Auf ein Neues

Geschrieben von: am 04. Jan 2019 um 11:38

Das Jahr ist neu, die Reflexe bleiben alt.

In Amberg werden Menschen von betrunkenen Jugendlichen verprügelt. Das ist eigentlich eine Nachricht für den Regionalteil der Lokalzeitung unter dem Stichwort Silvesterbilanz. Es sollen aber Asylbewerber aus Syrien, Afghanistan und Iran gewesen sein, was die Sache natürlich zu einem bundesweit relevanten Thema macht – Seehofer-Kommentar inklusive. In Bottrop werden Ausländer gezielt über den Haufen gefahren. Der Fahrer gab die Tötungsabsicht bereits zu – ein rechter Terrorist.

Nun diskutieren linke wie rechte Teile der Gesellschaft schon wieder darüber, welche Tat wie zu bewerten ist. War das nun Terror in Bottrop, fragt beispielsweise Edel-Naivling Tilo in der Bundespressekonferenz. Die Antwort. Nö. Und zack, wird der Videoausschnitt gleich mal online gestellt. Empören bitte! Hier wird wieder regierungsamtlich verharmlost! Das kann man so sehen, ist aber nur ein Beleg für eine Debatte, die um sich selbst kreist, was zur preisgekrönten Edelfeder Markus Feldenkirchen führt, der mal ganz schlau dazwischentwittert.

Hm, also können wir uns eine Analyse sparen. Die Story gibt nichts her. Doch was ist eigentlich mit kluger Polizeiarbeit gemeint? Die badet doch nur aus, was die Schlapphüte vom Verfassungsschutz regelmäßig vergeigen. Etwas mehr Tiefgang stünde den Abgehobenen daher gut. Dazu zählt auch der berühmt berüchtigte Rechercheverbund aus Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR oder aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung oder aus WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung, je nachdem, auf welchem Medium Sie sich gerade befinden.

Der Rechercheverbund aus Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR hat jedenfalls herausgefunden, dass das mit dem Terror gar nicht so einfach ist. „Grenzfälle wie diese machen die Einschätzung oftmals schwer. Manches spricht auf den ersten Blick für Terrorismus, manches aber eben auch dagegen.“ Na sowas. Vielleicht sprechen sich die Medien auch einfach nur zu leichtfertig für die eine Variante aus, bevor sie Fakten und Hintergründe genau kennen. Wer Klicks haben will, folgt eben bestimmten Automatismen und spekuliert munter drauf los.

Der Kampf gegen den Terror ist selbst Terror

Offiziell befindet sich der Westen noch immer im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Seit 2001. Beinahe ebenso lange werden auf der US-Marinebasis Guantánamo Bay auf Kuba Menschen ohne ein Verfahren oder ein Urteil gefangengehalten. Auf ewig, wie es scheint, damit die Öffentlichkeit möglichst wenig darüber erfährt, wie die westliche Zivilisation mit Menschen dort umgeht. Bekannter ist dagegen, wie sich westliche Regierungen in Konfliktfällen verhalten. Sie beteiligen sich an Drohnenmorden und völkerrechtswidrigen Angriffen.

Die Regierungen brechen das internationale Recht, schrecken nicht vor Folter und Tötungen zurück, verteidigen dies aber mit der Begründung, Schlimmeres verhindert oder die Bösen bestraft zu haben. In Wirklichkeit werden aber nur staatliche Strukturen zerstört und die Zahl der zivilen Opfer weiter nach oben getrieben. Und die, die die Anschläge mittels Drohnen und Bomben überleben, werden nicht selten selbst zu Terroristen, die wiederum bekämpft werden müssen. Wer sich nicht radikalisiert, muss Flüchtling werden.

Wir sind die Guten. Wir dürfen das. Wir machen auch Geschäfte mit anderen guten Leuten, wie den Saudis zum Beispiel, die jährlich mehr Menschen enthaupten, als der IS. Vor dem erneuten Erstarken der Terrororganisation fürchten sich jetzt viele deutsche Politiker und Medienschaffende mit transatlantischem Katzbuckelhintergrund. Sie finden es falsch, wenn sich die USA aus Syrien zurückziehen. Dabei würde es den IS gar nicht geben, wenn da im Irak nicht eine westliche Koalition der Willigen unter Führung der USA einst für Unordnung gesorgt hätte.

Rechtsbruch ist die Folge von Rechtsbruch. Ein amerikanischer Richter am Supreme Court meinte vor vielen Jahren einmal: „Wenn die Regierung das Recht bricht, lädt sie auch die Anderen dazu ein. Denn Straftaten sind ansteckend.“ Vielleicht sollten sich die guten Regierungen einmal auf jene Menschenrechte besinnen, die sie glauben, mit Terrorakten woanders verteidigen zu können. Und Innenminister sollten nicht ständig schärfere Gesetze fordern, sondern dafür sorgen, dass die betrauten Ämter bestehende Regelungen auch umsetzen können.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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