3G, 2G, ach geh!

Geschrieben von: am 16. Sep 2021 um 11:25

Die Politik ist inzwischen Gefangene ihrer eigenen Regeln, denn die Pandemie mit dem Ordnungsrecht zu bekämpfen, erweist sich zunehmend als unlösbare Aufgabe. Die Verordnungen, die gerade wieder erneuert werden, sind administrativ gar nicht umsetzbar, weshalb das auch die Gesellschaft für die Regierung erledigen soll. Man nennt das dann Optionsmodell. Falls es noch niemand aufgefallen sein sollte. 3G, 2G oder was auch immer werden in der Anwendung kaum bis gar nicht überprüft. Womit auch? Die öffentliche Hand hat besseres zu tun. Zum Beispiel den Mangel zu verwalten, der durch jahrelange Sparpolitik angerichtet worden ist.

Darf ich mal ihr Zertifikat sehen? Ah ja, alles ok. Das Prozedere hat sich beinahe schon eingespielt. Eine simple Sichtprüfung nach dem Datum der vollständigen Impfung oder dem Tag der negativen Testung. Kaum jemand scannt den kleinen QR-Code mit der CovPassCheck-App, die sich die Politik ausgedacht hat, damit die Betreiber von Restaurants oder Hotels, wie auch Veranstalter, die Echtheit der vorgezeigten Gesundheitsdokumente überprüfen können. Es ist daher zunächst nur eine Alibi-Maßnahme, eine Schikane ohne Nutzen und mit Wartezeiten. Doch auf längere Sicht gesehen, sind hier natürlich Werkzeuge geschaffen worden, die eine neue und einfache Art der Überwachung und Kategorisierung von Menschen erlauben. Zum Glück ist Deutschland in dieser Hinsicht immer noch ein digitales Entwicklungsland.

Viele führen zum Beispiel ihren Impfpass in Papierform mit sich, um irgendwo eingelassen zu werden. Zulässig ist das – noch. Der ist aber wiederum ein simples Dokument ohne nennenswerte Sicherheitsmerkmale, kurzum, leicht zu fälschen, was auch per se unterstellt wird, wenn irgendwo bei 2G-Veranstaltungen das Virus plötzlich fröhliche Urständ feiert. Bislang seien aber noch keine Verstöße festgestellt worden, heißt es im Text. So als ob es eine Lappalie ist, die infizierten Teilnehmer mal eben des Betruges zu verdächtigen und mit Hilfe der eingeforderten Gesundheitsdokumente kriminalistische Ermittlungen anzustellen. Das Zertifikat, künftig ein ständiger Begleiter und ein Beleg für die Gehorsamkeit einem übergriffigen Staat gegenüber, der den Einsatz solcher Mittel gar nicht mehr logisch begründen kann. Denn mit Blick auf den Infektionsschutz ergeben solche Nachweise keinen Sinn.

Längst ist bekannt, dass die Impfung die Ausbreitung des Virus nicht bremst. Geimpfte mögen zwar unter Umständen weniger ansteckend sein als andere, nur was spielt das für eine Rolle, wenn genau sie es sind, die sich am freisten und zudem ungetestet unter vielen anderen Menschen ohne Maske und Abstand bewegen dürfen? Offiziell wird das damit begründet, dass von Geimpften keine wesentliche Gefahr mehr ausgehe und sie daher am Pandemiegeschehen kaum noch oder gar nicht mehr teilnehmen. Das ist nachweislich falsch und eine rein politische Sichtweise, die für sich genommen auch vollkommen in Ordnung ist. Der Bundesgesundheitsminister hatte neulich erklärt, dass man Geimpfte deshalb nicht mehr testen wolle, weil dann die Pandemie ja nie ende. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die Tests nicht nur weiterhin Infektionen anzeigen, sondern auch falsch interpretiert werden könnten und so eine Art pandemische Simulation entstünde. Damit hat er übrigens ebenfalls recht.

Die Frage ist nur, worin der Unterschied zu den Ungeimpften besteht. Und da zeigt sich erneut die Ziellosigkeit und Widersprüchlichkeit bei der Bekämpfung der Pandemie, die neuerdings in mehr als fragwürdiger Weise, da stigmatisierend, als Pandemie der Ungeimpften bezeichnet wird. Damit es besonders dramatisch klingt, werden Inzidenzwerte nach dem entsprechenden Impfstatus ausgewiesen und mit Hilfe von Prozentangaben besonders betont, dass eigentlich fast nur Ungeimpfte in den Kliniken lägen und ärztliche Hilfe benötigen, obwohl in absoluten Zahlen betrachtet, dort kaum etwas los ist, jedenfalls nicht in dem schrecklichen Ausmaße, das die Regierung mit den Prozentangaben zu vermitteln versucht. Nimmt man aber die Rhetorik ernst, scheint es immer noch darum zu gehen, das Infektionsgeschehen einzudämmen, weil man die Projektionen, die es in Form von Modellen gibt, für dramatisch erachtet. Nur warum dürfen Geimpfte das Virus dann munter weitertragen, während Ungeimpften genau das zum Vorwurf gemacht wird?

