Wahlnachlese

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Eine schöne Analyse der drei Landtagswahlen finden sie wie immer auf den NachDenkSeiten. Wolfgang Lieb begründet anhand der Ergebnisse einmal mehr die These, dass eine höhere Wahlbeteiligung nur dann erreicht werden kann, wenn auch politische Alternativen im Vorfeld angeboten werden.

„Die unterschiedlichen Wahlbeteiligungen sind ein Beleg für die These, dass die Wählerinnen und Wähler sich überall dort, wo sie eine realistische Chance für einen Politikwechsel sehen, mobilisieren lassen und vermehrt zur Wahlurne gehen.“

In Sachsen zum Beispiel gab es diese Alternative nicht. Die SPD dort ruhte sich auf der bisherigen Regierungsbeteiligung aus und fuhr eine Kampagne gegen schwarz-gelb. Selbst bot man aber nichts an, wie im übrigen auch die Bundes-SPD, die einen ähnlichen Wahlkampf betreibt, wie die SPD in Sachsen. Die Wahlbeteiligung sank demnach auch um sieben Prozent auf einen historischen Tiefstand von 52,2 Prozent.

Infolge dessen ist es auch nicht verwunderlich wenn die NPD abermals flächendeckend über die Fünf-Prozent-Hürde kommt. Denn je weniger Menschen zur Wahl gehen, desto höher schlägt sich der Stimmenanteil für die NPD im Endergebnis nieder. Auch darüber sollte die Wahlkampfführung der SPD in Sachsen einmal nachdenken. Schwarz-gelb nicht verhindert und der NPD zum Wiedereinzug verholfen – tolle Bilanz. An Sachsen kann man auch sehr schön sehen, wie es für Herrn Matschie in Thüringen enden kann, wenn er die Wähler nun betrügen sollte und Althaus zum Ministerpräsidenten wählt. In den Medien wird die Große Koalition für Thüringen bereits unter dem Stichwort „Ypsilanti-Falle“ ins Spiel gebracht.

Gestern habe ich ja schon den absurden Auftritt von Matschie zu beschreiben versucht, als ihm die Frage nach einem rot-roten Bündnis wieder und wieder gestellt wurde. Matschie betonte jedesmal, dass er das macht, was er vor der Wahl gesagt hat. Er will seine Inhalte umsetzen, die deckungsgleich zu jenen von Linkspartei und Grünen sind, aber keinen Ministerpräsidenten aus der Linkspartei wählen. So eine strategisch bornierte Haltung kapiert kein Mensch. Dennoch erklären Politikwissenschaftler wie Peter Lösche diese beknackte Ausgangslage so:

„Es kommt sehr auf die Koalitionsfindung in Thüringen an: Dort darf die SPD nicht in die Ypsilanti-Falle hineinlaufen. Eine Zusammenarbeit mit der Linken, ohne den Ministerpräsidenten zu stellen, hat die SPD dort ausgeschlossen. Ein Wortbruch wie in Hessen wäre schädlich für Frank-Walter Steinmeier.

Schon wieder das Wortbruch-Gerede. Anstatt zu fragen, warum die SPD sich überhaupt solche Fußfesseln anlegen muss, wenn man gleichzeitig eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht mehr ausschließt, konstruiert der Wissenschaftler nun wieder eine Tugend aus dem bloßen Einhalten eines Versprechens, das in der Konsequenz die Umsetzung der inhaltlichen Ziele von SPD und Grünen gefährdet. Und damit auch die Option einer politischen Alternative. Laut Lösche würde ein absehbarer Verlust an Glaubwürdigkeit allein aus der Tatsache des Wortbruches entstehen, nicht aber daraus, dass die SPD wie auch die Grünen abermals ein Zustandekommen einer politischen Alternative verhindern, weil personelle Fragen wichtiger sind als inhaltliche.

Wolfgang Lieb ordnet übrigens die gestrigen Jubelschreie im Willy Brand Haus ähnlich ein wie ich:

„Die Beschönigung von Wahlergebnissen durch Müntefering und Steinmeier ist man seit der endlosen Kette von Wahlniederlagen inzwischen gewöhnt, der Jubel in der SPD-Parteizentrale über den gestrigen Wahlausgang kann angesichts der Fakten nur noch aus Wahnvorstellungen gespeist sein. Man feiert die Verluste der Union so, als habe man davon profitiert, und man verdrängt offenbar, dass man selbst nicht aus dem Tief herauskommt.

Offenbar ist das einzige Wahlziel der SPD nur noch die Verhinderung von Schwarz-Gelb. „Schwarz-Gelb ist in Deutschland nicht gewollt“ posaunt Steinmeier hinaus und will daraus Honig saugen. Er unterschlägt dabei allerdings, dass eine Große Koalition aus CDU und SPD nach allen Umfragen noch viel weniger gewollt ist.“

So steht dann auch abschließend zu befürchten, dass die Bundes-SPD aus ihren wahnhaften Zustand nicht mehr erwachen wird. Die Bundestagswahl wird unter dem Eindruck der Alternativlosigkeit stattfinden. Denn jeder Mensch bei klarem Verstand weiß, dass die SPD ohne die linke Option nur die Große Koalition erreichen kann und das auch so will. Steinmeier spielt auf Platz, weil er die Linke auf Bundesebene nicht für koalitionsfähig hält. Unter anderem begründet die SPD-Führung das ja mit dem Nein der Linken zu Kriegseinsätzen und der Ablehnung des EU-Reformvertrags.

Wenn ihnen, liebe Leserinnen und Leser ein SPD-Wahlkämpfer mit dieser Begründung kommt, fragen sie ihn doch mal, was die Ablehnung von Kriegseinsätzen und des EU-Reformvertrages beispielsweise mit der Durchsetzung des Mindestlohnes zu tun hat. Den will die SPD doch unbedingt haben. Dafür bräuchte es aber keinen Koalitionsvertrag mit der Linkspartei, sondern einfach nur die Zustimmung der aktuellen Parlamentsmehrheit in den verbleibenden vier Wochen der Legislaturperiode. Mit der CDU wird es keinen Mindestlohn geben, sondern wie die SPD richtig auf ihren Wahlplakaten schreibt – Dumpinglöhne würden CDU wählen.

Warum, also zum Teufel, verabschiedet man keinen Mindestlohn im Bundestag? Es kann der SPD doch nun egal sein, ob sie Koalitionsbruch begeht und ein Gesetz beschließen, dass rund 70 Prozent der Bevölkerung wollen. Eine solche günstige Mehrheit für ihr Programm kriegen sie doch nie wieder…

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Nachtrag Wahlen: Keine klaren Verhältnisse?

