Auch die Schweinegrippe bleibt Top-Thema in der Neuen Presse Hannover

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Darunter folgende Bemerkungen vom berichtenden PR-Agenten Christoph Slangen, „Grippe-Alarm im Finanzministerium? Peer Steinbrück in Quarantäne? Nein, so dramatisch ist es nicht.“

Ich würde sagen, ein klassischer Fall von Fehldiagnose. Die Grippe wütet doch dort schon seit der IKB-Pleite im Jahr 2007. Zehn Milliarden stellte der verrückt gewordene Finanzminister Steinbrück dieser Bank über Nacht zur Verfügung, um den Finanzplatz Deutschland angeblich zu retten. Gerettet wurden aber nur die zockenden Gläubiger. Nach der Rettung verscherbelte Steinbrück die Bank für nur 150 Millionen Euro an die Finanzheuschrecke Lonestar, die unter anderem vom CDU-Politstar Friedrich Merz beraten wird, der ja bald deutscher EU-Kommissar werden soll. Sie wissen schon, das ist der Typ, der für uns den Bierdeckel erfunden hat, der sich aber selbst vehement weigert, seine eigenen Nebeneinkünfte als Abgeordneter des deutschen Bundestages anzugeben.

Merz sitzt in den Aufsichtsräten der Versicherungskonzerne AXA und DBV-Winterthur, er ist Aufsichtsrat bei der Deutsche Börse AG und ist Beirat bei der Commerzbank. Neuerdings ist er auch Chef der Atlantik-Brücke, also jener Organisation für Menschenprogrammierung, der auch schillernde „Führerpersönlichkeiten“ (Stichwort: Young-Leaders-Programm) wie unser junger „von und zu“ Wirtschaftsminister oder auch Angela Merkel entsprungen sind. Also viel beschäftigt. Zur kommenden Bundestagswahl tritt Merz daher nicht mehr an. Konsequent. Denn sonst müsste er seine Einkünfte ja doch offenlegen, wie das Bundesverfassungsgericht am 4. Juli 2007 noch einmal gegen den klagenden Merz untermauerte.

Aber das nur en passant. Ich wollte ja zurück zur „Todesgrippe“, die gemessen an den Entscheidungen der Bundesregierung und dem Finanzministerium im Besonderen schon viel länger wüten muss, als uns Christoph Slangen mal wieder weiß machen will. Aber Herr Slangen ist auch nicht an den irren politischen Entscheidungen der Vergangenheit interessiert, sondern an der Gesundheit unseres politischen Krisenmanagements. Schließlich lebt sein Büro von einer vitalen PR-Arbeit.

Dass allein die Tatsache, dass die 10 Mrd. Euro Steuergeld für die IKB unwiederbringlich verloren sind, da die Bundesregierung auf eine Rückzahlung schlicht verzichtete, wie die Linkspartei auf Anfrage herausfand, und dass in diesem Jahr nun der Neueigentümer Lonestar angekrochen kam, um noch einmal 12 Mrd. Euro anstandslos von Steinbrücks SoFFin überwiesen zu bekommen, schon auf schwere Ausfallerscheinungen beim Personal hindeuten, scheint Herr Slangen bei der Ausarbeitung der Krankenakte wohl vergessen zu haben.

Aber den Tipp, den Slangen herausgefunden hat, sollte man unbedingt so stehen lassen.

„Die Schweinegrippe breitet sich aus, in den Bundesministerien gibt es gute Tipps gegen das Virus: Hände waschen, notfalls zum Arzt gehen.“

Ich würde da noch eine kalte Dusche für PR-Journalisten wie Slangen ergänzend hinzufügen.

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Rote Kelle für den Börsengang der Bahn, sagt stern-Redakteur Hans-Ulrich Jörges in seiner WebTV-Kolumne

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Hans-Ulrich Jörges macht die Erfahrung einer Erfahrung und tut endlich mal das, was Journalisten eigentlich immer tun sollten. Reflektieren, sogar selbstkritisch. Seine aktuelle WebTV-Kolumne vom Berliner S-Bahnhof Hackescher Markt finden sie hier.

Darin fällt folgendes beachtliches Statement:

“Ich war bisher, muss ich gestehen, ein Anhänger des Börsengangs, weil ich geglaubt habe, nur dadurch kann die Bahn modern bleiben und sich Kapital verschaffen. Ich bin inzwischen dagegen, wegen dieser Berliner Erfahrung. Ich muss einsehen, die Gegner hatten immer recht. Hier wird gespart auf Kosten der Menschen.”

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Neue Presse Hannover: Interview mit einer "Optimistin im Börsendschungel"

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In der Wochenendausgabe der NP erscheint ein Interview mit der Geschäftsführerin der Niedersächsischen Börse zu Hannover Sandra Lüth. Sie ist Deutschlands erste Börsenchefin. Die 32 Jährige hält strengere Regulierungen der internationalen Finanzmärkte für weniger gut.

