Das Schaubild Scholz

Geschrieben von: am 02. Mai 2018 um 15:53

Quelle: phoenix Übertragung Bundespressekonferenz am 02.05.18

Hätte der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble eine Finanzplanung vorgelegt, in der die öffentlichen Investitionen sinken, wäre natürlich auch ein kurzer Aufschrei zu hören gewesen. Dieser hätte aber der sonderbaren Bewunderung nichts anhaben können, die Schäuble umgab, weil er doch die Schwarze Null verteidigte. Nun versucht Olaf Scholz seinem Vorgänger nachzueifern. Vermutlich, weil auch er bewundert werden möchte, denn vernünftig ist seine Haushaltspolitik ebenso wenig, wie die von Wolfgang Schäuble.

Eine lange Nacht des Anschweigens und Orangenschälens brachte den Sozialdemokraten das Finanzministerium ein. Ein Erfolg, wie die Verhandlungsführer immer wieder betonten. Eine Gruppe junger Sozialdemokraten im Bundestag legte sogar ein neues Positionspapier vor, in dem sie eine Abkehr von der Schwarzen Null und im Gegenzug deutlich mehr öffentliche Investitionen forderten. Doch der Finanzminister denkt gar nicht daran, etwas zu verändern. Dafür hat er auch die Rückendeckung der neuen Parteivorsitzenden, Andrea Nahles, die es ablehnt, aus Profilierungsgründen das haushaltspolitische Prinzip der Schwarzen Null infrage zu stellen.

Belastende Naivität

Ein haushaltspolitisches Prinzip ist die Schwarze Null aber mit Sicherheit nicht, sondern ein fataler Irrweg, der die Kosten in Gegenwart und Zukunft immer weiter in die Höhe treibt. Es ist ja nicht so, dass der gigantische Investitionsstau der letzten Jahre auch nur ein Stückweit kleiner geworden wäre. Im Gegenteil. Wer Schulen, Brücken und Krankenhäuser heute weiter verlottern lässt, muss morgen noch viel mehr Geld für deren Instandhaltung oder Erneuerung in die Hand nehmen oder den Menschen erklären, dass sie entweder auf Infrastruktur verzichten oder privat selbst finanzieren sollen. Möglicherweise arbeitet der Bund auf letzteres unter dem Schlagwort ÖPP weiter gezielt hin.

Scholz wird jedenfalls keine Bewunderung für die Fortsetzung des Schäuble Kurses ernten. Immer mehr Menschen beginnen zu begreifen, dass die Schwarze Null eine sehr viel größere und konkretere Belastung für sie persönlich darstellt, als Schulden, denen man per se immer etwas Verwerfliches andichtet. Die Rechnung, Schäubles Ansehen einfach zu übernehmen, kann daher nicht aufgehen. Erstens, weil es schon immer total unangebracht war und zweitens, weil die Sozialdemokraten nicht ernsthaft den Zuspruch aus Medien, Politik und Wirtschaft erwarten können, den Schäuble wie selbstverständlich genoss. Sollten Scholz und Nahles darauf spekulieren, wäre das ein weiterer Beleg für ihre grenzenlose Naivität.

Es klingt ja so verlockend richtig, wenn gesagt wird, dass es doch vernünftig sei, in wirtschaftlich guten Zeiten keine neuen Schulden anzuhäufen. Die SPD-Vorsitzende im O-Ton: „In guten Zeiten keine neuen Schulden zu machen, ist ein Gebot der Vernunft.“ Klar. Die vielen privaten Häuslebauer handeln demnach auch total unvernünftig, weil sie aufgrund günstigster Kreditfinanzierungsbedingungen plötzlich auf die Idee kommen, in Eigentum zu investieren. Im Übrigen hat auch der Bundesfinanzminister durch die niedrigen Zinsen profitiert und teure alte gegen neue günstigere Schulden eingetauscht. So hat allein der Bund seit Ausbruch der Finanzkrise 162 Milliarden Euro beim Schuldendienst eingespart.