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Wer die aktuelle Nachberichterstattung verfolgt, wird zugetextet mit Begriffen wie Lagerwahlkampf, Farbenspiele und der Floskel „Keine klaren Verhältnisse“. An dieser Scheinfeststellung können sie sehr gut die Absicht, die öffentlichen Meinung manipulieren zu wollen, nachvollziehen. Der warnende Ausdruck, dass man sich wohl an „keine klaren Verhältnisse“ gewöhnen müsse, entspringt ja nicht aus dem Wortschatz kritisch beobachtender Journalisten, sondern aus dem Wahlkampfvokabular der so genannten „bürgerlichen Parteien“. CDU und FDP behaupten ja immer wieder, dass nur schwarz-gelbe Mehrheiten stabile Verhältnisse bedeuten. Alles andere sei eben nicht klar. Es ist beschämend, wie die Medienberichterstattung diese PR-Begriffe kritiklos übernimmt und verbreitet.

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SPD und Grüne jubeln darüber, etwas verhindert zu haben

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Nur was haben sie jetzt davon? Diese Landtagswahlen am heutigen Sonntag sind interessant und absurd zugleich. Interessant deshalb, weil tatsächlich, trotz anhaltender Medienkampagnen, auch weiterhin linke Mehrheiten möglich sind und absurd deshalb, weil man diese Mehrheiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht nutzen wird. Nehmen sie das Beispiel Thüringen. Dort macht gerade Herr Matschie von der SPD seinem Namen alle Ehre. Er redet von der Verhinderung von schwarz-gelb und freut sich, wie im Übrigen alle anderen SPDler in Berlin und im Saarland auch sowie die beteiligten Grünen. Diese Jubelschreie sind schlichtweg absurd, denn SPD wie auch Grüne sind nach wie vor nicht in der Lage, eine alternative Mehrheit zu schwarz-gelb auch zu realisieren. Also ist das, was man glaubt, verhindert zu haben, unnötiges substanzloses PR-Geschnatter.

Das können sie nirgends so schön sehen wie am heutigen Tage in Thüringen. Herr Matschie behauptet wie ein programmierter Roboter, in einer komfortablen Lage zu sein, weil an der SPD in Thüringen keiner mehr vorbeikäme. Dabei kann man ihn mit seinen 18 Prozent wirklich nur bedauern. Das politische Dilemma der SPD, in das sie sich selbst hinein manövriert hat, bricht immer deutlicher zu Tage und ist an Absurdität kaum noch zu überbieten. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum die im Willy Brandt Haus dem Steinmeier und dem Müntefering so zujubeln. Kennen die ihre Zahlen nicht?!

24,5 Prozent im Saarland, 18,6 18,5 Prozent in Thüringen und 10,1 10,4 Prozent in Sachsen

Die SPD ist doch keine Volkspartei mehr. In Sachsen könnte die FDP sogar noch vor der SPD landen. In Sachsen wäre die FDP fast noch vor der SPD durchs Ziel marschiert. Da kann man doch dem Steinmeier und dem Münte nicht zujubeln, wenn die Freude strahlend rufen, sie hätten schwarz-gelb verhindert oder schwarz-gelb sei in Deutschland nicht gewollt? Wer will denn die SPD? Mit dieser Frage sollte man die ferngesteuerten Steinmeier und Müntefering davon jagen und den Steinbrück natürlich nicht vergessen, gleichwohl sollte man sie dazu zwingen, sich bei Kurt Beck zu entschuldigen, dem sie vorwarfen, die SPD an den Abgrund getrieben zu haben.

Kein Mensch kann z.B. die SPD-Haltung in Thüringen verstehen. Gregor Gysi brachte die Situation mal wieder treffend auf den Punkt. Wenn Herr Matschie, der ja so gern seine Inhalte umsetzen und einen Politikwechsel vollziehen möchte, den linken Spitzenkandidaten Ramelow nicht mitwählt, der mit knapp 28 Prozent deutlich mehr Stimmen holt als Matschie selbst, bleibt ihm doch nur der Gang zu Dieter Althaus und damit der politische Tod der SPD. Andersherum würde es im Saarland ja auch nicht toleriert, wenn Oskar Lafontaine nur in eine Koalition mit der SPD einträte, wenn er als unterlegener Partner zum Ministerpräsidenten gewählt würde.

Eigentlich vertändlich. Nur glaubt man noch immer mit grottenschlechten PR-Strategien irgendetwas dem Wähler plausibel machen zu können. So geht es denn auch nicht um Personalfragen, sondern darum, dass die PR-Strategien und Medienkampagnen nicht mehr aufgehen. Der Wähler liefert Wahlergebnisse, die keiner Seite in den Kram passen können und auch nicht dem entsprechen, was PR-Berater, die noch immer vorgeben, etwas von gesellschaftlichen Vorgängen zu verstehen, für teures Geld versprochen haben. So ist dann auch die obligatorische Deppendorf-Runde mit den Generalsekretären und Bundesgeschäftsführern der im Bundestag vertretenen Parteien kurz vor Acht in der ARD an Unterhaltungswert kaum noch zu überbieten.

Herr Heil von der SPD freut sich, dass man schwarz-gelb verhindern könne und ignoriert weiterhin die politische Realität, in der sein Kanzlerkandidat Steinmeier nur dann Kanzler werden kann, wenn die Linke ihn auch mitwählt, wie Herr Bartsch von der Linken ohne PR-Berater und aus eigener Kraft völlig realitätssicher festzustellen weiß. Ronald Pofalla von der CDU stimmt vor Schreck dem Linken Bartsch in dessen Ansicht zu und ignoriert glatt alle zurückliegenden Wahlniederlagen seiner Partei und behauptet natürlich, die Große Koalition in Berlin beenden zu wollen, weil man in den letzten vier Jahren hervorragend mit der SPD zusammengearbeitet hat. Und der FDP-Niebel wirft dem SPD-Heil eine politisch destruktive Haltung vor, weil dieser nur etwas verhindern wolle, anstatt zu gestalten, um dann zwei Sätze später vor der drohenden kommunistischen Gefahr zu warnen, die es mit allen Mitteln zu verhindern gilt.

Neben all dem PR-Wahnsinn geht mal wieder der Blick für die Realitäten verloren. Kurz vor der Wahl gab es im SR-Fernsehen einen Talk mit den Spitzenkandidaten im Saarland. In dieser Sendung wurde Oskar Lafontaine mal wieder mit Umfrageergebnissen von infratest dimap belästigt, die aussagen würden, dass die Linke an Zustimmung verlöre. Daraufhin übte Lafontaine Kritik an der von diesem Institut betriebenen Wahlforschung, was die Moderatoren natürlich empört zurückwiesen. Lafontaine sagte ein Wahlergebnis in Höhe von 20 Prozent für seine Partei voraus. Dafür wurde er mal wieder belächelt. Seine Kritik an den Wahlforschern hat an Aktualität nicht verloren. Denn noch am Samstag sah infratest dimap die Linke im Saarland bei 15 Prozent. Irgendwas scheint da also noch immer nicht zu stimmen. Offenbar ist man mehr mit Kampagnenjournalismus denn mit Forschung beschäftigt.

