Angriff auf die Reste des Sozialstaats

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Es ist erstaunlich, mit welcher Wucht eine gesteuerte PR-Kampagne der von den Arbeitgebern finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) mal wieder eingeschlagen hat. Da heißt es bei Spiegel Online, “Top-Ökonomen beklagen Reformstau in Deutschland” und die Tagesschau-Redaktion fragt dümmlich “Kommt jetzt die “Agenda 2020”? Zehn Jahre Agenda 2010 locken die Voodoo-Ökonomen erneut hinter dem Ofen hervor. Gemeinsam blasen sie zum Angriff auf die Reste des Sozialstaats.

Dabei versucht die Arbeitgeber-Lobby mit namhaften Politikern wie Kanzler a.D. Schröder, Steinmeier, Steinbrück und Gabriel (die SPD ist wirklich so bescheuert, sich für diesen Blödsinn wieder einspannen zu lassen) und “Experten” wie Christoph Schmidt, Klaus Zimmermann und Thomas Straubhaar eine neue Agenda 2020 ins Gespräch zu bringen. Die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Rente mit 70 und eine höhere Beteiligung an den Gesundheitskosten werden da als dringende Aufgaben benannt und die bisher gescheiterte “Reformpolitik” als großer Erfolg gefeiert.

Die Widersprüche fallen niemanden weiter auf. Bei der Rente mit 67 etwa sei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Die Menschen würden immer älter und das bei zunehmender Gesundheit, schwätzt beispielsweise der Vorsitzende des Sachverständigenrates Christoph Schmidt daher. Gleichzeitig fordert er aber eine stärkere Beteiligung der Menschen an den Kosten der Krankenkassen. Außerdem scheinen dem “Top-Ökonomen” die niedrigen Beschäftigungsquoten Älterer gänzlich unbekannt.

Beschäftigungsquoten

Quelle: Sozialpolitik aktuell

Klaus Zimmermann, früher mal Chef des DIW, jetzt Direktor des IZA warnt gar vor einem demografischen Chaos, obwohl keine Statistik diese Demagogie auch nur im Ansatz bestätigen könnte. Das Gegenteil ist richtig. Der demografische Alarmismus war von Anfang an unbegründet. Derzeit nimmt die Bevölkerungszahl in Deutschland wieder zu (siehe auch: destatis). Zimmermann selbst fiel, bevor er das DIW verließ, mit einer Forderung nach einer Lohnpause für Arbeitnehmer auf. Gleichzeitig empfahl er der Politik, die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent zu erhöhen. Schade, dass seine Sprechpause schon vorüber ist.

Bleibt Thomas Straubhaar, der Wendehals unter den “Top-Ökonomen”. Er rät plötzlich zu einer Fortsetzung der Agenda-Politik, nachdem er im vergangenen Jahr noch von einer Umkehr im ökonomischen Denken sprach. Doch nun heißt es wie eh und je, weiter so! Denn Hartz IV Empfänger hätten kaum finanzielle Anreize, ihre Erwerbslosigkeit zu verlassen, so die Studie der INSM. Auch hier scheinen die “Top-Ökonomen” nicht zu wissen, dass 2,398 Millionen von insgesamt 4,422 Millionen ALG-II-Beziehern (Arbeitsmarktdaten Februar) offiziell nicht als arbeitslos gelten, weil sie zum Teil in Mini- und Midi-Jobs arbeiten, um ihre kärglichen Löhne anschließend vom Jobcenter aufstocken zu lassen. Zuletzt wurde sogar bekannt, dass immer mehr Arbeitslosengeld I Empfänger zusätzlich Hartz-IV beantragen müssen.

Fehlt zum Schluss eigentlich nur der SPD-Kanzlerkandidat, Fettnäpfchen Peer Steinbrück. Er meint angesichts des hanebüchenen Lobbyistengewäschs: “Wir sind Deppen, dass wir die Agenda immer mit Hartz IV gleichgesetzt haben.” Die SPD hätte nur selbstbewusster und stolzer mit der Agenda 2010 umgehen müssen. Seit 2003 tun die Sozialdemokraten allerdings nichts anderes, als den ökonomischen Unsinn stolz und selbstbewusst vor sich herzutragen. Doch was hat es der SPD gebracht? Eine Wahlniederlage nach der anderen. Nun muss sie also noch stolzer und noch selbstbewusster die Segnungen der Agenda vertreten, um verlorene Wählerstimmen zurückerobern zu können?

Kein Wunder, dass eine Frau von der Leyen nach so einer Vorlage die passende Pointe setzen darf. Die Reformschritte des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder seien im Grundsatz “mutig und richtig” gewesen.

“Allerdings mussten wir deutlich nacharbeiten und die Agenda 2010 sozialer machen.”

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Zum Thema Rente…

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…fällt mir eigentlich nix mehr ein. Offensichtlich ist jeder geil darauf, endlich bis 67 oder neuerdings bis 70 arbeiten zu dürfen. Jedenfalls vermitteln zahlreiche Medien diesen Eindruck. Wenn ich mir den Michael Hüther, Chefideologe der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, kurz INSM, so anschaue und seine nicht wenigen Auftritte in den Nachrichten der letzten Tage revue passieren lasse, frage ich mich, was die Journalistinnen und Journalisten in diesem Land befallen haben mag, diesen angeblichen Wirtschaftsexperten überall zu Wort kommen zu lassen. Ist es wegen der Aussage, das Renteneintrittsalter gleich auf 70 hochzusetzen, bevor die Überprüfung der Rente mit 67 abgeschlossen wird? Oder soll die Drohung mit dem Renteneintrittsalter ab 70 nur wieder Verhandlungsmasse sein, die das Arbeitgeberlager anbietet, um wenigstens die Rente mit 67 ohne große Proteste durchdrücken zu können?

Denn schließlich hat sich die SPD in Gestalt ihres wuchtigen Vorsitzenden in geradezu lächerlicher Art und Weise hingestellt und unter dem Eindruck völliger Überraschung festgestellt, dass viele ältere Menschen nicht einmal bis 65 arbeiten, sondern schon viel früher in Rente gehen oder einfach arbeitslos sind. Michael Hüther weiß das übrigens auch und meinte, dass das Recht, früher in Rente zu gehen, ja gar nicht beschnitten werde. Mit entsprechenden Abschlägen sei das ja auch weiterhin möglich. Bei dieser Bemerkung Hüthers wusste ich gar nicht, was ich zuerst machen sollte. Das Radio an der frisch renovierten Wand zerdeppern oder die Tapeten gleich wieder abreißen oder einen der Umzugskartons als künftigen Altersruhesitz beiseite packen.

