Die Hochmütigen fordern Zusammenhalt

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Ist der Zusammenhalt wichtiger, als das Verhältnis zu Russland? Spannende Frage, die da einige Unionspolitiker nach dem EU-Gipfel aufgeworfen haben. Auf diesem ging es unter anderem um Nordstream 2. Ein pikantes Projekt, da ja vor einem Jahr Southstream an der Sanktionspolitik der EU, die maßgeblich von Deutschland mitgestaltet worden war, scheiterte. Wenn nun Merkel Nordstream 2 forciert, hat das aus Sicht der Süd- und Osteuropäer ein Geschmäckle. Offener Streit zwischen Renzi und Merkel war die Folge.

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Aus sittlich moralischen Gründen

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Diskriminierung ist halt Glaubenssache und Sonderrechte hätte auch die CDU ganz gerne.

In Erfurt sitzt das Bundesarbeitsgericht und natürlich auch der thüringische Landtag. Das erstere erklärte im Jahr 2011 die Entlassung eines Chefarztes für unrechtmäßig, der wegen ganz schweren Loyalitätsverstoßes, sprich einer Wiederheirat, seinen Arbeitsplatz in einem katholischen Krankenhaus in Düsseldorf verlor.

Da die katholische Kirche durch das Urteil einen Angriff auf ihr im Grundgesetz verbrieftes Selbstbestimmungsrecht erkannte, zog sie weiter vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe. Ergebnis heute Anno Domini 2014: Katholische Kirche darf Wiederverheirateten kündigen. Die Entlassung aus sittlich-moralischen Gründen bleibe auch weiterhin erlaubt.

Das ist natürlich kein Unrecht, sondern ein Sonderrecht, dem sich beispielsweise auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu fügen hat. Da steht nämlich drin, dass die Kirche Menschen auch ungleich behandeln darf. Diskriminierung ist halt Glaubenssache.

Es ist natürlich schon etwas verstörend, wenn die katholische Kirche in Karlsruhe aus „sittlich-moralischen Gründen“ Recht bekommt. Wenn es hingegen um sexuellen Missbrauch geht oder um die Ausstattung eines Bischofssitzes, regelt das die Kirche lieber allein, ohne die weltliche Gerichtsbarkeit und ohne den Verweis auf Sitte und Moral.

Über Unrecht ist in Karlsruhe also nicht verhandelt worden, dafür in Erfurt. Dort darf Bodo Ramelow jetzt Ministerpräsident werden, weil seine Partei Die Linke die DDR fortan als Unrechtsstaat bezeichnet. Das hält die Gegner eines rot-rot-grünen Bündnisses natürlich nicht davon ab, den Untergang des Abendlandes an die Wand zu malen.

Vor allem die christlichen Parteien schimpfen hörbar laut, weil sich die SPD zum Steigbügelhalter der Linken mache, deren Wurzeln bis tief in die SED-Vergangenheit zurückreichen würden. Die der CDU allerdings auch. Doch das ist ja nur weltliche Polemik.

Aus sittlich-moralischen Gründen hätte sich die SPD mit der Union ins Bett legen und noch einmal deren Anhängsel werden sollen. Leider gibt es noch kein Gericht, das auch in diesem Sinne urteilen würde, außer der mediale Schlachthof von FAZ bis Spiegel Online.


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Noch mehr Peitsche für Arbeitslose

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Die Idee, eine Prämie an besonders bemühte Langzeitarbeitslose zu zahlen, ist nur der Entwurf für ein weiteres schäbiges Kapitel im Buch der gescheiterten Arbeitsmarktpolitik.

Weil das mit der Agenda 2010 und den sogenannten Strukturreformen so gut geklappt hat, will die Unionsfraktion im Bundestag künftig Prämien an Langzeitarbeitslose verteilen, die sich „besonders eifrig um eine erfolgreiche Rückkehr in den unsubventionierten Arbeitsmarkt bemühen“, schreibt die FAZ, der ein Positionspapier der Fraktion vorliegt. Damit sollen positive Anreize jene Sanktionen ergänzen, an denen natürlich nicht gerüttelt werden darf. Was auf den ersten Blick wie eine humane Kehrtwende aussehen mag, ist in Wirklichkeit das Eingeständnis eines Scheiterns.

