Griechenland möchte Moscovici-Plan

Geschrieben von: am 18. Feb 2015 um 10:58

Es ist kaum zu glauben. Da melden die deutschen Medien heute, Griechenland habe sich quasi ergeben, weil es nun doch einen Antrag auf Verlängerung des Hilfsprogramms stellen will. Ich bin wirklich entsetzt über diese Fehlleistung der Kollegen, die nicht einmal erklären können oder wollen, wie es zu dem Sinneswandel kam. Einige meinen wohl, das Ultimatum hätte gewirkt. Die Griechen sehen keinen Ausweg mehr. Das ist natürlich alles Quatsch.

Das Ultimatum hat die griechische Seite nicht im Geringsten geschockt. Enttäuscht war man über den Rückzieher der Eurogruppen-Finanzminister, die auf Druck Berlins ein bereits vorliegendes Kompromisspapier des EU-Währungskommissars Pierre Moscovici wieder einkassiert hatten. Diesen Vorgang macht die griechische Regierung nun öffentlich, wie Eric Bonse erfahren hat. Die Zustimmung Athens wird sich dann auch auf dieses Papier beziehen und nicht auf den “Weiter-So-Blödsinn”, den Schäuble und Dijsselbloem erneut vorlegten.

Von einem Kurswechsel, wie viele Medien nun schnappatmend meinen, kann also keine Rede sein. Eher von der Wiederbelebung eines guten Vorschlags, über den Schäuble im Rahmen der Finanzministerkonferenz nicht einmal diskutieren wollte.

Lustig sind nun die Reaktionen. Sigmar Gabriel begrüßte mit einem Bierglas in der Hand das vermeintliche Einlenken Athens. Das sei eine gute Entscheidung, “weil jetzt offensichtlich die griechische Regierung erkennt, dass es nicht um die Interessen ihrer Partei geht, sondern um die Interessen Griechenlands und der Bürgerinnen und Bürger”, sagte Gabriel am Rande des politischen Aschermittwochs der SPD im niederbayerischen Vilshofen. In Bayern ticken die Uhren halt anders.

Was Griechenland will, kann man unterdessen bei der britischen Financial Times nachlesen.


EDIT: Die FAZ schreibt: Schuldenkrise – Griechenland veröffentlicht Verhandlungsdokumente

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/griechenland-veroeffentlicht-rede-von-varoufakis-13435497.html


Ergänzung: Äußerst beschämend ist die weitere Medienleistung. Inzwischen wird gemeldet, dass es ein Papier der EU-Kommission am Montag gegeben hat, dem Griechenland auch zugestimmt hätte. Allerdings sei die EU-Kommission nicht berechtigt, Papiere in der Eurogruppe vorzulegen. Diese Darstellung stützt natürlich die harte Schäuble-Position, kommt wahrscheinlich auch von dort.

Die Wahrheit ist aber wie immer mehr als die Summe einzelner Teile. Demnach ist das Treffen der EU-Finanzminister am Montag ja vorbereitet worden und nicht vom Himmel gefallen. Es gibt immer Vorbereitungen, gerade die gipfelerfahrenen Medien sollten das inzwischen mal gemerkt haben. Vor einer Woche sei vor der Sitzung des Europäischen Rates ein Entwurf formuliert worden, der auch von EZB-Chef Draghi und Christine Lagarde vom IWF begrüßt wurde.

In einer Rede stellt der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras den Verlauf der Verhandlungen wie folgt dar:

„In einem harten Verhandlungsprozess, in dem wir es abgelehnt haben, den psychologischen Erpressungsversuchen der Gläubiger nachzugeben, sind wir mit Jeroen Dijsselbloem am vergangenen Donnerstag, fünfzehn Minuten vor Beginn der Sitzung des Europäischen Rates, zu einer gemeinsamen Erklärung gelangt.

Es handelt sich um die Erklärung, die auch der Europäische Rat angenommen hat und durch welche die Eurozone erstmals Abstand davon genommen hat, das Memorandum zur Bedingung des neuen Verhältnisses zwischen Griechenland und seinen Gläubigern zu machen.

Quelle: NachDenkSeiten

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Anonymous  Februar 18, 2015

    Hehe, da hat unsere Lügenpresse mal den Richtigen erwischt…. Gabriel mit Bierglas in der Hand fällt drauf rein, köstlich!!!!!

  2. Michael_I  Februar 19, 2015

    Im Augenblick, könnte der Eindruck entstehen, dass ein intelligenter, fachkundiger Finanzminister die Gelegenheit nutzt, der Welt die wahren Verhältnisse aufzuzeigen.
    Es scheint ihm auch gut zu gelingen. Sowohl in Bezug auf die internen Zappeleien (über ein Agieren kann man wohl kaum sprechen) in Brüssel, als auch hinsichtlich der suggestiv zum Sündenbock stilisierte gesamte Troika (Lagarde hat bereits früher Fehler eingeräumt, die EZB hätte jetzt angeblich den Moskovic-Vertrag unterstützt), präsentiert sich die Deutsche Rolle doch als ein wenig unrühmlicher als es taktisch in Berlin geplant gewesen sein dürfte.
    Damit ist keineswegs eine auf griechischer Seite von vorne herein geplante Taktik der Vorführung des Deutschen Finanzministers gemeint, sondern die Fähigkeit, Dinge für sich sprechen zu lassen. Interessant zu beobachten, ist in diesem Zusammenhang, auch die Art der Reaktionen: Der eine denkt an sein Volk wenn er über Änderungen spricht, der andere spricht von Regeln und wird patzig wenn ihm Druckmitteln als Argumente fehlen. Der eine spricht und hat sein Volk hinter sich, der andere lässt sich provozieren, im Vertrauen auf einer Medienkampagne.
    Ich glaube, niemand vermag wirklich vorher zu sagen, wie es zum Schluß mit Griechenland ausgehen wird. Denn Gott sei Dank, gibt es in diesem Spiel auch gewichtigere Interessen, als es der Trotz eines, im Laufe einer langen Karriere ergrauten Ministers, sein kann.
    Andererseits, durfte ein Duo wie Tsipras und Varoufakis viel schneller Mittel und Wege im Falle eines Austritts finden, um ihr Land zusammen mit ihrem Volk zu reformieren, als es hierzulande möglich sein wird, eine annähernd ähnlich Volksbedachte Besetzung in der Spitzenpolitik hin zu bekommen.