Denn wenn ich nach heutigem Stand mit 65 Jahren in Rente gehen will, hätte ich einen Abschlag von jährlich 3,6 Prozent hinzunehmen, also im ganzen 7,2 Prozent. Bei den Versicherungen und Finanzberatern heißt das „Versorgungslücke“, die es zu schließen gilt. Das haben sie bestimmt schon einmal gehört. Und vielleicht können sie sich dann auch denken, warum der Herr Hüther von der INSM und der Herr Gabriel von der SPD und die gesamte Medien-Mietmaul-Landschaft so ein Theater veranstalten. Richtig. Die Versicherungsbranche braucht wieder neue Kunden. Denn das Geschäft, das Carsten Maschmeyer (neuerdings ja auch Regierungsberater) in seiner früheren Funktion als Chef des AWD als Ölquelle bezeichnet hatte, scheint an Fahrt zu verlieren. Zumindest würde ich so die Entwicklung der Zahl der abgeschlossenen Riester-Verträge interpretieren.

Riester Verträge
(Daten für die Grafik aus Wikipedia übernommen)

Die Drohung mit der 70 und das Herumgeeiere der SPD sowie die gleichgeschaltete und verständnislose Reaktion der Medien gegenüber einer Rücknahme der Rente mit 67, wird die Kurve sicherlich wieder etwas ansteigen lassen. Denn den Arbeitnehmern wird ganz klar signalisiert, dass ihr nur dann eine gesetzliche Rente in voller Höhe bekommt, wenn ihr die Altersgrenze erreicht, die wir (gemeint ist jetzt die Versicherungswirtschaft, die durch politische Hampelmänner vertreten wird) vorgeben. D.h, dass sich jeder Arbeitnehmer zwangsläufig überlegen muss, was er nun macht. Denn eins ist jedem, also Arbeitnehmern und der Versicherungswirtschaft, klar. Bis 67 oder 70 werden die wenigsten arbeiten können. Sie müssen also vorsorgen und lächelnde Versicherungsvertreter, die dabei gern behilflich sind, gibt es nach wie vor an jeder Ecke.

Es geht also nicht um die Alterung der Gesellschaft oder um die Generationengerechtigkeit, sondern schlicht und ergreifend um ein mieses Geschäft. Wer das noch immer nicht begriffen hat, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Übrigens sind es gerade die Versicherungskonzerne, die die kapitalgedeckte Altersvorsorge zunnehmend kritisch sehen, weil sie in permanenten Niedrigzinszeiten (wir haben ja Krise und keinen Aufschwung, aber das ist ein anderes Thema) ihre Renditeversprechen nicht mehr einlösen können. Aber das ändert ja nichts daran, dass die Menschen einen Teil ihres Geldes diesen Konzernen zur Verfügung stellen sollen. Für ausgefallene Renditen könnte doch der Steuerzahler wieder einspringen.

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Finanzpolitik: Es geht doch noch blöder

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Man hätte ja eigentlich darauf wetten können, dass die FDP just nach der Bekanntgabe des zu erwartenden geringeren Defizits im Bundeshaushalt sofort ihren Steuersenkungsschwachsinn wieder hervorkramt. Die liberale Forderung, Steuern in einer Größenordnug von 14 Mrd. Euro zu senken, sei nun wieder möglich, heißt es aus der gelben Ecke. Das muss man sich mal vorstellen. Statt über 80 Mrd. muss der Finanzminister jetzt über 60 Mrd. Euro neue Schulden machen. Was hat sich denn aber im Hinblick auf Steuersenkungen jetzt geändert? Was bei 80 Mrd. offensichtlich falsch war, soll jetzt mit 60 Mrd. Miesen richtig sein? Schließlich gibt es noch immer keine Vorschläge zur Gegenfinanzierung. Es gilt nach wie vor der vorgetragene Aberglaube vom selbsttragenden Aufschwung.

Aber es wird noch besser. Die FDP will nicht nur wieder Steuern senken, sondern gleichzeitig das beschlossene Sparprogramm umsetzen. Ganz nach dem Motto: Wenn schon das Land ruiniert werden soll, dann aber richtig. Doppelt hält schließlich besser. An den letzten Zuckungen der bereits toten FDP sollte man sich nicht abarbeiten. Im Gegenteil, man sollte sie nur machen lassen und das Ziel dauerhaft unter fünf Prozent wird immer realistischer.

Wirklich ärgerlich ist aber das Verhalten der Medien, die den Blödsinn der FDP mit eigenem Blödsinn und Unvermögen kommentieren. Vorhin im Radio wurde der FDP-Vorschlag von einem Redakteur aus der Wirtschaftsredaktion(!) kommentiert. Der meinte, dass das geringere Defizit im Bundeshaushalt zwar positiv sei und Steuersenkungen theoretisch vorstellbar wären, weil wir einen Aufschwung hätten, jedoch könne man nicht wissen, wie lange dieser anhielte. Die gute Konjunkur könne urplötzlich wieder vorbei sein und dann beschlossene Steuersenkungen weitere noch größere Löcher in die öffentlichen Haushalte reißen.

Was soll das für eine Erklärung sein? Mit Ökonomie und okonomischen Sachverstand hat das jedenfalls nichts zu tun. Der Redakteur sollte sich vielleicht zum Hollywood-Reporter oder Kartenleger bei Astro-TV umschulen lassen. Was sind denn die Botschaften? Erstens: Die FDP meint es doch nur gut. Zweitens: Wir haben Aufschwung, alles doch nicht so schlimm. Und Drittens: Die Konjunktur wird von unsichtbaren Kräften beeinflusst, aber auf keinen Fall von aktiver Konjunkturpolitik.

Das ist plumpe Meinungsmache. Eine Strategie! Seit Ausbruch der Krise hören wir, dass die Auswirkungen in Deutschland vergleichsweise glimpflich seien, obwohl alle ökonomischen Kennzahlen das Gegenteil belegen. Der Arbeitsmarkt sei robust, die Kauflaune moderat, die Erwartungen der Unternehmen zuversichtlich. Und nun machen wir auch nur noch 60 Mrd. Euro neue Schulden statt 80 Mrd. Was für ein Erfolg, wird den Leuten suggeriert. Das ist unerträglich. Da stößt sogar Alkohol an die Grenzen seiner Möglichkeiten, würde Pispers sagen.

