Brüderle: "Auf der Schnellstraße zur Vollbeschäftigung"

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Die neuen Arbeitslosenzahlen sind da. Das wissen sie wahrscheinlich schon seit gestern. Dem öffentlichen Orgasmus von Frau von der Leyen konnte man auch kaum aus dem Wege gehen. Aber haben sie auch den vorzeitigen Samenerguss des Rainer Brüderle mitbekommen?

Quelle: BMWi

„Nun ist es amtlich: Die Arbeitslosigkeit unterschreitet im Oktober die Drei-Millionen-Grenze. Wir befinden uns auf der Schnellstraße zur Vollbeschäftigung. Das ist ein Grund zur Freude. Der positive Trend ist keinesfalls eine Eintagsfliege, sondern stabil. Angesichts des Wirtschaftsaufschwungs bestehen gute Chancen, dass wir auch im kommenden Jahr im Jahresdurchschnitt weniger als drei Millionen Arbeitslose haben werden.

Der Arbeitsmarkt ist aktuell in der besten Verfassung seit der Wiedervereinigung. Es kommen immer mehr Menschen in Beschäftigung. Der deutsche Arbeitsmarkt entwickelt sich damit vom Sorgenkind zum Musterschüler.“

Medienschaffende werden vielleicht wissen, dass die Meldungen der Arbeitsagentur zu den monatlichen Arbeitsmarktdaten immer einer Sperrfrist unterliegen. Eine vorherige Bekanntgabe der Informationen ist daher strengstens untersagt. Natürlich wird das für von der Leyen und Brüderle, die fest an den Endsieg auf dem Arbeitsmarkt glauben, keine Folgen haben, denn Sinn dieser vorzeitigen Bekanntgabe war ja nicht, die Menschen über einen Sachverhalt aufzuklären, sondern vielmehr das eigene Image aufzupolieren.

Die Arbeitslosigkeit sinkt, aber nach wie vor gilt, dass anders gezählt wird. Wenn von der Leyen und Brüderle sowie sämtliche Medien, die den Quatsch der beiden einfach nachbeten, davon sprechen, dass man die niedrigste Arbeitslosenzahl seit der Wiedervereinigung gemessen habe, so ist das sachlich und fachlich einfach falsch. Es ist schlicht und ergreifend gelogen. In den Neunziger Jahren wurde ganz anders gezählt. Als arbeitslos galten damals auch noch jene erwerbslose Personen, die älter als 58 Jahre waren. Es gab auch keine Zwangsarbeit in Form von Ein-Euro-Jobs, die heutzutage nicht nur reguläre Beschäftigung verdrängt, sondern auch einen Beitrag zur Schönung der Statistik liefert. Was es auch nicht gab, waren Erwerbslose, die nur deshalb nicht als arbeitslos galten, weil sie durch private Vermittlungsagenturen betreut wurden.

Wer also die Arbeitslosenzahlen von heute mit denen von 1991 vergleicht, handelt nicht nur unseriös, sondern auch fahrlässig. Es soll ja noch Menschen geben, die den Blödsinn tatsächlich glauben, weil sie wie der Brüderle total besoffen über eingebildete Schnellstraßen heizen.

Wenn man aber die statistischen Tricks zusammenrechnet, kommt man auf einen realistischeren Wert, der um die vier bis fünf Millionen liegen dürfte. Laut statistischem Bundesamt suchen in diesem Land zudem weit mehr als acht Millionen Menschen eine neue Arbeit. Aber nehmen wir ruhig die knapp drei Millionen, die noch als arbeitslos gezählt werden. Auch bei dieser Jubelzahl könnten sich die mitjubelnden Medien einmal fragen, wie das mit der Vollbeschäftigung eigentlich klappen soll, wenn die Arbeitsagentur gleichzeitig meldet, dass nur 401.000 offene Stellen in diesem Land zur Verfügung stehen.

Sollen noch mehr Vollzeitstellen in Teilzeit, Mini- oder Midi-Jobs umgewandelt werden? Die kaum gewürdigten Zahlen der Arbeitsagentur sprechen jedenfalls dafür:

Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag im August nach der Hochrechnung der BA bei 27,98 Millionen; gegenüber dem Vorjahr war das ein Zuwachs um 436.000. Dabei hat die sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung im Vorjahresvergleich um 243.000 und die sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung um 190.000 zugenommen.

D.h., dass inzwischen rund 44 Prozent des Beschäftigungszuwachses auf prekäre Arbeitsverhältnisse entfällt. Ein Grund zum Jubeln ist das eigentlich nicht.

