Nachtrag zu Guttenbergs Umgangssprache

Geschrieben von: am 05. Apr 2010 um 17:24

Vorhin hatte ich ja über diesen Umgangssprachenquatsch das Nötige geschrieben und darauf aufmerksam gemacht, dass viel weniger die Frage zu klären sei, ob in Afghanistan nun Krieg herrsche, als vielmehr jene Frage, was die Regierung und insbes. Herr zu Guttenberg wussten oder verschwiegen, als sie mit der Bombardierung zweier Tanklastzüge nahe Kunduz einerseits und mit den unmittelbaren Folgen des Angriffs andererseits konfrontiert wurden. Klaus Stuttmann liefert dazu, quasi wie auf Bestellung, die passende Karikatur. Die habe ich gerade im Newsfeed seiner Seite gefunden:

Quelle: Klaus Stuttmann
Krieg umgangssprachlich und in Hochdeutsch

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Zur Umgangssprache des Herrn zu Guttenberg

Geschrieben von: am 05. Apr 2010 um 12:36

Der geölte Bundesverteidigungsminister Freigeist Karl-Theodor zu Guttenberg ist ja bekanntlich als Sprachwahrer des Jahres 2009 ausgezeichnet worden (siehe hier im Blog), weil er das gute alte deutsche Wort „Krieg“ wieder zum Leben erweckt hat. Eigentlich sollte man an diese alberne und ablenkende Sprachdiskussion keine weitere Zeit verschwenden, doch wie schrieb Petra Rückerl von der Neuen Presse Hannover am Ostersamstag auf Seite 1 des Hannöverschen Schmierenblattes im Leitkommentar: Die Taliban könne man halt nicht einfach so wegbomben. Und weil das so sei, sterben auch deutsche Soldaten in Afghanistan. Deshalb benötige man dringend eine neue Strategie.

Wie gut, dass der Sprachwahrer dann gleich am Ostersonntag, nachdem er seinen Urlaub abgebrochen hatte, ein Zeichen setzte und zur Freude der versammelten Presse einmal mehr jenen sprachlichen Unsinn von sich gab, der für die kommenden Tage die Schlagzeilen bestimmen dürfte.

Nach Guttenbergs Aussage sind die Anschläge der Taliban gegen die Bundeswehr ursächlich für die ministerielle Wahrnehmung, in Teilen Afghanistans herrsche ein Zustand, den man umgangssprachlich als Krieg bezeichnen könne. Wenn natürlich die Bundeswehr ein paar Tage vorher sechs verbündete afghanische Soldaten über den Haufen schießt, ist das natürlich ein Versehen und kein Beleg für einen Krieg, der zahlreiche Todesopfer auf militärischer wie ziviler Seite fordert.

Zunächst einmal hat sich an der Wahrnehmung des Ministers seit November 2009 nichts geändert, außer das Deutschland drei weitere Todesopfer zu beklagen hat, die sinnlos sterben mussten, wie so viele andere Menschen in Afghanistan, seit Beginn des Krieges vor über acht Jahren. Und dennoch wird die neuerliche Sprachentgleisung des Herrn zu Guttenberg als Medienevent gefeiert. Guttenberg spricht von Krieg in Afghanistan, lauten die Schlagzeilen. Was soll das? Sehr viel interessanter wäre doch eine Aussage des Ministers zum Bombenangriff auf zwei Tanklastzüge nahe Kunduz. Was sagt der geölte Freigeist denn dazu? Natürlich nichts, weil der feste PR-Termin vor dem Untersuchungsausschuss bereits gebucht ist. Da wollte die selbstsicher wirkende Wortgirlande aus Franken sogar vor laufenden Kameras auftreten und begeistern. Aber daraus wurde ja bekanntlich nichts. Merkels Strategie des Vertuschens darf nicht gefährdet werden. Diesem Ziel muss sich dann auch der galante Politstar aus der CSU unterordnen und ein paar Beliebtheitspunkte abgeben.