„Aktuell werden die alten Regulierungsgrundlagen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene in Frage gestellt. Der Wunsch besteht bei vielen Beteiligten, dass mit strengeren Regeln jeder zukünftigen Krise vorgebeugt werden kann. Dieses Ziel zu erreichen, ist aus meiner Sicht schwierig und vielleicht auch nicht realistisch.“

Aha. Also weiter wie bisher? Das fragen die drei Interviewer Chefredakteur Harald John, Politikchef Udo Harms und Redakteurin Inken Hägermann natürlich nicht. Aber man kann nicht sagen, sie hätten nicht versucht, irgendetwas Substanzielles über die Finanzmarktkrise von Frau Lüth zu erfahren. Hier einige Beispiele:

NP: In welchem Stadium der Krise bewegen wir uns?
Lüth: Ich bin kein Analyst, daher kann ich auch nur Meinungen zusammentragen, und die gehen derzeit sehr stark auseinander… Unterschiedliche Meinungen werden diskutiert, die ich mit Spannung verfolge. Ich bin gern ein optimistischer Mensch und hoffe natürlich, dass die Krise bald überstanden ist.
NP: Das schnelle Geld, die hohe Rendite, ist in Zeiten der Finanzkrise in Verruf geraten. Was denken Sie darüber?
Lüth: Wenn man dieser Krisenzeit überhaupt etwas Gutes abgewinnen kann, dann vielleicht das Hinterfragen von bestimmten Strukturen in der Finanzwelt, aber auch ein aufgeklärter Umgang mit Anlageprodukten. Ich habe aber die Befürchtung, dass viele auf der Suche nach Rendite ein mögliches Risiko verdrängen. Genau dessen müssen sich Anleger aber bewusst sein, dass eben hundertprozentige Sicherheit und höchste Rendite nicht zu vereinen sind…
NP: Es heißt häufig, dass eine der Hauptursachen der Krise die Gier der Banker und Börsenhändler gewesen sei.
Lüth: Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann aber sagen, dass unsere Börsen in jedweder Krisenzeit stets funktioniert haben…

In Sachen PR hat sie viel drauf, aber kann man nach diesem Interview wirklich behaupten, hierbei handele es sich um eine Optimistin im Börsendschungel. Eine Ahnungslose trifft es nach diesen Antworten doch eher?

Entsprechende Werbung darf natürlich auch nicht fehlen. Da ist mir eine Antwort besonders aufgefallen. Oben hat sie ja behauptet, dass es stärkerer Regularien an den Börsen nicht unbedingt bedarf und das vor allem die Anleger Schuld seien, dass sie ihr Geld verloren haben, weil sie halt das bestehende Risiko ausblendeten. Sie selbst habe auch ein geringes Lehrgeld zahlen müssen. Aber auf die Frage, wozu man eigentlich Regionalbörsen braucht, antwortet sie…

„Es gibt in Deutschland sieben Regionalbörsen, die miteinander wetteifern. Und Wettbewerb bringt für Anleger Vorteile. Die Börsen Hamburg und Hannover sind besonders innovativ, wenn es darum geht, Mehrwerte für Anleger zu schaffen. So haben wir 2002 an der Börse Hamburg den Fondshandel etabliert. Privatanleger können sekundenschnell Fonds kaufen oder verkaufen – und dies ganz ohne Ausgabeaufschlag.

Jetzt hätte bloß noch die Bemerkung, „ganz ohne Risiko“, gefehlt. Sie schwärmt dann noch von provisionsfreien Aktienkäufen bis 5000 Euro und quittiert diese in ihren Augen attraktive Handelsbedingung mit den Worten:

„Ein klarer Kostenvorteil!“

Sind klare Kostenvorteile nicht Auslöser der Krise? Na ja, warum sollte das überhaupt jemanden auf dem Parkett interessieren. Was zählt, ist der Index. Deshalb fragt die NP auch nach einer Prognose der Expertin, wie hoch denn der Dax am Ende des Jahres stehen würde. Die Antwort ist toll.

„Hmmm. Wenn man bedenkt, dass an der Börse auch Stimmungen und Erwartungen „gehandelt“ werden, bin ich verhalten optimistisch und hoffe, dass der Dax-Stand höher sein wird als heute.“

Ich als Leser frage mich da immer wieder, was die Höhe des Daxes für eine Aussagekraft hat, wenn nicht die über blühende Geschäfte der Spekulanten. Heute ist bekannt, dass die Vervierfachung des Dax-Wertes zwischen 1995 und dem März 2000 überhaupt nicht mit dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Einklang zu bringen war. Schon damals hat man sich ordentlich verzockt und die rot-grüne Regierung musste bereits im Jahr 2003 über die Bildung einer Bad-Bank nachdenken. Die HypoVereinsbank verlagerte im gleichen Jahr ihre schlechten Risiken auf die neu gegründete Hypo Real Estate aus, die einige Stunden nach dem Ablauf der Haftungspflicht für den Alteigentümer HypoVereinsbank am 29. September 2008 durch den Finanzminister Peer Steinbrück eine Ausfallbürgschaft versprochen bekam, für die der Steuerzahler aufzukommen hat.

Mit der Agenda 2010 Politik vollzog man in meinen Augen das größte Geldbeschaffungsprogramm der Geschichte für das Finanzmarktkasino. Unter dem Motto des ökonomischen Sachzwanges wurde eine Politik betrieben, die es zulies, dass die Gewinne aus der Produktivitätssteigerung nicht mehr in Form von Lohn- und Gehaltssteigerungen oder Investitionen zurück in den Wirtschaftskreislauf flossen, sondern auf dem Parkett der großen Finanzplätze landeten, zu dem Deutschland nach Auffassung Steinbrücks unbedingt gehören sollte. Mit dem Riesterrentenquatsch spühlte man der Versicherungsbranche noch weitere Milliarden zu.

Angesichts dieser Fakten ist es gerade zu ein Skandal, wenn sich eine 32 Jährige Börsenchefin hinsetzt und über Bauchgefühle und den richtigen Riecher philosophiert wenn es um die Anlageentscheidung geht oder die simple Formulierung raushaut:

„Aber das ist Börse: Jederzeit ist ein Auf und Ab möglich. Letztendlich kann niemand für einen bestimmten Tag einen bestimmten Kurs für das Wertpapier voraussagen – was auch gut ist.“

Die vielen Riestersparer in der Republik wird so eine schlichte Sicht er der Dinge sicher beruhigen. Das Börsenparkett als Spielfläche für immer jüngere Zocker, die es offenbar anturnt im Auf und Ab der Indizes einen besonderen Kick zu erleben. Zum Ausgleich geht man dann ein wenig Joggen.

