"Big Money" greift Spanien an

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Es war abzusehen, dass nach der Konfrontation Merkels mit Amerika über die unsinnige europäische Sparpolitik, die maßgeblich von Deutschland aus betrieben wird, der nächste Schlag des Amerika-Verbündeten „Big Money“ nicht lange auf sich warten lassen würde. Nun überlegt die Ratingagentur Moody’s, die zuvor Griechenland herabgestuft hatte, Spanien ebenfalls den Tripple A Status zu entziehen.

Quelle: Handelsblatt

Eine Senkung des AAA-Ratings sei wegen der sich verschlechternden Wirtschaftsaussichten möglich, teilte die Agentur am Mittwoch mit. Es sei unklar, ob die Regierung ihre Sparziele erreiche.

Diese Begründung wurde auch schon im Fall Griechenland angeführt. Da war man sogar noch konkreter geworden und hat die Auswirkungen des Sparpakets für die Gesamtwirtschaft als „substantiell“ bezeichnet. (siehe hier im Blog). So eine Einschätzung liegt natürlich ganz auf der Linie der Amerikaner, die von den Europäern und vor allem von Deutschland mehr Konsum und Binnennachfrage erwarten, um die Weltwirtschaft insgesamt zu stabilisieren.

Deutschland weigert sich aber. Zuletzt hatte Schäuble den amerikanischen Finanzminister Tim Geithner öffentlich zurückgewiesen, als dieser in Berlin die Bundesregierung davor warnte, die Konjunktur kaputt zu sparen. Daraufhin folgte die Herabstufung Griechenlands durch Moody’s. Am Wochenende endete der G-20-Gipfel in Toronto ergebnislos, auch in der Frage der Wirtschaftspolitik. Deutschland hält an seiner Sparabsicht fest, lautete die Botschaft an die Adresse der Amerikaner, die dringend eine Reduzierung ihres Handelsbilanzdefizits brauchen. Mit dem Exportriesen China hat man diesbezüglich schon eine Übereinkunft getroffen. Nur der andere Exportriese Deutschland will nicht mitspielen und bleibt stur.

Es stellt sich also die Frage, wie man Deutschland treffen könnte. Die Antwort ist relativ einfach. Die EU ist Deutschlands Achillesferse. Die deutsche Wirtschaft profitiert nicht nur vom Euro und der Politik des Niederkonkurierens seiner Partner, die den Euro als Zahlungsmittel ebenfalls nutzen und somit währungspolitisch handlungsunfähig sind, sondern man ist auch anfällig, weil Ausgleichszahlungen vom stärksten Mitglied der Eurozone notwendig werden, wenn die anderen Staaten in Schwierigkeiten geraten.

Der letzte Rettungsschirm mit einem Volumen von 750 Mrd. Euro, der uns ja laut Schäuble nichts kostet, wurde mit dem Versprechen aufgespannt, dass nun das Vertrauen in die Märkte wieder hergestellt werden könne. Sollte es dennoch so sein, dass einige Länder Hilfen in Anspruch nehmen müssen, weil sie ihre finanzielle Lage nicht mehr in den Griff bekommen, hatte Angela Merkel mit harten Sanktionen und Strafen gedroht. Das war natürlich eine Luftnummer und die Amerikaner wissen das. Deutschland muss als Gläubiger immer zahlen, wenn der Schuldner nicht mehr kann oder in Schwierigkeiten gerät. Entweder durch Garantien und neue Kredite oder durch einen Forderungsverzicht. Und soviel Tafelsilber können die Schuldnerländer gar nicht verscherbeln, um die Forderungen deutscher Banken bedienen zu können.

Zu „Big Money“ und der Lage auf den Finanzmärkten noch einmal Georg Schramm als Oberstleutnant Sanftleben.

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Washington Post: Forget Greece: Europe’s real problem is Germany

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Es ist mal wieder sehr interessant, wie das Ausland über uns denkt.

Quelle: Washington Post

Ground zero of Europe’s debt-currency-banking crisis isn’t in Greece, or Portugal, or Ireland or even Spain. It’s in Germany.

So says Martin Wolf, the estimable economics columnist of the Financial Times, who this week offered this wonderfully concise, if somewhat mischievous, description of how the vaunted German economic machine really works:

At one end is a powerful and highly efficient industrial export engine that generates a large trade surplus with the rest of the world, including most other countries in the eurozone. Instead of spending this new export wealth on a higher standard of living, however, parsimonious Germans prefer to save it, handing it over to thinly capitalized German banks that have proved equally efficient in destroying said wealth by investing it in risky securities issued, not coincidentally, by trading partners that need the capital to finance their trade deficits with Germany. To prevent the collapse of those banks, German taxpayers are dragooned into using what remains of their hard-earned savings either to bail out their hapless banks or their profligate trading partners.

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Wie lustig und bitter die Realität doch ist. Deutschland ist wahrscheinlich das einzige Land weltweit, in dem Unternehmer und deren Verbände nach restriktiver Geld- und Finanzpolitik schreien. Und die Politik folgt treudoof, weil sich dort nur Anwälte, Lehrer oder sonstige Beamte tummeln, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben. So dominiert zwar die Unternehmerlogik in diesen politischen Kreisen, aber selbst die daraus resultierende Politik ist in Wirklichkeit zutiefst unlogisch. Weil Sparen und Hochzinspolitik unmittelbar auf die Gewinne von Unternehmen drücken, sind die Forderungen der Verbände einfach albern.

Denn nur deutsche Unternehmen finden es toll, wenn die Notenbank die Zinsen erhöht, um der Angst vor einer Inflation zu begegnen. Wenn dadurch auch das Investieren teurer wird, Schwamm drüber. Gleichzeitig finden es nur deutsche Unternehmer und ihre Verbände toll, wenn die öffentlichen Defizite brutal, d.h. um jeden Preis, zurückgefahren werden. Das dadurch vor allem in einer Wirtschaftskrise die Gewinne der Unternehmen noch einmal schrumpfen, Schwamm drüber. Unternehmenssteuern senken, das ist gut, wenn gleichzeitig der übrige Pöbel auf angeblich anstrengungslosen Wohlstand verzichtet und dabei hilft, die miese Haushaltsbilanz auszugleichen.

The danger of Germans misunderstanding the causes of the current crisis is that it leads them, and the rest of Europe, to the wrong solutions.

Mit anderen Worten, die dämlichste Crew, die man sich überhaupt nur vorstellen kann, steuert das Flaggschiff einer Flotte und gibt die Befehle nach dem Motto: Beggar thy neighbour. Das kann nur in die Hose gehen.

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Schäuble: "Wir hoffen, es kostet nichts"

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Nach der gestrigen hart aber fair Sendung im Ersten dachte ich, es könnte bei den Tagesthemen keinesfalls schlimmer werden. Nun ja, falsch gedacht. Wolfgang Schäuble durfte im Interview mit Susanne Holst die deutsche Griechenland-Hilfe erklären. Schlimm war es. Zunächst einmal war das Interview wieder aufgezeichnet und übel zusammengeschnitten. So als ob Schäuble oder dessen PR-Berater oder die Nachrichtenredaktion bestimmte Passagen nicht zeigen wollten. Das ist aber auch egal, weil Schäuble im Interview einmal mehr davon sprach, dass die deutschen Hilfen den Steuerzahler nichts kosten würden, weil es ja ein Kredit sei. Hören sie selbst.

