Wie ein Kaffeekränzchen für Aufsehen sorgt

Geschrieben von: am 27. Jun 2017 um 12:56

Das ärgert natürlich die SPD, dass Kanzlerin Merkel quasi beim Kaffeekränzchen das bislang strittige Thema „Ehe für alle“ für völlig unproblematisch erklärt und auch noch behauptet, die Sozialdemokraten hätten es nie ernsthaft verfolgt. Da widerspricht Vizekanzler Sigmar Gabriel in der Bundespressekonferenz und hält ein Schreiben hoch, welches das Gegenteil beweisen soll. Jetzt will die SPD, die in voller Mannschaftsstärke angetreten ist, die Abstimmung über die „Ehe für alle“ erzwingen, liest man überall. Stimmt aber gar nicht. Die SPD wird die Bundesregierung bloß auffordern, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, wetten? Damit bleibt die SPD dann auch bei ihrer bisherigen Feigheit und natürlich GroKo-kompatibel.

(Edit: Die SPD-Abgeordneten Marco Bülow und Cansel Kiziltepe wollten zunächst einen eigenen Gruppenantrag im Rechtsausschuss am Mittwoch einbringen, den haben sie aber inzwischen wieder zurückgezogen, nachdem die SPD-Fraktion klargestellt hat, für einen von drei vorliegenden Gesetzentwürfen zu stimmen. Das wird der Entwurf des Landes Rheinland-Pfalz aus dem Bundesrat sein. Der Rest des Textes bleibt so stehen.)

Was für ein Kasperletheater heute in der Bundespressekonferenz. Man fühlte sich an den Sommer 2013 erinnert, als Merkel der SPD in einem Interview totale Unzuverlässigkeit in der Eurokrise vorwarf. Damals waren die Sozialdemokraten auch empört und sprachen von Äußerungen, die Brücken zerstören könnten. Steinbrück war sogar so dumm, auch noch aufzuzählen, was man doch alles verlässlich an der Seite der Union mit beschlossen habe, obwohl doch Schwarz-Gelb regierte. So viel war dann doch nicht kaputt. Diesmal ist es die „Ehe für alle“, die als Sau durchs Dorf getrieben wird, um Wahlkampf zu simulieren.

Dabei ist das Merkel-Manöver nicht nur mit Seehofer, sondern vermutlich auch mit den Seeheimern abgesprochen, es kostet die Union ja auch nix. Die SPD kann vor der Wahl noch einmal einen vermeintlichen Erfolg gegen die Union verkünden und die letzten Abstimmungen vergessen machen, die allesamt gegen die eigenen Überzeugungen gerichtet waren. Sie möchte ihren Kritikern auch zeigen, dass es sich eben doch lohne, in einer Großen Koalition zu sein. Es reichten aber schon ein paar Fragen der Journalisten aus, um das Theater der GroKo zu entlarven. So habe Thomas Oppermann heute beim Koalitionsfrühstück einen Vorschlag unterbreitet, der von der Union zunächst abgelehnt worden sei. Was für ein Scheiß.

Natürlich will die SPD die Koalition auch nicht platzen lassen, wie Schulz und Gabriel mehrfach betonten. Aber das muss sie mit ihrem sparsamen Antrag dann auch gar nicht. Die SPD will sich nur gegen den Eindruck wehren, auf Merkels Erlaubnis angewiesen zu sein. Klappt aber nicht, wenn man ständig die eigene Feigheit als Verlässlichkeit verkauft. Merkel belohnt die Nibelungentreue der SPD eben nicht, sondern macht das, was sie immer macht. Sie setzt sich selbst an die Spitze der Bewegung und sammelt im Rahmen einer Plauderstunde die Sympathiepunkte ein. Sie spricht von eigenen Erfahrungen und gereiften Überlegungen. Ach wie toll. Der mürrische Gabriel hat dagegen nur ein aufgesetztes Schreiben, das er in die Kamera halten kann.

Nützen wird das Manöver daher auch nur der Union, die ein hübsches aber in der Sache eher belangloses Wahlkampfthema aus dem Schaufenster der anderen genommen hat und damit alle Koalitionsoptionen weiter in der Hand behält. Die SPD kann sich wieder über asymmetrische Demobilisierung beschweren und hofft wohl, einer Debatte um ihr eigenes Programm, das nur zur Fortsetzung der Großen Koalition taugt, aus dem Weg zu gehen. Es ist ja auch peinlich, ein Steuerkonzept zu verteidigen, dass eher die Besserverdienenden begünstigt und für ein Rentenkonzept zu werben, dass den katastrophalen status quo konserviert, statt Altersarmut wirksam zu bekämpfen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Derweg  Juni 27, 2017

    An dieser Stelle möchte ich hinzufügen, dass dieses Manöver für eine andere Partei viel schlimmere Auswirkung hat und zwar für die Grünen. Denen hat Merkel jetzt ihren letztverbliebenen Zahn gezogen. Womit wollen die noch Wahlkampf machen? e-Mobilität hat sich ja nach der Kretzschmannschelte ebenfalls erledigt und im Rest sind die Grünen ununterscheidbar zu den anderen im Neolib-block.

    Ich glaube, das Theater war das Startzeichen dafür die Grünen aus dem nächsten BT zu halten.

