Immer noch im "Kaufrausch"

Geschrieben von: am 27. Dez 2008 um 1:27

Hallo liebe Leser, ich melde mich zurück aus der Weihnachtspause. Ich musste erstmal die Früchte des zurückliegenden „Kaufrausches“ verdauen. :>>

Nun habe ich gedacht, das Thema endlich abschließen zu können, da titelt die Neue Presse heute und viele andere Medien munter weiter „Kaufrausch auch nach dem Fest“. 8|

Ich bin beeindruckt. Denn offensichtlich wissen diejenigen Redakteure, die sich nicht im Urlaub befinden, sehr genau, was am heutigen Samstag, zum Teil auch am verkaufsoffenen Sonntag und nächste Woche in den Geschäften los sein wird. Ich will die euphorische Stimmung ja nicht trüben. Es könnte doch aber auch sein, dass wie in den Jahren zuvor, viele Menschen einfach enttäuscht darüber waren, was unterm Weihnachtsbaum gelandet ist und nun abermals die Kaufhäuser stürmen, um im schnellen Umtauschverfahren doch noch das passende Produkt zu ergattern. Könnte ja sein. Nur lesen tut man darüber natürlich nix.

Denn es ist Krise und da brauchts einen „Kaufrausch“. Der ist immer noch angesagt. Da beißt die blinde Radktionsmaus keinen Faden ab. Allerdings sind einem diese wirren Kampagnen, in denen zwar vom ungehemmten Geldausgeben fantasiert und gleichzeitig die Idee von Konsumgutscheinen als in sich verpuffende Maßnahme gegeißelt wird, dann doch ein bissel unheimlich und man legt Erstaunliches nach.

Auf Seite 2 der heutigen NP-Ausgabe bettelt Dirk Busche in seinem Kommentar förmlich darum, dass die Menschen konsumieren sollen, statt zu sparen. Titel seines Kommentars:

„Leute, bitte spart euch das Sparen“

Passt irgendwie nicht mehr zu den großen Lettern der ersten Seite. Sollte hier etwa schon vorauseilende Ernüchterung eintreten. Nein. Denn wer hier mitliest, weiß, dass Dirk Busche vor kurzem noch als Speerspitze gegen die Horror meldenden Wirtschaftsinstitute auftreten durfte. Siehe hier.

Die Doppelstrategie ist somit klar.

Erstens gibt es einen „Kaufrausch“, trotz der Tatsache, dass das statistische Bundesamt für den Zeitraum von Januar bis Oktober 2008 einen Rückgang des privaten Konsums um bereits 0,4 Prozent ermittelt hat. Der Sachverständigenrat, der im Herbst 2007 noch prognostiziert hatte, dass der private Konsum in 2008 um 1,9 Prozent wachsen werde, hat sich auch nach unten korrigiert und geht mittlerweile von einem Minus von 0,3 Prozent aus.

Zweitens sind die Schuldigen für schlechte Konsumdaten schon ausgemacht. Es sind die Institute, die mit ihren Horrormeldungen die Leute verunsicherten. Damit sind die Neue Presse und viele andere Mietmäuler fein raus. Sie müssen nicht weiter erklären, dass der private Konsum eine ewige Schwäche unserer Volkswirtschaft ist.

Sie können dann auch weiterhin den inneren Zusammenhang zwischen Lohnentwicklung, Arbeitmarktentwicklung und Kaufkraftentwicklung zerreißen. Es geschieht ja bereits in der Debatte um das zweite Konjunkturpaket. Da erhalten eben wieder jene Schwachköpfe das Wort, die jahrelang Lohnmoderation für das Herzstück der Wirtschaftspolitik hielten, um mit dem überstarken Exportmotor protzen zu können. Statt höhere Löhne und sichere Jobs, fordern sie wieder einseitig Flexibilisierung, Senkung der Steuern (natürlich nicht Konsumsteuern) und Sozialabgaben für mehr Netto vom Brutto.

Keiner zieht Bilanz. Schon in den letzten Jahren, als Deutschland Exportdauerweltmeister wurde, lag der private Konsum am Boden. Wie sollen also in der Krise die alten Rezepte helfen? Eigentlich müsste endlich mal ins Bewusstsein treten, was Heiner Flassbeck treffend schreibt.

Die Empfehlungen der letzten zehn Jahre, sich bei den Lohnsteigerungen zurückzuhalten, waren somit nicht nur mittelfristig wirkungslos, sondern eindeutig schädlich.

Quelle: Süddeutsche

Die ach so gefeierten hohen Lohnabschlüsse des Jahres verpuffen doch in der Rezession. In der Metallbranche zum Beispiel hängen die Lohnsteigerungen explizit davon ab, ob in 2009 die Geschäfte gut laufen. So wurde es vereinbart. Nichts davon liest man aber in den „kaufberauschten“ Medien. Die Lohnpolitik ist eine Katastrophe, gerade weil der Weg in die Zersplitterung der Tariflandschaft beschritten wurde und der Wettbewerb nun darin besteht, durch Lohndrückerei besonders kostengünstig zu sein.

Wer also glaubt, dass das alljährlich statt findende und in diesem Jahr zum „Kaufrausch“ hoch geschriebene Weihnachtsgeschäft nun ein Beweis dafür ist, dass die Menschen von der Krise unberührt seien, ihr gar trotzen, ist blind für die Wirklichkeit. So blind, wie unser Bundespräsident zum Beispiel, der im letzten Jahr zu Weihnachten noch davon faselte, dass die gute wirtschaftliche Entwicklung bei den Menschen ankomme und nun seinen Landsleuten Mut zusprechen muss, aber immer noch glaubt, Deutschland stünde dank der Reformen gut da.

Bei so einem Quark wird einem ja ganz Übel, dabei steht uns die Neujahrsansprache der Kanzlerin noch bevor…

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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