Und wer sagt mal wieder nix? Angela Merkel. Unsere Kanzlerin der Herzen schweigt souverän. Das wird wieder Pluspunkte auf der nach oben offenen Beliebtheitsskala geben.

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SH: Eine weitere Schande für den Parlamentarismus

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Was ist los in Schleswig-Holstein? Um diese Frage beantwortet zu bekommen, sollten sie es tunlichst vermeiden, Zeitung zu lesen oder sonstige Nachrichtenquellen zu bemühen. Denn überall schlägt einem die immer gleiche Botschaft entgegen. Die SPD hat’s verbockt. Ich möchte das mal anhand der Kommentierung in der Neuen Presse Hannover demonstrieren. Am Donnerstag kommentiert Horst Schmuda die Krise in der Landesregierung so. Gleich der erste Satz macht deutlich, warum es zum Bruch der Koalition kommen musste.

„Wer einen wie Ralf Stegner zum Koalitionspartner hat, braucht keine Feinde mehr.“

Und die Begründung folgt gleich im Anschluss.

„Ungeduldig, von sich selbst bis zum Übermaß überzeugt, der Zweck heiligt stets die Mittel. Der Mangel an anderweitiger politischer Potenz unter den schleswig-holsteinischen Genossen macht es ihm leicht, den Sozi-König zu spielen. Kein Wunder, dass Peter Harry Carstensen, der Ministerpräsident und Stegner wie auch umgekehrt in tiefer Abneigung verbunden, endgültig die Nase voll hat von der Profilierungssucht des Koalitionspartners auf seine Kosten – Neuwahlen.“

Der Regierungschef Carstensen ist also ein Getriebener. Nur wegen persönlicher Gründe platzt also die Koalition. Die beiden können halt nicht miteinander, will uns der Hardcore Horst sagen. Komisch nur, dass Herrn Schmuda bei seiner Begründung gar nicht aufgefallen zu sein schien, dass Ralf Stegner überhaupt kein Mitglied der Regierung ist. So hätte man wenigstens die Frage stellen können, warum man einen Bruch der Koalition gerade jetzt verkündet. Das hätte man doch auch schon Ende 2007 haben können. Damals hat Carstensen ebenfalls aufgrund persönlicher Animositäten Stegner aufgefordert, die Landesregierung zu verlassen. Der tat das auch brav und verkündete im Frühjahr 2008, künftig als Spitzenmann der SPD für die Wahl im Jahr 2010 aufzutreten. Die Drohung von Stegner, eine Art von Dauerprofilierung durchzuziehen, war Herrn Carstensen und der Öffentlichkeit also bereits 2008 bekannt. Warum hat der Ministerpräsident nicht schon zu diesem Zeitpunkt eine Auflösung des Parlaments vorgeschlagen?

Aber Horst Schmuda kann natürlich nicht verschweigen, dass Carstensen selbst einen Teil zum Chaos beigetragen hat und auch so am Ende gewesen wäre.

„Natürlich wäre es jetzt einfach, Stegner allein den schwarzen Peter zuzuschieben. Doch dass Carstensen eigentlich niemanden braucht, der ihn ins Stolpern bringt, weil er das selbst auch ganz gut kann, ist der andere Teil der Wahrheit. Er wäre auch ohne Stegners Nickeligkeiten am Ende. Der goldene Handschlag für den HSH-Chef darf getrost als gelungene politische Selbstvernichtung gelten.“

Ah ja. Aber weil Horst Schmuda nicht viel vom schwarzen Peter versteht und lieber durch eine schwarz-gelbe Brille zu blicken scheint, ist die Weigerung Stegners, einer Auflösung des Landtags zuzustimmen, in seinen Augen ein „gewagtes Spiel“. Denn andersherum sehen die Karten für schwarz-gelb ziemlich sicher aus, wenn es denn zum Wunschwahltermin am 27. September käme. Dann nämlich könnte neben dem Bund auch in Schleswig-Holstein eine Koalition aus CDU und FDP antreten. Damit spart man sich ja auch eine mögliche Denkzettelwahl im Jahre 2010, falls die schwarz-gelbe Regierung unter Merkel und Westerwelle doch für Enttäuschungen bei dem ein oder anderen sorgen sollte.

Oder wie es Horst Schmuda abschließend auf seinen ganz eigenen schwarz-gelben moralischen Punkt bringt:

„Die Moral von der Geschicht: Das kommt davon, wenn der Wähler nicht für klare Mehrheiten sorgt.“

Wählerbeschimpfung in der Neuen Presse Hannover. Da unterscheidet sich Schmuda dann auch nicht vom rot-schwarzen Müntefering, der der wachsenden Gruppe von Nichtwählern vor kurzem deren politische Teilnahmslosigkeit zum Vorwurf machte. Wie soll man das nennen. Altersstarrsinn? Dummheit? Oder vielleicht ein Defizit beim Lesen von Wahlergebnissen? Der hessische Wähler zum Beispiel muss sich verarscht vorgekommen sein. Der hat sich eine neue Regierung bestellt und als Antwort bekommen, Modell leider nicht lieferbar. Nun machts der Koch halt wieder. Im Bund kann der Wähler auch wählen, was er will, er bekommt immer Ulla Schmidt als Gesundheitsministerin.

Und in Schleswig-Holstein sind die Mehrheitsverhältnisse eigentlich auch klar. CDU und FDP haben eindeutig keine Mehrheit im Landtag. Es wollte auch sonst keiner mit denen. Also gibt es rechnerisch eine andere und zwar aus SPD, Grüne und SSW. Aber auch da, hieß es gar viermal hintereinander, Modell nicht lieferbar. Einem Abgeordneten war damals der Preis für seine Stimme offenbar zu niedrig. Oder ein anderer hat mehr bezahlt. Wer weiß das schon.

Jedenfalls ist es für den Parlamentarismus eine erneute Niederlage, wenn man sich, weil die Zeiten gerade günstig scheinen, einfach so selbst auflöst und damit den Wählerwillen zur Farce erklärt. In Hessen wählte man bis es passte und in Schleswig-Holstein will man wählen lassen, weil es gerade passt. Das ist noch einmal eine Steigerung. Aber das sieht er Schmuda nicht. Claus Lingenauber in der heutigen Ausgabe der Neuen Presse übrigens auch nicht.

Denn auch in seinem Leitkommentar auf Seite 1 geht das SPD-Bashing munter weiter. Erster Satz:

„Es hat schon groteske Züge, wie hartnäckig sich die schleswig-holsteinische SPD gegen Neuwahlen stemmt und das Bündnis mit der CDU fortsetzen will.“

Das ist schon ein wenig abartig. Sich gegen Neuwahlen zu stemmen, ist also grotesk. Auch Lingenauber muss es natürlich so sehen. Denn sollte die SPD ihre Zustimmung zur Auflösung des Landtags verweigern, ginge das Ganze nur noch mit Hilfe einer „fingierten Vertrauensfrage“. Sie kennen das noch? Das hat Schröder 2005 im Bundestag auch so gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Blödsinn dann auch noch gebilligt. Das muss man sich mal vorstellen. „Fingierte Vertrauensfrage“, allein schon die Bezeichnung. Warum nennt man es nicht richtig. Vortäuschung falscher Tatsachen oder schlicht Betrug.