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Wortbrüche und beispiellose Klientelpolitik

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Da soll soch einer sagen, das hätte er nicht gewusst, als der- oder diejenige bei Schwarz oder Gelb ein Kreuzchen machte. Das schwarz-gelbe Minderheitenkabinett macht unverfroren weiter mit der ganz großen Klientelpolitik. Mit der demonstrativen Einäscherung der Idee, die Ökosteuersubvention für energieintensive Unternehmen abzuschaffen bzw. einzuschränken, löst sich der von Merkel lauthals ausgerufene „faire Ausgleich“ beim Sparwahnsinn zwischen Sozialkürzungen auf der einen und Belastungen für die Wirtschaft auf der anderen Seite endgültig in Luft auf. Inzwischen wurde jede ursprünglich als Belastung der Wirtschaft verkaufte Maßnahme, wie die Brennelementesteuer oder die Finanztransaktionssteuer auf bitten der Wirtschaft und der Hochfinanz willfährig begraben.

Die Sache mit der Rücknahme der Ökosteuersubvention hatte sich bereits angekündigt. Vor nicht einmal vier Wochen sprach die Kanzlerin auf einer Veranstaltung des Industrieverbandes BDI. Dessen Präsident Hans-Peter Keitel hatte geladen und in seiner Funktion als Cheflobbyist davor gewarnt, die Ausnahme von der Ökosteuer, die natürlich keiner der Beteiligten für eine streichbare Steuersubvention hält, einzuschränken. Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Die Kanzlerin war beeindruckt und reagierte in ihrer Rede sehr verständnisvoll auf die Bedenken der armen Industrie.

„Ich sage Ihnen zu, dass wir über diese Regeln noch einmal sprechen.

Es ist nicht unser Ansinnen, die guten Arbeitsmarktzahlen zu verschlechtern, indem wir an dieser Stelle etwas tun, was Arbeitsplätze kostet.“

Dafür kostet es nun die Raucher etwas, obwohl dass der Tabakindustrie nicht gefallen dürfte. Was ist eigentlich mit der Raucherlobby los? Kippen aus dem Hartz-IV-Regelsatz gestrichen und nun auch noch eine Erhöhung der Tabaksteuer. Bedrohen diese Maßnahmen etwa keine Jobs in der Zigarettenindustrie? Gegen einen weiteren absehbaren Einbruch beim Zigarettenabsatz muss man doch vorgehen und vielleicht jüngere Käuferschichten erschließen.

Da sollte die Lobby ansetzen und Kanzlerin Merkel mal einladen. Dann könnte das Werbeverbot kippen und der Marlboro Man auf den Bildschirm zur besten Sendezeit zurückkehren. Etwas modifiziert natürlich. Vielleicht mit Kindern. Das wäre doch eine tolle Aufgabe für Ursula von der Leyen, die mit einer Familienraucherkampagne gleichzeitig ihr Zensursula-Image ablegen könnte. Schließlich hat sie bei der Regelsatzfestlegung für Kinder bewiesen, wie viel sie für die Jüngsten in der Gesellschaft übrig hat.

Rauchen für den Anti-Terrorkampf, für die Gesundheit und nun auch für den Aufschwung. Einer gewissen Komik entbehrt das nicht. Allerdings habe ich mit Rauchern auch kein Mitleid und genau darauf spekuliert diese Regierung. Eine Erhöhung der Tabaksteuer lässt sich eben immer gut verkaufen, weil eine Mehrheit der Bevölkerung den Glimmstängel ablehnt. D.h. viele glauben, von einer Erhöhung dieser Steuer gar nicht betroffen zu sein. Das nun wiederum rechtfertigt das Vorgehen der Bundesregierung keineswegs. Man könnte jetzt natürlich viele Gründe anführen. Mir reicht aber einer. Und den sollten sie bei Gelegenheit ihrem FDP-Wahlkreisschnösel unter die Nase reiben:

Steuererhöhung = Wortbruch!

Da hilft dann auch nicht das Geschwafel von gesicherten Arbeitsplätzen oder die abermalige Verkündung der Aussicht auf baldige Sterersenkungen. Westerwelle und Brüderle wurden bis hin zu den Diskussionen um das Sparpaket in diesem Jahr nicht müde zu betonen, dass es mit ihnen keine Steuererhöhungen geben werde. In einem Interview mit der Welt meinte Westerwelle im Mai noch:

„Leider gibt es im Deutschen Bundestag sehr viele Abgeordnete, die mit Steuererhöhungen weniger Probleme haben als mit Ausgabeneinsparung.“

Und Westerwelle wird nun überraschenderweise auch zu den vielen Abgeordneten gehören, die weniger Probleme mit einer Steuererhöhung haben. Und Rainer Brüderle, der heute neben Schäuble sitzend, die frohe Botschaft mitverkünden durfte, meinte ebenfalls im Mai noch, auch in der Welt nachzulesen:

„Steuererhöhungen wird es mit der FDP nicht geben.“

Nun bin ich doch sehr erstaunt über die Verlässlichkeit der selbsternannten bürgerlichen Mitte, die mit ihren klaren und stabilen Verhältnissen für Abwechslung bei Worten und Taten sorgt, an der Kontinuität ihrer beispiellosen Klientelpolitik aber nichts ändert.