Zum Glück hatte gestern Paul Krugman mit seinem Interview im Handelsblatt (siehe hier im Blog) die Blutgrätsche ausgepackt und die Aufmerksamkeit des fröhlich dahin spielenden Deutschlands auf sich gelenkt. In den Medien wird Krugman zitiert, aber nicht einfach so. Nein. Plötzlich haben die Journalisten ihre Lust an der Recherche wiederentdeckt und betonen lautstark, dass Krugman ein Berater des amerikanischen Präsidenten sei. Offensichtlich will man damit zum Ausdruck bringen, dass Krugman gar nicht so unabhängig ist und nur die Interessen seiner Regierung vertritt. Dass es gerade andersherum sein könnte, weil Berater ja eigentlich beraten, kommt im Denken unserer Journalisten natürlich nicht vor. Wieso auch, in Deutschland ist das Beratertum ja im höchsten Maße interessengeleitet. Wie gern hätte ich da in der Vergangenheit gehört, dass der allseits als unabhängiger Experte zitierte Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft auch Kurator der Inititiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist, er also die Interessen einer einflussreichen Lobbyorganistation der Arbeitgeber nach außen vertritt. Nein, sein Auftreten und seine Aussagen zur Wirtschaft gelten als integer.

Es fragt auch keiner nach den Beratern der Kanzlerin. Otmar Issing darf munter das gescheiterte neoliberale Dogma als Propaganda zur Krisenbewältigung verbreiten. Als Träger des International Price der Friedrich Hayek Stiftung, als Mitglied des Aufsichtsgremiums der deutschen Friedrich August von Hayek Stiftung, als Präsident des „Center for Financial Studies“ an der Universität Frankfurt, „das von der Gesellschaft für Kapitalmarktforschung getragen wird, die aus über 80 Banken, Versicherungen, Beraterfirmen und Wirtschaftsverbänden besteht“ (siehe NachDenkSeiten) und als Berater der Investmentbank Goldman Sachs spielen andere Denkansätze überhaupt keine Rolle. Da frage ich mich, wer hier welche Interessen vertritt. Die Medien schweigen dazu.

Aber bei Krugman, dem böse dazwischengrätschenden Ami ist man plötzlich voll da und kritisiert unisono, auch der Radio-Wirtschaftsredakteur im übrigen, das noch mehr Schuldenmacherei nicht gut sein könne. Sparen sei jetzt der einzig richtige Weg. Alternativlos sozusagen. Hacken zusammenschlagen, äh Augen zu und durch, lautet die Devise. Doch keiner hat den Krugman gelesen, geschweige denn verstanden bzw. den Unterschied zwischen unproduktiven FDP-Steuersenkungsschulden und schuldenfinanzierten Konjunkturmaßnahmen erklärt. Wäre das anders, hätte nämlich auch der Radio-Wirtschaftsredakteur schnell begriffen, dass der Schiedsrichter das von Deutschland unfair gestaltete Spiel längst vorzeitig abgebrochen hatte und Krugmans Grätsche lediglich der verzweifelte Versuch war, einen blinden, tauben und amoklaufenden Spieler zu stoppen, der mit seiner fortwährenden Spielweise das Publikum dazu nötigt, das Stadion auseinanderzunehmen.

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Und wieder bellt der Hundt

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Wenn es darum geht, Kürzungen bei den Ärmsten in der Gesellschaft öffentlich zu fordern, kommt man am Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt nicht vorbei. Schließlich muss die von Westerwelle in die Diskussion eingebrachte spätrömische Dekadenz bei Hartz IV Empfängern mit konkreten Vorschlägen untermauert werden. Darin ist der Hundt geübt. Denn er fordert seit Jahren immer dasselbe. Ich habe keine Lust diesen Unsinn zu kommentieren. Dazu ist alles gesagt. Die ökonomomische Wirklichkeit steht nachweislich nicht auf der Seite des Hund(t)s.

Ganz besonders toll fand ich übrigens Martin Kannegiessers Vorstellungskraft. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall und Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft könne sich nämlich vorstellen, über sämtliche Staatsausgaben mit dem Rasenmäher zu fahren. Super Vorschlag, habe ich da gedacht und mir gleichzeitig die Frage gestellt, warum der neue Personalausweis im Scheckkartenformat in Zukunft rund 29 Euro kosten soll, bisher waren es acht Euro. Könnte man da nicht auch mit dem Rasenmäher drüber fahren. Eine elektronische Indentitätsfunktion für’s Online Shopping braucht kein Mensch, weil er die von seiner Bank umsonst haben kann.

Quelle: heise online

Die Gebühr für den Ausweis mit elektronischer Identitätsfunktion liege im europäischen Vergleich im Mittelfeld, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Zu einem Fünftel werden die Einnahmen für den Verwaltungsaufwand der Kommunen verwendet, mit dem Rest sollen die Herstellungskosten der Bundesdruckerei gedeckt werden.

Herstellungskosten der Bundesdruckerei? Vielleicht soll der Bürger auch für die Pleite-Privatisierung der Bundesdruckerei aus dem Jahr 2000 einen kleinen Beitrag leisten. Ich weiß es nicht. Jedenfalls wurde die Druckerei im März 2009 durch den Bund zurückgekauft. Apropos Pleite: Martin Kannegiesser saß im Beraterkreis der Pleitebank IKB, die den Steuerzahler über 10 Mrd. Euro gekostet hat. Der Kannegiesser kennt sich also mit dem Rasenmähen aus.

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Griechenland-Hilfe: Die Stunde der Volksverhetzer

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Die heutige Titelschlagzeile der Bild-Zeitung lautete ja:

„Warum zahlen wir den Griechen ihre Luxus-Renten?“

Und der Stammtisch reagiert prompt und fragt zurück, ja warum eigentlich, ohne zu gucken, worum es eigentlich geht und wer sich hinter diesem miesen Propagandastück verbirgt. Der PR-Stratege Oliver Santen, Ex-Allianz Sprecher, ist einer der Mitautoren und schreibt:

Deutsche Milliarden-Hilfe für die Griechen ist nur noch eine Frage von Tagen, sagt Kanzlerin Angela Merkel. Aber für Experten ist Griechenland ein Fass ohne Boden. Und viele fragen sich, warum sollen wir z.B. für das üppige Renten- und Pensionssystem der Griechen zahlen?