Denn die angeblich so erfolgreichen Hartz IV-Reformen wirken nicht. Bis heute glaubt die Politik, das die Androhung von Leistungskürzung den Arbeitslosen diszipliniere und auf den Pfad zurück in den ersten Arbeitsmarkt führe. An der Zahl der Langzeitarbeitslosen hat dieses menschenverachtende Regime allerdings nichts geändert. Das Prinzip wirkt ausschließlich bei den Noch-Beschäftigten, die Arbeitslosigkeit fürchten und daher jene Bedingungen akzeptieren, die ihnen der Arbeitgeber diktiert.

Zweck der sogenannten Arbeitsmarktreform war auch nicht die Arbeitslosigkeit zu senken, sondern die Position der Unternehmen zu stärken, den Anstieg der Lohnstückkosten zu drosseln und damit einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Dass die Zahl der Arbeitslosen dennoch sank, war nicht die Folge eines Jobwunders, wie gern behauptet wird, sondern das Ergebnis von Änderungen bei der statistischen Erfassung von Erwerbslosigkeit.

Die Brücke ist längst eingestürzt

Es ist hinlänglich bekannt, dass die Statistik geschönt, die Zahl der Langzeitarbeitslosen aber unverändert und die Brücke in den ersten Arbeitsmarkt längst eingestürzt ist. Was können Prämien an diesem grundsätzlichen Problem ändern? Nichts, der Vorschlag lenkt aber von den Ursachen des Dilemmas ab. Erfolgreiche Arbeitsvermittlung findet heutzutage nur noch bei Ex-Ministern statt, die ohne Kompetenz auf Spitzenpositionen in der deutschen Wirtschaft wechseln, um mit dem Geschäfte zu machen, was sie als Regierende oder Abgeordnete in die Wege leiteten.

Für Langzeitarbeitslose steht dieser Weg natürlich nicht offen, trotz angeblichen Jobwunders und eines Fachkräftemangels, der immer wieder beklagt wird. Langzeitarbeitslose, die sich nach den Vorstellungen der neoliberalen Minderleister vorbildlich verhalten, bekommen dann im Prinzip eine Art Aufwandsentschädigung für eine Leistung, die ihnen die zuständigen Behörden schon längst nicht mehr bieten können. Eine mehr oder weniger sinnlose Eigeninitiative ersetzt fehlende Vermittlungsangebote und eine Förderung, die dem Sparhammer ganz bewusst zum Opfer fiel.

Die erfolgreiche Rückkehr in den Arbeitsmarkt bleibt weiterhin verbaut, da sich an der Politik der Profitmaximierung nichts ändern wird. Diese erfordert eine geschwächte Arbeitnehmerschaft, die sich mit der Aussicht auf ein Leben in prekärer Beschäftigung wie Leiharbeit gefälligst zufrieden geben soll. Das Modell fördert allerdings Perspektivlosigkeit und Wut. Die Neoliberalen fürchten das und versuchen sich mit der Prämien-Idee einerseits freizukaufen und andererseits den Klassenkampf im Armenhaus in eine genehme Bahn zu lenken.


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Die Koalition der großen Coups

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Alle schreiben, das Gabriel und der SPD ein großer Coup gelungen sei. Trotz ihres Wahldebakels habe die Parteispitze ein aus SPD-Sicht gutes Verhandlungsergebnis erzielt, das auch die Basis überzeugen konnte. Bei der Vergabe der Ministerposten ernten die Spitzengenossen ebenfalls staunende Blicke. Die Union steht zu Beginn der 3. Großen Koalition als vermeintliche Verliererin da. Doch verlieren wird und kann auch nur die SPD.

Das Regieren unter Angela Merkel ist zu einem quälenden Prozess verkommen. Entscheidungen werden nicht getroffen, sondern so lange hinausgezögert, bis es nicht mehr anders geht. Warum sollte die SPD daran etwas ändern können, zumal die nächsten Wahlen ihre Schatten schon voraus werfen. Viele fragen, was die Union eigentlich aus ihrem Programm in den Koalitionsvertrag hat einbringen können. Die Antwort: Kaum etwas. Das ist aber keine Niederlage, sondern Absicht derer, die bloß so weitermachen wollen wie bisher. Der Union reicht Angela Merkel als unangreifbare Übermutti und ansonsten reicht es ihr, die SPD in ihrem Eifer auszubremsen.