Aber das Lustigste kommt ja noch. Die Bundesregierung will also die Tabaksteuer erhöhen, um die inzwischen wieder hochprofitable Schwerindustrie weiter zu subventionieren. Da könnte man doch meinen, dass die Arbeitgeber von diesem Geschenk etwas an ihre Mitarbeiter abgeben und zum Beispiel die Löhne erhöhen. Schließlich ist doch Aufschwung XL und selbst der Brüderle fordert höhere Löhne. Aber Pustekuchen. So ziemlich alle Wirtschaftsvertreter haben bereits abgewunken. Keine Lohnerhöhungen. Aber keine Angst, auch dafür hat die schwarz-gelbe Pannenregierung eine Lösung. Steuersenkungen!!! Ein Leser der NachDenkSeiten bringt diesen politischen Irrsinn in einem kurzen Kommentar heute sehr treffend auf den Punkt.

„Der hochverschuldete deutsche Staat soll anstelle der hochprofitablen Konzernen die Lohnerhöhungen zahlen … sehr logisch …“

Und so schließt sich der Kreis. Denn von der eigensinnigen Logik der schwarz-gelben Regierung sind alle betroffen, ob sie nun rauchen oder nicht.

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G7 Treffen der Finanzminister

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Gestern noch in Berlin, heute schon in Seoul (Südkroea). Wirtschaftsminister Brüderle befindet sich noch immer auf der Überholspur. Wir erinnern uns. Brüderle ist nicht Finanzminister. Aber die FDP meinte, dass nach der Erkrankung Schäubles, mit dem Staatssekretär Asmussen kein Vertreter der Bundesregierung allein zum Gipfel reisen könne, der ein SPD-Parteibuch besitzt. Deshalb durfte der dümmste aller Minister Schäubles Platz einnehmen. Die Tatsache, dass Brüderle wie Schäuble und Steinbrück vor ihm sowie Hans Eichel nur ihr Gesicht in die Kameras halten und sonst nichts, sollte noch einmal betont werden. Jörg Asmussen trifft die Entscheidungen, die nunmehr Brüderle öffentlich vertreten darf.

Brüderle tut das wiederum mit stolz geschwellter Brust. Er ist ja auf der Überholspur. Gestern schrieb ich, dass der Wirtschaftsminister die Überholspur der Gegenfahrbahn nutzt und nicht kapiert, dass es dabei zu Zusammenstößen kommen kann. Heute gab es dann auch den Crash mit dem amerikanischen Finanzminister Timothy Geithner, der Deutschland zum wiederholten Mal vorwarf, eine falsche Finanz- und Wirtschaftspolitik zu betreiben. Deutschland solle seine Steuern erhöhen und den Konsum stärken, so Geithner.

Doof, wie der Brüderle nun einmal ist, wiederholte er auf internationaler Ebene genau den Quatsch, den er gestern zu Hause auch verkündete und setzte noch einen drauf. Im Zusammenhang mit dem vorgetragenen Einwand der Amerikaner warnte Brüderle vor einem Rückfall in die Planwirtschaft und vor planwirtschaftlichem Denken. Allein das wäre schon ein Grund für das Mutterland des Kapitalismus gewesen, in dem jeder Bürger grundsätzlich die Freiheit hat, Waffen zu benutzen, um sich zu verteidigen, den Brüderle bildlich gesprochen über den Haufen zu knallen.

Da will ein säuselnder deutscher Provinzpolitiker den großen Amerikanern erklären, wie die Weltwirtschaft funktioniert. Ausgerechnet die Deutschen, die die große Weltwirtschaftskrise im letzten Jahrhundert mit einem Schlägertrupp der Nazis bewältigt haben, während die Amerikaner Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung einer neuen Wirtschaftstheorie machten, die der Suffkopp Brüderle nun als planwirtschaftliches Denken diffamiert. Das ist schon der Gipfel der Hochnäsigkeit. Einfach nur widerlich und vor allem peinlich.

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Wansleben: "Kein Spielraum für Lohnerhöhungen"

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Der Running Gag des deutschen unternehmerischen Expertentums, DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben, meint heute, dass für Lohnerhöhungen im Aufschwung kein Spielraum da sei. Gestern in den Nachrichten stand er noch da und schwärmte wie ein unter Drogen stehender Parallelweltler von einem Wirtschaftsauschwung, wie er schöner nicht sein könne. Das musste er ja auch, weil Rainer Brüderle die DIHK-Position offenbar einfach übernommen hatte (siehe Wolfgang Lieb, NachDenkSeiten).

Martin Wansleben ist ein richtiger Turboleister, der für sich in Anspruch nimmt, wirtschaftspolitische Sachkompetenz zu besitzen. In diesem Zusammenhang kann man gar nicht oft genug betonen, dass Herr Wansleben als Mitglied des IKB-Beraterkreises, seine unglaublich weitsichtigen Fähigkeiten auch bei der ehemaligen Mittelstandsbank eingebracht hat, deren Rettung den Steuerzahler rund 10 Mrd. Euro gekostet hat. Warum die Medien mit Martin Wansleben noch immer eine sehr zweifelhafte Figur der jüngeren Wirtschaftsgeschichte zitieren, bleibt mir ein Rätsel.

