Unfaire Handelsvorteile: Merkels alternative Fakten

Geschrieben von: am 01. Feb 2017 um 7:00

Die neue US-Regierung wirft der Bundesregierung vor, sich über einen dauerhaft niedrigen Eurokurs unfaire Handelsvorteile verschafft zu haben. Kanzlerin Merkel weist das mehr oder weniger empört zurück. Sie betonte die Unabhängigkeit der EZB und verwies darüber hinaus auf die Existenz fairer Wettbewerbsbedingungen. Ein interessanter Vorgang, der die Frage aufwirft, wer hier noch alternative Fakten zu vermitteln versucht.

Zunächst einmal liegt Trumps Chef-Wirtschaftsberater Peter Navarro mit seiner Analyse gar nicht so verkehrt. Der niedrige Eurokurs nutzt der deutschen Exportwirtschaft. Er trägt dazu bei, dass Deutschland im abgelaufenen Jahr mit rund 270 Mrd. Euro schon wieder einen riesigen Leistungsbilanzüberschuss erzielen wird. Das entspricht knapp 9 Prozent der Wirtschaftsleistung, was übrigens ein Verstoß gegen die Stabilitätsregeln der EU ist und im letzten Jahr durchaus zu etwas lauterer Kritik führte.

Kritik ist nicht neu

Das ist aber schon wieder vergessen. Inzwischen ist in Amerika ein Präsident im Amt, der alternative Fakten lieber mag als die Wahrheit. Dessen Berater können also gar nicht richtig liegen, was die deutschen Merkantilisten wiederum nur darin bestärkt, ihre alternativen Fakten weiter zu vertreten. Die Kritik aus den USA ist aber überhaupt nicht neu, sondern wurde auch schon unter den Vorgänger-Regierungen immer wieder formuliert. Vornehmlich im G20-Format.

Der Kritik haben sich IWF und EU-Kommission längst angeschlossen. Deutschland tue nichts zum Abbau schädlicher Ungleichgewichte, so der Vorwurf. Davon bekam man hierzulande nur nicht allzu viel mit, da Fachredakteure in den Medien wie auch der deutsche Finanzminister nur wenig von Volkswirtschaft verstehen. In der Eurozone drückt die EZB mit ihrer massiven Intervention (Anleihekäufe) den Eurokurs nach unten. Ohne das Programm läge der Kurs wegen der Exportstärke Deutschlands höher.

Funfact in der Mitte

Lustig ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass EZB-Chef Draghi für diese Geldpolitik gerade aus Deutschland immer wieder kritisiert und angefeindet wird, weil niedrige Zinsen nun einmal schlecht für die deutschen Sparbücher sind. Nur ist die Niedrigzinspolitik, die einen schwachen Euro zur Folge hat, Ergebnis des Kürzungsdiktates, das Merkel und Schäuble über ganz Europa verhängt haben und von dem sie auf der anderen Seite auch noch in Form von Schwarzen Haushaltsnullen profitieren. So unabhängig wie Merkel tut, ist die EZB also nicht.

Überflüssiger Geschichtsunterricht

Aber die Geschichte geht noch weiter. Eine Währungsunion funktioniert nur, wenn die Mitgliedsstaaten die Lohnentwicklung im eigenen Land im Blick behalten und diese an die Produktivitätsfortschritte der eigenen Wirtschaft koppeln. Bleibt die Lohnentwicklung hingegen zurück, kommt das einer realen Abwertung gleich. Und genau das hat Deutschland über eine Dekade hinweg betrieben, was den ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil und sagenhafte Exportüberschüsse begründete. Frankreich, das das Inflationsziel von 1,9 Prozent vorbildlich einhielt, verlor hingegen Wettbewerbsanteile an seinen Nachbarn.

Den Geschichtsunterricht braucht es aber eigentlich nicht, um zu verstehen, dass Deutschland kein fairer Mitspieler ist. Da reicht ein Blick auf Merkels Flüchtlingspolitik und ihren misslungenen Versuch eine europäische Einigung in der Verteilungsfrage zu erzielen. Mangelnde Solidarität ist eben die Folge von mangelnder Solidarität. Man darf ja nicht glauben, dass die Menschen in anderen Ländern, von denen einige hierzulande annehmen, sie lägen den ganzen Tag nur faul in der Sonne herum, ökonomische Analphabeten sind.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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