Toll habe ich da gedacht, wieso machen wir das nicht auch in anderen Bereichen, wenn so ein Kredit nix kostet? In der Gesundheitspolitik zum Beispiel. Da müht sich ja der Philipp Rösler von der FDP ab und kämpft gegen ein vergleichsweise mickriges Haushaltsloch von 3,1 Mrd. Euro bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Das müsste doch zu schaffen sein. Wir machen da einfach genau das, was wir von den Griechen erwarten. Wir geben uns selber einen Kredit und legen uns dann harte Sparmaßnahmen im Rahmen eines tragfähigen Konzepts auf. Dann geht die Rechnung schon auf und der Kredit kostet uns nix.

So ist doch die Logik von Schäuble und Merkel? Dumm nur, dass das schon bei uns, den europäischen Schlaubergern und Ratgebern, nicht funktioniert. Seit Jahren klagen wir über Defizite in der Sozialversicherung, die der Bund mit Zuschüssen ausgleichen muss. Seit Jahren sparen wir in der Sozialversicherung, wo es nur geht und privatisieren Leistungen. Wir verkaufen zwar keine Inseln, dafür aber den Zahnersatz, die gesetzliche Rente, die Arbeitslosenversicherung und bald auch die Pflegeversicherung. Und all diese Sparanstrengungen haben immer dazu geführt, dass die Löcher in den Kassen nicht kleiner sondern größer wurden.

Denn blöderweise hängt die Finanzierung der Sozialsysteme wie auch des Staates von deren und dessen Einnahmen ab und nicht in erster Linie von den Ausgaben. Wenn der Staat oder die Sozialversicherung Aufgaben haben, müssen sie die auch wahrnehmen. Demzufolge ist die Einnahmeseite auch ungleich wichtiger als die Ausgabenseite. Denn die Kosten entstehen aufgrund der Aufgaben, über die man sich im Rahmen eines Gesellschaftsvertrages verständigt hat. Die müssen einfach bezahlt werden, solange man eine solidarische Gesellschaft will und sich in der Tradition der Aufklärung versteht. Spart man nun, muss die Kosten jemand anderes begleichen. Spart also der Finanzminister bei den Ausgaben, müssen die Bürger tiefer in die eigene Tasche greifen oder, wenn da nix mehr drin ist, gänzlich auf die notwendigen Leistungen verzichten.

Doch eines passiert ganz gewiss. Wenn gespart wird und Kosten verschoben werden, folgt zwingend ein Rückgang des privaten Konsums, da der verdiente Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Dies wiederum lässt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage einbrechen und im Zuge dessen auch die Wirtschaft. Denn wo weniger Nachfrage ist, müssen auch nicht mehr Waren produziert werden. Infolgedessen sparen auch die Unternehmen an Investitionen, Löhnen und schließlich an Arbeitnehmern, die nicht mehr gebraucht und in letzter Konsequenz dem Sozialstaat und seinen Sicherungssystemen übergeben werden. Doch wenn immer mehr Menschen von sozialen Transferleistungen abhängig sind oder weniger verdienen, müssen Staat und Sozialversicherung auch mit geringeren Einnahmen auskommen.

Diesen Zustand haben wir in Deutschland seit Jahren. Im Land des Hausuafgabenweltmeisters. Eigentlich müssten wir damit ziemlich schlecht dastehen, doch das ist nicht der Fall. Unsere Unternehmen und deren Besitzer stehen richtig gut da. Weil es ja die Griechen gibt. Die waren nämlich so nett und haben sich extra verschuldet, um eine Nachfrage nach unseren günstig produzierten Waren und Dienstleistungen zu erzeugen. Deshalb konnten wir immer mehr produzieren, als wir für unseren Bedarf eigentlich brauchten und haben dadurch richtig Kohle verdient. Also nicht wir, sondern die Unternehmer, die Banker und die Kapitalbesitzer. Eigentlich müsste gerade die deutsche Wirtschaft den Griechen dafür danken, dass sie sich unseretwegen verschuldet haben, um die Gewinne deutscher Unternehmen zu ermöglichen.

Nun wollen wir genau dieses deutsche Erfolgsmodell auf Griechenland übertragen. Für unsere Kredite sollen die noch härter sparen, noch weniger Löhne und Renten bezahlen und ihre Inseln verkaufen. Dann werden die auch genauso wettbewerbsfähig sein, wie wir Superdeutschen und alles wird gut und unser Kredit kostet dann nix, wie der Schäuble sagt.

Sehen sie an dieser Stelle das Problem? Wenn Griechenland genauso wettbewerbsfähig ist wie wir Deutschen und die Bevölkerung durch Einkommenssenkungen und Kostenverschiebungen relativ gesehen genauso arm geworden ist wie wir Deutschen und infolgedessen die Griechen auch keine Waren mehr brauchen, weil sie schlicht kein Geld mehr haben, um konsumieren zu können, wer soll dann überhaupt noch als Nachfrager für deutsche und dann auch griechische Waren in Erscheinung treten? Wer finanziert unseren Export und den der Griechen, später auch den der Portugiesen, Spanier, Italiener und Iren? Diesen kriselnden Ländern müsste Deutschland ja genau dieselben Bedingungen auferlegen, wenn es denn zu Hilfsmaßnahmen kommen sollte. Im vorauseilenden Gehorsam werden ja bereits radikale Sparprogramme in diesen Staaten beschlossen.

Und was viel schlimmer ist, wer zahlt dann unsere Kredite zurück, die ja angeblich nix kosten?

Was Schäuble und Merkel also fordern und glauben, damit bewirken zu können, entbehrt jeder Logik, volkswirtschaftlicher Vernunft und politischer Verantwortung. Und das nur, weil sie offensichtlich eine Landtagswahl nicht verlieren wollen. Um die deutsche Öffentlichkeit zu täuschen, wird getrickst und gelogen. Es wird schlicht geleugnet, dass es in der EU Handelsungleichgewichte gibt, die durch den Exportüberschuss der Deutschen verursacht wurden. Dabei wissen sie es eigentlich besser. Zumindest belegt das ein Dokument, welches in Brüssel von einem deutschen Minister unterzeichnet wurde und klar beweist, dass die deutsche Kanzlerin und ihre Regierung das eigene Volk schamlos belügt.

In dem Quartalsbericht der EU-Kommission zur Eurozone steht:

In some surplus countries, the report identifies persistent weakness in domestic demand – with corporate saving and investment decisions playing a central role – as a source of concern for the euro area as whole as well as the wellbeing of surplus countries themselves. We do not argue that surplus countries are too competitive. On the contrary, Member States should strive to be as competitive as possible in an increasingly competitive global economy. For growth to be balanced, however, export successes should translate into stronger domestic demand, thus boosting imports, too. The structural weaknesses of domestic demand need to be identified and tackled.

Überschussländer wie Deutschland sollten also etwas für die eigene Binnennachfrage tun, um die diagnostizierten Ungleichgewichte in der Eurozone auszugleichen. Am Ende heißt es sogar ganz konkret:

Action is also needed in Member States that have accumulated large current account surpluses. In these countries, policies should aim to identify and implement structural reforms that help in strengthening domestic demand.

Doch wie das Stärken der Binnennachfrage in Deutschland erreicht werden soll, erklärt uns ja die FDP. Mit Steuersenkungen, die dann auf wundersame Weise zu einem noch nie dagewesenen Aufschwung führen, der alle unsere Schulden begleichen wird, wahrscheinlich auch den Kredit, der angeblich nix kostet.