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Brüderle auf der Überholspur

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Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle gibt mal wieder Gas. Mit Tempo 200 im Blindflug durch die Baustelle.

„Nach einer Zeit auf der Beschleunigungsspur fährt unsere Wirtschaft jetzt auf der Überholspur. Ein Wachstum wie dieses Jahr hat es seit dem Wiedervereinigungsboom bisher nur einmal gegeben. Der Aufschwung steht inzwischen solide auf zwei Beinen:“

Quelle: BMWi

Wenn nur Rainer Brüderle einmal solide und vor allem nüchtern auf zwei Beinen stehen würde. Ohne dauerhaften Alkoholkonsum würde Brüderle vielleicht erkennen, dass er zwar auf der Überholspur fährt, aber als Geisterfahrer auf der falschen Fahrbahnseite. Die Bundesregierung schätzt sich mal wieder durch die Gegend.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Fakt ist, dass die deutsche Wirtschaft aufgrund des wieder ansteigenden Außenhandelsbeitrags wächst. Aber selbst die Kaffeesatzleser gehen davon aus, dass diese Prosperität eine vorübergehende sein wird. Die Anzeichen für ein Abkühlen der Weltwirtschaft wurden bereits gesichtet. Nur braucht man dazu nicht in die Ferne blicken, sondern einfach in die aktuellen Lageberichte. Zum Beispiel in den Monatsbericht des Finanzministers vom Oktober 2010. Darin steht nun zu lesen:

Der Aufschwung in Deutschland setzte sich in den Sommermonaten fort, allerdings mit erheblich geringerem Wachstumstempo. Angesichts niedrigerer Zuwachsraten bei der industriellen Produktion ist für das 3. Quartal mit einem deutlich geringeren saisonbereinigten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu rechnen als im vorangegangenen Vierteljahr.

Nach verhaltenem Einstieg in das 3. Quartal hat sich die Wirtschaftstätigkeit in der Industrie zuletzt wieder deutlich erhöht. Die Dynamik ist aber viel niedriger als im Frühjahr. Die vorlaufenden Indikatoren wie beispielsweise das industrielle Bestellvolumen und die Stimmung in den Unternehmen signalisieren eine Fortsetzung des gesamtwirtschaftlichen Aufschwungs. Die voraussichtlich geringere Dynamik dürfte dabei auch auf die spürbare Verlangsamung des Wachstumstempos der Weltwirtschaft zurückzuführen sein.

Und auf das Wachstumstempo der Weltwirtschaft hat Deutschland bekanntlich keinen Einfluss. Obwohl unsere Regierung kräftig an dem Ast sägt, auf dem ihr Wachstum gerade hockt. Die Konjunkturprogramme. Brüderle verkündet den Ausstieg aus den Konjunkturmaßnahmen. Gleichzeitig übt die Bundesregierung in Brüssel Druck aus, dass auch andere Volkswirtschaften einen harten Konsolidierungskurs fahren. Da will der Geisterfahrer sein falsches Verhalten zur Regel machen und den Gegenverkehr zwingen, es ihm gleich zu tun.

Der Export geht also flöten. Das wissen alle, auch die Konjunkturforscher. Daher kömmt es einmal mehr auf die nicht vorhandene Binnennachfrage an. Sie entscheidet über Wohl und Wehe der Brüderleschen Weissagung. Laut Prognose der Bundesregierung soll die Arbeitslosenzahl im kommenden Jahr um 300.000 sinken. D.h. im günstigsten Fall glaubt die Bundesregierung an 300.000 neue Stellen, ob Vollzeit oder nicht, sei mal dahingestellt. Aber von den damit verbundenen zusätzlichen Einkommen, sofern vorhanden, und von den unterstellten üppigen Lohnerhöhungen bei den übrigen Beschäftigten sowie von den fünf Euro Aufschlag für Hartz-IV-Empfänger erwartet man, dass die Konjunktur nun richtig angekurbelt wird. Klar, und es bleibt sogar noch etwas übrig, damit die Bürger ihren Anteil zum Sparpaket leisten können.

Rechnen sie noch oder fahren sie bereits hinter Brüderle?

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Beschäftigungsrückgang im verarbeitenden Gewerbe

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Ebenfalls einen Tag nach der zusammen mit Brüderle abgefeierten Aufschwungparty, die die angeblich führenden fünf Wirtschaftsforschungsinstitute ausrichten durften, trägt nun auch das statistische Bundesamt mit harten Fakten zu dieser tollen Stimmung bei.