„Schuhe an und los. Das ist ein sehr schönes Hobby, es macht den Kopf frei und die Gedanken etwas lockerer. Im kommenden Jahr möchte ich einen Halbmarathon hier in Hannover laufen.“

Na dann viel Erfolg.

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Staatsgeheimnis um die HRE-Gläubiger

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Es wird immer toller. Im letzten Jahr habe ich schon bei der Nachricht Gänsehaut bekommen, dass ausgerechnet die Deutsche Bank Führungspersonal in die Schaltzentrale des abgestürzten Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate entsendet. Im Mai diesen Jahres habe ich darauf hingewiesen, dass die Deutsche Bank ein großzügiger Spender ist. An die CDU gingen einer Pflichtmitteilung des Bundestagspräsidenten folgend 200.000 Euro.

Damals schrieb ich:

Einen Kommentar schreiben sie in ihrem Kopf bitte selbst. Als zusätzliche Information gebe ich ihnen noch an die Hand, dass Josef Ackermann mit zu jenen Feuerwehrmännern zählt, denen die Kanzlerin besonders vertraut. Ackermann ist in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank bei jedem Krisentreffen im Kanzleramt mit dabei. Er hat seine Leute unter anderem an die Spitze der Hypo Real Estate entsandt und die Renditevorgabe von 25 Prozent erneut zum Ziel seiner Unternehmensstrategie erklärt.

Bisher ist immer untergegangen, dass Ackermanns Leute an der Spitze der maroden HRE stehen. Kein Journalist hat da je nach einem möglichen Interessenkonflikt gefragt. Erst jetzt kommt man so langsam darauf, dass die Deutsche Bank vielleicht von der Rettung der HRE und damit von Steuergeldern profitieren könnte. Mit Verschwörungstheorie hat das nix zu tun. Dieses Szenario ist schlicht wahrscheinlich. Schließlich wissen wir aus Amerika, dass die Deutsche Bank zu den Hauptgläubigern des Versicherers AIG gehört, der von der amerikanischen Regierung mit über 170 Mrd. Dollar gerettet wurde. Ackermann profitierte ganz konkret von amerikanischen Steuergeldern. Denn nachdem US-Senat und Kongress Druck ausübten, musste AIG seine Gläubiger offenlegen. Und die Deutsche Bank stand mit knapp 12 Mrd. Dollar ganz oben auf der Liste.

Doch auch in Deutschland gibt es ein konkretes Beispiel. Der Fall IKB. Wir wissen, dass im IKB Aufsichtsrat 21 Mitglieder saßen, die alle zur Wirtschaftselite zählen und nichts gegen den Niedergang unternommen haben. Geschadet hat es ihnen nicht. Diese Dummschwätzer sind bereits zurück, wie Michael Rogowski, der aktuell Mitglied des Lenkungsrats Unternehmensfinanzierung ist und somit über die Vergabe von Staatsbürgschaften und Krediten an hilfsbedürftige Unternehmen mitentscheidet. Im sog. Deutschlandfonds befinden sich 100 Mrd. Euro Steuergelder. Aber auf diesen Taugenichts ziele ich gar nicht ab, sondern auf E.on-Chef Ulrich Hartmann. Der saß im Aufsichtsrat der IKB und zur gleichen Zeit im Aufsichtsrat der Deutschen Bank.

Während die IKB ihren Verlust vermeldete, den die Steuerzahler mit über 12 Mrd. Euro haben decken dürfen, glänzte die Deutsche Bank mit einem Rekordgewinn. Peter Gauweiler (CSU) fragte seinerzeit den Bundesfinanzminister, wie das angesichts der Börsengeschäfte mit IKB-Aktien sein kann:

„Trifft es zu, dass trotz ihrer Spekulationen auf fallende Kurse die Deutsche Bank weiterhin Subprime-Anleihen zu dann ja erkennbar überhöhten Werten an die IKB und an Landesbanken in ganz Deutschland verkauft hat und dass die Deutsche Bank jedenfalls die IKB nicht über ihre Einschätzung dieser Papiere informiert hat?“

Quelle: Capital

Und viel wichtiger ist doch die Frage, welche Rolle dabei ein Herr Hartmann spielt, der in beiden Bankhäusern im Aufsichtsrat saß. Welche Rolle spielen also Ackermanns Leute nun bei der HRE? Steinbrück schweigt. Und das völlig legal. Schließlich hat der Bundestag mit einer breiten Mehrheit aus CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP dem Gesetz zugestimmt, das Steinbrück ermächtigt, mit Steuergeldern Banken retten zu gehen, ohne das Parlament über Details informieren zu müssen.

So wie die IKB und die Landesbanken offenbar Bad Banks waren, so wie die Dresdner Bank eine Bad Bank für die Allianz war, ist auch die HRE am Ende nur eine Bad Bank, von deren Stützung durch massive Steuergelder, jene Gläubiger profitieren, die munter weiter das Ziel von den 25 Prozent Rendite verfolgen dürfen. Man fasst es einfach nicht mehr. Das ist nicht systemisch, das hat System.

