Die angeblich offene Koalitionsaussage

Geschrieben von: am 09. Mrz 2017 um 7:00

Nach der Bekanntgabe des SPD-Kanzlerkandidaten wird immer wieder behauptet, dass ein rot-rot-grünes Bündnis (#R2G) nach der Bundestagswahl nicht mehr ausgeschlossen sei. Aktuell lässt eine Forsa-Umfrage so ein Bündnis auch wieder rechnerisch als möglich erscheinen. Beleg für die #R2G-Annahme ist ein Zitat von Martin Schulz, das er fortwährend wiederholt.

„Wir wollen das Land führen und den Kanzler stellen, in welcher Konstellation auch immer.“

Das sei ein großer Unterschied zum Wahlkampf 2013, als sich Peer Steinbrück und die SPD mehr oder weniger auf Rot-Grün festlegten. In der Sprache stimmt das sicherlich, doch die Äußerungen von Spitzenpolitikern heute legen eindeutig nahe, dass solch ein Bündnis immer noch nicht gewollt und damit de facto doch wieder ausgeschlossen wird.

Sozialdemokraten und Grüne haben zuletzt die Spitzenkandidatin der Linken scharf angriffen und ihr AfD Nähe unterstellt. Diese Attacken verfolgen ja nicht das Ziel, ein neues Bündnis vorzubereiten, sondern es ganz offensichtlich bereits im Vorfeld zu torpedieren. Eleganter Weise schiebt man die Schuld dabei der Attackierten zu. Die Angriffe könnten aber auch dazu dienen, jene Kräfte innerhalb der Linken zu stärken, die einen neoliberalen Kurs für ein wenig Regierungsverantwortung (politische Anerkennung) gern mittragen würden und sich von der neuen Sprachregelung „in welcher Konstellation auch immer“ bereitwillig einlullen lassen.

An einem echten Politikwechsel scheinen allerdings weder SPD noch Grüne interessiert. Das belegen wiederum jüngste Aussagen zur Agenda 2010, die im Kern von SPD und Grünen immer noch als vollkommen richtig und notwendig erachtet wird. Dabei war die Entscheidung, die Arbeitslosigkeit als Folge von Individualversagen zu betrachten, um Niedriglohnsektor und Hartz-IV-System durchsetzen zu können, ein folgenschwerer Fehler, der nicht nur zur Beerdigung von sozialer Gerechtigkeit und einer zunehmenden Spaltung in arm und reich führte, sondern letztlich auch die Tore für noch rechtere politische Bewegungen öffnete, die man heute in kummervollem Ton beklagt.

Richtig ist, dass die Anhänger von Rot-Rot-Grün in der SPD überzeugt sind, dass die jüngsten Zugewinne der Partei nicht nur mit Schulz, sondern auch mit der Offenheit in der Koalitionsfrage zusammenhängen. Ziemlich sicher ist das sogar der Fall. Die angeblich offene Koalitionsfrage ist aber leider wieder nur eine üble Täuschung der Wahlkampfstrategen. Spätestens dann, wenn tatsächlich ein Mitte-Links-Bündnis rechnerisch möglich sein sollte, wird ziemlich schnell das Gerücht von der Regierungsunfähigkeit oder noch besser der Regierungsunwilligkeit der Linken die Runde machen. In NRW, wo am 14. Mai gewählt wird, ist das übrigens schon so. Da wird wie bisher ganz offen eine Zusammenarbeit ausgeschlossen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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