Meldung heute:

August 2010: 1,3% weniger Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe

Man fragt sich verwundert, wo die nur gelandet sind, um von dort aus den prognostizierten Kaufrausch zu finanzieren. Oder ob der Fachkräftemangel schon behoben ist. Besonders interessant ist der deutliche Rückgang in der Metallbranche. Also gerade jenem Wirtschaftszweig, den Rainer Brüderle jüngst zum Modell für gelungene Tarifpolitik erkoren hat, an dem sich andere Branchen ein Beispiel nehmen sollten.

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Leih- und Zeitarbeit nimmt zu

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Seit Wochen und Monaten verkündet der Bundeswirtschaftsminister den Aufschwung XL. Gerade gestern wieder, als die Wirtschafts“waisen“ ihr Herbstgutachten vorstellten. Vor allem der private Konsum sei zur Stütze der Konjunktur geworden bzw. soll zur Stütze im nächsten Jahr werden, wenn die erkannten Risiken in den Volkswirtschaften China und USA Realität werden sollten.

Dabei müssen wir gar nicht bis zum nächsten Jahr warten, um uns bestätigen zu lassen, dass der XL-Aufschwung doch nicht so toll war. Jeder kann sich ausrechnen, dass die Summe aus dem XXXXL-Einbruch im letzten Jahr (-4,7 %) und dem nun erwarteten Plus aus diesem Jahr (+3,5 %) immer noch ein negatives Vorzeichen trägt. Brüderle und die halbe Bundesrepublik freuen sich also über einen Anschlusstreffer kurz vor Schluss so, als hätten sie das Spiel haushoch gewonnen.

In Wahrheit aber gibt es nach wie vor einen Kapazitätsüberhang und damit auch einen Überhang an Beschäftigten. Dies bestätigt auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die immer wieder als positives Signal für den Aufschwung XL herangezogen wird. Was ich bei den Futurologen der Neuzeit immer wieder vermisse, ist doch ein nüchterner Blick auf die Gegenwart. In der Wirtschaftswoche liest man nun heute, einen Tag nach dem Gutachen, das besser den Namen „Versuch der Anwendung von Präkognition in der Konjunkturforschung“ heißen sollte, dass die Zahl der Leih- und Zeitarbeiter im August einen neuen Rekordstand erreicht habe.

Quelle: Wiwo

Im August beschäftigte die Branche 893.000 Mitarbeiter und eilt damit der Millionengrenze entgegen, die noch in diesem Jahr erreicht werden könnte. Dies geht aus dem aktuellen IW-Zeitarbeitsindex hervor, der wiwo.de vorliegt. Der Vorkrisenrekord von 823.000 Beschäftigten Mitte 2008 ist damit inzwischen um 70.000 Kräfte deutlich übertroffen. Von Juli zu August 2010 wuchs das Beschäftigungsvolumen um 4,8 Prozent.

Das, den Aufschwung XL begleitende, Jobwunder setzt sich also, nun auch statistisch nachgewiesen, vornehmlich aus einem starken Aufbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse zusammen. Damit boomt mit der Leiharbeit eine Branche, der die FDP und allen voran Bundeswirtschaftsminister Brüderle einen gesetzlichen Mindestlohn verweigert. Und das, obwohl die Leiharbeit die Stütze von Brüderles Aufschwung XL darstellt und er jüngst für höhere Löhne geworben hat.

Der zunehmende Aufbau prekärer Beschäftigung bedeutet nun aber eine Verschiebung des Konjunkturrisikos auf die Arbeitnehmer, die ja nach Brüderles und der Auffassung der Propheten, mit ihrem Einkommen für mehr Konsum sorgen würden. Dabei ist doch selbst in der bornierten Nutzenmaximierer-Modellwissenschaft der Homo-Oeconomisten klar, dass ein Individuum, auf dem das Risiko des Marktes abgeladen wird, keine Zukunftsinvestitionen tätigt, sondern sein Eigeninteresse gerade darin sieht, für den nicht unwahrscheinlichen Fall einer Arbeitslosigkeit vorzusorgen. Mit anderen Worten: Es wird SPAREN!!!

Vielleicht meinen die sog. Forscher und der Wirtschaftsminister mit einer Zunahme des Konsums aber auch Leute wie Herrn Georg Funke, Ex-Vorstand der HRE. Der klagt ja erfolgreich gegen seine Kündigung und darf sich nun berechtigte Hoffnungen auf mindestens zwei zusätzliche Monatsgehälter machen.

Quelle: Stern

In einem Zivilprozess gab ihm das Landgericht München I am Freitag bei seiner Forderung nach zwei Monatsgehältern Recht und sprach ihm einen Anspruch auf zusammen gut 150.000 Euro zu. Ob Funke auch Anspruch auf das Wiederinkrafttreten seines ursprünglich bis 2013 laufenden Vertrages und damit eine Millionensumme hat, soll ab dem kommenden Jahr geklärt werden.

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Rainer Brüderle fordert höhere Löhne

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Da reibt man sich verwundert die Augen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle fordert höhere Löhne für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Nach dem Tarifabschluss bei den Metallern sollten nun auch andere Branchen der Wirtschaft nachziehen.

