"Gefühlte Inflation"

Geschrieben von: am 10. Dez 2008 um 19:20

Kennen sie noch den Ausdruck „Gefühlte Inflation“?

Den hat seinerzeit Michel Glos erschaffen oder sagen wir mal, geprägt. Warum ich darauf komme. Na wir stehen doch unmittelbar vor einer Deflation. Und um die zu begreifen, muss man erst einmal verstehen, was Inflation ist.

Die hatten wir ja bisher oder auch nicht so richtig wie uns der Wirtschaftsmichel zu erklären versuchte. Es ging nämlich darum, dass alles immer teurer wurde. Scheinbar, wie der Bundeswirtschaftsminister feststellte. Zwar seien Preise für Butter, Backwaren, Milchprodukte, sonstige Lebensmittel und für Energie deutlich im zweistelligen Prozentbereich angestiegen. Auf der anderen Seite aber, seien Preise auch gefallen. In der Unterhaltungsbranche zum Beispiel. Flachbildfernseher seien deutlich billiger geworden oder auch Drucker, rechnete uns der Müller-Michel vor. Insofern handele es sich um eine „Gefühlte Inflation“, so der Minister. Volker Pispers hat die Michelsche Logik mal auf den Punkt gebracht.

“Das heisst ganz einfach: Wenn Sie als mündiger Bürger die Inflation vermeiden wollen, müssen sie nur die richtigen Produkte kaufen. Flachbildfernseher sind z.B. billiger geworden. Was müssen Sie auch immer Butter kaufen? Schmieren Sie sich doch mal nen Drucker aufs Brot!”.

Tjo, in der Deflation ist nun alles anders. Da wird generell jedes Produkt immer billiger. Und jeder wartet nun darauf, dass es noch günstiger wird. Da bricht beim Wirtschaftsmichel sicher Freude aus. An seinem Konzept müsste er nichts ändern. Sein Kumpel Professor (Un)Sinn und er könnten doch nun endlich den Beweis führen, dass ihre Kartoffelmarkttheorie vom markträumenden Preis zutreffend sei.

Und wenn dann die vielen Arbeitnehmer auf der Straße landen, weil sie ihren Arbeitgebern zu teuer geworden sind, da die nichts mehr verkaufen können, weil ja jeder auf noch niedrigere Preise wartet, ja dann wird ihnen der Wirtschaftsminister zurufen, seht her, aber die Preise sind so günstig wie nie. Vielleicht schmieren sie sich dann einfach die niedrigen Preise aufs Brot. Also mal ganz abstrakt. Ohne den lästigen Materialismus. Sie müssen es nur richtig „fühlen“…

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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