Aber die Aufschwungslogik deutscher Bundesregierungen erklärt immer noch am besten Volker Pispers. Also dann, bis neulich…

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Kritik an Deutschlands "Geschäftsmodell"

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Das ist ja mal sehr interessant. Nun meldet sich der große Nachbar Frankreich endlich mal zu Wort und beklagt die deutschen Exportüberschüsse, die in der europäischen Gemeinschaft mehr schädlich als nützlich sind und sofort formiert sich hierzulande die gesamte Presse, Wirtschaftsvertreter und Politik, um dem alten „Erzfeind“ die Krallen zu zeigen. Man müsse sich schließlich nicht dafür entschuldigen, dass man seine Hausaufgaben gemacht hätte. Und schon gar nicht müsse man sich von EU-Staaten, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten, etwas vorwerfen lassen. Schließlich sei Deutschland der größte Beitragszahler der Europäischen Union.

Das ist natürlich ein Argument. Zieht man mal die Gelder ab, die auch Deutschland aus dem EU-Topf erhält, überweisen wir jährlich rund 9 Mrd Euro nach Brüssel. Zum Vergleich, der Handelsbilanzüberschuss Deutschlands wuchs bis zum Jahr 2007 auf rund 195 Mrd Euro an. Im Jahr 2008 waren es noch etwa 176 Mrd und im Krisenjahr 2009 immerhin noch 136 Mrd Euro. Im Januar 2010 beläuft sich der Überschuss auf 8,71 Mrd Euro. Mit anderen Worten: In der EU sind wir zwar ein sog. Nettozahler, aber volkswirtschaftlich betrachtet sind wir ein großer globaler Gläubiger.

Und Frankreich ist bilanztechnisch unser Schuldner wie im Übrigen der gesamte südeuropäische Raum auch. D.h. wir exportieren in diese Länder mehr als wir aus diesen importieren. Wenn jetzt also die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde sagt, dass Deutschland seine Handelsbilanz ausgleichen müsse, mit anderen Worten, mehr aus den Schuldner-Ländern importieren sollte, dann wäre das ein Beitrag zur Stabilität des Euroraums und jener Länder, die hoch verschuldet sind. Deutschland müsste dazu aber die eigene Binnenkaufkraft stärken und das heißt wiederum höhere Löhne und höhere Sozialleistungen zulassen statt ständig dem Kürzungsdogma oder unverdächtig formuliert, der moderaten Lohnentwicklung, zu folgen.

An diesem Vorschlag ist nichts Falsches und zwar aus einem ganz wichtigen Grund. Wegen John Maynard Keynes. Im letzten Jahr noch gefeiert, in 2010 wird er schon wieder verdammt. Eine Volkswirtschaft kann sich nicht auf Dauer von der globalen Wirtschaft abkoppeln und so tun, als gäbe es auf der anderen Seite keine Bilanz, die negativ ausfällt. Während Deutschland seine Exporterfolge feiert und am liebsten dahin zurück möchte, muss einer positiven Bilanz immer auch eine entprechend negative gegenüberstehen. D.h. damit Deutschland überhaupt Exporterfolge vorweisen kann, bedarf es eines Schuldners, der bereit ist, über seine Verhältnisse zu leben. Deutschlands Überschüsse müssen also in den Handelsbilanzen der Partner-Staaten als Defizite wieder auftauchen.

Doch was passiert, wenn der Schuldner zahlungsunfähig wird bzw. an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gerät? Wie muss der Gläubiger dann reagieren? Mit Beschimpfungen und wilden Sparvorschlägen, die die Rückzahlungsfähigkeit des Schuldners weiter verschlechtern?

Nein, aber genau das tut Deutschland mit seinen Schuldnern in Südeuropa, aber auch mit Frankreich. Statt auf einen Ausgleich zu setzen, um die Rückzahlungsfähigkeit zu wahren, schwadronieren die hiesigen Hausaufgabenweltmeister davon, dass die anderen gefälligst für ihre Finanzprobleme selber geradestehen und sich vielleicht am Welt- und Europameister ein Beispiel nehmen sollten. Dann hätten wir mehr solide Gläubiger und weniger schlechte Schuldner, so die deutsche Logik. Aber wer nimmt dann am Ende die Kredite der Gläubiger?

„Der Mond? Der Mars? Oder doch wieder die Amerikaner?“

Das fragt Heiner Flassbeck in seinem Buch „Gescheitert“. Deutschland selber wolle nichts an seinem Geschäftmodell der ständigen Verbesserung der Wettbewerbsposition ändern. Das bedeutet aber ganz zwangsläufig, dass Schuldner wie Griechenland ihre Verbindlichkeiten nicht mehr ohne Hilfe bedienen können. Sie können eben nicht auf Dauer über ihre Verhältnisse leben und die Exporterfolge der Deutschen finanzieren. Das durch die EU den Griechen auferlegte Sparprogramm ist gerade deshalb auch ein Witz, weil es dem Ziel der Defizitreduzierung zuwider läuft. Auch das lehrt John Maynard Keynes, dem selbst Frau Merkel im letzten Jahr mit der Bemerkung folgte, dass es falsch sei, in die Krise prozyklisch hineinzusparen.

Baut Deutschland die Ungleichgewichte innerhalb der EU nicht ab, in dem es beispielsweise mit einem Konjunkturprogramm antizyklisch in die Wirtschaft eingreift und selbst für eine Nachfragebelebung sorgt, wird man als Gläubiger zwangsläufig zahlen müssen. Entweder über verbesserte Zinskonditionen, einen Schuldenerlass oder im Fall der Pleite mit einem Totalausfall der Ansprüche gegen Griechenland. Wenn sich also die Finanzminister der 16 EU-Staaten heute in Brüssel treffen, kann nur als Ergebnis herauskommen, dass Deutschland zahlt und zwar als größter Gläubiger einen riesigen Batzen.

Und statt den französischen Vorstoß zu geißeln, sollte man einmal darüber nachdenken. Dazu noch einmal Heiner Flassbeck (aus: „Gescheitert“):

„Wenn nicht bald im Bundeswirtschafts- oder Finanzministerium ein Referat eingerichtet wird, das nichts anderes tut, als die Auswirkungen der deutschen Wirtschaftspolitik auf andere Länder abzuschätzen und den Minister vor den Rückwirkungen zu warnen, wird Deutschland noch oft in diese Falle der Globalisierung tappen.“

Auf diese Tatsache hin könnte man ja auch mal die Westerwellsche Türöffnungspolitik im Ausland abklopfen und nicht die Frage stellen, wem Westerwelle da die Tür öffnen will, sondern welchen Zweck die Öffnung eigentlich volkswirtschaftlich erfüllen soll. In diesem Zusammenhang finde ich übrigens Sigmar Gabriels heutige Kritik am „rechthaberischen Schreihals“ Westerwelle sehr amüsant:

„Diejenigen, die Herr Westerwelle – zum Teil aus der Schweiz – mitnimmt auf Auslandsreisen, sind das Gegenteil von Leistungsgesellschaft. Sie gehören eher zur Lumpenelite, die den Wirtschaftsstandort Deutschland schädigen und nichts dazu beitragen, dass es in diesem Land vorangeht.“

Quelle: Stern

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Löhne und Einzelhandelsumsätze befinden sich ununterbrochen auf Talfahrt

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In der Meldung des statistischen Bundesamts von heute heißt es:

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Januar 2010 nominal 3,0% und real 3,4% niedriger als im Januar 2009.

Und vor einem Jahr meldete das statistische Bundesamt für den Januar 2009 ebenfalls einen Rückgang der Umsätze im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Januar 2009 nominal um 1,2% und real um 1,3% niedriger als im Januar 2008.