Die Finanzkrise und deren Folgen hat die Schwarze Null, die wiederum für den Ruin halb Europas verantwortlich ist, somit erst ermöglicht. Nach Neunullenminister Olaf Scholz bleibt sie auch künftig ein reiner Selbstzweck, wie die alberne und vom Vorgänger übernommene Äußerung, nur auf Sicht fahren zu können, zeigt. Auf kritische Nachfragen der Journalisten wiederholte Scholz immer wieder das Mantra, das ausgeglichene Haushalte schließlich an erster Stelle stünden und fest vereinbart worden seien. So als wollte er sagen, dass der Begriff Investition, der im Koalitionsvertrag gefühlte tausendmal vorkommt, nur als nettes Füllwort diente, um so etwas wie eine andere Fiskalpolitik aus Zustimmungsgründen bloß anzutäuschen.

Sparen für die Rüstung?

Dabei waren die Absichten schon vorher klar. Wer sich zu Schwarzen Nullen und Schuldenbremsen bekennt, auf Steuererhöhungen im Gegenzug verzichtet, sogar an Entlastungen (Soli) denkt und dennoch größere Investitionen ankündigt, hat zwangsläufig ein mathematisch logisches Problem, das nur durch ein schlichtes Kürzen von Ausgaben zu lösen ist. Man kann natürlich auch auf eine weitere Erhöhung der Einnahmen hoffen, wie Scholz das tut. Das ist allerdings im gegenwärtigen Umfeld eines weltweit schwelenden Handelsstreites und der anhaltenden Förderung der Abhängigkeit vom Export sehr optimistisch gedacht. Vernünftiger wäre es, entsprechend Vorsorge zu betreiben und einen Plan vorzulegen, wie die Investitionstätigkeit deutlich erhöht werden kann, um das schädliche Ungleichgewicht in der Leistungsbilanz und damit die Abhängigkeit vom Export zu beseitigen.

Bleibt hingegen alles beim Alten, muss der Minister Kürzungen vornehmen, gerade dann, wenn die Wirtschaft einbrechen sollte oder wenn er die unerhörten Ausgabenwünsche des Verteidigungsressorts zum Beispiel erfüllen will. Um diesen zwingenden Automatismus zu verwischen, werden natürlich Nebenkriegsschauplätze eröffnet. Die Verteidigungsministerin und Teile der Union tun öffentlich so, als hätte die Abteilung für Aufrüstung gar nicht so viel abbekommen. Für sie gilt: Mehr ist noch lange nicht genug. Die gespielte Empörung ist allerdings als Hilfe für Scholz gedacht, damit der sich bei seinen eigenen Leuten noch blicken lassen kann. Doch wer genau hinsieht, erkennt, dass der Etat für Verteidigung sukzessive wächst, was auch von der SPD im Koalitionsvertrag ausdrücklich so unterschrieben worden ist.

Gleichzeitig wird der Blick auf die Sozialausgaben gerichtet, weil diese ebenfalls steigen und zwar, oh Schreck, schneller als das Bruttoinlandsprodukt. Das treibt wiederum die Unterbelichteten bei FDP, AfD und anderen auf die neoliberale Statistikpalme. Wer sich allerdings die Mühe macht, die Sozialleistungsquote zu recherchieren, wird feststellen, dass diese über Jahre hinweg konstant unter 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt. Vielmehr zeigt die Entwicklung, dass die sozialen Sicherungssysteme selbst bei Leistungsverbesserungen und fortgesetztem Lohndumping immer noch stabil arbeiten und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands eben nicht überfordern, wie laufend von gelben, blauen und schwarzen wie auch gelegentlich von roten und grünen Quatschköppen behauptet wird.