In diesem Zusammenhang verstehe ich die Rechtslage wirklich nicht. Wenn die Landesverfassung es vorschreibt, dass sich der Landtag nur mit der hohen Hürde Zweidrittelmehrheit selbst auflösen kann, wozu dann noch das Instrument der Vertrauensfrage, bei der es ausreicht, die Regierungsmehrheit nicht zu erhalten, um den Landtag auch auflösen zu können? Wenn man mit dem alten Regierungschef nicht mehr kann, wählt das Parlament halt einen Neuen. Das nennt man konstruktives Misstrauensvotum. Wo ist das Problem? Das steht auch so in dem Artikel der Landesverfassung, der die Vertrauensfrage regelt:

Artikel 36 – Vorzeitige Beendigung der Wahlperiode durch die
Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten

(1) Stellt die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident in einem Antrag die Vertrauensfrage, ohne hierfür die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Landtages zu finden, so kann die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident binnen zehn Tagen die Wahlperiode vorzeitig beenden. Zwischen dem Antrag und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen. Artikel 13 Abs. 3 ist anzuwenden.

(2) Das Recht der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten zur vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode erlischt, sobald der Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine andere Ministerpräsidentin oder einen anderen Ministerpräsidenten wählt.

In meinen Augen ist die Vertrauensfrage das Einfallstor für die Manipulation des Wählerwillens. Ein Parlament muss in der Zusammensetzung tagen und Beschlüsse fassen können, wie es durch den Souverän in freier, geheimer und gleicher Wahl bestimmt worden ist. Das Beispiel Hessen hat gezeigt, dass das sogar ohne Regierung wunderbar funktioniert. Die Möglichkeit, des vorzeitigen Abbrechens von Wahlperioden scheint aktuell immer mehr in Mode zu kommen. Diese Entwicklung wird letztlich auch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bestärkt, Vertrauensfragen auch in fingierter Form zuzulassen.

Dass das ganze Chaos in Kiel natürlich nur ein Ablenkungsmanöver ist, um von der HSH-Nordbank Geschichte oder auch Krümmel abzulenken, dürfte eigentlich klar sein.

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Sommervorführung des ZDF

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Gestern sollte Oskar Lafontaine vom ZDF-Vorzeigejournalisten Peter Frey interviewt werden. Dabei kam es zu einem bemerkenswerten Schlagabtausch zwischen einem parteiischen Meinungsmacher, der so tat, als würde er objektive Maßstäbe anlegen und „anständig“ sein und Oskar Lafontaine, der endlich mal die Kampagnenpolitik der Medien im Allgemeinen und beim ZDF im Besonderen zum Thema machte. Ich hätte mir da noch einen Zuschauer aus dem Off gewünscht, der mit Hilfe eines Zwischenrufes, man kennt ja sowas aus den Parlamenten, lautstark gegen Peter Freys grottige Vorstellung angegangen wäre. Aber man kann ja nicht alles haben. Dafür darf Peter Frey selber auf der Seite des ZDF zu dem arg entglittenen Interview Stellung nehmen und behaupten, die Angriffe Lafontaines seien ein Ausdruck von Schwäche. Frey habe quasi einen „Wunden Punkt“ getroffen. Man muss schon sehr weichgekocht in der Birne sein, es als journalistische Leistung zu verstehen, zwanzig Minuten damit zu vergeuden, einen Gesprächspartner mit der Wiederholung der immer gleichen falschen Behauptung provoziert zu haben.

Weil immer wieder behauptet wird, Oskar Lafontaine habe wortlos „hingeschmissen“, ohne zu erklären warum, dem sei bitte Lafontaines eigenes Buch „Das Herz schlägt links“ aus dem Jahre 1999 zu empfehlen. Darin legt er unmissverständlich klar, warum es zu diesem Schritt kam. Im Vorwort heißt es:

„Auch als der Rücktritt von einigen mir weniger wohlgesonnen Zeitgenossen so dargestellt wurde, als hätte ein pflichtvergessener Mensch einfach die Arbeit niedergelegt, änderte ich meine Auffassung nicht. Der Ministerrücktritt als politische Entscheidung ist ein fester Bestandteil demokratischer Kultur. Ein Minister sollte nicht nur dann zurücktreten, wenn die Medien ihn aufgrund eigenen Fehlverhaltens dazu drängen, sondern insbesondere dann, wenn er mit der Politik seines Regierungschefs oder seiner Regierung nicht mehr einverstanden ist. Doch dies scheinen Teile der deutschen Öffentlichkeit völlig vergessen zu haben.“

Oder auch nicht. Als Franz Müntefering zweimal „hinschmiss“, einmal als Vorsitzender der SPD, der seinen Kandidaten für den Posten als Generalsekretär 2005 nicht durchbekam und ein weiteres Mal als Vizekanzler, der aus familiären Gründen Ende 2007 zurücktrat, akzeptierten alle Medien dieses Vorgehen mit sehr viel Verständnis. Die Rückkehr Münteferings nur ein paar Wochen nach dem Tod seiner Frau im Sommer 2008 und vollends nach dem Sturz Kurt Becks im September 2008 wurde von den Medien als Großereignis inszeniert. Ihm wirft man nicht in zwanzig Minuten vor, alles „hingeschmissen“ zu haben, als es um die Wurst ging.

Oskar Lafontaine schreibt 1999:

„Unmittelbar nach meinem Rücktritt hatte ich nicht die Absicht, die Gründe darzulegen, die zu diesem Entschluss geführt haben. Die Verpflichtung zur Solidarität mit der eigenen Partei und ihrem Führungspersonal schien mir wichtiger als Klarstellungen. Sie werden allzuoft vom politischen Gegner missbraucht. Ich dachte an die Europa-, die Landtags- und Kommunalwahlen und wollte keinen Streit, der die Partei belastet hätte. Daher gab ich ein einige Tage nach meinem Rücktritt nur ein kurzes Interview, in dem ich im wesentlichen auf das schlechte Mannschaftsspiel der Regierung hinwies. Ich war der Auffassung, dass der Hinweis deutlich genug sei und die eigene Partei und die Anhänger der SPD sich durchaus ihren Reim darauf machen könnten. Hierin sollte ich mich täuschen.“

Denn unmittelbar nach Lafontaines Rücktritt am 11. März 1999 folgte am 8. Juni 1999 bereits in London die Vorstellung des Schröder-Blair-Papiers, in dem eine Änderung der Grundzüge rot-grüner Wirtschafts- und Finanzpolitik für die kommenden Jahre festgeschrieben wurde. Denn auf einmal trat an die Stelle des handelnden Staates, der Politik aktiv gestalten könne, die nebulösen Gebote einer globalisierten Welt, die den Staat zu ganz bestimmten Reformen zwängen. Die Durchsetzung eines solchen Glaubensdogmas kommt nicht über Nacht.
Lafontaine sagt bereits 1999 dazu:

„Wir hatten mit dem Versprechen einer anderen Politik, mit dem Versprechen, mehr soziale Gerechtigkeit in unserem Land zu verwirklichen, die Wahl gewonnen.“

Man kann es auch deutlicher sagen. Schröder konnte nach dem freiwilligen Rückzug Lafontaines aus der Regierung und aus der Partei den größten Wahlbetrug der bundesdeutschen Geschichte durchziehen, der die SPD noch auf viele Jahre hinaus lähmen wird. Wie sagte der Kanzler doch am 10. März in der Kabinettssitzung, eine wirtschaftsfeindliche Politik sei mit ihm nicht zu machen. Am nächsten Tag bereichtete Bild, Schröder habe mit Rücktritt gedroht und Lafontaine angegriffen. Es war also abzusehen, dass Lafontaine sich dem hätte fügen müssen, was in der Folge sehr rasch an Reformen eingeleitet wurde.

Gestern nun behauptet Peter Frey, dass Oskar Lafontaine einer der mächtigsten Männer der Republik gewesen sei, der politische Entscheidungen hätte herbeiführen können. Diese Unterstellung ist aus historischer Perspektive schlicht gelogen, wie auch das jämmerliche Anfügen des Beispiels, Lafontaine hätte die Änderung der Rentenformel ja zu diesem Zeitpunkt angehen können.

Antwort Lafontaine: „Sehen Sie, wenn Sie schon sagen, wir hätten die Rentenformel damals ändern können, dann sind Sie jetzt so tief in die Geschichte gegangen, dass Sie die Fakten nicht mehr präsent haben. Die Rentenformel war damals ausgezeichnet, die hätte ich gerne heute wieder.“

Ach ja. Vergleichen sie bitte auch die anderen Sommerinterviews im ZDF.

Sommerinterviews_Terminplan

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Zwischen Bürgerfest und Regierungspest

Geschrieben von:

In Berlin findet heute ein Bürgerfest statt. Ach ja, die Wahl zum Bundeshorst natürlich auch. Köhler wurde erwartungsgemäß wiedergewählt. Herzlichen Glückwunsch. Im Plenum funktioniert das noch mit der Demokratie. Dreimal wurde nachgezählt, um wirklich sicher zu gehen, ob die 613 Stimmen auch tatsächlich erreicht wurden.

Eine erste unabhängige Reaktion, die bereits im Jahr 2006 ausgesprochen wurde, möchte ich noch vorweg schicken: :>>

Während der Wahl haben sich draußen vor dem Tore auch einige Passanten eingefunden, die vor der riesigen Videowall der öffentlich rechtlichen Bedürfnisanstalten das etwas bizarre Schauspiel einer demokratischen Wahl hinter verschlossenen Türen verfolgten. Die wurden dann rasch von den Fieldreportern, die nicht für die Sportschau im Einsatz waren, eingefangen und befragt, wen sie sich denn als Staatsoberhaupt wünschten. Schon allein die Vorstellung, dass man sich als Wahlberechtigter fragen lassen muss, wen man sich als Oberhaupt wünscht. Na ja, lassen wir das. Direkte Demokratie war ja noch nie unser Ding. Sind immer schlimme Sachen bei raus gekommen, wie uns ZDF-Chef-Historiker Guido Knopp im Vorfeld erzählte oder war es Helmut Markwort vom Focus? Irgendwas mit Hitler gegen Hindenburg. Das war nicht gut für uns damals, hieß es.

Oh je. Wie sagte Markwort bei seinem sonntäglichen Stammtisch im Bayerischen Fernsehen in einem scheinbar unbeobachteten Moment zu Uli Hoeneß vom FC Bayern.

„Jeder Narr kann Klowände beschmieren… Ich als professionell arbeitender Journalist… mit der üblichen journalistischen Sorgfalt“

Quelle: direkter freistoss

Nun habe ich den Bezug zur heutigen Bundeshorstwahl nicht verstanden. Schließlich würden den Kasper auch 70 Prozent der Deutschen wählen. Wäre das dann nun auch schlecht? Weiß der Markwort was? Hat er dann doch ein bissel Angst vor der eigenen Medienmacht samt angerichteter Manipulation der Bevölkerung durch Gleichschaltung? Ist die Beliebtheit des alten und neuen Bundespräsidenten vielleicht doch nur ein irrsinniges Ergebnis, das in krassem Widerspruch zu dem steht, was sich die Mehrheit der Bevölkerung an praktischer Politik eigentlich wünscht?

Dieselben 70 Prozent, die den Horst toll finden, bekunden auch, dass Frau Merkel einen guten Job macht. Diese 70 Prozent finden dann wiederum, dass die Regierung ihre Arbeit aber schlecht erledigt. Was soll man davon halten? Alle doof oder was? Oder hat sich da einer gedacht, die schlechten PISA-Ergebnisse muss man doch auch positiv nutzen können? Egal. Der erste Wahlgang hat ja nun gereicht. Da hat sich Christian Wulff dann sicherlich gefreut, weil er den Zug nach Wolfsburg rechtzeitig erreichen konnte, um den VfL zur ersten Deutschen Fußball-Meisterschaft zu gratulieren.

Haben sie mal darauf geachtet, wie oft der Satz von der Eindeutigkeit viel? Das Volk stünde eindeutig hinter dem Präsidenten, es würde ihn eindeutig wählen, er ist eindeutig am Beliebtesten. Haben sie mal die Berichterstattung über unseren Messias aus dem Schloss Bellevue verfolgt. Selbst das, was man nur bruchstückhaft mitbekommen hat, spottet jeder Beschreibung. Überall derselbe Bericht. Angefangen von der berühmten Bild-Schlagzeile „Horst wer?“ über den starrsinigen Amtsinhaber, der Unterschriften unter Gesetze verweigert und dem Afrika besonders am Herzen liegt bis hin zum schon immer mahnenden Vordenker in unserem Land, der die Krise kommen sah und in seiner letzten Berliner Rede klare Worte fand. Und dann kommt der Einspieler mit dem berühmten Zitat, bei dem ich immer lachen muss:

„Das tut man nicht!“

Böse, böse, das tut man nicht! Man tat es aber und nu? Auch das soll Köhler angeblich klar und präzise formuliert haben, meint zumindest Harald John, Chefredakteur der Neuen Presse Hannover, in seiner heutigen Lobeshymne auf den Amtsinhaber, die im Gewand eines Kommentars auf Seite 1 daherkommt:

„Seine Botschaft ist klar und präzise: Ein rein materielles „Immer mehr“ reicht nicht. Eine solche Botschaft hätte fünf Jahre verdient.“

Ja, fünf Jahre Knast vielleicht. Was ist denn an seiner Botschaft klar? Die Frage muss doch lauten, was meint Köhler denn genau mit einem materiellen „Immer mehr“? Meint er die Banker, wie es den Anschein zu haben scheint? Oder meint er das, was er in seiner Berliner Rede in widerlicher Weise von sich gab. Nämlich das wir alle über unsere Verhältnisse gelebt hätten. Dann bezöge sich das „Immer mehr“ nicht auf die Zocker allein, sondern vor allem auf jene, die mit dieser Krise überhaupt nichts zu tun haben. Meint er vielleicht mit einem materiellen „Immer mehr“ höhere Löhne, höhere soziale Sicherheit und höhere Renten?