Politik wälzt Probleme auf die Gesellschaft ab

Das Ignorieren der Fakten fällt letztlich den Regierenden auf die Füße, die darin geübt sind, den Ball dann einfach weiterzuspielen. Denn an den Schlagzeilen, Bundesland A und nun auch Bundesland B führen eine 2G-Regel ein oder schaffen die Lohnfortzahlung im Quarantänefall für Ungeimpfte ab, ist im Grunde genommen gar nichts Substantielles dran. Denn auf eine administrative Umsetzung des Regelwerks wird nämlich ganz offen verzichtet. Vielmehr findet eine Verlagerung staatlicher Kontrollpflichten in den privaten Raum statt, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Beispiel. Die Kellnerin bringt auch nicht mehr nur das Bier, sondern muss zunächst einmal sicherstellen, dass die vorgelegten Gesundheitszertifikate authentisch sind. Die Regierung erwartet demnach, dass sie im Zweifel einen Impfstatus fachlich angemessen beurteilen und der um Einlass bittenden Person letztlich auch zuordnen kann. Eine amtliche Kontrolle findet nicht statt. Das Ordnungsrecht ist ausgelagert, privatisiert und viele machen mit oder sind stolz darauf, sich in Unterwerfungsgesten äußern zu dürfen.

Dabei könnte der Wirt auch einfach nur sagen, er gehe davon aus, das Sie als Gast eine der 3 oder 2Gs haben, bitte nehmen Sie Platz und alles ist gut, sofern niemand Verdacht schöpft und petzt, was durchaus mal vorkommen mag. Einen Denunzianten braucht es aber im Grunde nicht, wenn der Staat die Bürger zu was auch immer indirekt zwingen will. Umgekehrt müssen die Bürger vielmehr darauf bestehen, dass der Staat seine absurden Regeln gefälligst selbst kontrolliert. Er muss dann wie in Frankreich Ordnungsämter und letztlich die Polizei in den Cafés sichtbar patrouillieren lassen, damit klar wird, dass so etwas wie 3G oder 2G weiterhin eine massive Einschränkung des öffentlichen Lebens ist. Geschieht das nicht, entsteht tatsächlich der Eindruck, den Geimpften würden Freiheiten für ihr Wohlverhalten zurückgegeben. Die Wahrheit ist aber, dass der Staat sein Corona-Reglement gar nicht durchsetzen kann. Er hat sich in eine Sackgasse manövriert und verschiebt die Widersprüchlichkeit sämtlicher Maßnahmen in die Gesellschaft, um sie dort austragen zu lassen.

Das zeigen neuerdings auch die Verhaltensregeln der Gesundheitsämter für Eltern und sogenannte Indexpersonen. Darin erklärt sich die Behörde im Falle positiver Testergebnisse bei Kindern nicht mehr für zuständig, sondern überantwortet Pflichten auf den Kreis der Betroffenen. Diese mögen unverzüglich Quarantäne über sich selbst und ihre Angehörigen verhängen, deren Aufhebung eigenverantwortlich mit weiteren Einrichtungen wie Schulen und Kitas verhandeln, medizinische Diagnosen erstellen oder Listen von Kontaktpersonen anfertigen. Das Gesundheitsamt hält sich weitestgehend zurück und stellt lediglich nachfolgend die erforderlichen Quarantänebescheinigungen aus. Ein schöneres Beispiel für die Überforderung der Behörden, die durch anhaltendes Regierungsversagen verstärkt wird, lässt sich kaum finden.

Dieser Mangel an Rechts- und Ordnungssicherheit ist dann auch die Voraussetzung für Willkür, ein Zustand, der keiner Demokratie wirklich gut bekommt. Aber die scheint ohnehin auf den Hund gekommen zu sein, wenn die knappen staatlichen Ressourcen für ganz andere Zwecke gebraucht werden. Zum Stürmen von Wohnungen wegen eines Pimmel-Tweets zum Beispiel oder um Wahlkampf zu machen. Überzogene Reaktionen, Falschbehauptungen und Lügen, das alles gehört zum politischen Geschäft. Umso wichtiger wäre es daher, wenn das Parlament, das sich in der Coronakrise weiterhin abmeldet, seine Kontrollfunktion endlich wieder wahrnimmt, damit auch so absurde Diskussionen überflüssig würden, bei denen moralisch und autoritär abgehoben mit Schlagworten wie false balance hantiert wird. Es geht um checks und balances. Demokraten sollten gerade daran ein Interesse haben.


Bildnachweis: Gerd Altmann auf Pixabay

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jörg Wiedmann  September 16, 2021

    Wieso eigentlich 3G oder 2G ? Es müsste 4G geben.
    4G sind diejenigen die weder geimpft, genesen, noch gestest sind sondern sich einfach ertreisten gesund zu sein.
    So was soll es geben.
    Deutschland hat 83 Mio Einwohner.
    Mit 100ten millionen Tests hat man doch tatsächlich 4 Mio Bürger positiv getestet.
    Heißt aber auch 79 Mio Einwohner sind -in Bezug auf Corona- einfach gesund.

    Hier in BW drehen die Grünen mit freundlicher Unterstützung der CDU komplett am Rad.
    Die spinnen die Koalitionäre.
    Leider wird sich auch nach dem 26.09. nichts zum Positiven ändern.
    Im Gegenteil ich wette kurz nach der Wahl kommt die Impfpflicht.
    Schliesslich muss man die millionenfach bestellten und gelieferten Impfdosen auch irgendwie an
    Mann/Frau/Divers bringen.

    Wer immer noch glaubt es ginge nur um Corona und die Bekämpfung der Pandemie der wird in Bälde sein blaues (damit meine ich nicht die AfD) Wunder erleben.

    Schönen Abend.

  2. Simulacron  September 19, 2021

    Ja klar, in Frankreich braucht man Ordnungskräfte um den Schmu zu kontrollieren. In Deutschland sorgt der vorauseilende Gehorsam dafür, dass Denunzianten durchaus eine Berechtigung haben. So funktioniert Spaltung. Teile und herrsche, damit die Lüge glaubhaft wirkt!