Nicht nur Merkel, sondern auch Schäuble, der als Finanzminister über besondere Rechte in der Regierungsmannschaft verfügt, werden zu gegebener Zeit intervenieren. Die Vorboten treten bereits in Erscheinung. Die zu kurz gekommenen Jungpolitiker in der Union wie Mißfelder und Spahn kritisieren den Koalitionsvertrag ganz offen, obwohl sie ihn zum Teil selbst mit aushandelten. Über viele Dinge müsse im Verlauf der Legislaturperiode noch einmal gesprochen werden, so die Auffassung. Und das wird auch so geschehen mit Unterstützung der sogenannten Experten an ihrer Seite wie auch den Medien.

Glaube an den Weihnachtsmann

Die SPD hingegen glaubt fest an das Gegenteil und erweckt auch den Eindruck, sie könne in dieser Koalition politische Erfolge erringen. Die Sozialdemokraten scheinen immer noch nicht verstanden zu haben, wie politische Entscheidungen in diesem Land unter Merkel vorbereitet werden. Dabei hätten sie aus der beispiellosen Demontage ihres zunächst gefeierten Kandidaten Steinbrück etwas lernen können. Zu viel Lorbeeren und Bewunderung vom Gegner ist trügerisch. Dennoch nutzte die Parteispitze um Gabriel deren vergiftetes Lob erneut als Argument, um die eigenen Leute in einem aussichtslosen Kampf hinter sich zu scharren.

Politische Entscheidungen unter Merkel werden durch das öffentliche Klima bestimmt. Gerade beim Thema Rente ist der eisige Gegenwind schon deutlich zu spüren. Die Stimmungsmache läuft bereits in den Medien mit Begriffen wie „Wahlgeschenk“ oder „Wohltat“. Die SPD merkt das nicht, sondern sonnt sich noch im Lichte eines Koalitionsvertrages, der nicht das Papier wert sein wird, auf dem er geschrieben steht. Die Sozialdemokraten werden mit einer Union, die sich aufs Bremsen verständigt hat und die Medienmacht im Rücken weiß, um halbherzige sozialpolitische Korrekturen im Koalitionsausschuss ringen müssen, während die Opposition mit der Umsetzung eines viel besseren Pakets frohlockt.

Posten als Belohnung fürs Scheitern in Vergangenheit und Zukunft

Der erhoffte Glanz, von dem auch die Wähler Notiz nehmen würden, bleibt ein frommer Wunschtraum derer, die mit einem Pöstchen im großen Personalkarussell entlohnt worden sind. Union und SPD wollen insgesamt 33 Parlamentarische Staatssekretäre ernennen. Ein neuer Negativrekord. Hinzu kommen die beamteten Staatssekretäre wie der unsägliche Asmussen, der bei der EZB aufgrund seiner mittelmäßigen ökonomischen Fähigkeiten mehr oder weniger kaltgestellt, nun ausgerechnet ins Arbeitsministerium entsorgt werden muss (was genau dahinter steckt, hat Jens Berger etwas genauer analysiert).

Hinzu kommt noch das Bundestagspräsidium, das noch vor Abschluss der Koalitionsgespräche in einem Akt großer Einigkeit zwischen Union und SPD aufgestockt werden musste. Die Posse des Postengeschachers liefert aber die Chefin selbst. Auf ihrer Pressekonferenz kündigte Kanzlerin Angela Merkel eine neue Stelle in ihrer Machtzentrale an. Ein neuer Staatssekretär soll sich um die Belange der Geheimdienste kümmern. Und zwar wegen dem, was andere die NSA-Affäre nennen, sie aber lieber als Angelegenheit bezeichnen würde. Das ist Kanzlerinnen-Duktus und zu diesem passt dann auch Klaus-Dieter Fritsche, der offenbar als Entschädigung für die beim Postengeschacher arg zu kurz gekommene CSU befördert werden soll.

Bleibt eigentlich nur noch Ursula von der Leyen, die künftig das Verteidigungsressort leiten soll. Diese Personalentscheidung gilt als faustdicke Überraschung und als mehr oder weniger gelungener Coup der Kanzlerin. Was daran nun aber gelungen sein soll, erschließt sich wohl nur den Hauptstadtjournalisten. Auf die erste wirklich gute Frage von Günther Jauch (Verstehen sie etwas von Verteidigungspolitik?) antwortete die designierte Ministerin gestern mit einem sehr ausführlich vorgetragenen und bezeichnenden Nein.

