Vorgetäuschte Diskussionskultur

Geschrieben von: am 02. Mai 2016 um 6:00

Natürlich verkauft die AfD Spitze den gerade zu Ende gegangenen Parteitag als großen Erfolg. Man habe sich schließlich ein Programm gegeben und könne jetzt, nachdem man drei Jahre lang in die Windeln gemacht hat, sicher laufen, so oder so ähnlich Frauke Petry in ihrem Schlusswort zum Programmparteitag in Stuttgart. Die AfD unterscheide sich damit von den politisch schwer Erziehbaren, wie den Piraten oder den Grünen.

Die Alternative für Deutschland sei nicht für eine perfekte Choreografie gegründet worden, sondern für eine kontroverse Diskussion. Nur eben die blieb auf dem Parteitag der AfD in Stuttgart größtenteils aus, was den choreografischen Vorstellungen der Parteiführung natürlich entsprach.

Antrag zur Geschäftsordnung wird gern genommen

Wer sich die Mühe gemacht hat, den Parteitag per Live-Stream im Internet auszugsweise mit zu verfolgen, musste sich schon wundern, wie und über was da stundenlang diskutiert wurde. Einmal mehr hat sich bestätigt, dass die AfD eine Partei der Zukurzgekommenen ist. Die über 1400 Änderungsanträge deuteten das im Vorfeld schon an. Bestätigung brachte der Parteitag in Stuttgart, auf dem dann auch weniger über Inhalte, als ständig über Anträge zur Geschäftsordnung gesprochen wurde. So rettete die Parteispitze ihren Leitantrag, ohne dass es die Mitglieder groß bemerkten, über die Zeit.

Bezeichnenderweise stellte ein Mitglied kurz vor Ende der Versammlung den Antrag, den Parteitag abzubrechen, da man später unter Umständen von Beschlüssen liest, die man gefasst hat, aber vielleicht gar nicht so fassen wollte. Ein anderer konterte, dass man jetzt noch schnell das gesamte Programm verabschieden sollte, um sich nicht der Lächerlichkeit preiszugeben. Danach sollte aber weiter per Rückholungsanträgen über einzelne Absätze des Programms erneut gesprochen werden dürfen. Und so stieg in der letzten halben Stunde des Parteitags mit abnehmender Zeit wiederum die Zahl der Anträge zur Geschäftsordnung.

Mit teilweiser Verwirrung wäre die Veranstaltung damit auch treffend beschrieben. Das war eine offensichtliche Strategie der Führungsriege und damit auch eine Art von Choreografie. Sie kann nun von einer basisdemokratischen Bewegung und viel Diskussionsfreude innerhalb der AfD berichten. In Wirklichkeit aber wussten die Mitglieder selten, worum es inhaltlich eigentlich gerade ging. Erst wurden minutenlang Änderungen an einem Antragstext beschlossen, um dann den Antragstext auf Antrag abzulehnen. Am Ende blieb der Leitantrag mangels Zeit ohne Alternative.

Applaus und raus

Die Vielzahl an Abstimmungen, mal per Stimmkarte, dann wieder per elektronischem Abstimmungsgerät unter anderem über Anträge zur erneuten Eröffnung einer Debatte, die zuvor mit Mehrheit für beendet erklärt worden war, lassen nur schwer einen roten Faden erkennen. Vielleicht schafft es ja der Protokollant. Widersprüche traten auch bei den wenigen inhaltlichen Diskussionen auf. Ein Physiker unter den Mitgliedern meinte, dass sich die AfD mit dem Komplex über den Klimawandel aus wissenschaftlicher Sicht einfach lächerlich mache, ein anderer Physiker antwortete ihm, er sei nur ein grüner Ökopopulist. Applaus brandete auf.

Albrecht Glaser, der für die AfD das Amt des Bundespräsidenten erobern soll, nennt in einem Redebeitrag die Erbschaftssteuer eine Neidsteuer der Sozialisten. Im übrigen seien die Reichen nur angeblich reich. Auch dafür gab es Applaus vom Auditorium, das nach eigener Überzeugung für die Interessen der kleinen Leute kämpft. Die dürfen sich übrigens auf so etwas ähnliches wie ein niedriges, einfaches und gerechtes Steuersystem freuen. Das gab es 2009 auch schon von der FDP zu hören, die dann aus Versehen, wie man heute weiß, bei über 14 Prozent gelandet ist. Näheres zum Thema erfuhr man aber nicht, da schon der nächste Antrag zur Geschäftsordnung gestellt worden war.

Was beim Wähler zieht, ist auch nicht die Steuer- oder Sozialpolitik, sondern das Thema Islam. In diesem Punkt herrschte aller größtes Interesse und doch wenig Einigkeit. So blitzte unter anderem der innerparteiliche Machtkampf auf. Die Höcke-Anhänger schafften es, unter dem Jubel der Mitglieder Verschärfungen im Leitantrag durchzusetzen, während Frauke Petry mit einem Antrag zur deutschen Orchesterlandschaft Schlimmeres zu verhindern suchte. Nachher heißt es noch, die AfD sei eine rechtsradikale Partei. Deutsch-national soll sie aber zunächst einmal sein. Das zumindest klingt aus Sicht von PR-Chefchoreografin Petry gar nicht so schlecht.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Ludwig  Mai 2, 2016

    Naja diese Änderungsantrags und Geschäftsordnungsdebatten kenne ich auch von anderen Parteien sehr gut. Aber Inhaltlich macht man der AFD natürlich nichts vor. Keine andere Partei ist momentan so heuchlerisch wie die AFD. Das einzige Thema was zieht und Wähler lockt ist der Islam und die Flüchtlinge. Alles andere wird einfach ausgeblendet. Es ist einfach nur traurig, wie naiv und egoistisch die Menschen sind.