  2. Hartmut Schwarz  Juni 27, 2017

    Wie kann es sein, dass die SPD sich IHR Thema : Ohne Ehe für alle sind wir k e i n Koalitionspartner für die CDU ! – Im Handstreich wegnehmen läßt ?? Es wäre schwer vorstellbar von der SPD zu denken : Die seien zu deppert und Merkel zu clever. – Einfacher wäre zu denken, dass die von einigen wenigen Medienfamilien gelenkte Presse genau diesen positiven Effekt für Merkel schreibt und die SPD unbeholfen da stehen läßt. Vermutlich ist genau da etwas richtiges dran. /// Und was wenn sich die SPD Politprofis doch so ungeschickt angestellt haben ???

  3. Rauschi  Juni 28, 2017

    Kann mich bitte mal jemand aufklären, was sich wirklich ändert mit diesem Gesetz? Rechte und Pflichten sind auch bei eingetragenen Partnerschaften schon vorhanden. Worum geht es denn jetzt noch?
    Der eigentliche Skandal ist irgendwie niemandem aufgefallen. Muss die Kanzlerin das erst explizit sagen, das die Abgeordneten nach Ihrem Gewissen entscheiden dürfen? Steht es nicht exakt so im Grundgesetz und sollte damit Standard sein? Da kann und darf es doch keinen Fraktionszwang geben, sonst ist das Parlament ein reiner Abnickerverein der Regierungsparteien. Ist das schon so normal, das niemand mehr merkt, das schon lange nicht mehr Demokratie drin ist, wo es drauf steht? Das beste Statement kam von Ramsauer, der meinte, „er wolle dieses Thema nicht im Bundestag sehen“, wenn das nicht ein Ausdruck für seine Verachtung der Demokratie ist, was denn dann?

    Gruss Rauschi

    • André Tautenhahn  Juni 28, 2017

      Die formale Gleichstellung hat für die Betroffenen eine wichtige Symbolwirkung. Das muss man respektieren. Im Prinzip gibt es aber schon eine liberale Regelung. Das stimmt. Nur deshalb war und ist es eben auch grotesk, über vier Jahre lang ein solches Theater zu veranstalten, bei dem sich die SPD erst von der Opposition 30 Mal vorführen lässt und am Ende dann auch noch mal von Merkel. Einfach peinlich.

      • Rauschi  Juni 28, 2017

        Klar ist das peinlich, zumal die Forderung zuerst von den Grünen kam, dann ist die FDP aufgesprungen und nun auch noch die SPD.
        Aber meinen anderen Fragen sind wohl untergegangen:
        Muss die Kanzlerin das erst explizit sagen, das die Abgeordneten nach Ihrem Gewissen entscheiden dürfen? Steht es nicht exakt so im Grundgesetz und sollte damit Standard sein?

        • André Tautenhahn  Juni 28, 2017

          Die Diskussion um den Fraktionszwang ist müßig. Es gibt ihn laut Verfassung natürlich nicht, steht aber immer im jeweiligen Koalitionsvertrag drin. Abgeordnete sind daran aber nicht gebunden, halten sich aber trotzdem dran, weil sie dem Argument der Arbeitsfähigkeit folgen.

          Edit: Übrigens steht im Koalitionsvertrag auch drin, dass durch Gewissensentscheidungen der Fraktionszwang aufgehoben werden könne, weshalb die SPD auch meint, dass Ganze wäre nun kein Koalitionsbruch.

          • Rauschi  Juni 28, 2017

            Eben, das ist schon so sehr „normal“ geworden, das die Absurdität niemandem mehr auffällt. Die sind sogar so dreist und schreiben das in die Verträge rein?
            Das ist doch eine Bankrotterklärung für Überzeugungsarbeit, scheint veraltet, das Prinzip.
            Es scheint nur noch über echte Bürgerbeteilung möglich zu sein, die Demokratie oder was davon übrig ist,zu retten.
            Wann ist etwas müssig, wenn es sich eingebürgert hat, kann es nicht verändert werden?

  4. Hartmut Schwarz  Juni 28, 2017

    ..,.laden wir doch die Kanzlerinzum Kaffeekränzchen ein, vielleicht bekommt sie dann auch das Thema der EU – ErwerbsUnfähigskeits – Rente innerhalb einer Woche gebacken ! Innerhalb einer Woche, ohne Fraktionszwang, mit namentlicher Abstimmung. Das ist auch eine benachteiligte Minderheit.

    • Rauschi  Juni 28, 2017

      Das geht ja nur deswegen innerhalb einer Woche, weil es schon einen fertigen Gesetzentwurf gibt. Gibt es den für die EU Rente auch?

  5. Hartmut Schwarz  Juni 28, 2017

    Zeit genug hätte die Poliik gehabt den Zustand der EURente für die Betroffenen positiv zu Ändern…seit nunmehr acht Jahren versuche ich die Parteien zu bewegen etwas in Gange zu bringen in Sachen Rente. Versprecher gab es von Seiten der Politik. Bei der EURente tut sich nicht wirklich etwas, was den Zustand der der Unauskömmlichkeit in eine positive Richtung ändert. Die Politik ignoriert das Thema EURente. Frau Wagenknecht sprach in einer ihrer Reden im Juni von den Betrugsrenten der SPD, da kann ich ihr nur beipflichten. / Für die meisten meiner Bekannten, ist das Thema, Ehe für alle, so unwichtig, das sich gefragt wird, ob es da nicht wirklich etwas dringlicheres gibt !