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Falschmeldungen am Morgen

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Pkw-Maut und flächendeckender Mindestlohn kommen. Das sind die Falschmeldungen des Morgens. Aber auf diese kommt es den künftigen Koalitionären an. Der erste Eindruck zählt und nicht der Blick ins Detail. Schließlich können alle Seiten mit der Einigung sehr gut leben und ihren Mitgliedern die Zustimmung empfehlen. Fakt ist aber, dass sich Union und SPD lediglich darauf geeinigt haben, in einem Koalitionsvertrag bestimmte Begrifflichkeiten festzuschreiben, die als Schlagworte rasch in Umlauf gebracht werden können.

Wie vorhergesagt, hat die SPD beim Mindestlohn nur eine Umetikettierung erreicht. Es wird Ausnahmen geben und eine Kommission, die nur eingerichtet wird, um den faulen Kompromiss über die Legislaturperiode hinweg fest und die Lohnuntergrenze möglichst niedrig zu halten. Der politische Basar ist den Koalitionären wichtiger als die Vernunft, die in der Lohnpolitik eine gesamtwirtschaftliche Funktion erkennen würde. Hätte sich die Vernunft durchgesetzt, gäbe es keine Kommission und keine Ausnahmen und schon gar nicht irgendwelche Übergangsfristen, sondern einen gesetzlichen Automatismus, der sich an der goldenen Lohnregel (Zielinflationsrate der EZB und Produktivitätsentwicklung) orientiert.

Beim Thema Pkw-Maut, es interessiert halt jeden, sind Bedingungen formuliert, die kaum zu erfüllen sind. Vielleicht fragt ja mal ein Journalist nachher bei der Vorstellung des finalen Entwurfes zum Koalitionsvertrag, wie es gelingen kann, Deutsche Fahrzeughalter nicht stärker zu belasten. Die Höhe der Kfz-Steuer reicht in vielen Fällen gar nicht aus, um sie mit einer Vignette zu verrechnen. Da wird dann Seehofer bestimmt noch eine Straßenbenutzungsprämie einführen müssen, um einen Ausgleich zu generieren.

Oder aber, es kommt ganz anders. Die Verhandlungen und der Regierungsstil Merkels haben doch gezeigt, das Entscheidungen eher auf die lange Bank geschoben werden und Formulierungen im Koalitionsvertrag nur grobe Richtschnüre sind, die man so und so interpretieren kann und die sich vor allem der jeweiligen Tagespolitik unterzuordnen haben. Was passiert denn, wenn die Wirtschaft im kommenden Jahr weiter einbricht und die Agenda-Befürworter, die schon längst ihre Zurückhaltung abgelegt haben, erneut das Lied der schmerzlichen Reformen anstimmen, die Deutschland angeblich schon einmal den Weg aus der Krise wiesen? Wenn erst wieder vom kranken Mann Europas geredet wird, ist auch der sogenannte Mindestlohn schnell wieder vom Tisch. Dafür reicht die Übergangszeit locker aus.

So dürfte es auch den Vereinbarungen bei der Rente ergehen. Die abschlagsfreie Rente mit 63 soll nur kommen und die Aufstockung von Geringverdienerrenten voraussichtlich erst im Jahr 2017 in Kraft treten. Demnach ist auch die Meldung, wonach man sich auf Verbesserungen bei der Rente geeinigt habe, im Lichte des genauen Wortlautes betrachtet, eher übertrieben. Wo viele solls stehen, entscheidet am Ende die Stimmung. Und die zu beeinflussen und in die richtigen Bahnen zu lenken, damit kennt sich das Spitzenpersonal aus, das vorsorglich noch nicht erkannt werden will.

Ergänzung: Die Wirklichkeit ist wahrscheinlich noch schlimmer wie die Einführung der Schuldenbremse beweist. Diese stand nämlich 2005 nicht im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD und wurde dennoch kurz vor dem Ende der letzten Großen Koalition noch schnell ins Grundgesetz geschrieben.

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Die Woche der faulen Kompromisse beginnt

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Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin steht die Entscheidungswoche an. Bis zum 27. November soll der Vertrag zwischen Union und SPD stehen. Eigentlich sind es aber traurige Tage, an denen ein fauler Kompromiss nach dem anderen geschlossen werden wird wie zum Beispiel die feste aber unverbindliche Frauenquote. Manuela Schwesig, die vor dem Parteitag der SPD noch medienwirksam mit dem Abbruch der Verhandlungen drohte, spricht nun von einem wichtigen Signal für die Frauen und von einem großen Fortschritt in Sachen Gleichstellung. Brauchbare Ergebnisse sind das aber nicht.

