Von wegen Durchbruch

Geschrieben von: am 11. Jan 2017 um 13:23

Der Gesetzesentwurf für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern wird von der zuständigen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) als Durchbruch gefeiert. Das neue Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit gebe Frauen konkrete Mittel zur Durchsetzung ihrer Ansprüche an die Hand. Das reiche bis hin zur Klage vor Gericht, sagte die SPD-Politikerin im ARD-Morgenmagazin. Das wird in der Praxis wohl kaum funktionieren. Ein echter Durchbruch wäre es hingegen, das Arbeitnehmerdisziplinierungsinstrument Hartz IV endlich abzuschaffen.

Ich will nicht falsch verstanden werden. Die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern ist ein wichtiges Thema und muss beendet werden, allerdings tut die Ministerin gerade so, als sei es für die Beschäftigten, egal welchen Geschlechts, ganz einfach, mit ihrem Vorgesetzten in einer gewohnten Art und Weise über eine angemessene Lohnhöhe zu verhandeln. Die Ministerin tut so, als liege es bisher nur an fehlenden Informationen, auf die Betroffene nun aber zurückgreifen können, um ihren Anspruch erfolgreich zu vertreten.

Es mag vielleicht Einzelfälle geben, bei denen das neue Gesetz etwas bewirkt, aber die meisten dürften sich mal wieder fragen, was hier eigentlich an Durchbruch so gefeiert wird. Wäre es zunächst nicht sinnvoller, etwas gegen die Auswüchse von Zeit- und Leiharbeit zu tun? Ach, da hat die SPD ja auch etwas geliefert. Arbeitsministerin Andrea Nahles legte kürzlich unter großem Tamtam ein Gesetz vor, dass Leiharbeitern nach 9 Monaten den gleichen Lohn zugesteht wie der Stammbelegschaft. Dabei hatte sie nur vergessen zu erwähnen, dass die meisten Leiharbeiter bereits nach sechs Monaten schon wieder ausgetauscht werden oder aber nach 18 Monaten Beschäftigungsdauer entlassen und nach drei Monaten „Aussetzphase“ wieder als Leiharbeiter eingestellt werden können.

Das zentrale Thema Erwerbsarmut hat die zuständige Arbeitsministerin natürlich auch behandelt und zuletzt mit der Vorstellung des regierungsamtlichen Armuts- und Reichtumsbericht auch schon wieder abgehakt. Die übliche Ressortabstimmung wird am Ende das bekannte Ergebnis liefern, Deutschland geht es gut. Doch das stimmt nach wie vor nicht. Ein Durchbruch wäre es daher, das endlich mal so anzuerkennen, gerade von Seiten der SPD, die sich zurzeit von der Union mit ein paar Fußfesseln wieder vorführen lässt. Und während sich die halbe Medienrepublik für den Namen eines Zählkandidaten im Rennen ums Kanzleramt interessiert, tröpfeln so beiläufig Versatzstücke des Wahlkampfprogramms in die weniger prominent platzierten Zeitungsspalten.

Da heißt es unter anderem vom SPD-Chef, er wolle Geld für Investitionen keinesfalls aus neuen Schulden bereitstellen, sondern genügend Einnahmen irgendwie aus der Besteuerung der Finanzmärkte und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung generieren. Das wäre aber ein recht dünnes steuerpolitisches Konzept, das die Frage nach der Finanzierung von notwendigen Aufgaben weiterhin unbeantwortet lässt. Eine Vermögensteuer? Fehlanzeige. Eine neue Erbschaftssteuer? Auch Fehlanzeige, da ein fauler Kompromiss bereits in dieser Legislaturperiode mit der Union vereinbart worden ist. Auch mit der SPD werden Reiche noch reicher (demnächst auch mit der Autobahngesellschaft) und der Rest immer ärmer.

Da wirkt ein Gesetz zum Abbau der Lohnungerechtigkeit schon reichlich komisch an. Vor allem auch vor dem Hintergrund schwindender Tarifbindung und Auslagerung von Beschäftigung an günstigere Servicedienstleister, die wiederum ihr Personal über Zeit- und Leiharbeitsverträge locker an sich binden. In diesen Betrieben verdienen vermutlich Mann und Frau schon gleich (schlecht) und akzeptieren es letztlich auch, weil in den Jobcentern noch mehr Menschen unter Androhung des Entzugs ihrer Existenzgrundlage darauf warten, jeden noch so schlecht bezahlten Job übernehmen zu müssen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. michael müller  Januar 12, 2017

    Ein echter Durchbruch wäre es hingegen, das Arbeitnehmerdisziplinierungsinstrument Hartz IV endlich abzuschaffen.

    Tja, dass können sie aber mit Gabriel an der Spitze vergessen, Herr Tautenhahn.Er ist bekanntlich ein Ziehsohn Schröder´s und ein verfechter dieser unäglichen Agenda 2010 Politik. Um nicht nur den Hartz IV Sanktionsterror, sondern die gesmte AGENDA 2010 mit Stumpf und Stiel abzuschaffen, bedarf es nicht nur einer erstarkenden Linken, sondern auch eines kompletten Neustart´s der verlorengegangenen Sozialdemokratie !
    Bedauerlicherweise herrscht meiner Meinung bezgl. AGENDA 2010 seit Jahren in der SPD ein Klima des „nichtmehrwissenwollens“!
    Die „rotlackierten Neoliberalen“ wie ich die heutige SPD zuweilen zu nennen pflege, wissen sehr genau, das ihr größtes Sozialstaatsabbauprogramm ihr eigentliches Kernproblem ist, auch wenn sie sich Mühe geben das Thema totzuschweigen. Das gilt im übrigen auch für die Mainstreammedien !!!

    Zur Erinnerung:
    Bis 1972 war die Zeit-&Leiharbeit in der BRD gesetzlich verboten !
    Im Grundsatzprogramm der SPD von 1989, steht explizit, das Zeit-& Leiharbeit zu verbieten ist !
    Als Frau Nahles Jusovorsitzende war, war sie eine vehemende Gegnerin der AGENDA 2010 !!!
    Ich Glaube, sie hat ihrer linke Gesinnung in dem Moment in die Tonne getreten, als sie ihr Ministeramt antrat.
    Als Eigenständige Partei ist die SPD, aus den bekannten Gründen, seit 2009 faktisch abgewählt.

    Ich bin äußerst skeptisch, ob mit dem derzeitigen Personal eine ernstgemeinte Sozialdemokratie möglich ist.

    In diesem Sinne, einen schönen Tag.