Die Manipulationen setzen sich weiter fort. Was Harald John hier als positiv bewertet und mit ihm auch die 70 Prozent, die Köhler direkt wählen würden, bedeutet in Wirklichkeit etwas ganz anderes. Und um das zu beweisen, braucht man keine Glaskugel oder einen Hang zum Verschwörungstheoretischen. Der Hund Horst Köhler hat das, was er wirklich meint, selbst gesagt in seinen zahlreichen Reden. Man müsste sie sich nur wieder in Erinnerung rufen, und dem Henker des internationalen Finanzkapitals, der Argentinien eiskalt hinrichtete, die unschuldige Maske vom Gesicht reißen! Dieser Mann ist kein Wohltäter, kein besonnener Präsident, der die Lage überparteilich mit einem angeblichen Blick für’s Ganze zu beherrschen scheint. Dieser Lump ist ein Lügner und Betrüger, der fröhlich nach der Pfeife des noch immer ungebrochenen neoliberalen Zeitgeistes tanzt.

Aber was rede ich von Geistern, die miesen Gestalten und Charaktere um Merkel und Co sind doch konkret in Regierungsverantwortung und ruinieren weiter das Land. Sie verstecken sich hinter Schlagworten, die mal Begriffe waren, wie „Soziale Marktwirtschaft“, um ihrem asozialen Tun einen seriösen Anstrich zu verleihen. Und Mietmäuler wie Markwort, der sich dreist als Qualitätsjournalisten bezeichnet, weil er das Stammtischsaufen mit Politgrößen am Sonntagmorgen als besondere Auszeichnung der eigenen Arbeit missversteht oder Harald John, der nur das abschreibt, was ihm die machttrunkenen Qualitätskollegen anliefern, sehen gar nicht mehr, in welchen Dienst sie sich begeben haben. Selbst wenn man sie wie Odysseus an einen Mast ketten und ihre Ohren mit Wachs verschließen würde, sie würden dennoch dem Gesang der Syrenen erliegen und sich verführen lassen und vergessen, was sie sind und welche Aufgabe sie haben – nämlich zu kontrollieren, zu hinterfragen, um der Wahrheit unabhängig zur Seite zu stehen.

Warum spricht keiner dieser angeblichen Journalisten davon, dass allein die Aussage, Horst Köhler sei überparteilich eine glatte Lüge ist? Man braucht doch nur seine Reden anschauen. Nehmen sie doch die folgenschwerste Rede Köhlers zur Auflösung des Bundestages im Jahr 2005. Damals wog der Präsident überhaupt nicht ab, wie es der Artikel 68 Grundgesetz von ihm verlangte. Er betete schlicht die schwarz-gelben Horrorszenarien nach, redete der Agenda-verseuchten SPD-Führung das Wort und half somit Gerhard Schröder bei seiner fingierten Vertrauensfrage, die das Verfassungsorgan Bundestag und somit den Parlamentarismus ad absurdum führte. Er redete das Land schlecht. Er orientierte sich damals klar an Merkel und Westerwelle und sprach von einer „ernsten Situation“, er bezeichnete den Zustand der öffentlichen Haushalte als „nie da gewesene kritische Lage“ usw. Auf der anderen Seite fand er kein Wort an die Kritiker, die in dem Vorgehen des Bundeskanzlers einen Verfassungsverstoß sahen. Köhler schien auch darüber hinwegzusehen, dass unmittelbar vor der Vertrauensfrage noch zahlreiche Entscheidungen mit Regierungsmehrheit im Bundestag zu Stande kamen. Von einer Unregierbarkeit hätte also nie die Rede sein dürfen.

Und was ist mit seiner unsäglichen Rede vor dem Arbeitgeberforum in Berlin am 15. März 2005? Schauen sie doch da mal rein. Dort finden sie das gesamte Wahlprogramm der FDP. Nein, Heribert Prantl brachte es damals auf den Punkt. Köhler sei ein…

„…abgeschnittener Präsident.[…] Er ist die Hinterlassenschaft einer nicht zustande gekommenen schwarz-gelben Koalition.“

Und keiner merkt, dass der Abgeschnittene nun im zweiten Versuch doch noch zum Vorzeigeonkel einer schwarz-gelben Mehrheit im Herbst werden soll. Daran ließ Horst Seehofer im Dreideppeninterview (die anderen zwei waren Merkel und Westerwelle, die sich gegenseitig nett zuzwinkerten) im Abgang keinen Zweifel. Schwarz-Gelb heißt das Ziel! Und der Deppendorf vom Ersten regt sich über den Unbegriff „Unrechtsstaat“ auf, dessen kritische Betrachtung Gesine Schwan angeblich das Genick gebrochen hätte.

Wie viele Menschen waren eigentlich heute in Berlin? Mehr als letzte Woche? ;)

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Die "Schweinegrippe" kommt wie gerufen

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Als ich zum erstem Mal von der „Schweinegrippe“ hörte, habe ich gedacht, jetzt hat man dem pandemischen Manager- und Politikerversagen einen Namen gegeben. Aber nein. Es ist doch ein neuer Influenza-Stamm, der sich bedrohlich durch alle Redaktionen frisst. Dahinter verschwinden die wahnwitzigen Schadenregulierungsversuche der Bundesregirung in Sachen Wirtschaftskrise zusehends. Und von wegen soziale Unruhen. Die sind doch nun passé. Wenn schon nicht die Krise den erhofften Zusammenhalt herstellt, der gerade von jenen Versagern eingefordert wird, dann doch mit Sicherheit die Angst vor einer weltweiten Killergrippe. Da sitzen wir doch alle im gleichen Boot. Manager, Politiker und der gemeine Pöbel. Es kann doch jeden treffen.

Vor allem die viel reisende Kanzlerin trägt doch ein erhöhtes Infektionsrisiko oder etwa nicht? Da müssen wir jetzt einfach mal abwarten. Schließlich nehmen es die Medien auch nicht so genau. Denn noch immer heißt es wie abgesprochen und unisono „Schweinegrippe“, dabei haben Schweine nun überhaupt nichts damit zu tun. Ginge es danach könnte man die „Schweinegrippe“ auch „Vogelgrippe“ nennen. Enthält der neue Virenstamm doch auch Gensegmente der bei uns so kläglich gescheiterten „Vogelgrippe“. Sie erinnern sich doch noch? Damals 2006. Da kamen auch die Zugvögel zurück und die Vogelgrippe war plötzlich weg. Komisch.