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Unglaublich: "Es gibt wieder Optimismus"

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Das finden zumindest die Wirtschaftsforscher Wolfgang Franz vom ZEW und mit Sicherheit auch Professor (Un)Sinn vom ifo-Institut. Deren Indizes stiegen zuletzt. Das ZEW verkündet dann auch, auf Grundlage der ermittelten Daten, dass die Wirtschaft angeblich die größte Konjunkturzuversicht seit drei Jahren aufweise. Da fällt man ja glatt vom Stuhl. Nicht das die Neue Presse Hannover, in der ich diese Meldung heute auf Seite 1 lese, da mal kritisch nachfragt hätte, aber es stellt sich doch die Frage, wie die eigentlich auf diesen Quatsch kommen.

Und ein paar Zeilen weiter unten liest man es dann. Der DAX sei über die „psychologisch“ wichtige Marke von 5000 Punkten gesprungen. Na ganz toll. Wenn mir jetzt noch einer der Vollchecker in der NP-Redaktion erklären würde, was die Höhe des DAX-Wertes mit der realen Wirtschaft oder genauer, mit der Konjunktur zu tun hat, wäre ich sicher schlauer. Im Börsenteil findet sich dann folgendes Zitat eines Analysten:

„Der Pessimismus der vergangenen Monate geht immer stärker zurück. Wir werden im Laufe der Woche sicher über der 5000er Marke schließen.“

Ich würde diese Aussage eher als Drohung verstehen bzw. als Beleg dafür, dass mitten in der Krise, die Geschäfte für Anleger offenbar wieder ganz gut zu laufen scheinen. Aber statt sich zu fragen, wie es sein kann, dass die Spekulation an den Börsen unvermindert weiter geht, während gerade die Verluste der letzten Hausse von der Allgemeinheit beglichen werden, wertet der Vorsitzende des Sachverständigenrates Wolfgang Franz dieses Analysten-Gewäsch als konjunkturrelevant.

Dabei ist es der größte Unfug von Börse auf Konjunktur zu schließen. Allein zwischen 1995 und 2000 haben sich die DAX-Werte vervierfacht, ohne dass man nun feststellen könnte, dass es irgendwelche Auswirkungen auf den Konjunkturzyklus gehabt hätte. Schlimmer noch. Die Zahlen spiegelten ja nicht einmal die reale Wertschöpfung wieder. Und im Fall der Commerzbank zahlt der Staat jetzt gerade das sechsfache des Börsenwertes, um sich dann mit 25 Prozent + 1 Aktie zufrieden zu geben. Das ist doch einfach hohl.

Aber dennoch tut man bis heute so, als läge in den Börsenmeldungen eine tiefere Bedeutung, die es unbedingt zu erzählen gilt. Hören sie mal Anja Kohl im Ersten zu, wenn sie irgendwelche Sprüche und Weisheiten aus dem Hut zaubert, die das Geschehen am Finanzmarkt erklären sollen. Die Anja Kohl-Persiflage der Pro Sieben Truppe von „switch“ trifft dagegen genau den Kern. Nichtssagende Quasselei. Und die Ohnmacht bricht sich auch in dieser Zunft weiter Bahn. Wenn man aktuell solchen Leuten wie Franz Zink vom ZDF zum Beipiel zuhört, der schon mal zugibt, nichts mehr erklären zu können, so nach dem Motto, alles ist möglich, dann fragt man sich doch unweigerlich, wie zeitgemäß Börsenmeldungen eigentlich noch sind. Es sind doch nur rund fünf Prozent der Deutschen Aktienbesitzer. Der Rest hat mit Spekulation nichts zu tun.

Außer der Tatsache, dass die Verluste des Kasinospiels nun auf die breiten Schultern der Allgemeinheit verlagert werden. Es gibt nur eine logische Konsequenz aus dem weiterhin hoch spekulativen Börsengeschehen. Es schadet vor allem der Wirtschaft, als dass es ihr nützt. Das ist doch gerade die Lehre aus der aktuellen Krise. Aber nein. Ein neuerlicher Höhenflug des DAX wird gleich wieder übersetzt mit Wirtschaftswachstum und positiver Stimmung.

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Jetzt auch noch die Erhöhung der Mehrwertsteuer

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Im Rennen um die beklopptesten Vorschläge zur Bewältigung der Krise, gemeint sind die katatrophal einbrechenden Steuereinnahmen, bewegen wir uns auf einen neuen Höhepunkt zu. Der Chef des DIW, Klaus Zimmermann, fordert eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, um die Einnahmesituation des Staates zu stabilisieren. Hören sie genau hin und lesen sie genau. Gegen solch einen Schwachsinn sollte man sich endlich zur Wehr setzen. Während die oberen zehn Prozent, die an den Finanzmärkten gut verdient haben, in Hannover gerade die FDP feiern und ihr Credo von weiteren Steuersenkungen, reißen auf der anderen Seite die absurden Vorschläge zur Gegenfinanzierung, die vor allem wieder diejenigen treffen, die wenig oder nichts haben, nicht ab.

Dass man mit der alten Leier von der Sparerei nicht weit kommt, angesichts der Beträge, um die es geht, lässt bei unserer sogenannten Leistungselite alle verbliebenen Dämme brechen. Zimmermann begründet seinen dusseligen Vorschlag so:

„Eine jetzt angekündigte deutliche Mehrwertsteuererhöhung ab 2011 würde die Bürger ehrlich auf die kommende Lage vorbereiten. Damit würden die Lasten breit verteilt und auch der Konsum bis dahin angeregt.“

Die Lasten müssen und sollen b r e i t verteilt werden. Das ist die Botschaft. Ganz im Sinne der Aussage unseres Bundeshorsts: „Wir alle haben über unsere Verhältnisse gelebt.“

Weitere Konjunkturprogramme seien nicht nötig, hat Zimmermann vor ein paar Wochen gesagt, weil sie die Verschuldung nach oben treiben würden. Jetzt geht er noch einen Schritt weiter und sagt, dass eine Belebung der Binnennachfrage nur durch Androhung einer Konsumsteuererhöhung herbeizuführen ist. Gibt es noch etwas Absurderes von einem Wirtschaftswissenschaftler? Schon die innere Logik der Aussagen ist bemerkenswert. Bei der Abwrackprämie handelte es sich noch um Verschwendung, weil Konsumenten eine Investition nur vorziehen würden. Bei einer angedrohten Mehrwertsteuererhöhung ist die zu erwartende Vorziehung von Investitionen, wenn sie denn überhaupt in einem nennenswerten Umfange stattfindet, natürlich unbedenklich und wünschenswert.

