Angriff auf die Reste des Sozialstaats

Geschrieben von: am 10. Mrz 2013 um 20:21

Es ist erstaunlich, mit welcher Wucht eine gesteuerte PR-Kampagne der von den Arbeitgebern finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) mal wieder eingeschlagen hat. Da heißt es bei Spiegel Online, “Top-Ökonomen beklagen Reformstau in Deutschland” und die Tagesschau-Redaktion fragt dümmlich “Kommt jetzt die “Agenda 2020”? Zehn Jahre Agenda 2010 locken die Voodoo-Ökonomen erneut hinter dem Ofen hervor. Gemeinsam blasen sie zum Angriff auf die Reste des Sozialstaats.

Dabei versucht die Arbeitgeber-Lobby mit namhaften Politikern wie Kanzler a.D. Schröder, Steinmeier, Steinbrück und Gabriel (die SPD ist wirklich so bescheuert, sich für diesen Blödsinn wieder einspannen zu lassen) und “Experten” wie Christoph Schmidt, Klaus Zimmermann und Thomas Straubhaar eine neue Agenda 2020 ins Gespräch zu bringen. Die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Rente mit 70 und eine höhere Beteiligung an den Gesundheitskosten werden da als dringende Aufgaben benannt und die bisher gescheiterte “Reformpolitik” als großer Erfolg gefeiert.

Die Widersprüche fallen niemanden weiter auf. Bei der Rente mit 67 etwa sei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Die Menschen würden immer älter und das bei zunehmender Gesundheit, schwätzt beispielsweise der Vorsitzende des Sachverständigenrates Christoph Schmidt daher. Gleichzeitig fordert er aber eine stärkere Beteiligung der Menschen an den Kosten der Krankenkassen. Außerdem scheinen dem “Top-Ökonomen” die niedrigen Beschäftigungsquoten Älterer gänzlich unbekannt.

Beschäftigungsquoten

Quelle: Sozialpolitik aktuell

Klaus Zimmermann, früher mal Chef des DIW, jetzt Direktor des IZA warnt gar vor einem demografischen Chaos, obwohl keine Statistik diese Demagogie auch nur im Ansatz bestätigen könnte. Das Gegenteil ist richtig. Der demografische Alarmismus war von Anfang an unbegründet. Derzeit nimmt die Bevölkerungszahl in Deutschland wieder zu (siehe auch: destatis). Zimmermann selbst fiel, bevor er das DIW verließ, mit einer Forderung nach einer Lohnpause für Arbeitnehmer auf. Gleichzeitig empfahl er der Politik, die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent zu erhöhen. Schade, dass seine Sprechpause schon vorüber ist.

Bleibt Thomas Straubhaar, der Wendehals unter den “Top-Ökonomen”. Er rät plötzlich zu einer Fortsetzung der Agenda-Politik, nachdem er im vergangenen Jahr noch von einer Umkehr im ökonomischen Denken sprach. Doch nun heißt es wie eh und je, weiter so! Denn Hartz IV Empfänger hätten kaum finanzielle Anreize, ihre Erwerbslosigkeit zu verlassen, so die Studie der INSM. Auch hier scheinen die “Top-Ökonomen” nicht zu wissen, dass 2,398 Millionen von insgesamt 4,422 Millionen ALG-II-Beziehern (Arbeitsmarktdaten Februar) offiziell nicht als arbeitslos gelten, weil sie zum Teil in Mini- und Midi-Jobs arbeiten, um ihre kärglichen Löhne anschließend vom Jobcenter aufstocken zu lassen. Zuletzt wurde sogar bekannt, dass immer mehr Arbeitslosengeld I Empfänger zusätzlich Hartz-IV beantragen müssen.

Fehlt zum Schluss eigentlich nur der SPD-Kanzlerkandidat, Fettnäpfchen Peer Steinbrück. Er meint angesichts des hanebüchenen Lobbyistengewäschs: “Wir sind Deppen, dass wir die Agenda immer mit Hartz IV gleichgesetzt haben.” Die SPD hätte nur selbstbewusster und stolzer mit der Agenda 2010 umgehen müssen. Seit 2003 tun die Sozialdemokraten allerdings nichts anderes, als den ökonomischen Unsinn stolz und selbstbewusst vor sich herzutragen. Doch was hat es der SPD gebracht? Eine Wahlniederlage nach der anderen. Nun muss sie also noch stolzer und noch selbstbewusster die Segnungen der Agenda vertreten, um verlorene Wählerstimmen zurückerobern zu können?

Kein Wunder, dass eine Frau von der Leyen nach so einer Vorlage die passende Pointe setzen darf. Die Reformschritte des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder seien im Grundsatz “mutig und richtig” gewesen.

“Allerdings mussten wir deutlich nacharbeiten und die Agenda 2010 sozialer machen.”

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. landbewohner  März 11, 2013

    (die SPD ist wirklich so bescheuert, sich für diesen Blödsinn wieder einspannen zu lassen)

    bescheuert sind diese lumpen meiner meinung nach nun nicht. die wissen nur, wo die kohle abzugreifen ist. volksverräter eben.

  2. Trithemius  März 11, 2013

    Hab auch meinen Augen kaum getraut, als ich den Propaganda-Mist gelesen habe. Diese schamlosen Angriffe auf das, was unseren Sozialstaat einmal ausgemacht hat, wären freilich nicht möglich ohne eine willfährige Journaille, die den Propagandisten der Gier und den Mietmäulern des Kapitals immer wieder eine Plattform bieten.

  3. Janz  März 11, 2013

    Ich, habe mein Kreuzchen 30 Jahre bei der SPD gemacht,weil sie sich früher tatsächlich für das Volk eingesetzt hat.Das ist lange vorbei.Nur noch Links!

  4. jenny  März 11, 2013

    Hm, vielleicht sollte man sie einfach machen lassen. Irgendwann fällt dann ja vielleicht den dümmsten Bürger auf, dass da in wirklichkeit nur ideologischer Schwachsinn von denen verursacht wird. Na spätestens wenn dann regelrechte Slums in DE entstehen und es überall total abwärts geht. Die Kriminalität wg. Armut ansteigt, auch in den besseren Vierteln Leute in Mülleimern wühlen oder der erste unbehandelte Kranke stirbt.

    Na irgendwann wird es dann ja mal auffallen.

    einem Tagesschaukommentator ist es in einem sehr guten Kommentar zum manipulierten Armutsbericht schon aufgefallen.

  5. Tyler Durden Volland  März 12, 2013

    Aber, aber…. meine Herren! Ich bitte sie!

    Das deutsche Volk in seiner Weisheit hat bei der letzten Wahl, und wird mit Sicherheit auch bei der nächsten Wahl wieder, die fünf Einheitsparteien des Landes mit der überwältigenden Mehrheit gewählt.

    Bitte erklären sie mir, warum ein Volk das so unsäglich dumm ist, nicht auch die Konsequenzen seines Handels bezahlen sollte?

    Hermann Hesse ist ihnen ein Begriff?

    „Ein grosses, bedeutendes Volk, die Deutschen, wer leugnet es? Das Salz der Erde vielleicht. Aber als politische Nation – unmöglich!
    Ich will ein für allemal, mit ihnen als solcher nichts mehr zu tun haben.“