Kurz notiert: Strauchdiebe

Geschrieben von: am 05. Apr 2019 um 6:00

Es ist ja richtig, dass laut Geschäftsordnung des Bundestages jede Fraktion ein Recht auf einen Posten im Präsidium hat. Das heißt aber nur, dass jede Fraktion einen oder mehrere Kandidaten zur Wahl stellen darf und das Haus über die Vorschläge abstimmen muss. Es liegt aber im Wesen einer Wahl, dass man die Vorschläge auch ablehnen kann. Die Fraktionen haben also kein Recht darauf, dass ihre Kandidaten auch gewählt werden. Das wäre ja absurd.

Es ist demnach auch nicht undemokratisch, Kandidaten die Zustimmung zu verweigern, weil es auch nicht undemokratisch wäre, sie zu wählen. Würde es ein Anrecht auf den Posten geben, wäre ein Verfahren mit bis zu drei Wahlgängen gänzlich überflüssig und es würden stattdessen die Regeln gelten, die auch bei der Besetzung des Ältestenrates Anwendung finden. In dieses Gremium darf jede Fraktion Abgeordnete entsenden einschließlich der parlamentarischen Geschäftsführer.

Ein Ausschluss findet also gar nicht statt, wie die AfD behauptet. Sie ist in alle parlamentarischen Prozesse eingebunden, darf nur keine Sitzungsleitung übernehmen. Ist das nun schlimm? Eigentlich nicht, da ein Präsident oder Vizepräsident des Bundestages neutral agiert, es also unerheblich ist, welcher Fraktion er oder sie angehört. Nun kann man die Frage stellen, ob für Sitzungsleitung und Einhaltung der parlamentarischen Ordnung sechs Stellvertreter erforderlich sind. Vermutlich oder ganz sicher würde auch weniger Personal ausreichen.

Konflikte sind hausgemacht

Grundsätzlich ist die Regelung mit den Stellvertretern des Bundestagspräsidenten problematisch, weil es hier eben nicht primär um die Vertretung, sondern um Parteiinteressen geht. Sogar innerhalb der Fraktionen ist die Besetzung des Postens gelegentlich umstritten. Der Konflikt rührt also allein aus der Bestimmung, dass jeder Fraktion ein Vizeposten zusteht. Dabei gibt es nach oben hin theoretisch keine Grenze. Man könnte auch noch mehr Stellvertreterposten verteilen.

So nahm die Große Koalition in der 18. Wahlperiode für sich in Anspruch, gleich vier Stellvertreterposten zu besetzen. Sie hatte die erforderliche Mehrheit dazu. Und das ist auch der springende Punkt. In einer Demokratie muss man Mehrheiten organisieren. Wer aber wie die AfD auftritt und gleich zu Beginn zum Jagen bläst, dann aber bloß Wilderei betreibt, darf sich nicht wundern, wenn die Bereitschaft der anderen gering ist, die Strauchdiebe auch noch auf den Hochsitz zu befördern.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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