Mal ganz abgesehen von dem Skandal, dass große Vermögen wieder einmal geschont werden und in den Überlegungen der „Experten“ keine Rolle spielen. Ich will das nicht dauernd vorrechnen, ich lasse mal das Programm der Linken sprechen…

Die Linksfraktion verlangt die Einführung einer Börsenumsatzsteuer in Deutschland. “Zur Eindämmung kurzfristiger Spekulation” solle eine Börsenumsatzsteuer nach dem Vorbild der britischen Stempelsteuer in Höhe von 0,5 Prozent des Kurswertes eingeführt werden, fordert die Linksfraktion in einem Antrag (16/12891).
Die Steuer soll ab einem Umsatz von 1.000 Euro erhoben werden und in Sonderfällen bis zu 1,5 Prozent betragen können. Um wichtige Investitionen vor allem in Bildung, Familien, Forschung, Infrastruktur, Kultur oder Sicherheit zu ermöglichen, sei der Staat auf solide und stabile Einnahmen angewiesen. Daher verlangt die Linksfraktion auch eine Anhebung des Spitzensteuersatzes als “Bildungssoli” auf 47 Prozent. Der höhere Spitzensteuersatz soll ab einem zu versteuernden Einkommen von 125.000 Euro (Verheiratete 250.000 Euro) erhoben werden.
Ausmaß und Tiefe der Wirtschaftskrise würden entschiedene Schritte zu ihrer Bekämpfung verlangen, begründet die Linksfraktion ihren Antrag. Die Krise sei kein Betriebsunfall, sondern Ergebnis einer “Ideologie, bei der maximaler Profit und nicht der Mensch im Mittelpunkt steht”. Die Jagd nach immer höheren Renditen und Maßlosigkeit bei persönlichen Vergütungen seien lange Jahre als normal erklärt worden. “Der Gier sollten keine Grenzen gesetzt werden”, schreibt die Fraktion. Märkte bräuchten jedoch Regeln und eine politische, kulturelle und soziale Einbettung.

Quelle: Deutscher Bundestag

Und weil es so lustig ist noch mal einen Auszug aus dem Programm der SPD…

Anhebung des Spitzensteuersatzes als „Bildungssoli“. Wir machen mit dem Ziel des Bildungsgipfels 2008 Ernst, die gesellschaftlichen Ausgaben für Bildung und Forschung bis zum Jahr 2015 auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen und unser Land im Bildungsbereich zukunftsfähiger zu machen. Um dieses Ziel erreichen zu können, schlagen wir einen Zuschlag als „Bildungssoli“ bei der Besteuerung höchster Einkommen vor. Dabei wird der Spitzensteuersatz auf 47 Prozent ab einem zu versteuernden Einkommen von 125.000 Euro (Verheiratete 250.000 Euro) angehoben.
Börsenumsatzsteuer. Zur Eindämmung kurzfristiger Spekulationen wollen wir eine Börsenumsatzsteuer nach dem Vorbild der britischen Stempelsteuer in Höhe von 0,5 Prozent (Normalsatz) bis 1,5 Prozent (Sonderfälle) des Kurswertes auf börsliche Wertpapiergeschäfte ab einem Umsatz von 1.000 Euro einführen. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass eine solche Steuer europaweit eingeführt wird.

Quelle: SPD-Regierungsprogramm (Seite 27)

Passt doch zusammen. Man versteht noch immer nicht, wieso die SPD so geil auf die FDP und Westerwelle ist. :>>

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Der Staat ist schön blöd!

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Am 6. Februar 2009 habe ich hier ein Vorgespräch zweier Börsenexperten auf n-tv eingestellt, das im Programm des Senders aus Versehen gesendet worden war. Darin unterhielten sich Fachmann Friedhelm Busch und der Moderator der n-tv Sendung über den Fall HRE und die Absicht des Bundes, eine Enteignung vorzunehmen. Dabei fiel der Satz, dass der Staat schön blöd wäre, wenn er mit Steuergeld ein Übernahmeangebot machen würde, da die Bank im Grunde Pleite sei und die Anteilseigner somit noch ein für diese Ausgangssituation gutes Geschäft machen würden.

Gesagt getan! Nun hat der Staat ein Übernahmeangebot abgegeben. Doch noch immer fragt kein Journalist offen nach der Blödheit des Staates. Im Gegenteil. Die Maßnahme wird überwiegend positiv aufgenommen, weil sie als privatwirtschaftliche Lösung interpretiert wird und eine umstrittene Enteignung vorerst vom Tisch scheint. Dabei ist es völlig Wurst, ob der Staat ein Übernahmeangebot abgibt oder gleich enteignet. Das Zweite wäre etwas billiger, da er nur eine Entschädigung aufbringen müsste.

Dennoch dreht sich die Diskussion in absurder Weise nur um die Frage, wie eine Verstaatlichung erreicht werden kann. Das eine wird wie gesagt privatwirtschaftlich betrachtet und damit marktwirtschaftskonform und das andere wird mit sozialistischen Praktiken gleichgesetzt und damit verteufelt. Doch niemand fragt danach, warum wir überhaupt diese eine Bank retten müssen. Meiner Meinung nach soll mit dem Verstaatlichungstheater auch nur von dieser wichtigen Frage abgelenkt werden.