Und im Jahr davor hieß es:

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz des Einzelhandels in Deutschland im Januar 2008 nominal um 2,7% und real um 0,6% höher als im Januar 2007. Beide Monate hatten jeweils 26 Verkaufstage. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Januar 2007 erstmals die neuen höheren Mehrwertsteuersätze galten. Sie führten in diesem Monat zu deutlichen Rückgängen des Einzelhandelsumsatzes (nominal – 2,3%, real – 2,9% zum Januar 2006). Vergleicht man den Umsatz des Januars 2008 mit dem des Januars 2006, so ergibt sich nominal ein Zuwachs von 0,3% und real ein Rückgang von 2,3%.

Mit anderen Worten. Seit Jahren und spätestens mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer im Jahr 2007 brechen die Einzelhandelsumsätze immer dramatischer weg. Ich kann einfach nicht verstehen, wie einige Medien schon wieder schreiben können, dass die Umsätze im Einzelhandel im Januar überraschend stabil gewesen sein sollen.

Siehe zum Beispiel:

  • AFP unter der Überschrift
    „Umsatz im Einzelhandel im Januar stabil“

Dabei bezieht man sich wieder auf den wenig nützlichen Vergleich zum Vormonat Dezember und deutet an, einen Trend beobachten zu können. Denn so gesehen, seien die Umsätze mit einer Veränderung um real 0,0 Prozent stagniert. Toll. Leider macht sich keiner die Mühe, in der Tabelle zu den Vormonatsveränderungen des statistischen Bundesamtes mal nachzuschauen. Dann hätte man nämlich leicht feststellen können, dass nach dieser Methode nix stagniert. Im November 2009 ging es um -1,2 Prozent im Vergleich zum Oktober runter. Der Dezember legte aber nur um 0,9 Prozent im Vergleich zum November zu und nun im Januar messen die Statistiker keine Veränderung zum Dezember. Wenn man also nur diese drei Monate als einen Zeitraum für sich betrachten würde, was übrigens völliger Blödsinn wäre, müsste man feststellen, dass die Einzelhandelsumsätze nicht überraschend stagnieren, sondern nach wie vor auf einem negativen Niveau verharren.

Die Veränderungen zum Vormonat sagen für sich genommen nichts aus und schon gar nicht lässt sich daraus ein Trend ableiten, wie das einige Medien immer wieder zu suggerieren versuchen. Erst mit dem Blick auf einen längeren Zeitraum, üblicherweise nimmt man dann den Vorjahresmonat, wird eine Entwicklung deutlich. Und die war, ist und bleibt negativ.

In diesem Zusammenhang ist eine weitere Meldung des statistischen Bundesamts von heute sehr interessant. Die durchschnittlichen Bruttoverdienste seien erstmals seit Gründung der Bundesrepublik im Jahr 2009 gesunken.

Quelle: destatis

Nach ersten Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) sind die durchschnittlichen Bruttoverdienste aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland im Jahr 2009 um – 0,4% auf rund 27 648 Euro gesunken. Dies ist der erste Rückgang der Verdienste in der Geschichte der Bundesrepublik.

Diese Meldung taugt nun offenkundig für Manipulationen. Denn der Rückgang der nominalen durchschnittlichen Verdiensthöhe erweckt nunmehr den Eindruck, als seien die realen Löhne in der Vergangenheit gar nicht gesunken. Das taten sie aber. Infaltionsbereinigt sinken die Bruttoverdienste bereits seit sechs Jahren „und liegen nun schon um 5,3 % unter dem Stand des Jahres 2000.“(Quelle: siehe Jahnkes Infoportal) Es ist also falsch zu behaupten, dass nun erstmals seit Gründung der Bundesrepublik die Löhne zurückgegangen seien.

Heute kommen also wieder zwei Dinge ganz klar zur Geltung, die wechselseitig aufeinander wirken. Verfügbares Einkommen und die Einzelhandelsumsätze befinden sich ununterbrochen auf Talfahrt. Doch der Regierung ist die Lage schlicht wurscht. Dort denkt man bereits an den Etat-Entwurf für 2010, der am Donnerstag abschließend im Haushaltsausschuss des Bundestages beraten wird. In der Süddeutschen Zeitung wird dazu Finanzminister Schäuble von einem offenkundig realitätsfremden Journalisten befragt. Geradezu vorwurfsvoll und mit Schaum vorm Mund plärrt Claus Hulverscheidt von der SZ den Finanzminister an, wann dieser nun endlich anfangen wolle, richtig zu sparen. Und Schäuble antwortet:

Quelle: SZ

„Wir können zwar 2010 wegen der andauernden Auswirkungen der Krise noch nicht auf einen konsequenten Konsolidierungskurs einschwenken. Aber wir müssen bereits jetzt deutlich machen: Die expansive Haushaltspolitik wird beendet. Und wir meinen es ernst mit der Schuldenbremse und den im Koalitionsvertrag genannten goldenen Regeln der Finanzpolitik. Das heißt auch: alle schon jetzt erkennbaren Einsparpotentiale zu nutzen. Wenn sich dabei erweist, dass die Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit es ermöglichen, die Ansätze für die Arbeitsmarktausgaben abzusenken: um so besser!

Angesichts der heutigen Meldungen verstehe ich einfach nicht die Reaktionen von Journalisten und Politikern. Sind die alle so blind? Wie kann man nur nach dem Sparhammer lechzen und vom Ende der expansiven Haushaltspolitik sprechen, die ja gemacht wurde, um der tiefen Sogwirkung der Krise etwas entgegenzusetzen, wenn diese Krise überhaupt noch nicht verbei ist? Die heutigen Zahlen belegen das doch eindrucksvoll. Wollen wir etwa auch die Mehrwertsteuer drastisch erhöhen, wie das die Griechen gerade bei ihrem Sparprogramm tun? Dann lohnt sich vielleicht ein Blick auf unsere Zusammensetzung des Steueraufkommens, genauer: auf die Verteilung von direkten und indirekten Steuern. Schäuble sagt ja im Interview, dass solide Staatsfinanzen und wachstumsorientierte Steuerpolitik kein Widerspruch seien.

„Eine wachstumsorientierte Steuerpolitik muss sowohl auf Steuervereinfachung als auch auf Steuerentlastung setzen. Wir können auf Dauer nur dann erfolgreich konsolidieren, wenn wir wieder robustes Wirtschaftswachstum erreichen. Und umgekehrt ist das Vertrauen der Wirtschaft in die Solidität und Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte unabdingbare Voraussetzung für anhaltendes Wachstum.“

Der Zusammenhang, dass Konsolidierung nur geht, wenn es Wirtschaftswachstum gibt, ist richtig. Nur ist der beschriebene Weg einfach falsch. Das Absenken von direkten Steuern hat erstens noch nie zu Wachstum geführt und zweitens ist ein solches Vorgehen auch überhaupt nicht nötig, wenn man sich den Anteil am Steueraufkommen genau anschaut.

Anteil direkte und indirekte Steuern am Steueraufkommen
Quelle: BMF

Inzwischen ist es ja so, dass die Absenkung direkter, an der Höhe des Einkommens bemessener Steuern, dazu geführt hat, dass der Anteil der indirekten Steuern, die für alle Einkommensgruppen ja gleich hoch sind (Flat Tax), am Gesamtsteueraufkommen gestiegen ist. Mit anderen Worten, die Finanzierung staatlicher Aufgaben wurde umverteilt. Vor allem untere Einkommensgruppen und Menschen, die über wenig Geld verfügen, werden gemessen an ihrem verfügbaren Einkommen deutlich höher belastet als jene oberen Einkommensgruppen, die zwar den Großteil der direkten Steuern zahlen (70 %), aber gleichzeitig auch über etwa 70 % des Gesamteinkommens verfügen.

