Rhetorische Übungen zum Krieg

Geschrieben von: am 04. Dez 2015 um 9:55

Ursula von der Leyen will nicht vom Krieg sprechen, denn: „Wir würden ja dem IS eher einen Gefallen tun, wenn wir in diese Rhetorik verfallen würden.“ Deshalb führen wir lieber einen umgangssprachlichen Krieg, aber mit echten Kampfflugzeugen und mit echten Waffen. Was die Rhetorik nicht schafft, besorgen dann die Bomben, die mit Hilfe deutscher Aufklärung über Syrien abgeworfen werden.

Den Kriegsgefallen, ob umgangssprachlich oder nicht, müssen wir den „Terrorbanden“ schon tun, meint auch der Außenminister, der gleichzeitig Sozialdemokrat ist. Denn: „Abschottung, Lichter aus, Rollläden runter, wenn Terroristen durch die Straßen ziehen, das kann nicht unsere Logik sein.“ Das Hirn einschalten, ist offenbar auch keine Option.

Bei dem Kriegseinsatz sind ja nicht die Terroristen das Problem, sondern eine Allianz, in der jedes Mitglied eigene Interessen verfolgt und diese auch zu schützen weiß. Nach dem Abschuss eines russischen Jagdflugzeuges durch das türkische Militär rüstet Moskau seine Jets nun zusätzlich mit Luft-Luft-Raketen aus. Und auch die deutschen Tornados sollen diese Waffen zur „Selbstverteidigung“ an Bord haben. Das wirft natürlich folgende rhetorische Frage auf:

Über die eigentliche Strategie schweigt die Bundeskriegsministerin und lässt lieber die Militärs sprechen. Doch auch die schaffen es mit ihrer Rhetorik nicht, einen roten Faden durch die unübersichtlichen Frontverläufe in Syrien zu ziehen. Es bleibt auch völlig schleierhaft, welchen Nutzen die Luftaufklärung der Bundeswehr für das behauptete „System kollektiver Sicherheit“ haben soll. Gibt es diese Art der Aufklärung etwa nicht bei denen, die schon seit Monaten in Syrien ihre Bomben abwerfen?

Bleibt eigentlich nur der wissenschaftliche Dienst des Bundestages, der mit Blick auf das Völkerrecht laut Steinmeier keine Bedenken geäußert hat. Eine Expertise dazu gibt es aber nicht, lediglich die Behauptung des Ministers (Ergänzung AT: Die Expertise gibt es doch, allerdings nicht auf der Seite des Bundestags abrufbar, dafür hier). Dagegen melden sich Völkerrechtsexperten in den Medien zu Wort, die die Einschätzung der Bundesregierung kritisieren. Sogar ein Professor der Münchner Bundeswehr-Uni wirft der Politik im Spiegel-Online Interview mangelnde Sorgfalt und Verantwortung vor. Der Völkerrechtler Daniel-Erasmus Khan sagt:

„Nach der Charta der Vereinten Nationen ist militärische Gewalt in den internationalen Beziehungen grundsätzlich verboten; das ist gewissermaßen der Kern der Völkerrechtsordnung, die ja auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges neu errichtet wurde. Von diesem fundamentalen Grundsatz, zu dem sich auch das Grundgesetz bekennt, gibt es nur ganz wenige Ausnahmen. Es darf jedenfalls nicht dazu kommen, dass die Ausnahme irgendwann zur Regel wird. […]

Streng genommen wurde Frankreich ganz überwiegend von Franzosen angegriffen – also gerade aus dem Inneren heraus, nicht vom Ausland. Wenn man es sehr überspitzt formulieren würde, müsste man sich fragen, warum die Franzosen nicht mit militärischen Mitteln in manchen der Pariser Banlieues intervenieren. Wir haben hier eben keine eindeutige, einem militärischen Angriff gleichzusetzende Aktion vom Gebiet des Staates Syrien gegen Frankreich. Das ist ein Fall für die Polizei und internationale Rechtshilfe, möglicherweise auch internationale Strafgerichte – und aber nicht für einen Militärschlag.“

Eine Klage könnte sich lohnen, meint der Völkerrechtler. Für das nötige Quorum braucht es aber auch die Grünen im Bundestag. Doch die setzen ebenfalls auf rhetorische Verrenkungen. Katrin Göring-Eckardt: „ISIS muss militärisch bekämpft werden, da sind wir mit Ihnen einig.“ […]

und weiter:

„Es braucht eine langfristige Strategie. In diese können Einsätze eingebunden sein, auch militärische Einsätze, aber mit Partnern, mit denen man es verantworten kann. Sie machen einen Einsatz, der kopflos ist, der planlos ist. Am Ende besteht die Gefahr, dass er das Gegenteil dessen bewirkt, was er bewirken soll. Deswegen bitte ich Sie sehr darum, sich zu überlegen, ob dieser Einsatz wirklich das Ziel verfolgt, ISIS zu bekämpfen, oder ob er kontraproduktiv ist, meine Damen und Herren.“

Heißt: Jein oder Enthaltung. Und überhaupt sind die Russen Schuld. Das darf in keiner grünen Wortmeldung fehlen.

Dabei reicht es völlig aus, sich eine Frage zu stellen: Wie viele Terroristen gab es vor dem Beginn des sogenannten Anti-Terror-Kampfes und wie viele gibt es jetzt?

 

Abstimmungsergebnis:

Ja: 445
Nein: 145
Enthaltung: 7

Abstimmung Syrieneinsatz

 
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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Arnold  Dezember 4, 2015

    Bezeichnend fand ich den Kommentar eines SPD Mitglieds im Deutschlandfunk heute früh (Name habe ich nicht mitbekommen) „Wir müssen den Hass an der Wurzel bekämpfen“. Und dabei meinte er den Syrien Einsatz der Bundeswehr.

    • Horst Schulte  Dezember 8, 2015

      Ja, dümmer kann man das eigene ignorante Vorgehen wohl nicht mehr bezeichnen.