Doch zurück zur Umgangssprache, die Gutti in seinem Statment ja so betont. Was meint der Aristokratenschnösel eigentlich damit? Wenn sie und ich vom Krieg in Afghanistan sprechen, dann bedienen wir uns laut dem hochgebildeten jungen Führer der Atlantik-Brücke zu Guttenberg einer umgangssprachlichen Ausdrucksform. Er selbst würde das, was in Afghanistan passiert, eben nicht als Krieg bezeichnen. Das ist die Botschaft, die Guttenberg aussendet. Warum die Medien gerade das Gegenteil behaupten, liegt entweder an der Dummheit einzelner Journalisten oder aber an dem Willen, die Bevölkerung absichtlich zu täuschen und das PR-Spiel des feinen und beliebten Herrn zu Guttenberg mitzuspielen.

Fallen sie nicht auf Guttenbergs Wortakrobatik herein. Er missbraucht die Sprache, übt im Grunde Gewalt gegen sie aus, um zu manipulieren und zu verfälschen. Er nutzt die Sprache nicht als Mittel zur Kommunikation, sondern als Waffe im Kampf gegen die Wahrheit. Wenn Guttenberg zum Beispiel sagt, dass man Afghanistan nicht „Hals über Kopf“ verlassen könne, weil man dann jenen Platz machen würde, die sich „durch verabscheuungswürdiges Handeln“ auszeichneten, ist das eine infame Verharmlosung eigener Schuld sowie ein Leugnen eigenen Versagens. Nach über acht Jahren Krieg, in dem nicht nur Taliban verabscheuenswert handelten, sondern auch deutsche Soldaten, indem sie auf befreundete Kräfte schossen, indem sie eine Bombardierung befahlen, die zahlreichen unschuldigen Menschen das Leben kostete und indem sie sich mit Totenschädeln in der Hand haben ablichten lassen, ist der Vorwurf zu Guttenbergs an die Kriegsgegner, sie würden etwas fordern, dass einer „Hals über Kopf-Strategie“ gleichkäme, überhaupt nicht hinnehmbar. In Afghanistan befinden sich Deutschland und die NATO doch schon längst in einem militärischen Zustand, den man mit Schrecken ohne Ende sehr treffend beschreiben könnte.

Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, dass einige Formulierungen die Grenze des Absurden noch übersteigen:

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dem afghanischen Präsidenten Hamid Karzai in einem Telefonat ihr Beileid über den Tod afghanischer Soldaten durch Bundeswehr-Beschuss ausgesprochen. Auch Verteidigungsminister Guttenberg entschuldigte sich bei seinem afghanischen Kollegen. Die Bundeswehr müsse alles unternehmen, damit ein solches Aufeinandertreffen Verbündeter vermieden werde, sagte der Minister. „In Situationen, die man als kriegsähnlich oder umgangssprachlich als Krieg bezeichnen mag, ist es nie ausgeschlossen, dass es eben auch zu solchen alles andere als wünschenswerten Situationen kommt.“

Quelle: Reuters

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Ich wünsche ihnen jedenfalls noch ein schönes Rest-Ostern.

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Erneut gesunkene Einzelhandelsumsätze: Kein Aprilscherz

Geschrieben von: am 01. Apr 2010 um 19:24

Wie bereits heute morgen getwittert, sanken die Einzelhandelsumsätze auch im Februar 2010. Falls das noch jemand mit dem Adjektiv „überraschend“ charakterisiert, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Februar 2010 nominal 0,5% und real 0,9% niedriger als im Februar 2009. Beide Monate hatten jeweils 24 Verkaufstage. Das Ergebnis für den Februar 2010 wurde aus Daten von sieben Bundesländern berechnet, in denen circa 76% des Gesamtumsatzes im deutschen Einzelhandel getätigt werden. Im Vergleich zum Januar blieb der Umsatz im Februar 2010 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal unverändert und sank real um 0,4%.

In den ersten beiden Monaten des Jahres 2010 setzte der deutsche Einzelhandel nominal 2,1% und real 2,5% weniger um als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Der letzte Satz ist interessant. Inzwischen bewegen wir uns ja innerhalb eines statistischen Bereichs, in dem Krisenmonate mit Krisenmonaten verglichen werden. D.h., dass Jahr 2009 war schon komplett von der Krise gekennzeichnet. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2009 wurden dann auch im Vergleich zum selben Zeitraum 2008 deutlich niedrigere Umsätze im Einzelhandel gemessen. Lesen sie die Meldung von vor einem Jahr:

Quelle: destatis (2009)

In den ersten beiden Monaten des Jahres 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal und real jeweils 3,3% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.

