Mehr Geld ausgeben!

Geschrieben von: am 16. Jan 2018 um 11:50

Eine linke Sammlungsbewegung über Parteigrenzen hinweg kann nur funktionieren, wenn sie eine Idee entwickelt, hinter der sich alle versammeln können und die gleichsam populär ist. Eine Kampagne zum Ende der Schwarzen Null und für mehr öffentliche Investitionen könnte so ein Ansatz sein. Dafür müsste man den Menschen aber klarmachen, dass das Festhalten an Schwarzen Nullen und Schuldenbremsen zutiefst irrational und schädlich ist.

Wie schädlich die Schwarze Null ist, kann jeder inzwischen besichtigen. Kaputte Straßen und Brücken, marode Schulen und eine verwaiste öffentliche Verwaltung, die den gigantischen Investitionsstau von mittlerweile über 100 Milliarden Euro gar nicht mehr allein bewältigen kann, gehören zur Wirklichkeit eines an sich sehr reichen Landes, das sich über Jahre hinweg die öffentlichen Investitionen spart. Der angerichtete Schaden ist also für alle sicht- und spürbar, in Deutschland und in Europa sowieso.

Schuldenbremse ist teurer als neue Schulden

Eine zentrale Herausforderung für eine linke Bewegung könnte daher eine Kampagne zum Erhalt und zum Ausbau der öffentlichen Infrastruktur sowie der Daseinsvorsorge sein. Es müsste ein klares Nein zu weiteren teuren Privatisierungen formuliert werden, die immer häufiger als eine Art letzter Ausweg gelten, während auf der anderen Seite der ausgeglichene Haushalt und das Einhalten einer absurden Schuldenbremse gefeiert wird. Es ist aber die Aufgabe des Staates, die Verkehrsinfrastruktur, öffentliche Gebäude und das Bildungssystem zu modernisieren und zu ökologisieren.

Die Zinsen sind null oder nahe Null, was bedeutet, dass auch die Finanzierungskosten von Investitionen viel niedriger sind, als das früher der Fall war. Es ist daher auch absolut lächerlich, jetzt keine neuen Schulden zu machen. Das muss endlich zur klaren Botschaft erhoben werden, um der haltlosen Angstkampagne vor steigenden Schulden etwas entgegenzusetzen. Wer in die öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge investiert, schafft Vermögenswerte und Strukturen, von denen künftige Generationen ganz konkret profitieren. Nicht die öffentlichen Schulden werden zu einer Belastung, sondern die unterlassenen Investitionen. Das ist jetzt schon erkennbar.

Die Logik nutzen

Die linke Kampagne muss also die Forderung, mehr Geld auszugeben, offensiv und selbstbewusst vertreten. Die Logik ist auf ihrer Seite, da es einen Schuldenabbau, wie er dogmatisch von den Neoliberalen zu jeder Zeit gepredigt wird, niemals geben kann. Ein Schuldenabbau bedeutet, dass der Staat zusätzlich spart. Nur wenn eine Volkswirtschaft schon zu viele Ersparnisse hat (was auch an den dauerhaft niedrigen Zinsen erkennbar ist), weil Unternehmen und Privathaushalte selber sparen, vergrößert das zusätzliche staatliche Sparen ein buchhalterisches Problem. Denn für die vielen Ersparnisse auf der einen Seite muss es spiegelbildlich eine Gegenposition in Form von neuen Schulden geben. Das ist simple Logik.

Deutschland ist allerdings mit Blick auf die eigene Saldenmechanik ein Weltmeister im Verdrängen. Es werden laufend Schwarze Nullen geschrieben und bejubelt, die nur dazu da sind, im Jahr 2020 die Bedingungen der Schuldenbremse zu erfüllen. Gleichzeitig steigt die Verschuldung des Auslands immer weiter an, dem man dann idiotischerweise auch noch vorwirft, zu hohe Defizite anzuhäufen. Kanzlerin Merkel redet einfach blanken Unsinn, wenn sie behauptet, jeder müsse oder könne wettbewerbsfähiger werden. Das geht logisch einfach nicht. Trotzdem plappern es die meisten Politiker und Journalisten einfach nach, so als gelte die Schwerkraft für sie gerade nicht.

Neoliberale Schlagworte entzaubern

Eine linke Bewegung darf folglich auch nicht auf die neuen Schlagworte der neoliberalen Propaganda hereinfallen. Zurzeit ist viel von einer Digitalisierung die Rede. Ein echtes Schreckgespenst. Dabei nimmt die Produktivität gegenwärtig viel langsamer zu als früher (siehe Bundeswirtschaftsministerium). Die Aufregung um eine Digitalisierung, die angeblich für Probleme in der heutigen wie auch der künftigen Arbeitswelt sorgen könnte, ist daher völlig absurd. Das Gerede über Digitalisierung muss somit als neue neoliberale Angstkampagne bezeichnet werden, die nur den Zweck erfüllen soll, die Menschen ein weiteres Mal auf unangenehme Reformen vorzubereiten.

Das Gleiche hatte man zu Beginn der 2000er Jahre mit der Dramatisierung des demografischen Wandels und dem Schlagwort Globalisierung versucht. Das Ergebnis war die Agenda 2010 und damit der Anfang vom Ende der Sozialdemokratie. Doch sowohl der demografische Wandel als auch die Globalisierung und jetzt die Digitalisierung sind überhaupt nichts Neues. Sie gab es schon immer und vor allem in einem viel stärkeren Ausmaß, als das in der heutigen Zeit, in der das plötzlich ein riesiges Problem sein soll, der Fall ist. Die linke Sammlungsbewegung hätte also viel zu tun und Aufklärungsarbeit zu leisten, wenn sie denn erfolgreich sein will.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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