„Wenn die Wirtschaft boomt, sind auch kräftige Lohnerhöhungen möglich“, sagte der FDP-Politiker dem „Hamburger Abendblatt“.

Quelle: SpOn

Brüderles Haltung ist in gewisser Weise nachvollziehbar. Er glaubt ja fest an einen Wirtschaftsboom, an dem dann auch alle partizipieren sollen. Der Vorwurf des Populismus ist aber allzu berechtigt. Denn wirklich ernst meint es der Minister nicht. In seiner Verteidigungsrede zum Einzelplan seines Ressorts in der Haushaltsdebatte vor einem Monat im deutschen Bundestag sagte Brüderle nämlich noch das:

Auch wenn jetzt die Lohnfindung im Aufschwung ansteht, muss das einzelbetrieblich bewertet werden. Manche Betriebe verdienen so gut, dass mehr drin ist. Bei anderen heißt es: mehr Maßhalten, damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren.

Quelle: Plenarprotokoll vom 16.09.2010

Das müsste dann doch auch den verschreckten Hundt vom BDA beruhigen, der wie immer davor warnt, die Löhne überhaupt zu erhöhen. Seiner Meinung nach sei die Krise ja noch nicht überstanden und das Risiko für die Unternehmen zu groß. Das sagt Dieter Hundt übrigens auch, wenn es gar keine Krise gibt. Dann könnten Lohnerhöhungen nämlich eine solche auslösen. Aber um den wirr bellenden Hundt geht es hier ja nicht, sondern um den gleichfalls wirren Rainer Brüderle, der zwar Lohnerhöhungen einfordert, aber vom gesetzlichen Mindestlohn überhaupt nichts hält.

Brüderle sperrt sich sogar dagegen, Lohnuntergrenzen, die einzelne Branchen selber ausgehandelt haben, für allgemeinverbindlich zu erklären. Das passt alles nicht zusammen und Gegner wie Freunde fragen sich, was im Kopf des Ministers eigentlich vorgeht.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

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Konjunkturdaten: Mal wieder zwischen Wunsch und Wirklichkeit

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Ich habe natürlich auch deshalb zwei Tage lang nix geschrieben, weil ich die offizielle Verlautbarung des statistischen Bundesamts zu den Einzelhandelsumsätzen von heute abwarten wollte und die neuesten Arbeitsmarktdaten von der Arbeitsagentur. Beide Meldungen widerlegen einmal mehr die auch diesmal wieder vorausgegangenen Jubelschreie über eine boomende Wirtschaft und angeblich brummenden Konsum.

Das statistische Bundesamt führt dabei mal wieder komplett in die Irre. Einzelhandelsumsatz im August 2010 real um 2,2% gestiegen heißt es in der Meldung von heute. Gemeint ist der Vergleich zum Vorjahresmonat August 2009. Dieser Monat war bekanntlich ein Krisenmonat, der schlimmste wenn ich mich nicht irre, in dem viele Menschen entweder keinen Job hatten oder in der Kurzarbeit zu entsprechend weniger Bezügen verharrten. Ein Vergleich ist daher nur zulässig, wenn man das Vorkrisenjahr 2008 miteinbezöge. Das tun die Statistiker natürlich nicht, weil man sonst sofort erkennen würde, dass es sich aktuell nicht um einen neuerlichen Kaufrausch handeln kann, sondern lediglich um eine Anpassung der Umsätze im Vergleich zum Einbruch im Krisenjahr 2009.

Ich habe die Meldung von damals natürlich wieder für sie herausgesucht und am 1. Oktober 2009 hieß es entsprechend verkartert:

Einzelhandelsumsatz im August 2009 real um 2,6% gesunken

Hier wird also keine Krise weggekauft, wie man Anfang der Woche in nahezu allen Medien unter der Schlagzeile „Kaufrausch“ nachlesen konnte, sondern lediglich ein katatrophal tiefes Niveau beim privaten Konsum beibehalten und noch nicht einmal egalisiert. In der heutigen Nachricht ist auch wieder zu lesen, dass die Umsätze im Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren abermals rückläufig waren. Das liegt zum einen an der nach wie vor bestehenden Kaufzurückhaltung, aber auch an dem ruinösen Preiswettbewerb der Handelsketten, die inzwischen nicht mehr darum kämpfen, mehr Marktanteile bei höheren Gewinnen zu erzielen, sondern bei weniger Verlusten im Vergleich zu den Konkurrenten. Wirtschaftlich gesund ist das nicht.