Im aktuellen Jahr liegen wir also mit den Einzelhandelsumsätzen noch einmal deutlich unter dem Vorkrisenzeitraum im Jahr 2008. Wer angesichts dieser niederschmetternden Entwicklung immer noch von „überraschenden“ Ergebnissen spricht oder gar von einer stabilen Lage, wie die Commerzbankspinner hier zum Beispiel, verfolgt nur das eine Ziel, die Menschen absichtlich zu täuschen.

Das Ganze passt natürlich auch überhaupt nicht zu den gestrigen Jubelmeldungen über das neuerliche „Jobwunder“. Zufällig hielt ich vorhin beim „Einkaufen“ :>> die aktuelle Ausgabe der Neuen Presse Hannover in der Hand. Urlaub eben. Aber ich habe sie mir nicht gekauft, sondern nur den Leitartikel von Udo Harms gelesen und das Papier daraufhin angewidert in den Zeitungsständer zurückgesteckt. Offensichtlich bleibt die NP-Redaktion ihrer manipulierenden Linie treu. Von erstaunlicher Stabilität war in Bezug auf den Arbeitsmarkt die Rede und vom Job-Frühling in Hannover. Einfach nur lachhaft, diese bornierten NP-Spinner.

Der ganze Laden fliegt auseinander, die europäische Währungsunsion ist so gut wie Geschichte und die Neue Presse Hannover ruft den stabilen Job-Frühling aus. Gestern lief ja ein Film über Scientology im Ersten. Ich frage mich, warum man sich mit solchen Randgruppen abgibt und nicht einmal die viel schlimmere Meinungsmanipulation durch Medien wie die Neue Presse Hannover zur besten Sendezeit filmisch unter die Lupe nimmt. In diesem Sinne, einen schönen Karfreitag und lassen sie sich nicht ans Kreuz nageln. :D

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blogintern: Statistik 03/10

Geschrieben von: am 01. Apr 2010 um 9:27

Im März 2010 haben die Besucher- und Seitenzugriffszahlen wieder zugenommen. Einem Tipp folgend, habe ich den Blog auf diversen Blogportalen eingetragen. Das hat möglicherweise zu der positiven Entwicklung mit beigetragen. Wie immer an dieser Stelle, möchte ich mich bei allen Leserinnen und Lesern sowie den Mitdiskutanten bedanken, die immer fleißig Kommentare schreiben. Empfehlen sie den Blog ruhig weiter, wenn er ihnen gefällt. :D

Stats_0310

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TV-Tipp und Sendung versteckt: Dokumentation über das System Berlusconi

Geschrieben von: am 31. Mrz 2010 um 21:13

Italien hat soeben rechts gewählt. Warum? Was steckt dahinter? Das System Berlusconi im Fokus. Medien, Macht und Macho heißt eine interessant klingende Dokumentation, die mal wieder im Nachtprogramm, heute um 0:35 Uhr im ZDF, nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit versendet wird.

Die Italien-Korrespondentin des ZDF, Antje Pieper, dokumentiert das „System Berlusconi“ und zeigt sein unbestrittenes politisches Gespür. Exemplarisch: Das Erdbeben von l’Aquila. Silvio Berlusconi hat die Ausnahmesituation genutzt. Der Einsatz der freiwilligen Helfer, das schnelle Eingreifen des Zivilschutzes wurden zu seinem ganz persönlichen Erfolg. Kritische Nachfragen hingegen, wie es zu dem Unglück überhaupt kommen konnte, werden zur Nebensache erklärt.

Quelle: ZDF

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Privat vor Staat

Geschrieben von: am 31. Mrz 2010 um 18:12

Dieser urliberale Grundsatz gilt auch bei der Bankenrettung. Wie auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke bekannt wurde, sind rund 80 Prozent der staatlichen Rettungsbeihilfen bei den privaten Banken gelandet.

Ungefähr 80 Prozent der Rettungsbeihilfen des Bundes sind bisher an Privatbanken einschließlich der ”Hypo Real Estate“ und der Deutschen Industriebank (IKB) gegangen. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/1056) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (17/762) weiter mitteilt, erhielten Landesbanken wie die BayernLB und die HSH 20 Prozent der Rettungsbeihilfen. Bei den Rekapitalisierungsmaßnahmen betrug der Anteil der Privatbanken sogar 90 Prozent. 10 Prozent kamen der WestLB zugute.