Wenn wir zahlen, zahlen wir nicht für Griechenlands Renten- und Pensionen, sondern für den Schuldendienst des griechischen Staates. Wir zahlen also für Herrn Ackermann zum Beispiel, der keinen so großen Gewinn vermelden könnte, wenn die griechischen Zinszahlungen für Kredite aus seinem Haus nicht sicher wären. Insgesamt 43 Mrd. Euro haben deutsche Banken den Griechen geliehen. Warum fragt Bild nicht, wie bekloppt eigentlich Herr Ackermann ist. Der hätte doch wissen müssen, mit wem er Geschäfte macht.

Lesen sie sich mal den Unsinn von Oliver Santen und Co. durch. Wie man versucht, in der Ausgestaltung des griechischen Rentensystems ein Schlaraffenland einerseits und einen Skandal andererseits zu konstruieren. Man fragt sich verwundert, warum Herr Santen und die Bild-Redaktion nicht schon längst die griechische Staatsbürgerschaft beantragt haben. Ein frühes Ausscheiden aus dem Arbeitsleben würde ich jedenfalls bei Oliver Santen sehr begrüßen.

Und wenn wir schon dabei sind, soll er den Wolfgang Clement gleich mitnehmen. Der hat nämlich zusammen mit Friedrich Merz ein neues und total überflüssiges Buch geschrieben, in dem er davon spricht, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt hätten und dass das Reformieren jetzt intensiviert werden müsse. Dem Deutschlandfunk hat der ewige und rechthaberische Dummschätzer ein Interview gegeben. Wenn sie starke Nerven haben, müssen sie auch das lesen, um einen Überblick darüber zu erhalten, was derzeit in diesem Land an Hetze betrieben werden darf.

Clement verteidigt seine Hartz-Reformen und den Ausbau des Niedriglohnsektors unter seiner Fuchtel. Das sei richtig gewesen, weil die Menschen schließlich in Arbeit gekommen wären. Das er mit diesen, seiner Ansicht nach, „alternativlosen“ Reformen vor allem auch dazu beigetragen hat, die Entwicklung der deutschen Lohnstückkosten von der konstant steigenden Tendenz im Rest Europas nach unten hin abzukoppeln und damit einen entscheidenden Grund geschaffen hat, warum Griechenland und bald auch Portugal, Spanien, Italien und Irland im Wettbewerb nicht mehr mithalten können und konnten, bleibt ihm ebenso verborgen wie die Tatsache, dass er sich durch Wirtschaftsinteressen mit Pöstchen bei Adecco, RWE, DuMont Schauberg, INSM und Citibank korrumpieren ließ.

Seine Dummheit stellt sich dann auch in Passagen wie diesen heraus:

„Dass Märkte reguliert werden, ist eine Binsenweisheit. Das wissen wir in der sozialen Marktwirtschaft seit 100, jedenfalls seit 50 Jahren.“

Ja, ja, soziale Marktwirtschaft seit 100 Jahren. Da merkt man die Kompetenz Kompetenz, die er wohl bei seinem jüngsten Engagement in der Lobbyorganisation der Arbeitgeber, der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), verinnerlicht hat. Der Mann ist eine Zumutung. Nicht nur, dass er in seiner gewohnt aggressiven Art, die Fragen des Redakteurs angreift und eine Beantwortung verweigert, er tut auch noch so, als hätten die Deutschen, er natürlich ausgenommen, über ihre Verhältnisse gelebt. Würde er die Entwicklung der Lohnstückkosten im europäischen Vergleich kennen, wüsste er, dass es genau andersherum ist. Die Deutschen, natürlich mit Ausnahme von ihm, haben unter ihren Verhältnissen gelebt und deshalb dazu beigetragen, dass so eine hohe Risikoverschuldung, wie die Griechenlands erst zu Stande kam.

Die Katastrophe ist allgegenwärtig, doch der Brandstifter Clement fordert eine Erhöhung der Dosis. Das kennt man ja. In meinen Augen hat Wolfgang Clement viel zu lange über seine geistigen Verhältnisse gelebt. Das kommt auch in folgender Antwort zum Ausdruck, als er nach der Regulierung der Finanzmärkte gefragt wurde.

„Darüber besteht ja allgemeine Klarheit, wie er reguliert werden soll. Leider kommen die Staaten nicht zueinander. Wir müssen natürlich verhindern, dass in Zukunft noch einmal eine Situation entsteht, in der Kreditinstitute, Geldinstitute so groß sind und weltweit so vernetzt sind, dass sie nicht mehr vom Markt genommen werden können, ohne Schaden für die ganze Welt anzurichten. To big to fail, das ist die, glaube ich, wichtigste Frage heute, die zu beantworten ist, aber es kommen viele hinzu. Unser Ratingsystem stimmt nicht, das Aufsichtssystem stimmt nicht, das hat sich ja alles in der Krise erwiesen, ist eigentlich auch unstrittig. Strittig ist aber zwischen den Regierungen, insbesondere zwischen den USA und Deutschland und Frankreich, wie das im Konkreten jetzt in Regulierungen umgesetzt werden soll, und da verlieren wir viel Zeit und es wird wieder spekuliert. Das Kasino ist längst wieder eröffnet, nur spielt es jetzt sogar mit öffentlichem Geld. Also es besteht höchste Zeit, daran etwas zu ändern. Das machen wir ja in unserem Buch auch deutlich.“

Von der allgemeinen Klarheit, wie reguliert werden soll, über das Eingeständnis, dass noch gar nichts geschehen sei, weil international unterschiedliche Meinungen dazu existieren bis hin zu einer Werbung für sein Buch, in dem nichts weiter steht, als dass wir über unsere Verhältnisse gelebt hätten und der Sozialstaat weiter zurückgebaut werden müsse, um dann mehr Geld auf die Mühlen der heilsbringenden privaten Versicherungswirtschaft umzuleiten. So als ob sich nicht gerade auch diese Branche ordentlich verzockt hätte. Wenn das das Angebot ist, sollten sie darauf verzichten und den geistigen Sondermüll des Ex-Superministers im Regal stehenlassen.

Übrigens ist vom G-20-Treffen der Finanzminister in Washington ein handfestes Ergebnis überliefert:

Quelle: taz

„Wir sind uns einig, die Anstrengungen zu verdoppeln, eine gemeinschaftliche und konsistente Herangehensweise für ein stabiles globales Finanzsystem zu entwickeln.“

Bis Ende diesen Jahres will man sich dann endlich auf gemeinsame Regeln für den Finanzmarkt einigen. Zu allen anderen Themen wie die Harmonisierung von Bilanzierungsvorschriften etwa, oder die Beaufsichtigung von Hedgefonds und Ratingagenturen oder die Kontrolle des außerbörslichen Wertpapierhandels besteht noch weiterer Beratungsbedarf.

