Müder Kick

Geschrieben von: am 15. Mai 2018 um 19:28

Quelle: Heiko Maas via Twitter

Das wird man noch in den Geschichtsbüchern nachlesen können. Bundesaußenminister Heiko Maas hat einen wichtigen diplomatischen Erfolg erzielen können. Hajo Seppelt darf zur WM nach Russland reisen. Eine Breaking News natürlich, die die Zuschauer im Stadion umgehend aus jener Lethargie befreit, in die sie sich durch das Verfolgen langweiliger Haushaltsdebatten begeben mussten. Steht nun eine schnelle Entscheidung an? Nein, der Russe wehrt sich noch.

Hajo Seppelt soll, sofern er denn russischen Boden betritt, durch ein Ermittlungskomitee befragt werden. Er würde dann als Zeuge in einem Strafverfahren gegen den Ex-Chef des Moskauer Anti-Doping-Labors Grigori Rodschenkow vernommen. Das ruft natürlich die Experten des ARD-faktenfinders auf den Plan, die Seppelt nun im Visier der russischen Propaganda sehen und damit einmal mehr offenbaren, dass es ihnen nicht um Fakten, sondern um plumpe Meinungsmache geht. Eine Nummer kleiner geht es in der aufgeheizten Gemengelage halt nicht mehr.

Verbales Ballgeschiebe

Schnell wird noch Mittelstürmer Udo Lielischkies (Leiter des ARD-Studios in Moskau) auf den Platz geschickt, doch sein Abschluss wirkt eher stümperhaft: „Journalisten, die für regierungsnahe und staatliche Fernsehsender arbeiteten, hinterfragen die Position des Kreml nicht, sondern verstehen sich als dessen Vertreter und als Patrioten ihres Landes“, sagt er. Ein Foulspiel? Na ja, zumindest eine erstaunliche Feststellung für jemanden, der sich doch erst kürzlich bei einer Reise nach Armenien darüber wunderte, dass Russland, obwohl es doch Revolutionen in seinem Einflussbereich hasse, bisher so zurückhaltend reagiert habe.

Die Akteure handeln also gewohnt verbissen. Hüben wie drüben, um bei der Sprache des passenden Fußball-Kommentators zu bleiben. Verwunderlich ist dann aber doch, dass Lielischkies Einwand quasi als eine Art Entlastungsangriff dienen soll, um das per Videobeweis belegbare, eher unrühmliche Verhalten Seppelts bei einem Zweikampf an der Seitenlinie zu erklären. Weil die bösen Russen eben pausenlos provozieren und bedrängen würden, könne man schon mal die Nerven verlieren, so Lielischkies Auffassung. Heißt: Seppelt solle bitteschön wie Ribery auch, bei einer Tätlichkeit mit Nachsicht, statt der fälligen roten Karte behandelt werden.

Bleibt die Frage, ob Lielischkies etwa das Fußballregelbuch neu schreiben möchte? Da mag sich jetzt jeder selbst seinen Teil zu denken, in jedem Fall bestätigt doch solch eine Haltung das Vorhandensein von klaren Feindbildern, die eigentlich nicht in eine sportliche Auseinandersetzung hineingehören. Es ist ja auch politisch, wie der Sportjournalismus immer wieder tönt, weil er ja permanent um Anerkennung der Kollegen aus den anderen Redaktionen ringt. Leider wachsen unter diesen traurigen Voraussetzungen meist auch merkwürdige Dinge heran, wie „gute“ und „schlechte“ Verschwörungstheorien. Einer vermeintlich guten hängt wohl auch Seppelt an.

Beweis und Behauptung

Wie Kollege Tobias Riegel auf den NachDenkSeiten berichtet, hat das Internationale Sportgericht in Lausanne (CAS) festgestellt, dass die Aussagen des Kronzeugen Rodtschenkow zu großen Teilen auf Hörensagen beruhen, also vor Gericht weitgehend wertlos seien, was wiederum die journalistischen Leistungen Seppelts, der sich bei seinen Recherchen auch auf Rodtschenkow beruft, eindeutig relativiert. Seppelt täuscht beim faktenfinder nun allerdings eine bemerkenswerte Offensivaktion an.

Die Russen hätten im Übrigen recht, betont Seppelt, „wenn sie behaupten, dass in Einzelfällen die individuelle Verantwortung von Athleten nicht bewiesen werden konnte. Doch darum ging es auch nie bei den Ermittlungen im Auftrag der WADA. Belegt wurde die systematische Vertuschung – dass positive Proben eben verschwanden. Und wenn positive Proben verschwinden, ist es auch schwierig, das konkrete Doping im Einzelfall nachzuweisen.“

Eine glasklare Schwalbe oder? Seppelt fordert immer noch einen Elfmeter und die rote Karte für Gegenspieler, die einen Regelverstoß im Strafraum begangen haben sollen, der sich nur leider nicht beweisen lasse. Seppelt gibt also zu, gar nichts weiter in der Hand zu haben, außer der allgemein bekannten Tatsache, dass im Spitzensport systematisch vertuscht und gedopt würde. Was für eine grandiose Leistung. Da klar ist, dass Seppelt mit dieser spielerischen Vorstellung eher dritt- als erstklassig agiert, lenkt er das Schiedsrichtergespann und die mittlerweile gelangweilten Zuschauer mit einer Diskussion um Verstöße gegen die Pressefreiheit vom eigentlichen Spielgeschehen ab. Nun ja, es droht Verlängerung.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jörg Wiedmann  Mai 15, 2018

    Ob sich Seppelt unter dieser Bedingung überhaupt nach Russland traut möchte ich doch ein wenig in Zweifel ziehen. Denn sollte Seppelt unter Eid aussagen müssen, kann es ganz schön eng werden. :-)

  2. name  Mai 16, 2018

    Also ich finde dann doch, dass es eher Kreisklassen- oder Straßenmannschaftsniveau war. Ansonsten sehr guter Artikel. :D