Neues aus Absurdistan

Geschrieben von: am 14. Jun 2022 um 9:12

Die Nebenwirkungen der „nebenwirkungsfreien Impfung“ heißen jetzt Post-Vac-Syndrom. Der Medizinstatistiker Gerd Antes schreibt dazu auf Twitter: „Neues aus Absurdistan: Nach systematischer Tabuisierung von Impfnebenwirkungen der garantiert nebenwirkungsfreien Impfung jetzt Lob für die Untersuchung von Post-Vac-Symptomen“ Hintergrund ist der frei twitternde Gesundheitsminister, der sich mal wieder selbst widerspricht. Dessen Aussagen zu evaluieren, wäre sicherlich auch ein Gebot der Stunde.

Derzeit herrscht aber große Sorge in diesem Land, dass das Virus im Herbst mit voller Wucht zurückkommen könnte. Dabei war es ja nie weg. Zudem gehen die Infektionszahlen bereits jetzt im Juni schon wieder in die Höhe, was eine allgemeine Diskussion über den Umgang mit der Pandemie zur Folge hat. Das Tolle am Coronaherbst sei, dass er Deutschland sorglos durch den Sommer segeln lässt, heißt es in dem verlinkten Bericht der taz. Damit ist der Vorwurf verbunden, dass man eigentlich schon längst wieder die Notbremse hätte ziehen müssen. Nur warum? Um eine „Sommerwelle“ zu verhindern, also Infektionen zu vermeiden, die sich nicht vermeiden, allenfalls verschieben lassen? Die sommerliche Ausbreitung des Virus ist doch eine gute Nachricht für den Herbst. Denn das Voranschreiten der Durchseuchung verbreitert die Immunität in der Population. Mit Blick auf die kältere Jahreszeit nimmt der Schutz damit zu nicht ab.

Doch die simple Logik der Epidemiologie bleibt weiterhin außer Kraft gesetzt. Es gibt immer noch die Vorstellung, das Infektionsgeschehen bei einem Wiederaufleben unbedingt kontrollieren zu müssen, obwohl der Übergang zur Endemie längst begonnen hat. Nur sind alle Mittel zur Bekämpfung der Pandemie längst ausgeschöpft. Die Impfung wirkt wie sie wirkt und wirkt nicht besser, indem man die Anzahl der Spritzen beliebig erhöht. Ein Schutz vor Infektion bietet die Impfung ohnehin nicht. Kontaktbeschränkungen vermeiden Infektionen, die dann aber später nachgeholt werden und, wie Expertenrat und Gesundheitsminister ebenfalls festgestellt haben, dann auch aufgrund mangelnder Immunität in der Bevölkerung, weil es eben die Kontaktbeschränkungen gab, zu noch mehr Problemen führen können. Die Sorge um stärkere Grippe- und RSV-Wellen belegen das, zeigen aber auch, dass nicht Impf-, sondern Immunitätslücken thematisiert werden müssen.

Mit einem Wissen um die Immunitätslücke ließe sich die Impfkampagne gezielter und ressourcensparender steuern, weil die vulnerable Gruppe in den höheren Alterskohorten genau adressierbar wäre. Umgekehrt hat es keinen Sinn, alle ab 5 Jahren auf Biegen und Brechen impfen zu wollen. Das bedeutet nämlich, dass die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auch künftig vom Gehorsam und nicht von medizinischen Gründen abhängig sein müsste, was die Kosten weiter unnötig erhöht und gesellschaftliche Konflikte verschärft. Dabei ist der Witz an der Impfung ja der, dass Geimpfte und Impfgegner wohl nie vollständig geimpft sein werden, was auch vollkommen belanglos ist, da es inzwischen nur noch auf die Genesenen ankommt. Wie oben bereits angedeutet, ist das Coronavirus inzwischen so harmlos geworden, dass man mit ihm keine Überlastung des Gesundheitssystem mehr herbeimodellieren kann. Andere Atemwegsinfektionen wie Grippe oder RSV werden daher in das Bedrohungsszenario einbezogen. Die gelten wiederum gerade wegen der Corona-Kontaktbeschränkungen, also der Maßnahmen, die aktuell kritisch überprüft werden, als gefährlich.