Quellen: PM Bundestag und komplette Antwort

Das kann man eigentlich gar nicht glauben, nachdem immer wieder behauptet wird, dass es die öffentlichen Institute am schlimmsten getrieben haben sollen. Nicht das wir uns falsch verstehen. Die Landesbanken haben eindrucksvoll bewiesen, wie man das von den privaten Hardcore-Zockern Erlernte in die eigene Unternehmensphilosophie einfließen lässt. Schließlich stehen hinter den öffentlichen Banken jene Volksvertreter, die es bis zum Ausbruch der Krise unheimlich toll fanden, den Finanzjongleuren nachzueifern.

Das tun sie übrigens immer noch…

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Kurz zu den neuen Arbeitslosenzahlen

Geschrieben von: am 31. Mrz 2010 um 16:40

Das Thema ist und bleibt absurd. Man feiert eine angebliche Früjahrsbelebung und weiß im Grunde ganz genau, dass die Statistik tief manipuliert ist. Am tollsten finde ich in diesem Zusammenhang einen Artikel der Welt, in dem über einen Streit der „Experten“ berichtet wird. Sie müssen bei diesem Artikel nur Anfang und Ende lesen, um die Absurdität des Ganzen nachzuvollziehen. Den Text dazwischen einfach auslassen.

Der Frühling hat auf dem Arbeitsmarkt für einen kräftigen Aufschwung gesorgt. Im März gingen die Arbeitslosenzahlen um 75.000 auf 3,568 Millionen zurück. Erstmals sank die Zahl der Arbeitslosen damit wieder unter den Vorjahreswert.

[…]

Die Arbeitslosenzahlen kann man nicht allein für sich betrachten. Dass sie nicht viel höher ausfallen, liegt einerseits daran, dass die Statistik nicht mehr alle Arbeitslosen erfasst. Offiziell ging die Arbeitslosenzahl gegenüber dem Vorjahresmonat um 18.000 zurück – aber nur, weil arbeitslose Teilnehmer bestimmter Trainingsmaßnahmen sowie Arbeitslose, die von Privatvermittlern betreut werden, nicht mitgezählt werden. Wären sie dabei, wäre die Arbeitslosenzahl um 142.000 gestiegen. Dazu kommen die 800.000 Kurzarbeiter. Einige Hunderttausend von ihnen wären arbeitslos, wenn die Unternehmen nicht die vom Staat geförderte Kurzarbeit in Anspruch nehmen würden.

Wie man angesichts der Fakten, die am Ende des Beitrags richtig zusammengefasst werden, von einem „Jobwunder“, von einem kräftigen Aufschwung oder Streit zwischen „Experten“ faseln kann, bleibt mir ein Rätsel. Ohne statistische Tricks wären die Arbeitslosenzahlen gestiegen und zwar ziemlich deutlich. Ich sehe da keine Frühjahrsbelebung, sondern eher eine Frühjahrsverarschung. Die Redakteure der Welt fürchten sich offensichtlich gar nicht davor, dass ihren Lesern die Wirklichkeit auffallen könnte, die ihnen die Springer-Journalisten selbst völlig überraschend liefern.

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Volker Pispers eigentlich über Wahrnehmungsstörungen

Geschrieben von: am 30. Mrz 2010 um 20:04

Auch im Urlaub erreicht mich Volker Pispers Dienstags-Botschaft. Wenn man so auf das Meer blickt und sich einmal klarmacht, dass die Wellen immer auf den Strand schlagen werden, weil der Wind über das Wasser bläst, stellt man sich die Frage, wie schwierig es sein muss, zu leugnen, dass Wellen überhaupt auf den Strand schlagen, wenn der Wind weht.

Aber genau das tut die Bundesregierung wenn man ihr so zuhört. Export um jeden Preis und Haushaltsdisziplin bei den Abnehmerländern. Auch Volker Pispers stellt die Frage, in welchem Zusammenhang die Exportweltmeisterschaften Deutschlands zu der Verschuldung in den südeuropäischen Ländern stehen. Das ist gar nicht so doof, was Pispers da in seinem kurzen Beitrag mit dem Titel „Augenwischerei“ formuliert. Er beschreibt die Wellen, wie sie auf den Strand schlagen. Eigentlich müsste man sie auch hören, wenn man nicht hinguckt.