Doch nun haben wir es mit einem noch viel gefährlicheren Virus zu tun. Ist doch auch logisch. Bei dem Frühjahrsgutachten. Jetzt weiß ich übrigens auch, warum Olaf Scholz kürzlich Rentenkürzungen für die Zukunft ausgeschlossen hat. Mit der „Schweinegrippe“ löst sich das Problem vielleicht auf natürlichem Wege. Das muss man doch auch mal so glasklar sagen dürfen. Bei der Sachlage, die uns nun wochenlang als Top-Thema präsentiert werden wird. Da muss man die Szenarien im Kopf durchspielen. Das ist nachhaltige Politik, würde Münte jetzt vielleicht sagen.

Und so eine „Schweinegrippe“ macht sich natürlich auch gut im Superwahljahr. Perfektes Timing. Nicht so wie vor drei Jahren, als gar keine Wahlen stattfanden, weil Gazprom-Gerd der Vogelgrippe zuvor gekommen war. 2005 wütete die ja noch irgendwo in Asien. So schnell konnten die Vogelschwärme dann gar nicht reagieren. Dafür hat Gerd am Wahlabend eingrucksvoll vorgeführt, wie man eine Infektion mit was auch immer in positive Energie umwandeln kann. Es hat nur leider nicht ganz gereicht. Seinerzeit hatte vor allem Guido Westerwelle unüberwindbare Resistenzen ausgebildet.

Aber egal. Nun kann die Bundesregierung auftrumpfen und Handlungsfähigkeit demonstrieren. Wahrscheinlich werden jetzt wieder Unmengen des teuren Impfstoffs Tamiflu gekauft. Denn ausgerechnet der soll auch bei der neuen Todesgrippe helfen.

Na ja, subjektiv gesehen, gibt es Schlimmeres. Weisheitszähne zum Beispiel. Heute habe ich deren gleich zwei herausgebrochen bekommen. Sehr unangenehm. Vor allem wenn die Betäubung nachlässt und das Hirn einem signalisiert, dass die Nervenbahnen noch funktionieren. Oder das eigene Spiegelbild plötzlich die unglaubliche Ähnlichkeit zu einem Hamster offenbart. Aber das gehört hier eigentlich gar nicht her…

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Was für ein Theater..?!

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Das aktuelle Schauspiel um die Frage Große Koalition bis September oder nicht ist ein bemerkenswerter Tiefpunkt der bundesrepublikanischen Geschichte. Dabei ist nicht so interessant, was die Politiker sagen, sondern vielmehr die Rolle unserer Medien, die sich in diesen widersprüchlichen Brei bereitwillig einbinden lassen. Überall hört und liest man die O-Töne von Seehofer, Müntefering, Merkel und Westerwelle.

Da sagt der Seehofer, dass die SPD doch die Koalition verlassen könne und Münte schießt zurück, dass er die CSU bis zum letzten Tag quälen werde. Merkel schwadroniert bei Anne Will über ihre Arbeit, die sie zu Ende bringen müsse (eine kritische Analyse finden sie hier) und Westerwelle schwebt angesichts des Umfragehochs seiner Partei eine sonnige Wahl im Sommer vor. Und in Berlin sitzen zwei Regierungssprecher, der eine von der Kanzlerin bestellt und der andere vom Außenminister. Und beide diktieren etwas von konkurrierenden Träumen in Bezug auf die Kanzlerschaft, den lachenden Journalisten in den Notizblock. Was für ein Trauerspiel?

Doch keiner fragt, welcher Logik z.b. die Aussage vom Münte folgt, die CSU bis zum Ende quälen zu wollen. Noch immer könnte die SPD alle politischen Ziele, die die Parteiführung vorgibt, umsetzen zu wollen, ohne weiteres im Deutschen Bundestag beschließen. Um es bildlich zu verdeutlichen, was ich meine, zeige ich ihnen die Zusammensetzung des aktuellen Bundestages.

Sitzverteilung

Die Mehrheitsverhältnisse sind klar. Es ergibt also überhaupt keinen Sinn, hier irgend jemanden zu quälen und darauf zu hoffen, dem politischen Gegner in der Großen Koalition mit dieser Quälerei auch noch etwas abtrotzen zu können. Die SPD lässt sich durch die Minderheit aus CDU/CSU und FDP einfach vorführen. Dabei ist es doch sie, die die Zügel in der Hand halten müsste, da ihre scheinbaren politischen Ziele mehrheitsfähig sind.

Doch es wird mit allen Mitteln dagegen gearbeitet. Vor allem die Medien bilden die Speerspitze einer Kampagne zur Verhinderung und Verschleierung des tatsächlichen Mehrheitswillens der Bevölkerung. Und die SPD-Führung spielt mit vollem Bewusstsein mit. Anders kann man sich diese dusseligen Bemerkungen von Müntefering oder von Steinmeier, der sich gern als Opel-Retter positionieren möchte, nicht verstehen.

In der Neuen Presse Hannover darf mal wieder Horst Schmuda seinen unbrauchbaren Senf absondern. Er schreibt folgenden Unsinn…

Dann lieber doch ganz schnell wählen?

[…]“Mit dem Schicksal der Opelaner lässt sich trefflich Stimmenfang betreiben, und so ziehen die Genossen mit dem linkspopulistischen Schlachtruf „Rettung um jeden Preis“ durch die Lande. Die Union windet sich in politischen Zuckungen um ein und dieselbe Frage: wirtschaftliche Vernunft oder mitfühlender Selbstbetrug.“[…]

Wenn die SPD nach Schmudas Meinung schon linkspopulistisch ist, warum nutzt sie dann die bestehende Mehrheit im Bundestag nicht einfach aus? – aus niederen Beweggründen sozusagen oder schlicht aus Machtgeilheit, wie Schmuda es der Ypsilanti ja immer wieder unterstellt hat. Wo ist die Logik in dem Geschrei? Der SPD müsste man gerade wegen ihrer Haltung, die Große Koalition bis zum Ende fortsetzen zu wollen, unterstellen, dass sie keineswegs daran interessiert ist, etwas von dem durchzusetzen, was Schmuda unter dem Schlagwort „linkspopulistisch“ subsumiert. Wenn er jetzt noch geschrieben hätte, die SPD mache es im Herbst sowieso mit den Linken, schlösse sich der bizarre Denkkreis. Aber davon hören wir ja spätestens zur Bundeshorstwahl wieder.