Was Schäuble und die Bundesregierung vorhaben, ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Gerade die Meldungen des statistischen Bundesamts von heute weisen die Bundesregierung deutlich darauf hin, was eigentlich gemessen an der aktuellen Lage zu tun wäre. Zunächst einmal bedarf es der Beschäftigungssicherung und damit ist nicht die Kurzarbeit gemeint, die vor allem teuer ist, weil sich die Bundesregierung hoffend darauf verlassen muss, dass irgendwann die Konjunktur von allein wieder anspringt. Billiger wäre es dagegen, wenn die Bundesregierung selbst die Konjunktur durch staatlich befeuerte Nachfragepolitik anheizen würde, statt voreilig den Ausstieg aus der expansiven Ausgabenpolitik zu verkünden. Dann müsste man nämlich nicht dauernd über eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes nachdenken, wie das aktuell Frau von der Leyen wieder tut, weil sich die erhoffte Erholung der Wirtschaft nun doch noch nicht eingestellt hat. Dieses Vorgehen ist einfach nur dumm.

Zweitens braucht dieses Land endlich einen Mindestlohn, damit die staatlich subventionierte Arbeitnehmerausbeutung durch am Markt über Löhne konkurierende Unternehmen endlich aufhört. Die Binnennachfrage kann nur gesteigert werden, wenn auch die Kaufkraft wieder steigt, also das verfügbare Einkommen zu statt immer weiter abnimmt. Erst dann werden auch die Einzelhändler wieder Grund haben, Jubeln zu können. Doch gegenwärtig zeigt die Tendenz nach unten. Die Gefahr einer Deflation ist gerade auch im Hinblick auf die rigorose Haltung gegenüber Griechenland nicht nur ein Schreckgespenst, sondern bereits im Anmarsch. Wenn sich Deutschland und Europa mitten in der Krise zum Sparen um jeden Preis zwingen, steht am Ende die Katastrophe. Dies lehrt uns schlicht die Geschichte des kurzen aber verheerenden 20. Jahrhunderts.

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Zur wirtschaftlichen Lage

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Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich heute zur wirtschaftlichen Lage im Februar 2010 geäußert.

Quelle: BMWi

Die Erholung der deutschen Volkswirtschaft vom Wirtschaftseinbruch im Winterhalbjahr 2008/2009 hat im Jahresschlussquartal 2009 eine Pause eingelegt. Die Wirtschaft bleibt in ihrer Grundtendenz aber auf Erholungskurs. Dieser wird allerdings Anfang des Jahres noch durch überdurchschnittliche witterungsbedingte Produktionsbehinderungen überlagert.

Allein dieser Einstieg hat schon ausgereicht, um bei einigen Journalisten für ein geistiges Abschalten zu sorgen. Vorhin hörte ich bei NDR-Info den Satz, dass die deutsche Wirtschaft im Schlussquartal überraschend stabil gewesen sei. Unglaublich. Aber was will man auch erwarten, wenn das Ministerium selbst von Erholungspause spricht und erst ein paar Sätze später von Stagnation. Für den Laien klingt das dann halt wie stabile Verhältnisse. Dabei ist mit Stabilität übersetzte Stagnation aus volkswirtschaftlicher Sicht überhaupt nicht gut.

Das Ministerium täuscht die Öffentlichkeit und die Agenturen machen munter mit und verbreiten den PR-Unsinn des Weinkenners Brüderle. Bei Reuters lese ich folgenden Einstiegssatz:

Trotz des kalten Winters bleibt die Konjunkturerholung in Deutschland nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums intakt.

Es wird getrickst und manipuliert, dass es nur so kracht. Auf der anderen Seite wird eine scharfe Sozialdebatte geführt, die mir samt spätrömisch dekadentem Auslöser immer mehr wie eine bewusst gesteuerte Kampagne vorkommt. Westerwelle ist gar nicht durchgeknallt und läuft amok, weil er angesichts sinkender Umfragewerte im Trüben Stimmen fischen will. Nein. Westerwelle ist nur der nützliche Idiot, der sich bereitwillig vor den Karren hat spannen lassen, um jene Reformen zu retten, die CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne in der ganz großen Koalition beschlossen hatten.

Denn nur der harsche Ton Westerwelles lenkt davon ab, dass die in seinem Schatten auftretenden Gestalten, die inhaltlich dasselbe wie er fordern, wie moderate Stimmen erscheinen. Westerwelle zieht das Feuer auf sich und bietet dem übrigen politischen Gesindel die Möglichkeit, weitgehend unbehelligt, den bereits beschlossenen Sozialabbau weiter voranzutreiben und scheinseriös zu propagieren. Denn wovor warnt der Finanzminister Wolfgang Schäuble doch gleich? Nein, nicht vor laschen Finanzmarktregeln, die z.B. das Hinterziehen von Steuern in diesem Land so einfach macht. Nein. Schäuble und Springers Märchen-Welt warnen vor dem ausufernden Sozialstaat. Nichts ufert anscheinend mehr aus.

Deshalb und weil es mal wieder passt, Wilfried Schmicklers Schimpftirade auf Turboleister wie Guido Westerwelle, die einfach nur keinen Bock mehr hätten, die Minderleister durchzufüttern. Da würde man am liebsten zum ganz dicken Dreschflegel greifen und der selbsternannten Elite die Arroganz aus dem Leistungsschädel prügeln…

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Nun auch offiziell: Stärkster Wirtschaftseinbruch der Nachkriegszeit

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Mit -5,0 Prozent rauscht die deutsche Wirtschaft im Jahr 2009 in den Keller, so stark wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Auch das ist ein Erdbeben. Wie das statistische Bundesamt heute mitteilt, haben vor allem die dramatischen Rückgänge bei den Exporten und den Investitionen zu diesem Ergebnis geführt.

Bemerkenswert im Jahr 2009 war, dass sowohl die Exporte als auch die Ausrüstungsinvestitionen stark einbrachen. Der Außenhandel, der in früheren Jahren ein wichtiger Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft war, bremste 2009 die wirtschaftliche Entwicklung.

In Ausrüstungen wurde insgesamt um ein Fünftel weniger investiert als noch in 2008 (– 20,0%).

Als positiv bewertet das statistische Bundesamt einen statistischen Anstieg bei den Konsumausgaben.

Die einzigen positiven Impulse kamen 2009 von den Konsumausgaben: Die privaten Konsumausgaben stiegen preisbereinigt um 0,4%, die staatlichen sogar deutlich um 2,7% gegenüber dem Vorjahr.

Das könnte man wieder missverstehen und meinen, die Nachfragesituation der privaten Haushalte habe sich stabilisiert oder gar verbessert und somit die Wirtschaft gestützt. Das stimmt nur stark eingeschränkt. Wenn man weiter unten in der Langfassung der heutigen Mitteilung liest, steht da näher erläutert.

Bei einer Differenzierung der Konsumausgaben privater Haushalte im Inland nach Verwendungszwecken zeigt sich jedoch, dass lediglich für Verkehr und Nachrichtenübermittlung deutlich mehr ausgegeben wurde als im Vorjahr (+ 5,2%). Hierzu zählen auch die privaten Kraftfahrzeugkäufe, die durch die sogenannte Abwrackprämie kräftig gestiegen sind. Die Ausgaben für fast alle anderen Verwendungszwecke waren dagegen geringer als in 2008.