Wenn man den Reportern im Radio aktuell so zuhört, kann man sich köstlich über deren Unverstand amüsieren bzw. sich darüber ärgern, dass denen das selbst nicht aufzufallen scheint. Da wird darüber gesprochen, dass der Flowers seine Anteile auch jetzt wohl nicht veräußern wird und Steinbrück wird mit den Worten zitiert, dass er niemanden mehr neben sich haben will, der ihm bei der HRE künftig rein reden könnte, deshalb das Übernahmeangebot. Nur wenn das stimmen würde, hätte er doch gleich enteignen können und müsste sich um die Belange der Anteilseigner nicht weiter scheren. Das alles ergibt keinen Sinn und dennoch wird so getan, als ginge es bei der Bank um alles.

Und präsentiert wird uns das als Wirtschaftskrimi unter dem Titel „Altaktionär und sein Kampf gegen den Staat“. So ein Schwachsinn. Noch immer will man uns glauben machen, dass die Banken im Allgemeinen und die HRE im Besonderen systemrelevant seien, ohne je eine Erklärung mitgeliefert zu haben, was das konkret eigentlich bedeutet. Was wäre denn nun passiert, wenn die HRE im Sptember 2008 Insolvenz angemeldet hätte? Keiner geht dieser Frage auch nur im Ansatz gedanklich nach. Es dominiert die Überzeugung, dass dann eine Katastrophe biblischen Ausmaßes über uns hereingebrochen wäre. Dabei stecken wir doch mittendrin in der Katastrophe, die natürlich nicht als solche erscheint, weil wir ja die HRE retten. Eine seltsame Wahrnehmung, die uns da vorgesetzt wird.

Aber zurück zur Hypo Real Estate. Diese Bank hat nach Aussagen des Aufsichtsratsvorsitzenden Endres etwa 10-20 Prozent der Bilanzsumme für normale Kreditgeschäfte aufgewendet. Der große Rest von 80-90 Prozent sei „artifiziell“, also unecht, will sagen Kasinobuchungen ohne Bezug zur Realität. Warum sollte man das also mit Milliarden Euro retten? Die Sicherung der 20 Prozent, die das normale Kreditgeschäft betrifft und damit die Realwirtschaft, würden doch ausreichen. Dafür hätte der Bund bürgen können. Wieso stützt er auch die Wettgeschäfte und Luftbuchungen?

Weil es angeblich um einen sehr wichtigen Wirtschaftszweig geht. Systemisch halt. Nur mit dem Unterschied, dass Banken nichts produzieren, so wie Opel zum Beispiel. Auch dieses Märchen wird nicht hinterfragt. Ist der Finanzsektor tatsächlich wichtiger als andere Bereiche der Wirtschaft, die durch Produktion Wertschöpfung erzielen? Ist der Finanzsektor nicht vielmehr Diener der Realwirtschaft? Das Kreditgeschäft ist doch die eigentliche Aufgabe des Finanzwesens, nicht die Spekulation. Nur lässt sich mit der Kreditvergabe allein keine 25 Prozent Rendite auf das Eigenkapital generieren. Das ist klar. Aus diesem Grund müssen Banken und Versicherer dann eben besonders wichtig sein, noch wichtiger als die Realwirtschaft. Denn nur wenn sie wichtig respektive systemisch sind, muss man nicht mehr erklären, wie das dazugehörige Geschäft funktioniert und wem es nutzt.

Und genau das passiert im Augenblick. Während man bei einem recht großen Unternehmen wie Opel tatenlos zusieht und eine mögliche Pleite billigend in Kauf nimmt, wird eine relativ kleine Bank wie die HRE zu einem systemischen Antriebsrad der deutschen Wirtschaft verklärt und mit Milliarden Steuergeldern zugeschüttet.

Über diesen Widerspruch lohnt es sich auch während der Osterfeiertage nachzudenken und weiterhin sachlich skeptisch zu sein. Frohe Ostern… ;)

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Mehdorn und die PR

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Zum Thema lesen sie bitte den heutigen Beitrag von Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten. Dort finden sie vieles von dem wieder, was ich Sonntag bereits schrieb. Besonders auffallend ist die positive Deutung des Konzernumbaus zu einem weltweiten Logistikunternehmen. Diesen Satz habe ich zig mal gehört und gelesen. Und keiner fragte zurück, worin der Sinn dieses Umbaus bestand und welcher Erfolg damit nun verknüpfbar sei. Deshalb wird auch behauptet, Mehdorn scheiterte an sich selbst, an seiner Sturheit, wie Claus Lingenauber in seinem Leitkommentar heute auf Seite 1 der Neuen Presse Hannover erklärt. Dabei lenkt Lingenauber gezielt von der Sachfrage ab. Mit Sätzen wie…

„Er war Macher, kein Konfliktlöser.“

rundet Lingenauber den verklärenden Blick auf einen Mann ab, dessen Unternehmenspolitik der Bahn noch lange Probleme bereiten dürfte. Albrecht Müller beschreibt das heute mit einer objektiven Leistungsbilanz und anhand von Beispielen sehr schön. Das ist von der Qualität her schon etwas anderes, als dieser geistige Müll, den die Neue Presse heute wieder anbietet. Allein diese Widersprüche. Der Traum von der Privatisierung wird Mehdorns Macher-Image zugerechnet und weiter unten schreibt Lingenauber dann, dass der Nachfolger aber unbedingt von der Privatisierung Abstand nehmen müsse und begründet das wie folgt…