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Zur Peinlichkeit der deutschen Bundesregierung

Geschrieben von: am 28. Mrz 2010 um 19:47

Angela Kohl, Abwarten, abwägen, aussitzen – Wie Angela Merkel Altkanzler Kohl immer ähnlicher wird. So titelt der aktuelle Stern.

Stern vom 25.03.2010

Dabei hat das Verhalten Merkels eigentlich nichts mit Ähnlichkeiten zu tun, sondern mit einer Haltung, die in der konservativen und scheinbürgerlichen Parteienwelt tief verankert ist. Ein unabhängiges Urteilsvermögen gehört nicht zu diesem Politikstil. Das abwartende Verhalten ist sozusagen systembedingt. Die, die sich als die Bürgerlichen bezeichnen, warten solange, bis sich die Mehrheit ihrer Klientel eine Meinung gebildet hat, der sich der politische Arm dann anschließen kann. Deshalb turnen auch Gestalten wie Ackermann und Co. ständig im Kanzleramt herum und diktieren der Frau Regierungschefin ihr politisches Programm. Die NachDenkSeiten schrieben einmal von einem Kaffeekränzchen, das unser Land regiert. Man kann aber auch von einem Meinungspotpourri von Interessenvertretern sprechen, wie es Heiner Flassbeck in seinem Buch „Gescheitert“ macht.

Kennzeichnend ist jedenfalls, dass für die selbsternannten „Bürgerlichen“, aber auch für Rote und Grüne, Sachverstand und Expertise Fremdwörter sind. Man greift ja nicht einmal auf das eigene Personal in den Ministerien zurück, sondern man findet es inzwischen völlig normal, sog. „externen Sachverstand“ einzuholen. Dabei stellt sich immer wieder heraus, dass diese Beratungsleistungen von Personen erbracht werden, die im Dienste von Kapitalinteressen ihr Werk verrichten. Für die Regierung zählt also nicht das eigene Urteilsvermögen auf der Grundlage des ihr zuarbeitenden Beamtenapparates. Die Regierung selbst scheint bloß Angestellte zu sein. Das Aussitzen und Abwarten von Frau Merkel ist deshalb keine verspielt klingende Annäherung an die erfolgreiche Überlebensstrategie Helmut Kohls, der ja gemeinhin als Mentor Merkels gilt, sondern vielmehr ein Ausdruck von Führungs- und Regierungsunfähigkeit.

Das wiederum ist ein Zustand, der weniger mit einem bürgerlichen Selbstverständnis, als vielmehr mit finanzfeudaler Unterwürfigkeit zu tun hat. Merkel, Westerwelle, die SPD-Stones, Schröder und Fischer gehören zu einem Typ von Politikern, die nach außen hin als Wahrer bürgerlicher Interessen auftreten, in Wirklichkeit aber als Angestellte des großen Kapitals die Aufträge ihrer eigentlichen Vorgesetzten in Banken und Versicherungen artig erfüllen, damit dem reichsten Zehntel der Bevölkerung, das bereits jetzt schon über rund 60 Prozent des Gesamtvermögens verfügt, noch mehr zugeteilt wird.

Nur so ist auch zu erklären, warum die Bundesregierung in Bezug auf die Lösung der Finanzkrise innerhalb der EU so ein dummes Zeug erzählt und sich zum Gespött aller anderen Währungsteilnehmer macht, die aber der größten Ökonomie der Eurozone zwangsweise zustimmen müssen, um das Gesamtkunstwerk zu retten. Dabei könnte man natürlich Deutschland kurzerhand einen europäischen Arschtritt verpassen und aus der Eurozone ausschließen. Dann könnte Deutschland seine harte D-Mark wiederhaben und die anderen Länder ihren Euro endlich so abwerten, dass deutsche Billigwaren wieder teurer und die eigenen Exporte nach Deutschland günstiger werden. Und Frau Merkel würde einmal merken, wie sich das mit den volkswirtschaftlichen Zusammenhängen verhält.