Was heißt das denn nun? Die Abwrackprämie hat also zur Stabilisierung des privaten Konsums beigetragen, weil der Staat den Menschen Geld „schenkte“. Warum hat der Staat dann eigentlich nur Geld für Autos „verschenkt“ und nicht auch für andere Konsumbedürfnisse? Warum hat man Konsumgutscheine von Beginn an als verrückte Idee verworfen und lieber darauf gesetzt, dass ein Gehirnwäschekartell aus Medien, Scheinwissenschaftlern, GfK und Politikern nur häufig genug von Kauflaune schwafeln müssen, damit der Eindruck entsteht, als kauften die Menschen auch mit immer weniger Geld in der Tasche trotzdem mehr?

Dann erweckt die Mitteilung den Eindruck, als hätten im Krisenjahr 2009 vor allem Unternehmens- und Vermögenseinkommen gelitten. Diese gingen im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent zurück.

Das Volkseinkommen setzt sich aus dem Arbeitnehmerentgelt und den Unternehmens- und Vermögenseinkommen zusammen. Es ist 2009 erstmals seit der Wiedervereinigung gesunken, und zwar um 4,0% auf 1 811 Milliarden Euro. Dabei sank das Arbeitnehmerentgelt nur geringfügig unter das Niveau des Vorjahres (– 0,2% auf rund 1 223 Milliarden Euro). Dagegen gingen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen 2009 deutlich um 11,0% zurück und betrugen nur noch 588 Milliarden Euro. Die Lohnquote, die den Anteil des Arbeitnehmerentgelts am Volkseinkommen misst, stieg demzufolge gegenüber dem Jahr 2008 um 2,5 Prozentpunkte auf nunmehr 67,5%.

Was die Statistiker an dieser Stelle verschweigen, ist die Tatsache, dass Unternehmens- und Vermögenseinkommen dank günstiger politischer Entscheidungen seit zwanzig Jahren um satte 36 Prozent gestiegen waren. Es wird auch nicht gesagt, dass die Unternehmens- und Vermögenseinkommen seit dem dritten Quartal 2009 wieder steigen. Dazu mehr auf Jahnkes Infoportal, siehe unten. Weiterhin wird verschwiegen, dass die Lohnquote auf einem historischen Tiefstand verharrte. Lang, lang ist’s her, da lag die nämlich mal bei über 70 Prozent (siehe u.a. NachDenkSeiten). Wenn der Anteil der Löhne am gesamten Volkseinkommen immer weiter sinkt und im Gegenzug Unternehmens- wie auch Vermögenseinkommen zulegen, dann muss man so eine Entwicklung auch ganz konkret als Umverteilung bezeichnen. An einer Gegenüberstellung auf Jahnkes Infoportal können sie sich das etwas genauer anschauen – besonders die Grafiken:

„Es waren sieben fette Jahre zwischen 2003 und 2009 für die Unternehmens- und Vermögenseinkommen, wenn man sie mit den vorangegangenen sieben Jahren 1996 bis 2002 vergleicht. Der reale Zuwachs an Einkommen im Periodenvergleich belief sich auf rund 843 Mrd Euro. Dagegen konnte das Arbeitnehmerentgelt nur um knapp 193 Mrd Euro zulegen also nur um 23 % der Unternehmens- und Vermögenseinkommen (Abb. 14855). Dabei verteilt sich das Arbeitnehmerentgelt zudem auf eine ungleich größere Anzahl von Arbeitnehmern, als die Kapitaleigner und Hauptbegünstigten der Unternehmens- und Vermögenseinkommen zählen (wenn man die kleinen Sparer mal ausklammert).

Zwar waren die Unternehmens- und Vermögenseinkommen in der Krise eingebrochen, doch schon im dritten Quartal 2009 erholten sie sich um 11,6 % gegenüber Vorquartal (nach Abzug der BIP-Inflation). Da die Zinsen auf niedrigem Niveau verharrten, kann der Zuwachs nicht aus den Sparkonten der kleinen Leute kommen, deren Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer inflationsbereinigt nur um 0,9 % zulegten (Abb. 14849).“

Und zum Ende nun die Klärung der Frage, wie Deutschland die Krise im letzten Jahr „gemeistert“ hat. Denn folgt man unserer Kanzlerin gilt ja nach wie vor der überlieferte Satz aus ihrer Neujahrsansprache:

„Aber wir können mit guten Gründen hoffen, dass Deutschland diese Krise meistern wird; dass unser Land stärker aus ihr hervorgehen wird, als es in sie hinein gegangen ist; dass sich eine solche Krise nie mehr wiederholt.“

Doch welche guten Gründe könnte man da jetzt anführen? Das statistische Bundesamt hat errechnet, dass Deutschland mit einem Staatsdefizit von 3,2 Prozent mal eben die heilige Maastricht-Grenze locker überschritten hat. Folglich muss Deutschland ein Verfahren durch die EU fürchten und sich auf eventuelle Strafzahlungen einstellen, so wie das Griechenland, dem größten Schuldensünder in der Eurozone, bereits von Seiten der EU-Kommission angedroht wurde. Deutschlands Sparpolitik der letzten Jahre, die unter dem Mantra der „Haushaltskonsolidierung“, bis zum Erbrechen (damit ist der ausgeglichene Haushalt des „Finanzgenies“ Steinbrück im Jahr 2008 gemeint) betrieben wurde, verkehrt sich nun ins Gegenteil. Die öffentlichen Haushalte laufen regelrecht aus dem Ruder, während an allen Ecken und Enden der öffentlichen Infrastruktur und der Bildung der sprichwörtliche Putz von den Wänden bröckelt, weil seit Jahren auf notwendige Investitionen verzichtet wurde. Also was zum Teufel hat die rigorose Sparerei und der mit allen Mitteln herzustellende ausgeglichene Haushalt nun gebracht?

Wenn man sich die aktuelle Tarifdebatte im öffentlichen Dienst aunschaut, werden sie vielleicht verstehen, was ich damit meine. Da wehren die Arbeitgeber die berechtigten Forderungen der Beschäftigten mit dem äußerst unredlichen Hinweis auf die Lage der öffentlichen Haushalte ab. Thomas Böhle, Präsident der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände, sagt in der Welt:

„Die Forderung der Gewerkschaften ignoriert völlig die finanziellen Rahmenbedingungen.“

Und Böhle ignoriert wohl völlig die Tatsache, dass die von den Gewerkschaften vertretenen Beschäftigten, die noch übrig sind(!), überhaupt keine Schuld an der desolaten Lage der öffentlichen Kassen tragen. Böhle setzt im Grunde nur jenen unverschämten Kurs fort, den Finanzminister Schäuble vor Weihnachten bereits eingeschlagen hatte, als er die Lohnforderungen mit Entsetzen zur Kenntnis nahm und sich mit den Worten zitieren ließ:

„Der Staat hat kein Geld!“

Heribert Prantl antwortete dann darauf sehr gut und bestimmt:

Hat der Staat wirklich kein Geld?
Er hat es gehabt, als er die Konjunkturprogramme auflegte. Er hat es auch gehabt, als die Banken gerettet wurden. Er hat es gehabt, als er die Kurzarbeit in der Industrie finanzierte. Und jüngst hat er auf viel Geld verzichtet, als er den Hoteliers eine unsinnige Senkung der Mehrwertsteuer zuschusterte. Ob der Staat ein bisschen mehr Geld für seine Angestellten hat, ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens und Sollens.