Die Evaluation der Maßnahmen wird aber bereits im Vorfeld diskreditiert und das Wiederaufleben des Infektionsgeschehens dafür genutzt, um erneut Stimmung zu machen und den Druck auf die Politik zu erhöhen. Man müsse jetzt Entscheidungen für den Herbst herbeiführen, heißt es. Das zeigt, dass keinerlei Interesse an mehr Informationen zum Verständnis der Pandemie besteht, da es letztlich um rein ideologische Entscheidungen geht. Vielleicht werden aber auch die notwendigen Daten einfach nicht erhoben, weil sie die bisherige Pandemiepolitik fundamental infrage stellen würden. In diesem Fall müsste es aus Gründen der politischen Hygiene dann auch Konsequenzen geben. Daran besteht ebenfalls kein Interesse. So bleibt es dabei, dass die Maßnahmen immer richtig und angemessen waren und Berichte, die das Gegenteil nahelegen, schon vor Veröffentlichung mit journalistischer Hilfe abgewertet werden, auch wenn man überhaupt nicht weiß oder wissen will, welchen Effekt einzelne Maßnahmen tatsächlich hatten.

„Nur weil es keine Evidenz gibt, heißt es nicht, dass Maßnahmen nicht wirken, mitunter fehlen eben nur die Daten, die die Wirkung belegen“, schrieb die SZ-Autorin Christina Berndt kürzlich. Das löste mit Blick auf den ersten Teil ihrer Aussage einen Shitstorm aus. Der zweite Teil beschreibt aber das eigentliche Problem. Warum gibt es diese Daten immer noch nicht, obwohl Obergerichte sie im Verlauf der zwei Pandemiejahre bei ihren Entscheidungen immer wieder angemahnt haben? Auf der anderen Seite ist das Ziel, Infektionen zu vermeiden, wie dargestellt, inzwischen sehr fragwürdig. Nehmen wir einmal an, dass das Tragen von FFP2-Masken in Innenräumen oder dem ÖPNV tatsächlich etwas ist, das Infektionen vermeidet. Warum sollte das jetzt im Sommer aber immer noch notwendig sein, wenn a) das Gesundheitswesen gar nicht überlastet ist, b) eine Impfung zur Verfügung steht, c) antivirale Mittel zur Behandlung von Erkrankten vorhanden sind und d) die Infektion nicht vermieden, sondern nur verschoben werden kann?

Es besteht mittlerweile unter allen halbwegs kompetenten Fachleuten die Einigkeit, dass sich jeder über kurz oder lang (mehrmals) mit dem Virus infizieren wird. Damit wird auf natürliche Weise die Immunität der Population ständig erneuert und verbessert, was zum Ende der Pandemie beiträgt. Eine vollständige Impfung der Bevölkerung kann das gerade nicht erreichen, wie man nun an Portugal sieht. Dort hat man auch erkannt, dass Maßnahmen in der jetzigen Situation vollkommen unnötig sind, weil sie die Pandemie eben nicht beenden, sondern allenfalls verlängern würden. Die laufende Durchseuchung ist daher kein Übel, sondern eine zwingende Notwendigkeit. Der Schutz der vulnerablen Gruppen kann indes nur gelingen, wenn mehr über deren Immunität bekannt ist. Für sie ist die Abwägung mit möglichen Impfnebenwirkungen auch gänzlich anders zu sehen, als das bei Schülern der Fall ist. Letztere brauchen keine Impfung, weil sie ihnen schlichtweg keinen nennenswerten Nutzen bietet, außer eben vor den Folgen von Maßnahmen geschützt zu sein. Das eine Impfkommission so etwas Abseitiges wie Impfen gegen den Staat noch formulieren muss, ist nach wie vor ein großer Skandal.


Bildnachweis: Übertragung der Bundespressekonferenz vom 8. Juni 2022.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jens Stieckenroth  Juni 14, 2022

    Herzlichen Dank für die tragikomische Darstellung des Status quo!
    Hier nur eine kleine Ergänzung bezüglich der Evaluierung der Aussagen von Herrn Lauterbach:
    https://www.thomaskubo.de/apokarlypse.html

  2. StefanFriedrich  Juni 14, 2022

    Hallo zusammen
    Frage: Wie lange will man vulnerable Menschen eigentlich impfen? Bis sie 100 Jahre sind ?
    Was soll das ? Ich wohne neben einem Pflegeheim der Caritas . Das möchte niemand so haben . X-mal geimpft dahinsiechen… Das Leben ist nun mal ein Risiko . Und Altwerden nichts für Feiglinge . Waren vulenerable Menschen eigentlich in den Feldversuchen der Pfizer , Moderna u. Co.?
    Ich glaube nicht .
    MfG Stefan Friedrich