Die Zeitung „der Freitag“ schreibt sehr treffend:

„Lost in Translation“

Hallo Berlin, hören Sie uns? Verzweifelt versucht Europa, mit Deutschland in einen volkswirtschaftlichen Dialog zu treten. Doch dort versteht man immer nur BWL

Frau Merkel denkt in betriebswirtschaftlichen Kategorien, aber als Kanzlerin vertritt sie das ganze Land und spricht folglich als Volkswirtschafterin. Das ergibt ein babylonisches Sprachgewirr mit Sätzen ohne jeden Sinn. Beispiel: „Deutschland hat kein Geld.“ Da steht die Frau aus der Ex-DDR im falschen Laden Schlange. Kein Geld gibt es drüben in der Betriebswirtschaft. In einer Volkswirtschaft werden höchstens einmal die Devisen knapp oder die Produktionskapazitäten. Genau diese sind in Deutschland sogar im Übermaß vorhanden. Bloß hängt daran ein Verbotsschild: Halt, nur für den Export bestimmt! Einheimischer Gebrauch nur zwischen sechs und neun Uhr morgens. Drei Arbeitsstunden täglich reichen nämlich dicke, um das zu produzieren, was Hartz IV und der Niedriglohnsektor an Konsum zulassen. In Deutschland fehlt es nicht an Geld, es ist leider bloß immer seltener dort, wo die Nachfrage sein könnte.

Noch ein Beispiel aus Babylon. Angela Merkel hält an Deutschlands Exportüberschüssen fest, verlangt aber vom Ausland die Begleichung der Schulden. Wenn ein Unternehmer das sagt, ist es in Ordnung. Sagt eine Kanzlerin dasselbe, ist es peinlich. Beides geht einfach nicht. Solange die Bundesrepublik Leistungsbilanzüberschüsse erzielt, steigen per Definition die Schulden des Auslands gegenüber Deutschland.

Peinlich wäre schon der richtige Ausdruck, wenn die Peinlichkeit hierzulande auch dem Meinungsmainstream auffallen würde. Doch in den Kommentaren der scheinbürgerlichen Printerzeugnisse wie Welt, FAZ und Co. liest man nur Gutes über Merkels angeblich so harten Euro-Kurs. Dabei hat das nichts mit Härte zu tun, als vielmehr mit dem psychopathologischen Zustand des Wahnsinns. Das kennen wir ja schon von der Westerwelle.

Der bezeichnet sich ja selbst auch als Bürger sowie als Verteidiger bürgerlicher Interessen. Dabei bildet er und seine FDP das Zentrum antibürgerlicher Reflexe, wie man in der Zeit zum Beispiel sehr schön nachlesen kann. Westerwelle macht die bürgerliche Teilhabe ja ganz offen vor allem von materiellen Voraussetzungen abhängig. Deshalb macht er nach seinem Verständnis auch keine Klientelpolitik, weil er letztlich nur bürgerlichen Interessen diene.

Einen Widerspruch zwischen allgemeinen und partikularen Interessen erkennt er nicht. Man kennt diese Manöver von anderen, findigen Populisten. Etwa von dem italienischen Ministerpäsidenten Silvio Berlusconi, der sich als einer der reichsten Unternehmer des Landes gern als Stimme des kleinen Mannes geriert. Westerwelle hält sich für einen Citoyen, doch sein Programm taugt nur für den Bourgeois. Und wer nicht zu seiner Klientel gehört, verdient es nicht, zum Bürgertum gezählt zu werden. L´etat c´est Westerwelle.

L’état c’est Westerwelle. Das ist irgendwie toll, wenn auch falsch gewählt. Denn nicht Westerwelle oder Merkel sind diejenigen, die einen, dem absolutistischen ähnlichen, Machtapparat etablieren, sie sind doch bloß die Hampelmänner bzw. Frauen, die am Ende jener Fäden hängen, die von Interessenverbänden gehalten werden. Figuren wie Merkel und Westerwelle machen keine Politik, sondern dürfen dem Urnenpöbel in der Berliner Puppenkiste die Demokratie vorspielen, wie Georg Schramm es beim legendären Scheibenwischerabschied von Dieter Hildebrandt formulierte. Das war im Jahr 2003. Damals sagte er weiter,

„Guido Westerwelle, das ist wohmöglich unsere Zukunft. Guido Westerwelle kennt jeder aus den öffentlich rechtlichen Bedürfnisanstalten, aber keiner weiß, was er will. Was vielleicht auch besser so ist.“