„Denn in Zeiten, in der viele Unternehmen Staatshilfen brauchen, wäre es das falsche Signal, einen halbwegs gesunden Staatskonzern an die Börse zu bringen.“

Das ist also der Grund, die Privatisierung jetzt abzulehnen? Der Leser bleibt entweder verwirrt oder manipuliert zurück. Denn Lingenauber spricht nicht gegen eine Privatisierung, wie es den Anschein hat, sondern schiebt sie nur auf die lange Bank. Die Frage des „ob“ stellt sich für Lingenauber, der mir hier wie ein PR-Erfüllungsgehilfe ohne Hirn und Verstand erscheint, überhaupt nicht. Denn der Traum vom privat geführten Globalplayer gehört ja zur Erfolgsgeschichte des Hartmut Mehdorn. Der Umbau zum Logistikkonzern bedarf somit keiner kritischen Analyse.

Okay, kundenfreundlicher soll es wieder werden, sagt Lingenauber. Aber was bedeutet so ein Satz, wenn man nicht bereit ist, die Gründe kritisch aufzuarbeiten und sich lieber damit zufrieden gibt, eine Charaktereigenschaft („Sturkopf“), die ja menschlich ist, als Lösungsformel anzubieten? Das vernebelt den Blick auf strategische Entscheidungen in der Vergangenheit, die weniger mit persönlichen Eigenarten, denn mehr mit berechnendem Kalkül sowie fachlichem Versagen zu tun haben.

Übrigens, die Neue Presse zählt zum Nachfolgerkreis unter anderem auch Utz Claassen, der erst kürzlich bei Hart aber (Un)Fair im Ersten einer staunenden Öffentlichkeit erläutert hat, warum er seine üppigen Pensionsansprüche gegen seinen Ex-Arbeitgeber EnBW einklagt. Weil es im Vertrag einfach drin stand und ihm zustünde. Schließlich habe er den Wert des Unternehmens doch deutlich gesteigert.

Herr Claassen hat auch ein Buch geschrieben, mit dem Titel „Mut zur Wahrheit“ und sich darin beklagt, dass die Deutschen über ihre Verhältnisse leben. Das fand ich 2007 schon recht interessant. Denn Herr Claassen war da bereits mit 44 in Frührente und hätte bis zu seinem 63. Lebensjahr rund sieben Millionen Euro Übergangsgeld von seinem Ex-Arbeitgeber gezahlt bekommen, nachdem er in der Zeit von 2003 bis 2007 als Vorstand bei EnBW schon rund 12 Millionen Euro eingestrichen hat. Nach 2026 würden die Rentenzahlungen von EnBW dann weiter gehen. Immerhin 400.000 Euro pro Jahr. Steht ja so im Vertrag.

Dieser Frührentner war übrigens schon im Gespräch, als es darum ging den Chefsessel der neuen DB Mobility & Logistics AG zu besetzen. Sie wissen schon, dass ist der Teil der Bahn, der an die Börse sollte. Und da schließt sich der Kreis. Lassen sie sich nicht verarschen. Bleiben sie kritisch oder wie Albrecht Müller sagt…

„Wir alle müssen wieder lernen, skeptisch zu sein, wir brauchen wieder kritische Medien. Das ist wesentlich.“

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Na, ob der Mehdorn nun endlich fliegt?

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Ich bin mir da noch nicht sicher. Zwar ist man generell der Auffassung, dass das Faß nun übergelaufen sei, jedoch bin ich irritiert darüber, wie mit Mehrdorn abgerechnet wird. Wenn man so die Nachrichten und Kommentare verfolgt, fällt eines auf. Das Scheitern des Bösrengangs der Bahn wird als Versagen Mehdorns hingestellt. Dabei ist es doch ein Glücksfall, dass die Bahn und damit Volksvermögen nicht einfach so am Kapitalmarkt weit unter Wert verscherbelt wird. Vorerst!

Andersherum müsste man ja annehmen, dass sich der Börsengang per se als Unternehmenserfolg darstellen ließe. Darin spiegelt sich meiner Meinung nach noch immer eine durch PR gesteuerte Meinungsmache, die den Daten- und Spitzelskandal vielleicht nur zum Anlass nimmt, eine für alle sichtbar untragbar gewordene Führungsperson loszuwerden, um auf der anderen Seite zweifelhafte Unternehmensziele zu schützen. Die Frage muss doch nicht lauten, ob Mehdorn nun geht oder nicht, sondern vielmehr, wie es mit der Bahn nun weitergeht.

In den Aufzählungen der Mehdornkritiker finden sich lediglich die ICE-Achsen-Geschichte, der Bedienzuschlag oder die Bonuszahlungen. Man liest kaum etwas über die katastrophale Bilanz des Aufgabenumbaus – nämlich vom volkswirtschaftlich wichtigen Beförderungsmittel zum Logistikdienstleister. Keiner fragt nach dem Sinn dieser Unternehmensstrategie. Nur Mehdorn selbst scheint etwas zu ahnen und schlägt verbal um sich…

„Offensichtlich haben einige das Ziel, den eingeschlagenen Kurs der Deutschen Bahn zu torpedieren und damit einen politischen Linkskurs durchzusetzen. Ich kann aber nur dringend warnen: Ein Zurück zu den Zeiten von Reichsbahn und Bundesbahn wäre eine Katastrophe für unsere Kunden und Deutschland.“

Dabei ist es genau umgekehrt. Mehdorns Kurs war und ist eine Katastrophe für die Volkswirtschaft und für ihre Bürger – ich sage bewusst nicht Kunden! Das haben der Mehdorn und viele andere Manager von ehemaligen Staatsbetrieben und die an deren Lippen hängenden Politiker nämlich vergessen. Diese Unternehmen sind eigentlich dafür da, eine wichtige Aufgabe für die Bürger wahrzunehmen. Die Tatsache, dass man dann Städte vom Zugverkehr abkoppelt oder auf bewährte Beföderungsmittel wie den InterRegio z.B. aus Kostengründen verzichtet und dafür ein Preissystem einführt (vom Luftverkehr abgeguckt), dass niemand mehr versteht und bei dem es vornehmlich darauf ankommt, möglichst früh Bescheid zu wissen, wann man irgendwohin fahren möchte, sprechen eben nicht für einen erfolgreichen Kurs im Sinne des Bürgers, der auf einem Bahnhof steht und von A nach B befördert werden will.