Quelle: SZ

Man kann das aber auch anders deutlich machen, wenn man sich nun ebenfalls entsetzt an die Regierungschefin Merkel richtet, die ja selten zum konkreten Ziel von konkreten journalistischen Angriffen in konkreten Sachfragen wird, und sie mit ihrer oben zitierten Aussage aus der Neujahrsansprache konfrontiert, welche Gründe denn nun dafür sprechen würden, dass Deutschland die Krise in diesem Jahr meistern wird. Ist Lohnverzicht die Meisterleistung, die Merkel meint und sie annehmen lässt, dass dadurch das Land stärker aus der Krise herauskommen werde, als es in die Krise hineingegangen ist?

Merkel will noch stärker wieder dahin, wo wir vor der Krise waren, das ist ihr Plan, meint auch Kabarettist Georg Schramm, der darauf trefflich entgegnete:

„Und wo waren wir vor der Krise? Vor der Krise!“

So sieht es aus.

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Trotzdem frohe Weihnachten

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Wenn man sich die schwarz/gelbe Regierungskoalition im Augenblick so anschaut, glaubt man gar nicht, dass morgen Ruhe und Besinnlichkeit Einzug halten sollen. Die ursprünglich als Traumehe beworbene Liaison zwischen Union und FDP scheint nie wirklich existiert zu haben. Da zankt man sich vor dem Feste, dass es nur so raucht. Und wie vorhergesagt, trauen einige den gerade verabschiedeten Steuersenkungen und ihren propagierten Wirkungen nicht mehr über den Weg. Alles quatsch meinen die Liberalen und setzen in Sachen Sparvorschläge noch einen drauf.

Statt die Sozialbeiträge anzuheben, wie aus Unionskreisen einerseits zu hören war und andererseits wieder dementiert wurde, meint Entwicklungshilfeminister und liberaler Durchblicker Dirk Niebel doch im ernst, nicht mal eine Woche nach der durch den Bundesrat beschlossenen Senkung der Mehrwertsteuer für Hoteliers, dass man ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf ihren Sinn hin überprüfen müsse. Unter dem Ausruf, der Staat habe Geld wie Heu, er gebe es nur an falscher Stelle aus, ringt der verhinderte Abwicklungsminister nicht nur um Aufmerksamkeit, sondern auch um den Preis des dümmsten Phrasendreschers 2009.

Na ja, was soll man zu den Streitereien um die Bewältigung des öffentlichen Defizits noch sagen? Inzwischen geht in der Diskussion alles durcheinander. Die alte Floskel linke Tasche, rechte Tasche trifft den Sachverhalt schon lange nicht mehr. Man muss sich das mal vorstellen. Die Regierung erwägt die Erhöhung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages, um Entlastungen auf der Steuerseite finanzieren zu können. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag Norbert Barthle meint, dass dadurch der Milliardenzuschuss für die Arbeitsagentur ab 2011 aus dem Etat des zuständigen Ministeriums wegfallen könnte und schon gäbe es wieder Handlungsspielraum für den rollenden Taschenspieler Schäuble.

Bei diesen Überlegungen spielt natürlich überhaupt keine Rolle, ob im Jahr 2011 noch genug Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und ein entsprechend hohes Bruttogehalt verdienen, um soviel in die Sozialkassen einzuzahlen, dass der Bund seinen Steuerzuschuss zurückziehen kann, den er ja jetzt nicht nur zahlt, weil die Beiträge viel zu niedrig sind, sondern vor allem auch, weil er mit dem Kurzarbeitergeld das Verdecken von Arbeitslosigkeit finanziert. Andersherum hat es auch überhaupt keine Auswirkungen, wenn einige so tun, als würde die Beschäftigungsquote einzig und allein von der Höhe der Sozialbeiträge abhängen. Das ist ja Unfug.

Die Wirtschaft lahmt ja nicht wegen zu hoher Abgaben, sondern wegen einer globalen Nachfragekrise. Ich kann daher gar nicht verstehen, worauf diese Chaostruppe in Berlin eigentlich hinaus will. Nach deren Verständnis kann Deutschland nur mit dem Exportgeschäft Wachstum erzeugen. Und dafür müsse die Wettbewerbsfähigkeit ständig verbessert werden. Unter anderem versteht man darunter eine Lohnsenkungspolitik, nichts anderes bedeutet ja die Senkung der sog. Lohnnebenkosten. Das ergibt aber nur dann einen neoliberalen Sinn, wenn eine tatsächliche Nachfrage nach deutschen Waren und Dienstleistungen im Ausland besteht oder zu erwarten ist.

Doch schaut man auf die ehemalige Lokomotive der Weltwirtschaft USA, die in der Vergangenheit so viel konsumiert hat, dass Deutschland trotz lahmender Binnenkonjunktur prächtig verdienen konnte, sieht es zappenduster aus. Mit…

Amerikanische Haushalte und Unternehmen schneiden ihre Nachfrage zurück: Die Lokomotive der Weltwirtschaft auf dem Abstellgleis

…überschreibt Joachim Jahnke einen seiner jüngsten Blogeinträge und spricht darin von einer deutlichen Verlagerung des ausgeprägten amerikanischen Konsums hin zum Sparen. Zum ersten Mal seit 60 Jahren falle die Verbraucherschuld.

„Die Kreditkartenunternehmen haben den Kredit bereits um 1,6 Billionen Dollar verkürzt. Grund sind vor allem die Ausfälle, die sich mit nahe 7 % auf dem höchsten Niveau aller Zeiten bewegen und mit wachender Arbeitslosigkeit weiter zunehmen werden.

Das alles bedeutet für uns: Die USA sind noch längst nicht aus der Krise und damit kann auch der deutsche Export keine Entlastung aus dieser Richtung erwarten.

Aber was soll man sich darüber und über die anderen Schauplätze politischen Versagens vor Weihnachten noch aufregen? Wilfried Schmickler hat das am letzten Samstag bei den Mitternachtsspitzen im WDR-Fernsehen bereits toll erledigt. In diesem Sinne. Frohes Fest und besinnliche wie auch nachdenkliche Feiertage. Auch wenn’s schwer fällt. Die Weihnachtsansprache des Bundeshorsts liegt ja noch vor uns. Also tapfer bleiben… :wave:

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Mein Beitrag zum Blog Action Day 2009

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Thema ist ja Klimawandel: www.blogactionday.org

Die globale Erwärmung wird von einem globalen Besäufnis in den Schatten gestellt. Volker Pispers zum politischen Geschehen.

Übrigens: Der Spiegel gibt der künftigen Bundesregierung Spartipps mit auf den Weg, um aus der Schuldenfalle zu kommen. Unter anderem sollten die Subventionen für die Solartechnik gekürzt werden. Da sieht man mal wieder, welche Flaschen in den Redaktionen hocken. Denn im Jahr 2008 erzielte Deutschland solare Steuereinnahmen in Höhe von drei Milliarden Euro. Der Subventionsaufwand betrug aber nur zwei Milliarden Euro. Quelle: Bundesverband Solarwirtschaft

Zu den Steuereinnahmen kommen weitere volkswirtschaftliche Effekte, die nach Einschätzung der Solarindustrie von Kritikern oft unberücksichtigt bleiben. So summiert sich nach Berechnungen des Ingenieurbüros für neue Energien der volkswirtschaftliche Nutzen durch vermiedene Importe von Gas, Kohle und Uran bis 2030 auf über 100 Milliarden Euro. Hinzu kommen in diesem Zeitraum vermiedene Klimaschadenskosten von rund 35 Milliarden Euro.

