuer gibt. Dabei wäre die Finanzierung überhaupt gar kein Problem, wenn man sich noch einmal klarmacht, dass Teile dieser Bundesregierung sehr große Spielräume für Steuersenkungen sehen und beispielsweise für Unternehmen eine Entlastung von rund zehn Milliarden Euro organisieren wollen. Es ist so gesehen nicht ganz nachvollziehbar, warum der Finanzminister erklären soll, woher er die 1,3 Milliarden Euro für eine Grundrente nehmen will. Dieses Geld ist ja offenbar schon da und zwar im Spielraum der Union.

Punktsieg für die Union

Die hat natürlich andere Prioritäten. Höhere Ausgaben für Verteidigung zum Beispiel, um die Aufrüstungs-Forderungen eines Donald Trump zu erfüllen. Die Fortsetzung des inszenierten Streits, der seit Monaten und Jahren um die Grundrente veranstaltet wird, ist also wahrscheinlich. Die Finanzierungsdiskussion kann daher auch als weiteres Ablenkungsmanöver verstanden werden, um die Dürftigkeit des Kompromisses zwischen Union und SPD zu verschleiern. Denn vom angeblich großen sozialpolitischen Meilenstein, wie es Sozialminister Hubertus Heil formulierte, ist kaum etwas übriggeblieben. An der zunehmenden Altersarmut ändert der bescheidene Rentenaufschlag nämlich überhaupt nichts. Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist, je länger die Verhandlungen dauerten, auch immer weiter zusammengeschrumpft. War anfänglich einmal von rund drei Millionen Menschen die Rede, sind es jetzt nur noch 1,3 Millionen.

Überhaupt wird mit dem Regelwerk ein Bürokratiemonster in die Welt gesetzt. Das ist ein klarer Punktsieg für die Union, die immer auf eine Bedürftigkeitsprüfung pochte, beim Begriff aber schließlich nachgeben musste. Im Ergebnis ist mit der Einkommensprüfung nun etwas herausgekommen, das praktisch gar nicht oder kaum umsetzbar ist, darüber hinaus aber viel Aufwand erzeugt und enorme Kosten verursacht, über die sich wiederum leicht schimpfen lässt. Die absehbaren Probleme bei der Umsetzung, wie auch die mickrigen Leistungen, die, wie Berechnungen bereits nahe legen, in einigen Fällen nicht ausreichen, um über Grundsicherungsniveau hinauszukommen, werden natürlich der SPD vollends angelastet, weil sie es auch ist, die vollmundig verspricht: „Die Grundrente kommt!“

Die Grundrente bleibt aber Murks und zwar auf ganzer Linie. Sie wird auch der SPD nicht helfen, die immer wieder ihre PR-Abteilung bemüht, um erkennbar schlechte Kompromisse in große sozialpolitische Meilensteine umzudichten. Für die Betroffenen ist die Grundrente eben keine Verbesserung. Sie können auch keine Anerkennung oder gar Respekt darin erkennen. Die Lebenssituation im Alter bleibt prekär und damit auch die Frage aktuell, wie es soweit hat kommen können. Doch wie Altersarmut überhaupt entsteht, ist nicht Teil dieser Debatte. Die schlimmen Folgen der absurden Rentenreformen der 2000er Jahre, mit der absichtlichen Kürzung des Rentenniveaus bei gleichzeitiger Ausweitung des Niedriglohnsektors mit der Drohung Hartz IV lassen sich eben nicht mit der netten Werbebotschaft von der Respekt-Rente, die nun endlich kommt, zukleistern.


Bildnachweis: Wilfried Pohnke auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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