Inzwischen wissen wir es, und es wäre in der Tat besser gewesen, wenn wir es nicht erfahren hätten. In Wirklichkeit darf uns also nicht nur unsere Regierung peinlich sein, sondern wir uns vor allem selbst, weil wir es zugelassen haben, dass solche schlechten Laiendarsteller uns Regierung vorspielen dürfen. Wenn der Stern oben also feststellt, dass Angela Merkel dem dicken Altkanzler immer ähnlicher wird, so muss man das als misslungenen Versuch interpretieren, dem Zuschauer – also dem Volk – eine Erklärung für das politische Totalversagen anzubieten. Dabei sollte uns vielmehr interessieren, welche Belohnung diese immer schlechter werdenden Politgestalten von jenen erhalten, die teils im Hintergrund und teils ganz offen vordergründig die Fäden ziehen. Diese Ähnlichkeiten würden mich jedenfalls eher interessieren, als die, die man in einem oberflächlichen Politikstil zu entdecken glaubt.

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Commerzbank: Bund zweifelt an Rückzahlung von Milliardenhilfen

Geschrieben von: am 27. Mrz 2010 um 19:52

Spielt es eigentlich noch eine Rolle, was in den Banken mit unserem Geld passiert? Spielt es eigentlich noch eine Rolle, wie dumm und einfältig sich Journalisten verhalten haben, als der Staat mit Steuergeld marode Banken rettete. Die Commerzbank wurde vom Bund zum Beipiel mit 18,2 Mrd. Euro gerettet. Das war das Sechsfache des damaligen Börsenwertes. Begnügt hat sich der Bund mit 25 Prozent plus einer Aktie und einem selbstauferlegten Maulkorb. Stille Einlage nannte man das und die Journaille freute sich seinerzeit über das Vorgehen des Staates. Man glaubte, dass die Banken, wie der Fall Schweden in den 90ern zeigte, die großzügigen Geldleistungen des Staates mit ordentlichen Zinsen vergelten würden. Wie schrieb Claudia Brebach von der Neuen Presse Hannover am 10.11.2008?

„Der Fall Commerzbank hat Bankern aber wohl auch klar gemacht, dass es kaum weh tut, zum Staat zu gehen. Die Konditionen des Bundes bei der Not-Kreditvergabe sind moderat, er mischt sich nicht einmal ins Kerngeschäft ein, sondern begnügt sich mit einem guten, von den Banken bezahlbaren Zinsertrag. Eigentlich müsste es geradezu einen Run auf Staatskredite geben.“

Ein Kommentar, der mich noch heute tierisch aufregt. Damals habe ich mit der Journalistin korrespondiert und ihr klarzumachen versucht, dass sie sich im Irrtum befindet und einen schweren Fehler begeht, wenn sie so unkritisch berichtet. Das alles hat sie nicht interessiert und argumentiert, dass nichts darauf hindeute, dass der Steuerzahler da irgendetwas finanziert und nichts zurückbekäme (siehe hier und hier im Blog).

Inzwischen schreiben wir das Jahr 2010 und Frau Brebach wird sich kaum noch an den Briefwechsel erinnern. Ich hätte es auch dabei belassen, wenn nicht nach der Commerzbank selbst im Jahr 2009, nun auch der Bund in Gestalt seiner Soffin-Kontrolleure eingesteht, dass es von der Commerzbank auf Jahre hinaus keine Zinszahlungen geben werde und es wohmöglich besser wäre, auf einen Teil des investierten Geldes, also den 18,2 Mrd. Euro, gleich ganz zu verzichten.

Quelle: MMnews

Im Soffin mehren sich sogar die Stimmen, die von Teilverlusten der Staatshilfe ausgehen. „Ob das Geld jemals ganz zurückgezahlt werden kann, da bin ich skeptisch“, sagt ein Teilnehmer der Runde. Es sei vielleicht sogar sinnvoll, einen Teil des Geldes abzuschreiben.

„Der Bund muss kühl durchrechnen, ob es nicht sinnvoller ist, auf einen Teil des Geldes zu verzichten“, sagte ein weiterer der WirtschaftsWoche. Dahinter steckt die Erwartung, dass sich die Anteile an der Commerzbank nicht verkaufen lassen, solange die Bank keine Dividenden zahlen kann.

Eine schöne Bescherung. Bitte sagen sie es auch anderen weiter, wie das mit dem Steuergeld für systemische Banken konkret funktioniert. Da fließt nichts zurück. Die beteiligten Parteien setzen wohl auf die Vergesslichkeit in der Bevölkerung.

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