Man kann so etwas auch als Konjunkturprogramm bezeichnen, wenn der Einsatz von Steuergeld dazu führt, dass ein neuer Wirtschaftszweig sich entwickelt und im Ergebnis Steuermehreinnahmen zu Buche schlagen. Für die BWL-Absolventen in den Redaktionen und die Dummköpfe in den Parteien spielt das natürlich keine Rolle. Da zählt nur Schuldenuhr und die Frage, was kann ich kürzen. Spricht man in diesem Zusammenhang eigentlich noch von der Klimakanzlerin?

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Die Auswirkungen des Kassensturzes

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In Berlin melden die Arbeitsgruppen der künftigen Koalitionäre eine Zumutung nach der anderen. Die katastrophale Haushaltslage wirft ihre Schatten voraus. So als ob nicht schon längst klar gewesen wäre, dass es nach bisherigen Maßstäben keine Gestaltungsspielräume geben würde. Überall wird das Wahlvolk auf harte Einschnitte vorbereitet. Plötzlich und unerwartet. Man tut überrascht, so als ob die Auswirkungen der Wirtschaftskrise erst ab dem 28. September spürbar geworden seien. So auch die Neue Presse Hannover mit ihrem PR-Agenten Christoph Slangen aus dem Berliner PR-Büro Slangen & Herholz. Für die heutige Ausgabe liefert er zwei Beiträge. Ein Interview mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der in Berlin mitverhandelt und einen Kommentar mit dem bezeichnenden Titel:

„Schwarz-Gelb in der Finanzklemme“

Da wundert man sich schon einmal. Warum heißt es nicht, Schwarz-Gelb in der Glaubwürdigkeitsfalle oder Schwarz-Gelbe Wortbrüche? Nein, die völlig überraschende Finanzklemme befreit die handelnden Akteuere von jedem Schuldvorwurf.

„Durch die Wirtschaftskrise ist die Ausgangslage prekär. Auf einen schnellen, kräftigen Aufschwung kann die neue Regierung nicht bauen. Zudem ist ihre Handlungsfreiheit stark eingeschränkt. Der Weg des geringsten Widerstands, mit massiven Steuersenkungen und Ausgabenprogrammen auf Pump die Wirtschaft anzukurbeln, ist verstellt. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes verlangt ab dem Jahr 2011 striktere Haushaltsdisziplin als je zuvor. Schwarz-Gelb müsste sich nach Lage der Dinge für Steuererhöhungen und/oder drastische Einsparungen entscheiden, um den Vorgaben gerecht zu werden. Da wundert es nicht, dass die Koalitionsverhandlungen bisher so zäh verlaufen. Die Finanzfrage ist der Schlüssel für viele Bereiche. Heulen und Zähneklappern also auch diesmal? In jedem Fall werden die Entlastungen deutlich geringer ausfallen, als mancher Wahlkämpfer verkündet hatte – und Einschnitte stehen bevor. Die Qualität und Haltbarkeitsdauer des Koalitionsvertrages wird sich daran bemessen, wie engagiert die Koalition die Finanzprobleme angeht.

Unglaublich oder? Die Qualität des Koalitionsvertrages bemisst sich also nicht daran, was man vor der Wahl versprochen hat, sondern schlicht daran, wie man unter dem Diktat der Sachzwänge engagierte Haushaltspolitik betreibt. Als Müntefering einst verkündete, Politiker dürfe man nicht an den abgegebenen Wahlversprechen bemessen, hat er noch ordentlich eins auf die Mütze bekommen. Doch jetzt übernimmt die Presse genau dieses Argument, weil sie ihre Wunschkoalition nun schon verteidigen muss, bevor sie überhaupt angetreten ist. Slangen stimmt die Leser der Neuen Presse Hannover ganz im Sinne der zukünftigen Regierung ein. Mit Formulierungen wie „striktere Haushaltsdisziplin“, „Finanzfrage ist der Schlüssel“ und „Entlastungen deutlich geringer – Einschnitte stehen bevor“ bereitet Slangen die Grundlage für die kommende Kampagne zur Rechtfertigung eines harten Sparkurses und Sozialabbauprogramms.

Im Interview mit Rösler fragt Slangen noch nach dem Wahlbetrug der FDP, die mit ganz klaren Forderungen angetreten war. Die Antworten von Rösler sind erbärmlich. Doch finden sie im Slangen-Kommentar keine Berücksichtigung. Dort genießt die FDP den vollen Schutz des Autors.

Slangen: „Ihre Partei ist mit einem Steuersenkungsprogramm von 35 Milliarden Euro im Wahlkampf gestartet. FDP-Chefunterhändler Hermann Otto Solms stimmt nun auf Mini-Entlastungen ein. Bricht die FDP Wahlversprechen?“
Rösler: Nein, es war immer klar, dass die einzelnen Arbeitsgruppen nicht mit riesigen Wunschkatalogen kommen können. Es ist die originäre Aufgabe von Haushaltspolitikern, ein entsprechend deutliches Signal an alle Beteiligten zu geben. So verstehe ich Hermann Otto Solms. Gute Politik mit wenig Geld zu machen, ist unsere Herausforderung.“
Slangen: „Es bleibt bei dem Versprechen, die FDP werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, der kein einfacheres, gerechteres und niedrigeres Steuerrecht enthält?“
Rösler: „Die Zahlen zum Haushalt und zu Entlastungen werden in der Hauptgruppe der Koalitionsverhandlungen in dieser Woche vorgelegt. Dann werden wir entscheiden, ob wir einen vernünftigen Koalitionsvertrag zustande bekommen oder nicht. Ich glaube, das wird gelingen. Der Vertrag wird in allen Teilbereichen aus Sicht der FDP mehr als zufriedenstellend sein.“

Man muss sich das mal vorstellen. Der Linkspartei unterstellte man auch dann noch Unseriösität und das Blaue vom Himmel zu versprechen, als selbst Wirtschaftswissenschaftler beim Durchrechnen der Vorschläge zu dem Ergebnis kamen, das stimmt alles. Bei der FDP reicht ein einfacher Verweis auf die Haushaltslage, um über jeden Zweifel erhaben zu sein. Rösler darf sogar dreist behaupten, dass es schon immer klar gewesen sei, dass die Wunschkataloge nicht umgesetzt werden können. Auch hier erkennen sie den Spruch von Müntefering über das natürliche Recht, Wahlversprechen einfach brechen zu dürfen. Doch stört es den angeblichen Journalisten Christoph Slangen?

Als die Union im Wahlkampf auf konkrete Steuerversprechen verzichtete, kommentierte Slangen am 16. Juni 2009 das noch so.

In Zeiten der Krise erscheint ihr ein solches Wahlversprechen, an dem man sie messen könnte, wenig ratsam. Und schließlich gilt es doch auch, das Versprechen von Zukunftsinvestitionen in die Bildung zu erfüllen und die Staatsverschuldung wieder in den Griff zu bekommen. So präsentieren CDU und CSU vergleichsweise vorsichtige steuerpolitische Absichtserklärungen.“

Und die FDP hat vollmundig verprochen und kommt bei Slangen jetzt ungeschoren davon. Wenn es aus Sicht von Slangen also ratsam war, auf konkrete Wahlversprechen in der Krise zu verzichten, wieso ist ihm das Verhalten der FDP keine Kritik mehr wert? Einem wirklichen Journalisten würden diese Widersprüche in der eigenen Argumentation auffallen. Bei einem PR-Agenten gehört der Widerspruch zum Geschäft. Bei PR geht es nur darum, ein Produkt möglichst gut zu verkaufen. Nichts anderes betreiben Slangen und die Neue Presse Hannover. Sie haben Schwarz-Gelb immer gewollt und nun müssen sie das auch vermarkten, egal wie groß der Widerspruch auch sein mag.

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