Die Durchbrüche, die der Öffentlichkeit jetzt wahrscheinlich jeden Morgen aufs Butterbrot geträufelt werden, taugen vielleicht etwas für die ARD-Themenwoche Zum Glück, nicht aber für die Mitglieder der SPD, die über das Bündnis mit der Union abschließend entscheiden sollen. Beim ganz wichtigen Thema Mindestlohn droht die Union ebenfalls mit einem Kompromiss. Dabei ist allein schon die Vorstellung eines Vergleichs beim Mindestlohn abwegig. Entweder man ist dafür oder dagegen. Wenn eine Seite das Etikett für eine Schachtel liefert, in der die Überzeugung des anderen enthalten ist, nennt man das Etikettenschwindel. Und genau daran arbeiten Union und SPD.

Das großzügige Entgegenkommen der Union besteht nämlich darin, der SPD eine Lohnuntergrenze anzubieten, die erst 2016 kommen, von einer Kommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern überwacht werden und nicht für alle Branchen und Regionen gelten soll, dafür aber offiziell gesetzlicher Mindestlohn genannt werden darf. Die Union will Übergangsfristen durchsetzen, um einen nach ihrer Auffassung drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem im Osten zu vermeiden. Damit räumt die Union beiläufig und dennoch ganz konkret ein, dass das angebliche Jobwunder auf einer Scheinbeschäftigung beruht, die ohne staatlich subventioniertes Lohndumping nicht funktionieren würde.

Nicht Flexibilität, sondern Teilhabe

Beide Verhandlungspartner verstehen Löhne nur als Kosten, die sich dem Dogma der Arbeitsmarktflexibilität unterzuordnen haben. Daher werden Union und SPD auch einen Kompromiss finden, wo eigentlich nur eine klare Entscheidung für den Mindestlohn angemessen ist. Würden die großen Koalitionäre, die sich wechselseitig finanz- und wirtschaftspolitische Kompetenz ins Stammbuch schreiben, endlich begreifen, dass nicht möglichst flexible Arbeitsmärkte, sondern die Teilhabe der Arbeitnehmer die Wachstumsentwicklung stabilisiert, wäre schon viel erreicht.

Wenn dann noch klar würde, dass die Arbeitslosigkeit gestiegen ist, obwohl die Zunahme der Reallöhne hinter der Produktivitätsentwicklung zurückgeblieben ist und im Süden Europas sogar das radikale Kürzen der Löhne zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt hat, wäre vielleicht auch mal Schluss mit dem Verbreiten des irrigen Glaubensbekenntnisses, wonach eine Lohnanpassung nach oben unweigerlich zu mehr Arbeitslosigkeit führe. Das Gegenteil ist richtig, wie jeder sehen kann, der Augen im Kopf hat.

Eine Phalanx deutscher Autobauer hält das aber nicht davon ab, vor dem Mindestlohn und überhaupt vor weitreichenden Zugeständnissen an die Arbeitnehmer zu warnen. So dürfe beispielsweise an den Regeln für die Leiharbeit nicht gerüttelt werden. Das sei hochgefährlich, meint etwa Daimler-Chef Zetsche. Die Flexibilität am Arbeitsmarkt müsse erhalten und Energie bezahlbar bleiben. Andernfalls, drohen die Manager, müsse die Produktion ins Ausland verlagert werden. Das zieht immer. Die CDU will die Bedenken der hohen Herren umgehend mit der SPD besprechen und beweist damit einmal mehr die eigene Erpressbarkeit.

Gerade bei der Leiharbeit werden die vier Automanager Dieter Zetsche (Daimler), Norbert Reithofer (BMW), Martin Winterkorn (VW) und Opel-Chef Karl-Thomas Neumann deutlich. Ohne die Leiharbeit sei ein wirtschaftliches Arbeiten kaum möglich, erklärt Reithofer. Zetsche meint sogar, dass man ohne Leih- und Zeitarbeit gar nicht mehr produzieren könnte. Richtiger wäre wohl, dass ohne Leiharbeiter und Werkverträgler Gehälter wie 14,5 Millionen Euro (Winterkorn), 8,2 Millionen Euro (Zetsche) und 6,6 Millionen Euro (Reithofer) nicht drin wären oder kostspielige Zukäufe und Fusionen, die hinterher mit hohen Verlusten wieder rückgängig gemacht werden müssen (siehe DaimlerChrysler Desaster).