Da hat sich die Reise doch wieder gelohnt. Bin ich der Einzige, der sich angesichts dieser traurigen Entwicklung die Vulkanasche zurückwünscht?

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Ein schwerer Tag

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Nicht nur das Wetter zeigt sich von seiner miesen Seite, auch die Gesundheit leidet. Meine geistige Tätigkeit ist infolge dessen etwas eingeschränkt. Darum schreibe ich heute nicht viel. Ich will nur auf einiges hinweisen. Wenn man krank ist, überbrückt man die Schlafpausen ja häufig mit einem Blick in das TV-Programmangebot. Man sollte das nicht tun. Ist nicht gut für das ohnehin angeschlagene Wohlbefinden. Auf Phoenix zum Beispiel gab es heute Vormittag Wiederholungen der politischen Sendungen von gestern. Beckmann, hart aber fair Spezial und Unter den Linden. Dazu gab es noch einmal die Statements der Parteispitzen nach den Gremiensitzungen zu sehen.

Bei hart aber fair zum Beispiel musste der Zuschauer einen Arnulf Baring (INSM-Botschafter) ertragen, der zusammen mit dem Kabarettisten Dieter Hallervorden gegen die Linkspartei wettern durfte. Beim FDP-Unterstützer Dieter Hallervorden konnte man das ja noch verstehen, da er die DDR persönlich erlebte. Dennoch konnte ich den aggressiven Grundton gegen die Linkspartei allgemein nicht nachvollziehen. Eingangs der Sendung monierte Hallervorden noch die Wahlplakate, auf denen die sprachliche Verkürzung in Form von Slogans zu sehen sei, die die Intelligenz der Wähler beleidigen würde. In Bezug auf die Linkspartei lies Hallervorden aber auch nicht mehr als einen verkürzten mit gängigen Vorurteilen bespickten Blick zu. Sehr schwach von einem Kabarettisten, der sich im Verein für deutsche Sprache (VDS) im Rahmen einer FDP-Kampagne für die Erhaltung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas einsetzt.

Was der künftige Außenminister Westerwelle mittlerweile von der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas hält, hat er ja bei seiner Pressekonferenz gegenüber einem auf englisch fragenden BBC-Korrespondenten deutlich gemacht. Dem wollte Westerwelle nicht in seiner Landessprache antworten.

„In Großbritannien wird erwartet, dass die Leute Englisch sprechen, und es ist dasselbe in Deutschland – von den Leuten wird erwartet, dass sie Deutsch sprechen.“

So so. In Großbritannien macht sich die Zeitung Independent bereits zu Recht lustig und schreibt, dass sei ein „Vorgeschmack auf ein neues teutonisches Selbstbewusstsein in internationalen Angelegenheiten.“ Und während Dieter Hallervorden und Arnulf Baring von der persönlichen Freiheit als wichtigstem Gut schwadronieren, gibt der Rest der Runde Ratschläge, wie eine Linkspartei möglicherweise koalitionsfähig werden könne. Aber zu diesem neuerlichen Medienspiel lesen sie bitte unbedingt die NachDenkSeiten von heute und den Beitrag von Albrecht Müller, Von Pflöcken, die schon kurz nach der Wahl eingeschlagen werden. Dort finden sie eine schöne Analyse über das, was uns von Seiten der Medien künftig begegnen wird.

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Rente: Mietmaul Neue Presse Hannover

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Gestern haben sich die angeblichen Rentenexperten Raffelhüschen und Börsch-Supan zu Wort gemeldet und auf die beabsichtigte Rentengarantie der Bundesregierung mit Panikmache geantwortet. Die Neue Presse Hannover erweist sich ein weiteres Mal als Mietmaul dieser von der Versicherungswirtschaft und der Arbeitgeberlobby organisierten Kampagne. Raffelhüschen ist noch immer

Aufsichtsrat beim ERGO-Versicherungskonzern und Berater des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft. Sein Forschungzentrum Generationenverträge an der Universität Freiburg wird über einen Förderverein von der Versicherungswirtschaft und der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft finanziert.

Quelle: NachDenkSeiten

Börsch-Supan ist Ökonomieprofessor am Mannheim Research Institute for the Economics of Aging (Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und demographischer Wandel), das vom Land Baden-Württemberg und der deutschen Versicherungswirtschaft finanziert wird. Dieses Institut fertigt Gutachten, unter anderem für Versicherungen und Banken an.

Eigentlich sollte es die Aufgabe von Journalisten sein, richtig zu recherchieren. Anja Schmiedeke von der Neuen Presse hat darauf mal wieder verzichtet, weil sie nur das nachplappert, was die Herren „Rentenexperten“ über den Ticker haben verbreiten lassen. Somit versagt Anja Schmiedeke erneut. Von der vierten Gewalt, die von sich noch immer behauptet, eine Kontrollfunktion zu übernehmen, existiert schon lange nichts mehr.

Im Gegenteil. Anja Schmiedeke springt auf den Panikzug auf, berichtet und kommentiert das angebliche „Versprechen auf Pump“. Dabei ist auch Frau Schmiedeke beim dumpfen abschreiben nicht aufgefallen, dass die Rechnung von Raffelhüschen einfach falsch ist. Dazu Martin Betzwieser von den NachDenkSeiten(s.o.):

„Eigentlich wäre es die Aufgabe der Journalisten, nachzurechnen, anstatt die Angaben der Arbeitgeber- und Versicherungslobby ungeprüft zu übernehmen. Also muss ich das machen. Nun verfüge ich nicht über die mathematischen Fähigkeiten eines Finanzwissenschaftlers sondern über die Grundrechenarten einschließlich Prozentrechnen und ein bisschen mehr:

Professor Raffelhüschen geht von einer Beitragserhöhung auf 20,2% für 2010 bzw. auf 21,1% aus. Bei einem Jahresgehalt von € 30.000,00 wäre das eine jährliche Mehrbelastung von € 90,00 (2010) bzw. 210,00 (2011). In einer Zusammenfassung der Studie werden diese Mehrbelastungen ausschließlich mit „aufgrund der höheren Beitragssätze“ begründet.