Für Wirtschaftsminister Brüderle ist das natürlich kein Argument. Eine Pulle Wein in den Rachen geschüttet – er kann es sich ja leisten, da er schließlich Diäten und nicht Hartz-IV aus Steuermitteln kassiert – und schon sieht die Welt im Taumel des Rausches wieder positiv aus. Die Wirtschaft boome nach Auffassung des Ministers. Eine Herbstbelebung sei angesagt, da die Arbeitsmarktdaten blendend aussehen würden. Nüchtern betrachtet muss man klar festhalten, dass die Beschäftigungsentwicklung seit Monaten stagniert. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist sogar zurückgegangen. Zum scheinbar positiven Ergebnis beigetragen, haben neue Jobs in der Leiharbeit und vor allem der Rückgang an Arbeitskräften durch demografische Effekte. Joachim Jahnke bringt es in seinem Infoportal auf den einfachen wie wahren Satz:

Ohne die demographische Entwicklung und ohne die minderwertige Leiharbeit wäre die Arbeitslosigkeit also gestiegen.

Zur Leiharbeit fällt mir noch etwas ein, was ich heute morgen im Deutschlandfunk gehört habe. In der morgendlichen Presseschau um kurz nach halb sechs wurden Kommentare zum Tarifabschluss in der Metallbranche verlesen. Nahezu alle ausgewählten Zeitungen geißelten die zwischen den Tarifparteien vereinbarte Gleichbehandlung von Leiharbeitern und Festangestellten. Springers Märchen-Welt mal wieder vorne weg mit diesem unsäglichen Schwachsinn:

Besorgt stimmt eher, wie unbekümmert dabei zugleich einem der wesentlichen Motoren für den Jobaufschwung, der Zeitarbeit, neue Fesseln angelegt werden. So richtig es ist, Dumpinglöhne zu unterbinden – die Leiharbeit jeglichen Kostenvorteils zu berauben bedeutet, langfristig auf wirtschaftliche Dynamik und damit auch auf neue Beschäftigungschancen für Arbeitslose zu verzichten. Hier werden nicht die Früchte des Geleisteten geerntet – es handelt sich schlicht um einen Fall von Übermut.

Sie können davon ausgehen, dass die Bundesregierung und weite Teile von SPD und Grünen ganz genauso borniert denken und in der Leiharbeit noch immer einen Motor für den kostengünstigen „Jobaufschwung“ sehen, der die Arbeitslosenzahlen zu schönen vermag, aber gleichzeitig dafür sorgt, dass reguläre Arbeitsplätze unwiederbringlich verdrängt werden. Zu etwas anderem taugt die deutsche Leiharbeit, die Wolfgang Clement reformiert und deformiert hat, nämlich auch nicht. Und wer heute die Debatte um die Rente mit 67 aufmerksam im deutschen Bundestag verfolgt hat, konnte schnell begreifen, worum es der Regierung auf allen Feldern ihres asozialen Tuns geht. Um Planungssicherheit für die Wirtschaft und die Unternehmen. Das ist primäres Ziel. An die Planungssicherheit von Arbeitnehmern, Rentnern und Sozialleistungsbeziehern, die der Definition nach eigentlich auch Teil des Volkes sind, wurde hingegen kaum ein Gedanke verschwendet.

Rückblickend auf 20 Jahre Deutsche Einheit lässt sich daher feststellen, dass das mit der Planwirtschaft im Osten anscheinend besser funktioniert hat. Da hätte man sich durchaus etwas abgucken können.

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Neues zum Fachkräftemangel: "Vielen Studenten und Azubis gelten technische Berufe als unsexy"

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Die aus dem Regenbogen-Fernsehen bekannte Redakteurin Anne Backhaus schreibt im Spiegel über den Fachkräftemangel in Deutschland und geht einer DIHK-Studie auf den Leim. Der Artikel heißt „Firmen klagen über deutsche Technik-Muffel“, dabei scheint Frau Backhaus etwas unausgeschlafen zu sein.

Deutschlands Wirtschaft boomt, schon finden manche Unternehmen keine Arbeitskräfte mehr. Vor allem im technischen Bereich fehlt es an qualifiziertem Nachwuchs: Vielen Studenten und Azubis gelten diese Berufe als unsexy. Nun wollen die Firmen ihr Image aufpeppen – und umwerben gezielt junge Leute.

Zum ersten gibt es keinen wirtschaftlichen Boom, sondern lediglich einen Aufholprozess der deutschen Wirtschaft nach dem biblischen Einbruch von fünf Prozent im letzten Jahr. Zum zweiten ist die wirtschaftliche Erholung vor allem dem Lageraufbau geschuldet und der Auslandsnachfrage, die nahezu vollständig durch staatliche Konjunkturprogramme der nachfragenden Länder induziert ist. Diese Programme werden aber auslaufen und die Nachfrage folglich schwächer werden. Da der deutsche Binnenmarkt hingegen kaum etwas zum derzeitigen wirtschaftlichen Wachstum beiträgt, wie im übrigen in der Vergangenheit auch, ist nicht davon auzugehen, dass die angebliche „Boomphase“ von Dauer sein wird.