Auch die unanständig hoch bezahlten Manager liefern nicht mehr ab als das Ergebnis einer Scheinbeschäftigung. Wenn der eine mit goldenem Handschlag geht, korrigiert sein Nachfolger dessen Unternehmenspolitik umgehend und zwar auf die immer gleiche Weise. Entlassungen und Lohnkürzungen. Vielleicht sollte an dieser Stelle über eine Beschneidung des Sozialstaates nachgedacht werden und eine Diskussion über die Begrenzung von Gehältern und Boni nach oben sowie höhere Steuern stattfinden. Das wäre tatsächlich mal eine Meldung, die man auch als Erfolg verkaufen könnte.

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Die Sensation, die schon keine war, ist nun verpufft

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Angesichts des klaren Neins der CDU-Spitze zum Thema Gleichstellung der Homo-Ehe gestern Abend, verweise ich auf meinen Beitrag vom 24. Februar „Eine Sensation, die mal wieder keine ist„. Da steht alles drin, worüber die Medien heute jammern. Allerdings lese ich auch, dass Angela Merkel Entscheidungsstärke gezeigt habe (Süddeutsche). Nico Fried meint zu Beginn seines Kommentars „Augen zu – und Vollbremsung“:

„Da sage noch einer, Angela Merkel sei entscheidungsschwach. Zehn Tage Zeit hatte die Kanzlerin in der Unions-Fraktion erbeten, um Gespräche über das weitere Vorgehen bei der sogenannten Homo-Ehe zu führen. Jetzt hat sie gerade mal fünf Tage gebraucht, um zu einem Ergebnis zu kommen.“

Am Ende heißt es dann:

„Peinlich ist nur, dass nun die Totalverweigerung eines Mannes den Ausschlag gab, der gar nicht der CDU angehört: Horst Seehofer.“

Da bleibt der Leser aber mit Blick auf den Begriff Entscheidungsstärke etwas verwirrt zurück. Das hat dann wohl doch mehr mit „Augen zu“ zu tun.

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Eine Sensation, die mal wieder keine ist

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Die CDU habe bei ihrer Haltung zur Homo-Ehe eine neuerliche Kehrtwende vollzogen, heißt es in den Nachrichten. Doch bei näherer Betrachtung hat sich nichts geändert. Die CDU kann vielmehr darauf vertrauen, dass einer ihrer Koalitionspartner mal wieder offen Widerstand gegen vermeintliche Neuregelungen ankündigt. Trotz der durchschaubaren Strategie, die unter anderem schon zu der falschen Behauptung geführt hat, die CDU habe sich sozialdemokratisiert, steht Angela Merkel als Gewinnerin da. Sie will scheinbar etwas verändern, kann aber nicht, weil ihre Regierung, mit der sie ja nie in Verbindung gebracht wird, dagegen ist.

Worin besteht eigentlich der “Kurswechsel”, den die hysterischen Medien glauben erkannt zu haben? Ein paar CDU Leute sagten so Sachen wie, die Partei müsse in der Frage Homo-Ehe beweglicher werden, oder: “Wir prüfen, welche Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen sind.” Mit diesen eher vagen Andeutungen verbinden die Medien nun eine bedeutende politische Wende, ohne dass erkennbar würde, wie diese konkret aussehen soll. Doch so läuft das Geschäft innerhalb der besten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung. Jeder darf sich bis zu seinem Wahltermin profilieren. Die Sensation bestehe allein schon darin, dass sich die Regierungsparteien über ein Thema lang und breit unterhalten, bei dem die Fronten bisher klar waren.

Dass diese schreckliche Regierung dazu aber schlichtweg gezwungen ist, weil Gesetze nach und nach für verfassungswidrig erklärt werden, die Regierung also eine Vereinigung ist, die das Grundgesetz aus ideologischen Gründen konsequent mit Füßen tritt, findet bei all der Bewunderung über einen “Kurwechsel” keinen Platz. Wie sagte Gerda Hasselfeld (CSU) als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts so schön: “Ich habe persönlich Verständnis für diese Entscheidung. Das ist allerdings keine Öffnung in Richtung auf ein generelles Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften.”