    • André Tautenhahn  Juni 14, 2022

      Wenn es einen Impfstoff gebe, der ähnlich wirkt, wie die Grippeimpfung, wäre eine saisonale Impfung in den vulnerablen Gruppen immer zu empfehlen. Nur scheint die Anpassung der mRNA-Impfstoffe doch nicht so schnell zu gehen, wie anfänglich behauptet. Das mag wohl auch an den wirtschaftlichen Interessen der Hersteller liegen, die mit den bestehenden Präparaten ganz gut verdienen. Die Hoffnung ist aber, dass sich das neue Coronavirus zu den bereits vorhandenen Erregern aus der Familie dazugesellt und Infektionen auch in den vulnerablen Gruppen immer weniger ein Problem darstellen, wobei das ja auch Augenwischerei ist. Infekte können nun einmal im hohen Alter bedrohlich sein. Das gilt nicht nur für Corona.

      • StefanFriedrich  Juni 16, 2022

        Hallo Herr Tautenhahn
        Glauben Sie wirklich , daß die Grippeimpfung hilft ?
        Zumindest wird es uns gefühlte 100 Jahre so eingeredet . Im Grunde ist dieser Impfsoff nur eine Anpassung an das Virus des letzten Jahres. Ich würde gerne wissen , wieviel mal so ein Virus innerhalb eines Jahres so mutiert . Denken Sie bitte nicht , ich sei ein Impfgegner . Aufgewachsen bin ich im Osten der Republik . Da wurde früher nicht gefragt .Da wurde man in der Schule durchgeimpft . Finde ich heute , mit Abstand , so in Ordnung . Aber jetzt ist Gesundheit und Pflege ein Geschäftsmodell
        Wer glaubt das diese Art Impfung hilft , glaubt auch das ein Zitronenfalter Zitronen faltet .
        Das Virus ist nicht mehr so agressiv. Deshalb , meine persönl. Meinung , weniger schwere Verläufe , weniger Tote .
        MfG Stefan Friedrich

        • André Tautenhahn  Juni 16, 2022

          Moin,

          die Grippeimpfung hilft natürlich. Das Problem ist, wie Sie ganz treffend beschreiben, die richtigen Stämme zu treffen. Man weiß ja nicht, welcher Typ im Herbst dominiert. Daher enthalten die Grippe-Impfstoffe in der Regel zwei Stämme des Typ-A und zwei Stämme des Typ-B. Die Zusammensetzung der Grippeimpfstoffe erfolgt immer im Rückblick auf die vorangegangene Saison. Das fiel wohl diesmal schwerer, da die Grippe irgendwie kaum zu finden war. Die Corona-Impfung hilft auch und wie es aussieht, wirken die auf Omikron angepassten Impfstoffe nicht besser, als der schon vorhandene Wuhan-Impfstoff. Insgesamt hat die Wirkung der Impfung aber deutlich nachgelassen, gleichzeitig hat sich auch das Virus in eine weniger gefährliche Variante weiterentwickelt. Daran ändern nun auch die BA.4 und BA.5-Subtypen nichts. Hinzukommt, dass sich die Bevölkerungsimmunität verändert hat. Es gibt praktisch kaum noch jemanden, außer den Neugeborenen, die noch keinen Antigenkontakt hatten, sei es nun durch Impfung oder Infektion. Schon allein deshalb ist die Hysterie um wieder steigende Fallzahlen vollkommen absurd.

  3. Dieter  Juni 15, 2022

    Was verstehen Sie unter einer Maske ?
    Die FDP wollte eine FFP2 Maskenpflicht fordern.
    Ich wies sie darauf hin, das FFP2 Masken für Bartträger wie den FDP Chef und seinen Vize nicht geeignet sind ( Quelle DGUV ).

    FFP2 Masken dürfen laut DGUV 75 Minuten am Stück und maximal 4 h am Tag genutzt werden.
    Wie laufen denn die Bahnfahrten und Flüge, unter Einhaltung der DGUV Richtlinien, mit FFP2 Masken ab ?

    Maken mit höherem Schutz als FFP2 und einer zugelassenen Tragezeit von 8 h am Stück gibt es.
    Ich machte das Bundeskanzleramt darauf aufmerksam.
    Professor Lauterbach und weitere Bundestagsabgeordnete machten davon Gebrauch !

    Ist übrigens auch deutlich konfortabler, kann 30 x gewaschen und bis 180 Tage getragen werden.
    Am Ende des tages damit auch viel preistwerter.
    Qualität hat seinen Preis, der in diesem fall niedriger und viel sicherer ist !