Das hätte man schon einmal als Überlegung vorweg stellen können, bevor man darüber schwafelt, dass bestimmte Berufe als „unsexy“ gelten. Vielleicht besteht die Unattraktivität ja auch gerade darin, dass es in kaum einem anderen Land so viele arbeitslose Ingenieure gibt, wie in Deutschland. Irgendetwas scheint da mit der Wahrnehmung nicht zu stimmen, wenn man dieses hier liest.

Die Konjunktur läuft gut, viele Firmen fragen sich schon, wie sie all ihre Aufträge bewältigen sollen. Vor allem qualifizierte Mitarbeiter fehlen den Unternehmen. Genauer gesagt: Bau- und Elektroingenieure sowie Spezialisten für technische Gebäudeausrüstung. In diesem Bereich kommen auf einen Hochschulabsolventen in etwa drei freie Stellen. Aber auch Auszubildende sind in der Technikbranche ein knappes Gut.

Es ist natürlich bequem und einfach, den angeblichen Mangel an Fachkräften mit der mangelnden Bereitschaft potentieller Arbeitskräfte zu erklären und nicht mit der mangelnden Fähigkeit der klagenden Unternehmen, entsprechend auszubilden oder Personal zu schulen und dauerhaft zu beschäftigen zumal jedes Jahr eine hohe Zahl von jungen Schulabgängern keine Ausbildungsplätze finden und ältere qualifizierte Arbeitnehmer in die Sozialsysteme regelrecht entsorgt werden. Bis jetzt hieß es ja immer, die Bewerber seien einfach zu dumm. Nun heißt es also, die Stellen seien zu „unsexy“. Ist das jetzt eine Selbstkritik der Unternehmer? Wo liegt eigentlich das Problem, wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass zwischen fünf und sechs Millionen Menschen in diesem Land einen richtigen Arbeitsplatz suchen und etwa neun Millionen sich mehr Arbeit wünschen und damit auch Jobs mit mehr Gehalt.

Fachkräftemangel und anhaltende Massenarbeitslosigkeit, die zwar geleugnet, aber nicht durch fingierte Statistiken weggezaubert werden kann, passen einfach nicht zusammen. Glaubt wirklich jemand an eine vermeintliche Unattraktivität von Stellen, die dem Vernehmen nach beste Karrierechancen bieten? Der Brüderle wahrscheinlich. Der glaubt auch an den Weihnachtsmann und an Vollbeschäftigung im Jahr 2015. Prost!

Nach einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags haben bereits 70 Prozent der Unternehmen Probleme, offene Stellen zu besetzen. Nach Einschätzung der Unternehmen wird sich der Fachkräftemangel in den kommenden fünf Jahren noch verstärken – über alle Qualifikationsniveaus hinweg.

Dieser Schwachsinn des DIHK ist natürlich ein beliebter Aufhänger für Journalisten, die sich keine Arbeit machen wollen und so vollkommen kritikfrei zum PR-Sprachrohr der Arbeitgeberlobby werden. Wenn es wirklich stimmte, dass 70 Prozent der Unternehmen offene Stellen besetzen müssten, bleibt die Frage zu klären, warum dieselben Unternehmen langjährige Angestellte mit Aussteigerprogrammen locken, wie z.B. das Unternehmen Siemens. Das stand auch im Spiegel, Frau Backhaus, vor gerade einmal sechs Wochen, also mitten im Aufschwung XL:

Quelle: Spiegel

Siemens greift tief in die Tasche, um ältere Mitarbeiter seines Tochterunternehmens SIS zum vorzeitigen Ausscheiden zu bewegen.

Was steckt dahinter? Fanden die Bosse ihre Mitarbeiter plötzlich zu „unsexy“? Wer will das Gejammer der Arbeitgeber eigentlich noch hören? Der beklagte Fachkräftemangel ist ein Mythos nichts weiter. Real sind hingegen hohe Anforderungen, schlechte Arbeitsbedingungen und mickrige Löhne, die nach gängiger Glaubenslehre sein müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Exportwirtschaft zu sichern. Unter diesen Bedingungen würde in Wirklichkeit keiner arbeiten wollen, aber weil die eigene Existenz davon abhängt und nur die persönliche Ware Arbeitskraft verkauft werden kann, müsste es jeder tun.

Es kann also nicht daran liegen, dass eine Stelle zu „unsexy“ ist, sondern nur daran, dass Arbeitgeber keine Bewerber akzeptieren, die entlohnt werden und eine sichere Perspektive haben wollen. Vor allem die Exportwirtschaft verlangt nach passfertigen Arbeitskräften, die zu möglichst geringen Kosten nur dann zur Verfügung stehen sollen, wenn sie gebraucht werden und ansonsten dahin zurückgehen, wo sie hergekommen sind. Warum sonst schreit die Arbeitgeberlobby ständig nach ausländischen Fachkräften, obwohl sie sich nur aus der bestehenden nationalen Reservearmee von Arbeitslosen und Unterbeschäftigten zu bedienen bräuchte? Sind die Sozialgesetze etwa noch nicht hart genug und die Leiharbeit zu unflexibel?

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