Quelle 4: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft [PDF – 104 KB]

Die Beitragsdifferenz zum aktuellen Beitragssatz (19,9%) beträgt 0,3% (2010) bzw. 1,2% (2011). Der Rentenversicherungsbeitrag wird paritätisch bezahlt, also halbe-halbe für Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber, also 0,15% (2010) bzw. 0,6% (2011). Da komme ich ausgehend von € 30.000,00 auf eine Mehrbelastung von € 45,00 (2010) bzw. € 180,00 (2011).
Wie kann das sein?
Äußerst irritierend finde ich auch, dass weiter unten im INSM-Artikel ein Beitragssatz von 20,4% für 2011 prognostiziert wird.
Hauptzweck der Studie ist wohl, die Leser/innen mit steigenden Beitragssätzen zu schockieren und in die Versicherungsbüros zu treiben, damit sie eine Riester-Rente abschließen. Wenn Reporter/innen dann nicht nachrechnen, ist auch nichts mehr zu retten.
Der Mannheimer Versicherungsvertreter mit Professorentitel Axel Börsch-Supan geht sogar von einem Beitragssatz von 22,2% für 2010 aus.“

Wie gesagt, Frau Schmiedeke hat die falschen Zahlen einfach übernommen, ohne nachzurechnen und schreibt dann manipulierend in ihrem Kommentar:

„Ein ganz erstaunlicher Beschluss, nicht nur angesichts der Wirtschaftskrise. Die Politik knebelt damit künftige Generationen – seien sie nun Beitrags- oder Steuerzahler. Denn klar ist doch: Im Ernstfall kostet das Gesetz richtig viel Geld.“

Das ist also klar? Für so einen groben Schnitzer würde es in der Mathearbeit nicht mal ein Folgerichtig geben. Einfach erbärmlich die Leistung. Doch es sind noch weitere Aussagen schlicht falsch:

„Wenn es nicht genug Beitragseinnahmen gibt, um die Rentenzahlungen zu decken – und dass es so kommt, dafür spricht vieles – gibt es nur zwei Lösungen. Höhere Steuerzuschüsse oder höhere Beiträge. Vor allem letzteres wird bei Jüngeren irgendwann an Grenzen stoßen. Die heute Erwerbstätigen zahlen schon jetzt nicht nur höhere Beiträge als ihre Großeltern, sie können am Lebensende zudem selbst weniger Rente erwarten. Auch höhere Steuerzuschüsse werden vor allem die jüngeren Generationen zu schultern haben. Dass sich dieses Geld in einem überschuldeten Bundeshaushalt gut verstecken lässt, sollte aber niemanden trösten. Es bleibt bei einem Versprechen auf Pump. Sicher sind in dieser Rentenrechnung nur die Zinsen.“

Frau Schmiedeke hat noch immer nicht kapiert, wie unser Rentensystem läuft. Sie glaubt wahrscheinlich, dass die private Altersvorsorge gänzlich anders abläuft und keine künftigen Generationen belaste. Das ist schlicht falsch. Die Finanzierungsweise einer Sozialversicherung egal ob umlagefinanziert oder kapitalgedeckt ist vollkommen wurscht, da die Aufwendungen in beiden Fällen aus dem laufenden Bruttoszialprodukt erbracht werden müssen. Mit anderen Worten: Es kommt auf den Produktivitätszuwachs an. Und da ist es auch völlig wurscht, wenn der Beitragssatz zur viel günstiger arbeitenden Umlageversicherung steigt. Schauen sie sich dazu bitte die Folienpräsentation zum Mackenroth-Theorem von Kai Ruhsert an. Zeigen sie das auch ihrem übereifrigen Bankberater oder Versicherungsvertreter.

Es ist unglaublich wichtig, in real terms zu denken – also realen Wirtschaftsgrößen.

Rentner produzieren keine Güter oder Dienstleistungen mehr. Die Produktionsmenge kann aber nur einmal konsumiert werden. Wer durch frühere, monatliche Einzahlungen in ein Versicherungssystem Ansprüche erworben hat, bekommt dafür später etwas, was sonst an andere verteilt werden könnte. Das gilt gleichermaßen für die gesetzliche wie die private Rente.

Bei der privaten Rente, die einem individuellen Sparmodell folgt, wird schlicht auf Kaufkraft verzichtet. Dies wiederum hat zur Folge, dass weniger produziert werden muss, Investitionen bleiben somit aus, die Wirtschaftsleistung sinkt. Und mit sinkendem Wachstum und sinkendem Bedarf an Investitionskapital auch sinkende Gewinne aus Sparanlagen. Das kann man gerade jetzt eindrucksvoll beobachten!!!

Zudem kostet die private Altersvorsorge ein Schweinegeld. 10-20 Prozent ihres eingezalten Beitrags wandern als Kostenabschlag direkt an den Versicherer. Dessen Werbung muss ja bezahlt werden und Mietmäuler wie Raffelhüschen, Börsch-Supan und auch Frau Schmiedeke wollen für ihre Propaganda auch einen Anteil. Der Rest wird dann erst angelegt. Mal mit mehr Risiko, mal mit weniger. Eine Überschussbeteiligung ist zudem immer abhängig vom Daumen des Versicherungskonzerns.

Wichtig ist, dass sie sich nicht durch Kampagnen wie diese verwirren lassen. Gucken sie doch einfach mal, wie man als Arbeitnehmer seine Rente finanzieren soll. Frau Schmiedeke und die „Rentenexperten“ verbreiten Panik, weil der Beitragssatz steigen könnte. Das ist plumpe Irreführung, denn die Beiträge sind längst gestiegen. Durch die private Altersvorsorge. Vier Prozent ihres Einkommens sollen sie für die private Altersvorsorge abzweigen und anlegen. Deshalb werden ihnen auch die Renten später gekürzt. So und nun rechnen sie bitte. Die Bundesregierung hat den Beitrag zur gesetzlichen Rente auf maximal 22 Prozent begrenzt. Darüber darf er nicht ansteigen. Und jetzt rechnen sie bitte die vier Prozent dazu, die sie privat anlegen müssen, um ihr Rentenniveau zu halten. Das macht 26 Prozent. Das sind zwei Prozentpunkte mehr, als die Rentenversicherung im übrigen gebraucht hätte, um ein auskömmliches Rentenniveau von 64 Prozent zu erreichen, das in der Regel deutlich über dem Sozialhilfeniveau läge.