Die Union dagegen kommt bei Schmuddel Schmuda ohne Grund besonders kompetent rüber. Da fragt man sich, wie der Autor das Fotoshooting mit dem neuen „von und zu“ in New York fand oder welche wirtschaftspolitische Komptenz dort zur Entfaltung kam bzw. welche Kompetenz Herr Schmuda aus den Äußerungen von Frau Merkel bei Anne Will ableitet. Wie beschrieb sie sich gestern doch so treffend untreffend…

„Ich bin mal liberal, mal christlich sozial, mal konservativ.“

Und was ist eigentlich mit der Grünenspitze los? Die scheinen vor lauter (H)Ampelei gar nicht mehr klar sehen zu können. Zum Glück hielt die Basis in NRW am Wochenende nüchtern dagegen, und es wurde noch einmal in Erinnerung gerufen, dass zwischen FDP und Grünen doch riesige, wenn nicht gar unüberbrückbare Unterschiede bestehen. Das hielt den mediengeilen Professor Jürgen Falter aber auch nicht davon ab, im Radiointerview über künftige Regierungsoptionen zu fabulieren und dabei in der Reihenfolge Schwarz-gelb, Scharz-rot und die Ampel zu benennen.

Was für ein Scheiß…

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Hinweis: Kreutzers Paukenschlag

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Den aktuellen Paukenschlag von Egon W. Kreutzer sollten sie gelesen haben. Darin beschäftigt sich der Autor mit dem Thema Opel als Beispiel für die Planlosigkeit der Bundesregierung.

Sehr amüsant und entlarvend zugleich ist in diesem Zusammenhang die kontrastreiche Gegenüberstellung von angeblich „systemrelevanten“ Banken und einem der Definition nach „nicht systemrelevanten“ Autobauer.

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Vorrat an Gemeinsamkeiten sei aufgebraucht?

Geschrieben von:

So schallt es uns heute unisono aus den Medien entgegen. Nach dem nächtlichen Treffen im Koalitionsausschuss gibt es nicht viel Konstruktives zu berichten. Es sieht so aus, als seien die Positionen der drei Parteien miteinander unvereinbar. Die Koalition neige sich ihrem Ende entgegen. Die Bundestagswahl sei nun erklärtes Ziel. Doch ist das wirklich so, wie man uns glauben machen möchte? Oder wird mal wieder schäbiges Theater vorgespielt? Symbole für die Masse.

Wer Ramsauer gehört oder in die Augen von Struck geblickt bzw. die akkustische Abwesenheit von Kauder wohlwollend zur Kenntnis genommen hat, wird sich vielleicht nach ein wenig Abstand gefragt haben, wo denn nun die Unvereinbarkeit in den Positionen der Koalitionäre liegen mag, die uns hier aufgetischt werden soll. Wo sind denn die politischen Entwürfe oder gar die Visionen, die in eine Auseinandersetzung gehen könnten?

Die SPD wedelt da mit ihrem Lieblingsthema Mindestlohn. Vor allem bei der Zeitarbeit. Doch ist das überhaupt noch glaubwürdig? Jahrelang hatte die SPD als Kanzlerpartei Zeit, einen Mindestlohn einzuführen. Stattdessen förderte Superminister a.D. Wolfgang Clement und die Rot-Grüne Bundesregierung die Zeitarbeitsbranche und öffnete dort die Tür zum Lohndumping. Für Clement übrigens ein lohnendes Geschäft. Er steht noch immer dem Adecco Institute zur Erforschung der Arbeit vor, das vom weltweit größten Anbieter für Personaldienstleistungen finanziert wird. Ferner war auch in dieser Wahlperiode die Möglichkeit greifbar, den immer wieder geforderten flächendeckenden Mindestlohn mit den Stimmen der Grünen und der Linkspartei zu beschließen. Doch man votierte offen gegen den eigenen Gesetzentwurf.

Wenn ich heute Steinbrück über die Spielregeln des Parlamentarismus reden höre, die man einhalten müsse, wird mir ganz schlecht. Die SPD-Bundestagsfraktion hat doch selbst dafür gesorgt, dass das Parlament an Ansehen und Bedeutung verloren hat. Da wäre die fingierte Vertrauensfrage 2005 zu nennen, die zum freiwilligen Abbruch der eigenen Kanzlerschaft führte oder eben die Spielchen im jetzigen Parlament, in dem eine SPD, die ihr Programm wirklich ernst nehme, es ohne weiteres umsetzen könnte.

Wenn man z.B. tatsächlich einen Mindestlohn wollte, wäre gerade jetzt der Zeitpunkt günstig, die eigene Politik mit einer anderen Mehrheit durchzusetzen. Denn gerade jetzt poltert ja auch die Gegenseite, dass die Zweck-Ehe im Grunde am Ende sei. Warum sich also treiben lassen und sechs Monate nichts mehr tun. Die Mehrheit ist doch da. Das wäre echter Parlamentarismus und vor allem GLAUBWÜRDIG. Wenn aber Herr Heil sagt, er hätte sich gestern mehr beim Thema Mindestlohn gewünscht, da kann man sich nur an den Kopf fassen. Er könnte ihn schon längst haben. Aber das ist überhaupt nicht gewollt! Und deshalb kann man auch nicht behaupten, die Gemeinsamkeiten wären aufgebraucht.

In Wahrheit teilen Union und SPD viele Gemeinsamkeiten. Wer sich die Krisenpolitik anschaut und vor allem den Umgang mit den gescheiterten deregulierten Finanzmärkten, wird verstehen, was gemeint ist. Sie brauchen sich dazu nur einmal den aktuellen Koalitionsvertrag anschauen, in dem die Förderung der Finanzmärkte und deren dubiose Produkte immer noch nachzulesen ist. Auf den Seiten 86 und 87 finden sich die Empfehlungen für innovative Finanzprodukte, Hedgefonds und Private Equity.

Produktinnovationen und neue Vertriebswege müssen nachdrücklich unterstützt werden. Dazu wollen wir die Rahmenbedingungen für neue Anlageklassen in Deutschland schaffen. Hierzu gehören:

  • Die Einführung von Real Estate Investment Trusts (Reits) unter der Bedingung, dass die verlässliche Besteuerung beim Anleger sichergestellt wird und positive Wirkungen auf Immobilienmarkt und Standortbedingungen zu erwarten sind,
  • der Ausbau des Verbriefungsmarktes,
  • die Erweiterung der Investitions- und Anlagemöglichkeiten für Public-Private Partnerships,
  • die Überarbeitung der Regelungen für den Bereich Private Equity im Wege der Fortentwicklung des bestehenden Unternehmensbeteiligungsgesetzes in ein Private-Equity-Gesetz.

Das gilt alles noch. Es wurde auch kein Finanzmarktförderungsgesetz zurückgenommen. Stattdessen hat man sich nun auf eine Regelung bei den Manager-Gehältern geeinigt und glaubt, damit krisenbewusste Handlungsfähigkeit demonstrieren zu können. In Wahrheit aber, will man von der eigenen Verstrickung ablenken und ferner verschleiern, dass man auch in Zukunft möglichst wenig unternehmen will, die Fehler der Vergangenheit zu beheben. Da sind sich über die Parteigrenzen hinweg alle einig.

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