Aber Mehdorn sagt ja bewusst „Kunden“. Vielleicht meint er ja ganz bestimmte Kunden. Jedenfalls sprechen der Verlust von 170.000 Arbeitsplätzen seit 1994 auch nicht für einen erfolgreichen Strategiewechsel von „Behördenbahn“ zur Bahn AG wie Mehdorn uns glauben machen will. Diese Zahl auch mal zu nennen und einzuordnen, wäre bereits eine Rechercheleistung, die ich für journalistisch wertvoll erachten würde. Es wäre auch mal schön zu lesen, dass seit 1994 rund 250 Mrd. Euro an Steuergeldern in die Bahn geflossen sind und Herr Mehdorn bisher mit einem Privatisierungserlös von schlappen 6 Mrd. Euro rechnete. Geld, dass die Bahn angeblich dringend bräuchte, wie uns Tiefensee und Steinbrück immer wieder versicherten.

Es bleibt also die Frage, welchen Erfolg Mehdorn denn nun vorzuweisen habe. Da wird er ihnen vielleicht den tollen Expansionskurs im Ausland unter die Nase reiben wollen. Diesbezüglich lohnt sich dann aber eine Frage an Mehdorns vorherigen Arbeitgeber, die Heidelberger Druckmaschinen AG, der er ebenfalls vorstand. Dort hat er auch Zukäufe im Ausland getätigt, um dem Bild eines Globalplayers zu entsprechen. Das Unternehmen geriet in arge Schwierigkeiten und man war schlussendlich heilfroh, diesen Selbstdarsteller wieder los zu sein.

Doch bei der Bahn genießt Mehdorn bis heute Narrenfreiheit. Obwohl es nun auch erwiesen scheint, dass Mehdorn selbst den Datenskandal und die Spitzelei zu verantworten hat, handelt die Bundesregierung nicht. Man wartet weiter ab. In anderen Fällen sind Verdachtskündigungen wegen angeblich unterschlagener Pfandbons rechtens. Warum hält die Bundesregierung also an dem Mann noch fest? Es fehlt wohl der Nachfolger. Und zwar einer, der die Privatisierungssache, ohne größeres Aufsehen zu erregen, weiterführt. Es stehen schließlich zahlreiche Boni und künftige Jobs für Politiker auf dem Spiel.

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Ergänzung: Studiengebühren

Geschrieben von:

Bitte lesen sie zum Thema Hochschulzulassung auch die heutigen Bemerkungen von Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten. Das Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen hat sich im Zuge der Föderalismusreform geändert. Die Parole lautete „Befreiung“ vom Staat. Jede Hochschule sollte sich ihre Studenten selbst aussuchen dürfen. Im Ergebnis erleben wir nun das blanke Chaos. Unbesetzte Studienplätze einerseits und viele Studierwillige ohne Zugang andererseits. Warum? Aufgrund des autonomen Auswahlverfahrens werden Studierwillige dazu gedrängt, sich an mehreren Hochschulen gleichzeitig zu bewerben. Logischerweise kann dann ein Bewerber u.U. auch mehrere Zusagen erhalten. Er wird sich aber in der Regel nur für ein Angebot entscheiden, was dazu führt, dass die anderen ebenfalls offen gehaltenen Plätze nicht in Anspruch genommen werden können und theoretisch neu vergeben werden müssen. Wie soll das ohne eine zentrale Vergabestelle funktionieren?

Das hätte man sich schon in dem Moment fragen müssen, als man diesen Unsinn von der unternehmerischen Hochschule beschlossen hat. Hat man aber nicht, weshalb die Bundesbertelsmannministerin Schavan nun eingreifen musste. Das tat sie wiederum nicht richtig. Denn abermals durfte sich die wirre Ideologie von der Hochschulfreiheit behaupten. Dennoch feiert die Politik die Einführung einer Internetbörse, die erst noch entwickelt werden muss und an der sich alle Hoschschulen freiwillig beteilligen können. Was soll das?

Wenn man zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Vergabe von Studienplätzen nur dann richtig funktioniert, wenn eine zentrale Koordinierung stattfindet, warum macht man die Teilnahme an einem solchen Verfahren dann nicht zur Pflicht? Mit der ZVS steht noch immer eine Behörde bereit, die die Vergabe von Studienplätzen wieder voll übernehmen könnte.

Aber darum geht es nicht. Wie ich gestern schon schrieb, ist das Wettbewerbsdenken an den Hochschulen vordergründig darauf ausgerichtet, die besten Köpfe im Konkurrenzkampf anzulocken. So als ob es ein großes Angebot gäbe, aus dem der Student oder die Hoschschule frei wählen könnte. Dafür muss dann eben auch viel öffentliches Geld für Imagekampagnen und Werbung rausgeschmissen werden, nur um davon abzulenken, dass dieser angebliche Markt überhaupt nicht funktioniert, auch weil ein Großteil von Studierwilligen durch die Gebührenhürde schlicht ausgesperrt wird.

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