Worüber regt sich Frau Schmiedeke eigentlich auf? Sie sollte noch mal einen Mathematikkurs in der Volkshochschule belegen, dabei aber unbedingt aufpassen, dass sie nicht in einem von Münteferings Rentenkursen landet, die dieser hat einführen lassen, als er noch Arbeitsminister war und in denen die Vorzüge seiner „Rente mit 67“ den Menschen da unten erklärt werden sollen. Unter uns, diese Kurse taugen nix… ;)

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Nachtrag zur Steuerschätzung

Geschrieben von:

Das Interview mit Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank in der heutigen Ausgabe der Neuen Presse Hannover spricht Bände. Offenbar ist der Redaktion sehr daran gelegen, das Bild zu transportieren, dass der Staat wieder sparen müsse. Das Agentur-Bild vom „Deutschen Michel“, der einen Schuldensack trägt, findet sich nicht nur in der NP, sondern mal wieder deutschlandweit. Albrecht Müller berichtet auf den NachDenkSeiten von seiner Tageszeitung Rheinpfalz, in der dieselbe Aktion mit entsprechendem Begleittext zu sehen ist.

In der Neuen Presse findet sich unter der Überschrift „Krisenmonopoly: „Zurück auf Los““ noch ein weiterer Bericht über die konkreten Auswirkungen auf Niedersachsen. Ministerpräsident Wulff will zwar in der Krise nicht sparen, aber das Projekt beitragsfreie Kita wird es wohl nicht geben. Okay, wieder Abstriche bei der Bildung, in die man in Sonntagsreden doch immer so unglaublich viel investieren will, weil davon doch unsere Zukunft abhinge. Aber die Krise und die nun geschätzten Steuerausfälle haben halt alle total überrascht. Damit konnte ja nun keiner rechnen. Alles aus heiterem Himmel. Und die vielen Schulden, die nun auf uns zukommen. Schrecklich. Sparvorschläge müssen her.

Und die Neue Presse liefert natürlich welche. Wen fragt man da immer. Natürlich den Bernhard Zentgraf vom Steuerzahlerbund Niedersachsen. Der schnackt immer ganz ordentlich. Mit dem durfte ich auch schon quatschen. Die Regierung müsse die Zügel wieder stärker anziehen, sagt er und zwar bei den Personalkosten – wo auch sonst. Die Wiederbesetzungssperre im öffentlichen Dienst soll noch schärfer ausfallen. Da fragt man sich verdutzt, was an einer nicht wieder besetzten Stelle noch schärfer geregelt werden kann, aber Herr Zentgraf ist natürlich ein Fuchs und schiebt gleich hinterher, dass auch die Arbeitszeiten der Verbliebenen und noch nicht im Dienst Verblichenen weiter verlängert werden müssen. Alles klar. Ausquetschen bis nix mehr geht, lautet das Motto.

Aus der heutigen Zeitungslektüre wird ganz deutlich, bei wem in Zukunft gespart werden muss. Herr Walter von der Deutschen Bank hat es ja gesagt. Transferleistungen einstampfen und Ausgaben runterfahren. Wer regt sich eigentlich angesichts dieser hinterhältigen NP-Kampagne, die nur darauf abzielt, mal wieder das Lied von den Ausgabenkürzungen zu trällern, darüber auf, dass Thilo Sarrazin (SPD) als frisch gebackener Bundesbankvorstand gegen Hartz IV Empfänger hetzt und medienwirksam z.B. fordert, die gesetzliche Rente auf ein Grundniveau abzusenken. Eigentlich müsste die Redaktion der Neuen Presse Hannover diesem Vogel eine Altar-Seite einrichten.

Dann wäre zum Abschluss noch ein Wort an den neuen Bürgerkönig zu verlieren, der heute in Hannover mit sozialistischem Wahlergebnis und ohne Gegenkandidaten gewählt worden ist. Dieses aristokratische Gehabe scheint mir auch eine Mediennummer zu sein (Die Zeit schreibt von der „Krönungsmesse„). Die Neue Presse musste heute unbedingt melden, dass Guido Westerwelle im Maritim die Präsidentensuite bezog, während die Altvorderen Graf Lambsdorff und Genscher sich mit Seniorsuiten begnügen mussten.

Neben der Neuen Presse Hannover und anderer Medien haben sich in Hannover so viele Wirtschaftsvertreter und Lobbyisten wie noch nie versammelt, um der FDP und ihrem König den Hof zu machen. Denn Westerwelle verspricht als einziger Steuersenkungen und reklamiert für seine Partei das „Copyright“ auf die Zuschreibung „Steuersenkungspartei“. Ist es da ein Wunder, dass dieser blaugelbe Kasperverein in den Umfragen ganz oben steht? Oder wie Wolfgang Lieb es treffend schreibt…

„…könnte es nicht einfach so sein, dass die oberen 10 Prozent und dazu noch die Yuppies, die meinen, dass sie auch dazu gehören, sich in der Krise deswegen besonders hartnäckig an die FDP klammern, weil diese Partei als Mitglied einer Regierungskoalition ein Garant für ihre Pfründe ist?“

Und was haben die oberen 10 Prozent im Überfluss?

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Zur Steuerschätzung

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Thorsten Hild bringt es in Wirtschaft und Gesellschaft auf den Punkt:

Die Steuereinnahmen stehen und fallen gerade in der Wirtschaftskrise mit dem Volumen öffentlicher Ausgaben. Umso stärker der wirtschaftliche Impuls durch höhere staatliche Ausgaben ausfällt, umso schneller und stärker sprudeln auch wieder die Steuerquellen. Gleichzeitig gilt: Umso stärker der wirtschaftliche Impuls durch höhere staatliche Ausgaben ausfällt, umso geringer die staatlichen Ausgaben, die für die sozialen Sicherungssysteme sonst wegen steigender Arbeitslosigkeit aufgewendet werden müssen.
Wer diese zwei zentralen Zusammenhänge bei der Bewertung der Steuerschätzung nicht berücksichtigt, kann auch nicht die richtigen Schlussfolgerungen aus ihr ziehen, sondern steht wie der Ochs vor dem Berg, in diesem Fall vor dem Schuldenberg. Denn auch die Staatsschulden, die ja gerade in Deutschland als ständige Bedrohung an die Wand gemalt werden, sind ja nur das Ergebnis der Steuerung von Staatseinnahmen- und ausgaben.