Sie alle ergötzen sich vermutlich allesamt am Schaubild des Tages, das Scholz heute stolz in die Kameras hielt. Ein sinkender Schuldenstand bis 2019. Dann will er die Maastrichtquote von 60 Prozent des BIP endlich wieder einhalten. Wofür auch immer das gut sein soll. Die halbe Welt lacht derweil über eine solch dämliche Haushaltspolitik, die nichts Wichtigeres kennt, als den Schuldenstand zu reduzieren, statt in die eigene Zukunft zu investieren. Aber eines stimmt. Es geht bergab. Wie auf dem Schaubild dargestellt.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Hartmut Schwarz  Mai 2, 2018

    Es bleibt wie es ist…den Hinweis könnte man …wenn es nicht langsam langweilig werden würde als Textbaustein setzen.
    Die wirkliche Gefahr für unsere Zukunft geht tatsächlich vom ÖPP aus, an dem Nahles und Scholz festhalten.
    Wir können davon ausgehen, dass die Wirtschaft eine kleine Verschnaufpause einlegen wird, die Anzeichen sind erkennbar.
    Und mit dem Wissen ! legt Scholz noch eins drauf, dabei könnte er mit Öffentlichen Aufträgen die Wirtschaft bald stützen müssen. Neoliberalnahles Segen hatte er schon vorher. Bleibt noch Scholzens Supergoldman, weiche Rolle er in diesem elendem Spiel wohl einnimmt ? Oder hat Goldman übernommen ?? Die Frage sei erlaubt !
    Sind das alles Nachwehen der Washingtonreise Schröders und Fischers, dem Jugoslawienkrieg und Clintonswahlhilfe für diese beiden ??

  2. Matti Illoinen  Mai 3, 2018

    Mein Urgroßvater, hat ein Déjà-vu, genau wie in den 20ziger und 30 Jahre, Deutschland den Reichen, und immer mehr Verarmung führten zu den Aufstieg zur NSDAP. Das so „erpresste Geld“ wurde für die Rüstungsindustrie benötig und der Faschismus zeigte seine hässlichste Fratze.

    Heute so viele Jahrzehnte danach, verarmen immer mehr Menschen in diesem Land, weil wieder das Geld für die Rüstungsindustrie benötigt wird. Auch heute wieder „Deutschland den Reichen“ der Unterschied zu damals, leben wir ja angeblich in einer „Demokratie“ wenn das so sein sollte, dann ist diese Demokratie noch viel schlimmer, als die Diktatur.
    Theodor W. Adorno, 1959:
    „Ich möchte nicht auf die Frage neonazistischer Organisationen eingehen. Ich betrachte das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie. Unterwanderung bezeichnet ein Objektives; nur darum machen zwielichtige Figuren ihr come back in Machtpositionen, weil die Verhältnisse sie begünstigen.“

    Mein Großvater hat Recht! Mit AfD, haben wir wieder einen „Wolf im Schafspelz“ im Bundestag sitzen, diese Partei ist noch Neoliberaler als alle anderen Parteien zusammen je waren und sind. Heute wird ja schon wieder gefordert, Arbeitsdienst, dezentrale Arbeitshäuser, nennt man ja beschönigend Hartz IV und für Suppenküchen erfand man das Wort „Tafeln“ Die Verantwortlichen werden solange mit ihrer Neoliberalen Politik weiter machen, wohl wissend, dass nach Ihnen dann bestimmt mit der AfD ein weiteres regieren möglich ist. Irgendwann, werden dann die Gewerkschaften verboten, Medien werden gleich geschaltet und dann…..?

  3. Hartmut Schwarz  Mai 3, 2018

    …wir brauchen keine AFD, richtig ! Die SPD genügt voll und ganz.
    Was die SPD mit der Agenda 2010 beim Kleinen Volk angerichtet hat, war und ist, schlimm genug.
    Und es geht nicht nur weiter so…nein, da wird wohl noch ein Gang zugelegt….auch das alles mit dem Urton der Überzeugung, alles richtig für das Wohl des Volkes zu machen und beschließen….was für eine Selbstgefälligkeit !
    Das sage ich als Großvater.
    Und den Enkelkindern gebe ich auch meine Wahrheiten mit auf den Weg…und deshalb wird die AFD nicht zum Regieren kommen !