Irrationale Krisenlogik

Geschrieben von: am 20. Jul 2012 um 8:06

Die Umdeutung der Banken- in eine “Staatsschuldenkrise” ist geübte Praxis in der Politik und in den Medien. Deshalb ist es auch logisch, aber keinesfalls überzeugend, dass nach dem gestrigen Beschluss des Bundestages über weitere Milliardenhilfen an dieser wirren Überzeugung entlang kommentiert wird. Beispiel gefällig:

“Doch die per Sondersitzung des Bundestags beschlossene Milliarden-Hilfe für Spanien markiert tatsächlich – wieder einmal – einen Schritt über die nächste rote Linie. Erstmals müssen deutsche Steuerzahler nicht einen maroden Staat, sondern Banken vor der Pleite retten, weil diese sich mit einer gewaltigen Immobilienblase verspekuliert haben. Der deutsche Sparer haftet mit seinen Cents für unfähige spanische Bankiers – alleine die Vorstellung daran fällt schon schwer.”

Quelle: NWZ Online

Diesen Kommentar habe ich herausgesucht, weil er auf NDR-Info den ganzen Morgen rauf und runter gedudelt wird. Das “Erstmals” lehnt sich dabei offenbar an einen dapd Bericht von gestern an, in dem von Kritikern behauptet wurde, mit dem Geld der Steuerzahler würde erstmals kein Land, sondern marode Banken gerettet.

Das ist natürlich völliger Blödsinn und unterstellt, dass die bisher aufspannten Rettungsschirme und Hilfen an Staaten nicht dazu gedient hätten, die faul gewordenen Forderungen von Banken und Spekulanten zu bedienen. Gleichzeitig wird unterschlagen, dass die aus dem Ruder laufenden öffentlichen Budgets in einem direkten Zusammenhang zu der ersten Bankenrettungswelle in den Krisenjahren 2008/2009 stehen. Damals wurde in Berlin die Systemrelevanz von Banken erfunden und die europäischen Partner genötigt, ihre nationalen Banken vor dem Kollaps oder einer Insolvenz zu bewahren.

Deutsche und europäische Steuerzahler haften nicht erstmals, sondern permanent für marode Banken. Ganze Länder und die dort lebenden Menschen wie auch die Demokratie bleiben dabei auf der Strecke. Das ist die Wahrheit, um die verwirrte Kommentatoren nicht herumschreiben und noch verwirrtere Politiker nicht herumreden sollten.     

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Ormuz  Juli 20, 2012

    Streich doch das „erstmals“ einfach durch, dann stimmt die Aussage wenigstens in diesem Blog ….

  2. Manfred Corte  Juli 20, 2012

    Jetzt klammere Dich ‚mal nicht so an das Wort „erstmals“. Sei froh, daß ein Kommentar mit einem solchen Tenor überhaupt einmal geschrieben wurde – er kommt der Wahrheit ja ziemlich nahe. Der Autot hat nur drei kleine Worte vergessen einzufügen. Der Satz müßt einfach sinngemäß so ergänzt werden: Erstmals werden Banken „direkt und unverhüllt“ …. Dann stimmt es doch wieder und alles ist zurechtgerückt und wieder im Lot! Dem Autor sei verziehen, daß er das nicht so, und damit noch deutlicher formuliertt hat. Dann wäre sein Kommentar echt verdienstvoll! Daß der Vorgang selbst eine Riesenschweinerei ist, so wie ihn unsere Volkskammer abgenickt hat, ist ja ohnehin klar …. Aber das sind wir ja gewohnt, daß ständig gegen das Volk und seine Meinung „entschieden“ wird …

  3. Kopfstaendler  Juli 22, 2012

    Gerade gefunden – wunderbar!

    http://www.wirtschaftsfacts.de/?p=21935

    Island jagt Bankster. Oder bin ich da nicht mehr ganz aktuell? Der Urlaub macht faul.

  4. Kopfstaendler  Juli 22, 2012

    Hier noch ein Buchtip aus meiner „Urlaubslektüre“:

    Karlheinz Krass: „Sklaven ohne Ketten“

    Das war keine Entspannung. Demnächst fahre ich mit meinem Rollstuhl auf Schmetterlingsjagd mit Schmetterlingsnetz, wie die ollen Botaniker. Das ist dann weniger aufregend.