Für Urteile des Bundesverfassungsgerichts muss man in den Reihen der Union nur Verständnis haben und den üblichen “Respekt” heucheln, keinesfalls aber einen Auftrag zum Handeln ableiten. Das kennt man ja vom Kruzifix, dem Wahlrecht oder den Hartz IV Regelsätzen. Als einen Meilenstein wertete auch die FDP das Urteil zum Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare. Als aber das Lebenspartnerschaftsgesetz 2001 beschlossen wurde, stimmten die ach so liberalen Blender nicht nur gegen eine rechtliche Anerkennung, sondern auch explizit gegen Verbesserungen beim Steuerrecht. Nun fordert die FDP, namentlich ihr Vorsitzender Philipp Rösler, mit dem Hinweis auf eine offene und tolerante Gesellschaft die völlige Gleichstellung homosexueller Paare. Damit wendet der Vizekanz-Nicht und Wirtschaftsminister exakt die gleiche Strategie an, die auch Angela Merkel fährt. Er tut so, als gehöre er nicht zu dieser Regierung.

Die große Leistung der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Sachen Gleichstellung bestand bisher darin, in Gesetzestexten die Begriffe Lebenspartner und Lebenspartnerin neben die bereits vorhandenen Worte Ehegatte und Ehegattin hinzuzufügen. An der Diskriminierung von Schwulen und Lesben hat das freilich nix geändert. Nun behauptet die FDP Politikerin forsch, ein fertiges Gesetz zur vollständigen Gleichstellung in der Schublade liegen zu haben. Das müsste man ja dann Unterschlagung nennen. Fakt ist, dass die bisher erreichten Gleichstellungen im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht sowie im Grunderwerbssteuerrecht aufgrund erfolgreicher Klagen zustande gekommen sind und nicht weil die Bundesregierung von sich aus aktiv geworden wäre.

Dass die Union nun ankündigt, irgend etwas zu prüfen oder zu überdenken, ist keine Neuigkeit, sondern folgt der Logik des abwartenden Reagierens. Bereits in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linkspartei im Deutschen Bundestag zum zehnjährigen Jubiläum des Lebenspartnerschaftsgesetzes im August 2011 ist das nachzulesen.

Die Frage der Anpassung weiterer steuerlicher Normen wird – auch mit Blick auf die Rechtsprechung – geprüft. Im Hinblick auf die Stellung eingetragener Lebenspartner im Einkommensteuerrecht spielen dabei auch die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren zur Anwendung des Ehegattensplittings auf eingetragene Lebenspartner eine Rolle.

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Hornochsen

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Nun wird Stefan Mappus in den Kommentaren der Medien als Einzelgänger und Hornochse beschrieben, der sich von einem geldgeilen Banker hat dirigieren lassen. Doch über diesen Banker Dirk Notheis erfährt man wenig, seine Rolle bei der immer wieder propagierten Privatisierung der Deutschen Bahn wird gar vollkommen unter den Teppich gekehrt. Dabei drängt sich doch die Frage auf, welches Interesse Notheis damit verfolgt haben mag, wenn beim EnBW-Deal schon klar geworden ist, dass eine möglichst hohe Provision aus einer vermittelten Transaktion herauszuschlagen, das Ziel der Übung war. 

Gleichzeitig wird so getan, als sei die CDU neben dem Land und den Steuerzahlern bloß ein weiteres Opfer von Mappus’ Alleingang. Dabei wird geflissentlich unterschlagen, dass Mappus-Freund Notheis ebenso gut mit CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel befreundet ist wie auch mit CDU-Fraktionschef Volker Kauder. Beide ließen sich im Wahlkampf 2005 von Notheis beraten, der auch als Spendensammler für die CDU in Erscheinung trat. Zum Dank profitierte Morgan Stanley vom Börsengang der Postbank, bei der Verstaatlichung der HRE und weiterer Geschäfte, bei denen die Bank als Vermittler Provisionen einstrich.

Wer fragt aber danach, ob bei diesen Transaktionen oder den noch immer so beliebten öffentlich privaten Partnerschaften (kurz: ÖPP oder PPP) alles mit rechten Dingen zuging? Niemand, weil mit Mappus wie üblich nur ein Einzeltäter infrage kommen darf, der als ertappter Bösewicht dem Rest der Bande Schutz verschafft. Albrecht Müller bezeichnet die CDU aus diesem Grund als Mafia. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Jedenfalls scheint die Feststellung richtig zu sein, dass das EnBW-Geschäft vermutlich nur die Spitze eines Eisbergs war.

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