Und vor diesem Berg steht mal wieder die Neue Presse Hannover. Der Ochs heißt diesmal Udo Harms, und er schreibt folgende Sätze in seinem Leitkommentar auf Seite 1:

„Die Wirtschaftskrise lässt alle Träume von ausgeglichenen Haushalten platzen, die Frage ist jetzt eigentlich nur: Ausgaben brutal kürzen oder immer mehr neue Schulden machen.“

Falsch, die Frage ist, welcher Sinn in den Träumereien von ausgeglichenen Haushalten zu finden ist. Gestern hat Steinbrück bei der PR-Agentur Slangen+Herholz ein Interview gegeben. Darin sagte er, dass er ja einen ausgeglichenen Haushalt geschafft hätte, leider sei ihm die weltweite Krise dazwischen gekommen. So ein Pech aber auch. Das passiert ja ganz selten, dass die weltwirtschaftliche Entwicklung auf den Haushalt des amtierenden Exportweltmeisters Auswirkungen hat. Die Ganze Sparerei umsonst. Was hat’s gebracht, sollte Harms mal fragen. Einen Einbruch von sechs Prozent erwartet die Bundesregierung. Aber Deutschland war ja bis weit nach die Weihnachts- und Neujahrsansprachen hinaus robust aufgestellt.

„So gehen die Experten recht optimistisch davon aus, dass es schon nächstes Jahr wieder ein Wachstum von 1,2 Prozent gibt – das darf man hoffen, wissen kann es niemand.“

Ja, wer ständig nur vor sich hin träumt, der hat natürlich den Bezug zur Realität verloren und weiß mit makroökonomischer Steuerung auch nix anzufangen. Ist halt alles Zufall, was passiert. Dass das Wirtschaftswachstum entscheidend davon abhängt, was die Politik in Berlin in der Krise zu tun gedenkt, kommt dem Herrn Harms nicht in den Sinn. Thorsten Hild oben schon.

„Es gibt keinen Grund zur Panik: Der Einbruch ist zwar dramatisch, doch der Staat kann sich in diesem Jahr trotzdem voraussichtlich über die dritthöchsten Einnahmen der vergangenen 60 Jahre freuen.“

Na super. Und die Leute die ihren Job verlieren, bleiben seelenruhig und sollen sich nicht so anstellen. Schließlich kann es nach Harms ja zufällig passieren, dass das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr wieder wächst. Das heißt dann zwar noch lange nicht, dass auch wieder Jobs entstehen. Aber egal.

„Und nicht vergessen darf man, dass es die Konjunkturprogramme und längst beschlossene Steuererleichterungen sind, die die Staatskasse massiv belasten – eine gute Nachricht, die bei vielen Bürgern gar nicht angekommen ist und deshalb auch kaum wirkt.

Und das ist der Oberhammer. Ganz klar. Die Konjunkturprogramme verursachen den hohen Steuerausfall von geschätzten 320 Mrd. Euro bis 2013. Was hat dieser Vollidiot eigentlich geraucht? Was ist mit den Milliardengeschenken an die Banken? Wer bezahlt das? Der Goldesel in Steinbrücks Büro? Es ist zum Kotzen, so einen Rotz lesen zu müssen. Ein Skandal ist das.

Gestern habe ich über die Commerzbank geschrieben, die beabsichtigt, auf die stille 18,2 Mrd. Euro Einlage des Bundes, keine Zinsen zahlen zu wollen. Wer zahlt denn diesen Ausfall? Oder andersherum gefragt. Wie wirken sich die 18,2 Mrd. für die Commerzbank, die über 100 Mrd. für die HRE und die vielen anderen Mrd. für die Banken auf die Konjunktur aus? Warum setzt Herr Oettinger in Baden Württemberg mal eben die vom Landtag beschlossene Deckelung von Gehältern für Spitzenmanager (500.000 Euro) außer Kraft? Drunter macht’s angeblich keiner bei der vom Staat gestützten Landesbank Baden-Württemberg.

Und was ist eigentlich mit den 250 Mrd. für das nationale steinbrücksche Bad Bank Projekt? Das trifft den Steuerzahler wohl auch nicht? Oh man. Diese Presse ist wirklich das Allerletzte. Wie zu Erwarten liefert die PR-Agentur Slangen+Herholz heute auch noch ein Interview mit Norbert Walter (Chefvolkswirt der Deutschen Bank), direkt neben einem Agenturfoto, auf dem ein protestierender Aktivist der „Intitiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ abgebildet ist, der als Michel verkleidet, einen schweren Sack mit der Aufschrift Pro-Kopf-Verschuldung trägt. Norbert Walter darf dann auch folgendes sagen, übrigens passend zum Start des FDP-Parteitages in Hannover – da schließt sich dann der Kreis:

„Der Staat muss Steuersenkungen durch Beschränkung bei den Ausgaben gegenfinanzieren“ (sprich: „Subventionen und Transferleistungen reduzieren.“).

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Einzelhandelsumsatz sinkt auch im März 2009

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Wie zu erwarten, setzt sich die Abwärtsspirale im Einzelhandel weiter fort. Real sank der Umsatz um 1,5 Prozent. Das meldet heute das statistische Bundesamt.

Der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren setzte im März 2009 nominal 2,6% und real 3,0% weniger um als im März 2008. Dabei verzeichneten Supermärkte, SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte einen Rückgang von nominal 2,5% und real 2,8%.

Was behauptete vor kurzem der Wirtschaftsw(a)ise Wolfgang Franz vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), der sich unter anderem auch der INSM so verbunden fühlt?

Weitere Konjunkturmaßnahmen seien unangebracht. Die anhaltenden Preissenkungen im Einzelhandel würden bereits wie ein drittes Konjunkturpaket wirken.

So wie es aussieht, entwickelt sich aber genau das, was eine Rezession kennzeichnet. Während einer handfesten Beschäftigungskrise wirkt der anhaltende Preisverfall eben nicht Konsum belebend, sondern in genau entgegengesetzter Richtung. Der Preiskampf setzt alle Marktteilnehmer unter zusätzlichen Druck. Er verschärft letztendlich die Beschäftigungskrise. Die Gefahr heißt nach wie vor Deflation, begleitet von Massenarbeitslosigkeit und weiter sinkenden Einkommen.

Wolfgang Franz’ens angebliches „Konjunkturprogramm“, das quasi aus dem kollektiven Nichtstun heraus zur Entfaltung kommen sollte, ist vielmehr ein teurer Krisenbeschleuniger. Ohne aktive Konjunkturpolitik, die eine breite Nachfragebelebung zum Ziel hat, werden weiterhin massenhaft Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Einfach so durch Unterlassen. Da helfen auch keine Steuersenkungsabsichten in Wahlprogrammen. Auf der Seite von Egon W. Kreutzer können sie ohne Anspruch auf Vollständigkeit mal nachverfolgen, wie viele Jobs wöchentlich in etwa vernichtet werden. In der kurzen Woche vom 28. April bis 4. Mai weist die Stistik einen Verlust von 9.435 Arbeitsplätzen aus.

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